Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.02.2014, Az. II R 46/12

2. Senat | REWIS RS 2014, 7958

STEUERRECHT GRUNDERWERBSTEUER ERBEN BUNDESFINANZHOF (BFH)

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Gegenstand

Erbengemeinschaft als selbständiger Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht


Leitsatz

1. Vereinigen sich mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand einer Erbengemeinschaft, wird diese nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben.

2. Reicht der vom Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das GrEStG die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig. Der im Bescheid bezeichnete --nicht steuerbare-- Lebenssachverhalt kann nicht durch einen anderen --steuerbaren-- ersetzt werden.

3. Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits aufgrund eines vorausgegangenen Rechtsgeschäfts in einer Hand vereinigt, weil das nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erforderliche Quantum von 95 % der Anteile erfüllt ist, unterliegt der Erwerb der restlichen Anteile nicht zusätzlich der Besteuerung.

Tatbestand

1

I. Die [X.]lägerin und Revisionsklägerin ([X.]lägerin) ist eine aus zwei Miterben bestehende ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem am 24. August 2007 verstorbenen [X.] war im Zeitpunkt seines Todes mit einem Anteil von 85 % an einer GmbH beteiligt. Die übrigen 15 % der Anteile standen im Eigentum des [X.] Zum Gesellschaftsvermögen der GmbH gehört umfangreicher Grundbesitz.

2

Am 10. September 2007 ([X.]. 1175/2007) beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine [X.]apitalerhöhung um 400.000 €, an der die Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile zur Übernahme zugelassen waren. Danach sollten auf [X.] 340.000 € und auf [X.] 60.000 € entfallen. Falls ein Gesellschafter die Übernahme seines Anteils an der [X.]apitalerhöhung innerhalb einer bestimmten Frist nicht erklärt, sollte der andere Gesellschafter zur Übernahme der Anteile berechtigt sein.

3

Am 24. September 2007 erklärte ein Bevollmächtigter des [X.], dessen Vollmacht auch nach dem Tod fortbestand, die Übernahme der auf [X.] entfallenden Anteile aus der [X.]apitalerhöhung. Am 18. Oktober 2007 erklärte er auch die Übernahme des Anteils des [X.], nachdem dieser innerhalb der Frist keine Übernahmeerklärung abgegeben hatte. Nach der [X.]apitalerhöhung entfiel auf [X.] eine Beteiligung in Höhe von 485.000 € (97 %) und auf [X.] eine solche in Höhe von 15.000 € (3 %). Am 27. Februar 2008 ([X.]. 247/2008) übertrug [X.] seinen Geschäftsanteil von 15.000 € auf die [X.]lägerin.

4

Mit Bescheid vom 23. März 2009 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) gegenüber einer Miterbin als Testamentsvollstreckerin für die [X.]lägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 226.500 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. In dem Bescheid ist als besteuerter Sachverhalt die [X.]apitalerhöhung mit dem Datum 10. September 2007 und der [X.]. 1175/2007 bezeichnet. Als Bemessungsgrundlage wurde zunächst ein geschätzter Bedarfswert für die der GmbH gehörenden Grundstücke in Höhe von 6.471.444 € angesetzt. Dagegen legte die [X.]lägerin Einspruch ein.

5

Mit Bescheid vom 3. Juni 2009 stellte das [X.] den Grundbesitzwert auf den 27. Februar 2008 auf 9.748.500 € fest. Über den hiergegen erhobenen Einspruch hat das [X.] noch nicht entschieden. Das Verfahren ruht im Hinblick auf die beim [X.] ([X.]) unter den Aktenzeichen 1 BvL 13/11 und 1 BvL 14/11 anhängigen Verfahren ([X.] des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. März 2011 II R 23/10, [X.], 358, [X.] 2011, 932, und vom 2. März 2011 II R 64/08, [X.], 1009) wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit der Ermittlung des [X.] nach § 138 des Bewertungsgesetzes ([X.]).

6

Am 25. November 2009 erließ das [X.] einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) gestützten Änderungsbescheid und setzte unter Berücksichtigung des festgestellten [X.] die Steuer auf 341.197 € fest. In dem Bescheid ist als besteuerter Sachverhalt die Vereinigung aller Anteile bei der GmbH mit dem Datum 27. Februar 2008 und den [X.]n. 1175/2007 und 247/2008 bezeichnet. Gegen diesen Bescheid legte die [X.]lägerin ebenfalls Einspruch ein.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2011 erklärte das [X.] die Festsetzung der Grunderwerbsteuer wegen der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S. des § 138 [X.] als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist, nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] für vorläufig und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung erging zu "Grunderwerbsteuer 2008; Vereinigung aller Anteile zum 10.09.2007".

8

Die dagegen erhobene [X.]lage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) vertrat die Auffassung, die [X.]lage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Ermittlung des [X.] wende. Die insoweit erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken seien im Verfahren gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.] geltend zu machen. Zudem sei der Bescheid nach § 165 [X.] vorläufig, so dass der [X.]lage insoweit auch das Rechtsschutzinteresse fehle. Im Übrigen sei die [X.]lage unbegründet. Eine Erbengemeinschaft könne in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sein. Der Tatbestand dieser Vorschrift sei dadurch erfüllt, dass die [X.]lägerin insgesamt 97 % der Anteile an der GmbH durch die auf [X.] entfallende [X.]apitalerhöhung erlangt habe.

9

Dagegen richtet sich die Revision der [X.]lägerin. In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt sie, dass die [X.]lage als unzulässig abgewiesen worden sei, soweit ihre Einwendungen sich gegen die Zugrundelegung des [X.] richteten. Das [X.] hätte trotz des Vorläufigkeitsvermerks das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] in den dort anhängigen Verfahren ruhen lassen oder durch Teilurteil entscheiden müssen. In materieller Hinsicht rügt die [X.]lägerin die Verletzung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Für die Frage, wer Erwerber im Sinne dieser Vorschrift sei, müsse darauf abgestellt werden, wer in bürgerlich-rechtlichem Sinne Rechtsträger der Anteile sei. Nach dem Tod des [X.] habe nicht die [X.]lägerin als Erbengemeinschaft die Anteile geerbt, sondern die einzelnen Erben. Eine Erbengemeinschaft sei keine durch einen gemeinsamen Zweck verbundene, sondern eine auf Auflösung gerichtete Gemeinschaft.

Die [X.]lägerin beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. März 2009, den Änderungsbescheid vom 25. November 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2011 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und beider [X.]e (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zwar zutreffend angenommen, dass die [X.]lägerin als Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] sein kann. Es hat jedoch nicht erkannt, dass weder durch die [X.]apitalerhöhung vom 10. September 2007 noch durch den Erwerb des Geschäftsanteils des [X.] durch die [X.]lägerin am 27. Februar 2008 ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang verwirklicht wurde.

1. Eine Erbengemeinschaft kann in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] sein.

a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden [X.] begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der [X.] vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird [X.] derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der [X.] erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 2. April 2008 II R 53/06, [X.], 550, [X.], 544; vom 23. Mai 2012 II R 21/10, [X.], 466, [X.], 793, Rz 12, und vom 11. Juni 2013 II R 52/12, [X.], 419, [X.], 752, Rz 10). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden [X.] in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem [X.]sgrundstück zuwächst ([X.] vom 15. Dezember 2006 II B 26/06, [X.], 500; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 1 Rz 906).

b) Anteile an einer [X.] können sich i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] in der Hand einer Erbengemeinschaft vereinigen.

Die Erbengemeinschaft ist selbständiger Rechtsträger im Sinne des [X.] (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 1957 II 102/56 U, [X.], 14, [X.]I 1957, 238, und vom 13. November 1974 II R 26/74, [X.], 288, [X.] 1975, 249, jeweils m.w.N.; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 73; [X.]ahlke/[X.], [X.], [X.]ommentar, 4. Aufl., § 1 Rz 51). Sie kann ein Grundstück aus dem Nachlass veräußern oder für den Nachlass erwerben. Dem steht nicht entgegen, dass die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet ist (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 37/08, [X.], 172, [X.] 2010, 489). [X.] ist auch, dass sie über keine eigenen Organe verfügt, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte, und kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt ist (vgl. Beschluss des [X.] vom 17. Oktober 2006 VIII ZB 94/05, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 3715, m.w.N.). Die [X.]e Selbständigkeit der Erbengemeinschaft nach außen folgt aus deren bürgerlich-rechtlicher Selbständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens ([X.]ahlke/[X.], a.a.[X.], § 1 Rz 51). Auch wenn jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen kann (§ 2042 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), sind die Miterben während des Bestehens der Erbengemeinschaft zum gemeinsamen Handeln verpflichtet (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB; [X.]alandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., Einf v § 2032 Rz 2).

Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.]. Diese Vorschrift stellt Rechtshandlungen, die auf die Vereinigung von Anteilen in einer Hand gerichtet sind und zu einem Wechsel der [X.] an diesen Anteilen führen, dem zivilrechtlichen Grundstückserwerb gleich (vgl. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 906). Es handelt sich um einen Ergänzungstatbestand, der Vorgänge auf [X.] erfasst, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach dem Erwerb eines Grundstücks gleichstehen. Mit dem Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an der [X.] wird deren Inhaber so behandelt, als habe er die zum Aktivvermögen der [X.] gehörenden Grundstücke von der [X.] erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (vgl. oben II.1.a). [X.] eine Erbengemeinschaft mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden [X.], wird sie gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] [X.] so behandelt, als habe sie das Grundstück von der [X.] erworben. Den Miterben steht nur gemeinschaftlich und nicht etwa jedem einzelnen Miterben entsprechend seinem Erbanteil der Anteil an der grundbesitzenden [X.] zu. Beträgt dieser mindestens 95 %, hat die Erbengemeinschaft insgesamt eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Grundstück. Alle Entscheidungen, die den Anteil und damit auch das Grundstück betreffen, können die Miterben bis zu deren Auseinandersetzung nur gemeinsam als Erbengemeinschaft treffen.

2. Das [X.] hat jedoch nicht erkannt, dass das [X.] sowohl dem Ausgangs- als auch dem Änderungsbescheid keine grunderwerbsteuerbaren Sachverhalte zugrunde gelegt hat. Weder der im [X.] vom 23. März 2009 als Rechtsvorgang benannte [X.] vom 10. September 2007 noch die im Bescheid vom 25. November 2009 als Rechtsvorgang benannte Vereinigung aller Anteile am 27. Februar 2008 erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.]. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist vielmehr durch die Erklärung des Bevollmächtigten des [X.] vom 18. Oktober 2007, den Anteil des [X.] an der [X.]apitalerhöhung zu übernehmen, erfüllt worden.

a) Durch den Beschluss über die [X.]apitalerhöhung vom 10. September 2007 haben sich die Anteile nicht in der Hand der [X.]lägerin vereinigt.

Der Beschluss über die [X.]apitalerhöhung begründete für sich genommen noch keinen Anspruch auf Übertragung von [X.]santeilen, aufgrund dessen mindestens 95 % in der Hand der [X.]lägerin vereinigt waren. Die [X.]er haben hierin ausdrücklich vereinbart, dass die bisherigen [X.]er in demselben Umfang, in dem sie bislang an der [X.] beteiligt waren, an der [X.]apitalerhöhung teilnehmen durften. Durch den Beschluss hat die [X.]lägerin keinen Anspruch auf eine höhere Beteiligung als die bis dahin gehaltenen 85 % der Anteile erlangt. Erst durch die Erklärung vom 18. Oktober 2007, auch den auf den [X.]er [X.] entfallenden Anteil an der [X.]apitalerhöhung zu übernehmen, ist der Anteil der [X.]lägerin auf 97 % angewachsen. Es kann dahinstehen, ob bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 10. September 2007 faktisch feststand, dass der [X.]er [X.] sich nicht an der [X.]apitalerhöhung beteiligen werde, denn rechtlich war ihm dies innerhalb der eingeräumten Frist noch möglich. Bis dahin war der Anspruch auf Übereignung der Anteile sowohl hinsichtlich der Ausübung des Übernahmerechts durch [X.] als auch hinsichtlich der Erklärung der [X.]lägerin, auch den Anteil des [X.] zu übernehmen, aufschiebend bedingt.

b) Der Erwerb der restlichen Anteile des [X.]ers [X.] am 27. Februar 2008 unterliegt ebenfalls nicht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.].

Sind die Anteile an einer [X.] bereits aufgrund eines vorausgegangenen Rechtsgeschäfts in einer Hand vereinigt, weil das nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] erforderliche Quantum von 95 % erfüllt ist, unterliegt der Erwerb der restlichen Anteile nicht zusätzlich der Besteuerung. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn der Anteilseigner das notwendige Quantum bereits zuvor teils unmittelbar und teils mittelbar hält und nachfolgend alle Anteile unmittelbar in der Hand des [X.] vereinigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, [X.], 538, [X.] 1994, 121, und vom 12. Januar 1994 II R 130/91, [X.], 229, [X.] 1994, 408; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 881, 980).

Mit der Erklärung des Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2007, auch den Anteil des [X.]ers [X.] an der [X.]apitalerhöhung zu übernehmen, waren bereits zu diesem Zeitpunkt 97 % der Anteile an der [X.] der [X.]lägerin vereinigt. Der nachfolgende Erwerb der restlichen 3 % der Anteile führte lediglich zu einer Verstärkung der Beteiligung und erfüllte nicht (nochmals) den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.].

c) Weder der [X.] vom 23. März 2009 noch der als Änderungsbescheid bezeichnete [X.] vom 25. November 2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2011, können dahingehend ausgelegt werden, dass das [X.] die Steuer für den zutreffenden Rechtsvorgang habe festsetzen wollen.

Gemäß § 119 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Bei [X.]en ist die Angabe des zu besteuernden Erwerbsvorgangs unerlässlich (BFH-Urteile vom 13. September 1995 II R 80/92, [X.], 468, [X.] 1995, 903, und vom 22. August 2007 II R 44/05, [X.], 494, [X.], 754). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 21. Juli 2011 II R 7/10, [X.], 1835, m.w.N.).

Ein [X.] ist zwar nicht allein deshalb rechtswidrig, weil der der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang nicht an dem in dem Steuerbescheid genannten, sondern an einem anderen Tage zustande gekommen ist ([X.] vom 17. März 2006 II B 157/05, [X.], 1341, m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Behörde einen anderen als den im Steuerbescheid benannten Erwerbsvorgang besteuern wollte (vgl. [X.]ahlke/[X.], a.a.[X.], Vorb § 15 Rz 3). Reicht der vom [X.] erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das [X.] die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig, ohne dass die Behörde --etwa im Einspruchsverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 II R 50/90, [X.] 1993, 712)-- den im Bescheid bezeichneten --unzutreffenden-- Erwerbsvorgang durch einen anderen --zutreffenden-- ersetzen könnte (vgl. [X.]ahlke/[X.], a.a.[X.], Vorb § 15 Rz 3). Das gilt insbesondere für Erwerbsvorgänge, bei denen mangels Vereinbarung einer Gegenleistung eine Bewertung des Grundstücks gemäß § 8 Abs. 2 [X.] vorzunehmen ist, denn die Bewertung hat auf den zutreffenden Zeitpunkt zu erfolgen. Dieser muss im Wege der Auslegung unmissverständlich dem [X.] zu entnehmen sein.

Im Streitfall bezeichnen die beiden angefochtenen [X.]e vom 23. März 2009 und vom 25. November 2009 jeweils [X.], die den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] nicht erfüllen. Die [X.], die der Besteuerung unterworfen wurden, sind im Einzelnen jeweils unter Angabe von Datum und [X.]. genau bezeichnet. Sie können gegen ihren Wortlaut nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie statt der bezeichneten [X.] die durch die Erklärung vom 18. Oktober 2007 ausgelöste Anteilsvereinigung erfassen sollten. Die Vorentscheidung war aus diesen Gründen aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

3. Die Sache ist spruchreif.

Die mit der [X.]lage angefochtenen [X.]e vom 23. März 2009 und vom 25. November 2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2011, sind rechtswidrig und verletzen die [X.]lägerin in ihren Rechten. Sie unterwerfen [X.] der Besteuerung, die nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] erfüllen (s.o. unter II.2.). Es kann daher dahinstehen, ob das [X.] trotz des Vorläufigkeitsvermerks das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] in den dort anhängigen Verfahren zur Grundbesitzbewertung hätte ruhen lassen müssen.

Meta

II R 46/12

12.02.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 29. August 2012, Az: 7 K 3691/11 GE, Urteil

§ 1 Abs 3 Nr 1 GrEStG 1997, § 119 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.02.2014, Az. II R 46/12 (REWIS RS 2014, 7958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7958

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