Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.11.2014, Az. 5 AZR 121/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 1225

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Gegenstand

Annahmeverzug - Ausschlussfrist - Beschäftigungsklage


Leitsatz

Eine Auslegung von § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau, Zahlungsansprüche wegen Annahmeverzugs seien mit einer Beschäftigungsklage "gerichtlich geltend gemacht", ist weder möglich noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. November 2012 - 6 [X.] - aufgehoben, soweit es die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. Februar 2012 - 6 [X.] 303/11 - wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der 1964 geborene Kläger ist bei der [X.], einem Bauunternehmen, seit Februar 2001 als [X.] angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet [X.] der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung (im Folgenden: [X.]). Dieser regelt in der Fassung vom 20. August 2007 ua.:

        

„§ 5   

        

Lohn   

        

…       

        
        

7.    

Lohnabrechnung

        

7.1     

[X.] erfolgt monatlich. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer nach Ablauf des [X.] eine schriftliche Abrechnung über Lohn, vermögenswirksame Leistungen, Altersvorsorgeleistungen, Zulagen, Abzüge und Abschlagszahlungen zu erteilen. Die Abrechnung hat spätestens bis zum 15. des nächsten Monats zu erfolgen.

                 

…       

        

7.2     

Der Anspruch auf den Lohn wird spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. …

        

…       

        
        

§ 15   

        

Ausschlussfristen

        

1.    

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch sechs Monate.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.“

3

Der Kläger war seit Januar 2008 durchgehend arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 fragte die [X.] bei der [X.] nach, ob der Arbeitsplatz des [X.] seiner krankheitsbedingt eingeschränkten Belastbarkeit entspreche. Am 28. April 2009 teilte der Kläger der [X.] mit, seine Arbeitsunfähigkeit ende zum 3. Mai 2009. Er bot schriftlich an, die Arbeitsleistung ab 4. Mai 2009 zu erbringen. Die Beklagte lehnte ab, solange der Kläger nicht durch Bestätigung des arbeitsmedizinischen Dienstes oder amtsärztliches Gutachten nachweise, alle im Straßenbau anfallenden Arbeiten ausführen zu können. Sie nahm die Arbeitsleistung des [X.] auch nicht entgegen, als er am 4. Mai 2009 persönlich im Betrieb erschien.

4

Mit einer am 15. Juni 2009 beim [X.] eingereichten Klage (Az. - 6 [X.]/09 -) beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen Annahmeverzugs Vergütung für den Monat Mai 2009 zu zahlen und ihn zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als [X.] zu beschäftigen. Das [X.] wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien am 21. November 2011 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, den Kläger als [X.] im Straßenbau zu beschäftigen und an ihn als Vergütung für Mai 2009 1.500,00 Euro brutto zu zahlen.

5

Mit der am 27. Juli 2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger Vergütung für die Monate Juni 2009 bis Mai 2011 und mit am 28. November 2011 eingereichtem Schriftsatz klageerweiternd für den Zeitraum 1. Juni bis 21. November 2011. Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei wegen Annahmeverzugs zur Zahlung verpflichtet. Die tarifliche Ausschlussfrist habe er mit Erhebung der Beschäftigungs- und Zahlungsklage gewahrt. Es widerspreche dem Gebot effektiven Rechtsschutzes sowie Sinn und Zweck der Ausschlussfrist, fortlaufende Klageerweiterungen zu fordern, die monatlich gleich hohe Vergütungsansprüche und stets die Frage einer Beschäftigungspflicht zum Gegenstand hätten. Zudem sei die Berufung auf die Ausschlussfrist treuwidrig. Diese habe im Übrigen nicht zu laufen begonnen, weil er keine Lohnabrechnungen erhalten habe.

6

Der Kläger hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.837,10 Euro brutto sowie 4.370,21 Euro netto abzüglich erhaltener Sozialleistungen in Höhe von 7.071,85 Euro nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, etwaige Ansprüche des [X.] seien nach § 15 [X.] verfallen.

8

Vor dem Arbeitsgericht hat die Beklagte erklärt, sie gestehe zu, dass der Kläger seit 4. Mai 2009 arbeitsfähig sei. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte (rechtskräftig) zur Zahlung für Mai und September bis November 2011 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] die Beklagte zu weiteren Zahlungen für die Monate Juni 2009 bis April 2011 und Juni bis August 2011 verurteilt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie hat die Leistungsfähigkeit des [X.] im Streitzeitraum erneut in Abrede gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist - soweit im Revisionsverfahren zu entscheiden - unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten für den noch streitbefangenen Zeitraum keine Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das [X.] der Berufung des [X.] teilweise stattgegeben und die Beklagte zu weiteren Zahlungen nebst Zinsen verurteilt hat. Insoweit verbleibt es bei der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.

I. Die vom Kläger erhobenen Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs sind gemäß § 611 iVm. § 615 Satz 1 BGB entstanden.

Die Beklagte ist, indem sie die vom Kläger angebotene Arbeitsleistung ablehnte, in Annahmeverzug geraten, §§ 293, 294 BGB. Die Ansprüche sind nicht wegen fehlender Leistungsfähigkeit des [X.] nach § 297 BGB ausgeschlossen. Der Kläger war nach den Feststellungen des [X.]s im Streitzeitraum leistungsfähig. Soweit die Beklagte die Leistungsfähigkeit des [X.] in der Revision - erneut - in Frage stellt, ist dies unbeachtlich.

1. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des [X.] nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen tatsächlichen Feststellungen werden dem Tatbestand zugerechnet. Eine Unrichtigkeit dieser Feststellungen kann grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO geltend gemacht und behoben werden ([X.] 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08 - Rn. 12).

2. Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht erklärt, sie gestehe zu, dass der Kläger seit 4. Mai 2009 arbeitsfähig sei. Das Arbeitsgericht hat dem entsprechend in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, ausgeführt, es sei unstreitig, dass der Kläger seit 4. Mai 2009 objektiv als [X.] im Straßenbau arbeitsfähig sei. Diese Feststellung hat die Beklagte weder mit einem gegen das Urteil des Arbeitsgerichts noch mit einem gegen das Berufungsurteil gerichteten [X.] angegriffen. Im Übrigen brauchte das Berufungsgericht die pauschale Bezugnahme der Beklagten in der Berufungserwiderung auf ihre erstinstanzlichen Schriftsätze nicht als Bestreiten der von ihr zugestandenen Leistungsfähigkeit des [X.] zu werten.

II. Die noch anhängigen Forderungen für die Monate Juni 2009 bis April 2011 und Juni 2011 bis August 2011 sind gemäß § 15 [X.] verfallen.

1. Die streitgegenständlichen Forderungen werden als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von der tariflichen Ausschlussfristenregelung erfasst. Zur Vermeidung ihres Erlöschens musste der Kläger diese nach § 15 Ziff. 1 [X.] innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit zunächst schriftlich und sodann nach Maßgabe von § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] innerhalb einer Frist von weiteren zwei Monaten gerichtlich geltend machen.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die erste Stufe der von ihm nach § 5 Abs. 4 [X.] zu beachtenden tariflichen Ausschlussfrist eingehalten hat. Auch wenn man dies zu seinen Gunsten unterstellt, hat er jedenfalls die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] nicht gewahrt.

a) Der Kläger kann sich nicht auf den in § 15 Ziff. 2 Satz 2 [X.] geregelten Ausnahmetatbestand berufen. Danach gilt § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines [X.] fällig werden und von seinem Ausgang abhängen.

aa) Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.]E 133, 337; 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 20, [X.]E 135, 179; 16. April 2014 - 4 [X.] - Rn. 24).

bb) Einen Kündigungsschutzprozess haben die Parteien nicht geführt. Gegenstand eines [X.] ist die Wirksamkeit einer Kündigung ([X.] 26. April 2006 - 5 [X.] - Rn. 16, [X.]E 118, 60; vgl. einschränkend - zur wortgleichen Fassung von § 16 [X.] vom 24. April 1996 - hierunter nur eine nach § 4 [X.] anzugreifende arbeitgeberseitige Kündigung verstehend [X.] 8. August 2000 - 9 [X.] - zu I 2 b aa der Gründe). Die Wirksamkeit einer Kündigung war nicht Gegenstand des beim [X.] unter dem [X.]. - 6 [X.]/09 - geführten Verfahrens.

b) Eine Auslegung, die streitgegenständlichen Ansprüche seien bereits mit der Beschäftigungs- und Zahlungsklage nach § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] gerichtlich geltend gemacht, ist weder möglich noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

aa) Einer Auslegung in diesem Sinne steht die Systematik des Tarifvertrags entgegen.

(1) Ob die Obliegenheit der gerichtlichen Geltendmachung in einer tariflichen Ausschlussfrist eine Klage verlangt, die den Anspruch selbst zum Streitgegenstand hat, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln. Die Tarifvertragsparteien haben in § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] den Begriff „gerichtlich geltend machen“ nicht näher bestimmt. Nach dem Wortlaut ist darunter eine vor einem Gericht erhobene Klage zu verstehen. Wie der Zusammenhang der [X.] deutlich macht, betrifft diese Klage den Anspruch, den der Anspruchsteller nach Maßgabe von § 15 Ziff. 1 [X.] zuvor schriftlich erhoben haben muss (vgl. zur wortgleichen Regelung in § 16 [X.] in der Fassung vom 24. April 1996 [X.] 8. August 2000 - 9 [X.] - zu I 2 a der Gründe).

(2) Dass § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] zur Wahrung von Annahmeverzugsansprüchen die Erhebung einer Klage fordert, deren Streitgegenstand das Bestehen des Zahlungsanspruchs ist, ergibt sich im Umkehrschluss aus der - ausdrücklich auf einen Kündigungsschutzprozess beschränkten - Ausnahmeregelung in § 15 Ziff. 2 Satz 2 [X.]. Indem der Tarifvertrag nur für den besonderen Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Rahmen eines [X.] eine Ausnahme zulässt, wird deutlich, dass im Übrigen an der Obliegenheit einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs selbst nach Maßgabe von § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] festgehalten wird (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 15).

bb) Dem Arbeitnehmer wird mit dieser Auslegung des § 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.] keine im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG stehende übersteigerte Obliegenheit auferlegt.

(1) Bei der Auslegung und Anwendung tariflicher Ausschlussfristen ist das in zivilrechtlichen Streitigkeiten durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dem Arbeitnehmer dürfen keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden. Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht ([X.] 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1682/07 - Rn. 21 f.).

(2) Für den Kläger werden, indem von ihm nach § 15 [X.] verlangt wird, Ansprüche wegen Annahmeverzugs in der zweiten Stufe nach Maßgabe von § 15 Ziff. 2 [X.] gerichtlich geltend zu machen, keine zusätzlichen, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen erschwerenden Kostenbarrieren aufgestellt. Vielmehr war die vom Kläger gewählte Verfahrensweise nicht geeignet, seine Kostenrisiken zu begrenzen. Die Beschäftigungsklage dient ausschließlich der Verfolgung des Anspruchs auf tatsächliche Beschäftigung. Zur Durchsetzung von Vergütungsansprüchen wegen Annahmeverzugs im bestehenden Arbeitsverhältnis ist sie weder geeignet noch erforderlich. Sie wahrt keine gesetzliche Frist wie die in §§ 4, 7 [X.] oder § 17 [X.] geregelten. Es war seine freie Entscheidung, anstelle - bzw. hinsichtlich des Monats Mai 2009 neben - der sachlich angezeigten Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs eine Klage auf tatsächliche Beschäftigung zu erheben. Insbesondere war der Erfolg einer späteren Zahlungsklage nicht vom Ausgang des Rechtsstreits - 6 [X.]/09 - abhängig. Der [X.] war auf die tatsächliche Beschäftigung des [X.] in der Zukunft gerichtet. Damit bot der Rechtsstreit keine Grundlage für eine fortlaufende Klärung der Leistungsfähigkeit des [X.]. Diese für § 297 BGB wesentliche Frage konnte und kann ausschließlich in dem auf Leistung von Vergütung wegen Annahmeverzugs geführten Rechtsstreit entschieden werden.

Selbst wenn im Vorprozess über den Streitgegenstand hinaus Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des [X.] in anderen als den dort entscheidungserheblichen Zeiträumen getroffen worden wären, hätte dies keine Bindungswirkung für den nachfolgenden Zahlungsprozess gehabt. [X.] Rechtsverhältnisse und Vorfragen werden nur dann iSv. § 322 ZPO rechtskräftig festgestellt, wenn sie selbst Streitgegenstand waren. Es genügt nicht, dass über sie als bloße Vorfragen zu entscheiden war (vgl. [X.] 21. April 2010 - [X.]/09 - Rn. 9; 7. Juli 1993 - [X.] - zu II 1 der Gründe, [X.]Z 123, 137; [X.]/Vollkommer ZPO 30. Aufl. vor § 322 Rn. 34; Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 322 Rn. 17). Einzelne Begründungselemente nehmen grundsätzlich nicht an der materiellen Rechtskraft teil (vgl. [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 16, [X.]E 135, 239; 20. Dezember 2012 - 2 [X.] - Rn. 23; [X.] 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - zu II 1 a der Gründe). Dies gilt auch für den Zahlungsanspruch betreffend Mai 2009. Der Erfolg des Antrags war - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs - von der Leistungsfähigkeit des [X.] allein in diesem Zeitraum abhängig. Diese war für die vorliegend streitgegenständlichen Zahlungsansprüche ohne Bedeutung.

c) Der Kläger hat die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist nicht durch die vorliegende Klage gewahrt.

aa) Wird zugunsten des [X.] unterstellt, er habe mit der Beschäftigungs- und Zahlungsklage weitere Zahlungsansprüche im Sinne der ersten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht, bedeutete der mit Schriftsatz vom 25. Juni 2009 ankündigte [X.] die Ablehnung der Erfüllung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche (vgl. [X.] 26. April 2006 - 5 [X.] - Rn. 18, [X.]E 118, 60). Das [X.] hat nicht festgestellt, wann dem Prozessbevollmächtigten des [X.] der vom Arbeitsgericht formlos übermittelte Schriftsatz zugegangen ist. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung hätte nach § 15 Ziff. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] ohne Ablehnungserklärung der Beklagten spätestens zwei Wochen nach Zustellung der Klage am 18. Juni 2009 für zu diesem Zeitpunkt bereits fällige Ansprüche zu laufen begonnen, für die übrigen Ansprüche mit deren Fälligkeit (vgl. [X.] 16. April 2013 - 9 [X.] 731/11 - Rn. 27, [X.]E 145, 8).

bb) Diese Fristen hat der Kläger nicht eingehalten. Die erhobenen Ansprüche wegen Annahmeverzugs sind deshalb verfallen (§ 15 Ziff. 2 Satz 1 [X.]).

(1) Der Kläger hat mit der am 27. Juli 2011 bei Gericht eingereichten Klage erstmals Ansprüche für die Monate Juni 2009 bis April 2011 gerichtlich geltend gemacht.

(a) Nach § 5 Ziff. 7.2 [X.] wird der Anspruch auf den Lohn spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Fällt der in § 5 Ziff. 7.2 [X.] geregelte Fälligkeitstag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag (vgl. [X.] 15. Mai 2001 - 1 [X.] 672/00 - Rn. 37, 38, [X.]E 98, 1).

(b) Die jüngsten mit Klageeinreichung am 27. Juli 2011 gerichtlich geltend gemachten - in der Revision noch anhängigen - Ansprüche für den Monat April 2011 sind danach nicht am Sonntag, dem 15. Mai 2011, sondern am Montag, dem 16. Mai 2011, fällig geworden. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 15 Ziff. 2 [X.] lief am Montag, dem 18. Juli 2011, (der 16. Juli 2011 war ein Samstag) ab (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB). Die Ansprüche für April 2011 und für die davor liegenden Zeiträume waren somit bei Einreichung der Klage bereits verfallen.

(2) Die (soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung) jüngsten mit am 28. November 2011 eingereichter [X.] gerichtlich geltend gemachten Ansprüche für den Monat August 2011 wurden nach § 5 Ziff. 7.2 [X.] am Donnerstag, dem 15. September 2011, fällig. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 15 Ziff. 2 [X.] lief am Dienstag, dem 15. November 2011, ab. Die Ansprüche für den Monat August 2011 und die davorliegenden Monate Juni und Juli 2011 waren somit bei Einreichung der [X.] am 28. November 2011 bereits verfallen.

cc) Der Beginn der Ausschlussfrist wurde nicht verschoben, weil die Beklagte dem Kläger für die streitgegenständlichen Monate keine Abrechnungen erteilte. Die Erteilung einer Lohnabrechnung hat nur dann Einfluss auf den Beginn einer Ausschlussfrist, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche nicht ohne die Abrechnung der Gegenseite erkennen kann (vgl. [X.] 14. Dezember 2005 - 10 [X.] 70/05 - Rn. 34, [X.]E 116, 307). Dies kann vorliegend auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Berechnung der Vergütungsansprüche bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall nicht angenommen werden.

3. Die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, kann nach § 242 BGB zum Verlust eines Rechts führen ([X.] 13. Oktober 2010 - 5 [X.] 648/09 - Rn. 19, [X.]E 136, 54).Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist (vgl. [X.] 13. Dezember 2007 - 6 [X.] 222/07 - Rn. 32 mwN, [X.]E 125, 216) oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten ([X.] 13. Oktober 2010 - 5 [X.] 648/09 - aaO). Die Beklagte hat den Kläger weder von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten noch objektiv den Eindruck erweckt, der Kläger könne angesichts der erhobenen Beschäftigungs- und Zahlungsklage darauf vertrauen, die Ansprüche würden auch ohne Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werden.

III. [X.] beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 121/13

19.11.2014

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Osnabrück, 29. Februar 2012, Az: 6 Ca 303/11, Urteil

§ 15 Ziff 1 BauRTV, § 15 Ziff 2 S 1 BauRTV, § 15 Ziff 2 S 2 BauRTV, § 611 Abs 1 BGB, § 615 S 1 BGB, § 293 BGB, § 294 BGB, § 297 BGB, § 187 Abs 1 BGB, § 188 Abs 2 BGB, § 193 BGB, § 242 BGB, § 5 Ziff 7 BauRTV, § 5 Abs 4 TVG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.11.2014, Az. 5 AZR 121/13 (REWIS RS 2014, 1225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1225

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

7 Ca 1468/20

2 Sa 152/17

2 Sa 101/17

17 Sa 1203/20

17 Sa 1116/20

16 Sa 1442/17

12 Sa 240/15

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