Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.03.2011, Az. 4 ZA (pat) 58/10

4. Senat | REWIS RS 2011, 8064

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsberufungsverfahren - Kostenfestsetzung -Doppelvertretungskosten - Nachliquidation nach neuer günstiger Entscheidung


Leitsatz

Doppelvertretungskosten im Patentnichtigkeits-Berufungsverfahren

Im Patentnichtigkeits-Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof sind die Kosten eines neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalt regelmäßig als für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig anzusehen.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent EP …

(DE …)

hier: Kostenfestsetzung

hat der 4. Senat ([X.]) des [X.] am 30. März 2011

unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Rauch und [X.] und [X.]. Dorfschmidt

beschlossen:

1. Die Erinnerung gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 25. Oktober 2010 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des [X.] beträgt 4.813,60 €.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hatte mit [X.] vom 25. November 2004 Nichtigkeitsklage gegen den [X.] Teil des europäischen Patents … ([X.]) erhoben. Diese Klage wurde durch Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2005 abgewiesen; mit Urteil des [X.] vom 21. Januar 2010 wurde das Urteil des [X.] abgeändert und neu gefasst, wobei die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt wurden.

2

Mit [X.] vom 23. Februar 2010 beantragte der Beklagte die Kostenfestsetzung, wobei er für einen in zweiter Instanz beim [X.] mitwirkenden Rechtsanwalt eine 1,6 Verfahrensgebühr i. H. v. 4.793,60 € gemäß Nr. 3200 [X.] zuzüglich 20,00 € Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 [X.] geltend machte. Mit Verfügung vom 1. April 2010 wies die Rechtspflegerin unter Bezugnahme auf Entscheidungen des [X.] zur Erstattungsfähigkeit solcher Kosten in erster Instanz darauf hin, dass Kosten einer Doppelvertretung nur im Falle einer konkret begründeten Erforderlichkeit anzusetzen seien. Daraufhin bat der Beklagte mit Schreiben vom 12. April 2010, die entsprechende Position zu streichen. Dementsprechend wurde sie im Beschluss der Rechtspflegerin vom 20. April 2010 nicht berücksichtigt. Dieser Beschluss wurde beiden [X.]en am 26. April 2010 zugestellt.

3

Am 12. August 2010 beantragte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Beschluss des [X.] 3 ZA (pat) 17/09 zu 3 Ni 46/01 ([X.]) vom 15. Juni 2010, die Kosten für den in zweiter Instanz mitwirkenden Rechtsanwalt in o. g. Höhe festzusetzen und wies darauf hin, dass hierüber im Beschluss vom 20. April 2010 nicht entschieden worden sei. Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin unter Bezugnahme auf Entscheidungen des erkennenden Senats mit der Begründung, die Doppelvertretung sei nicht i. S. v. § 91 ZPO erforderlich gewesen und der Beklagte sei durch einen erfahrenen Patentanwalt mit rechtswissenschaftlichem Studium vertreten gewesen, so dass eine vernünftige [X.] die kostenauslösende Maßnahme nicht ex ante als erforderlich angesehen hätte. Zudem sei ein möglicher Erstattungsanspruch jedenfalls durch Verzicht erloschen, da der Beklagte am 12. April 2010 um Streichung der Position bat. Aus diesem Grund sei die nachträgliche Geltendmachung auch rechtsmissbräuchlich.

4

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 25. Oktober 2010 setzte die Rechtspflegerin die Kosten in der beantragten Höhe fest. Der Erinnerung wurde nicht abgeholfen.

II.

5

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet.

6

Sowohl hinsichtlich der Grundlage als auch des Umfangs der Kostenpflicht verweist § 84 Abs. 2 [X.] auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 91 ff. ZPO).

7

1. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterlegene [X.] die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Dazu gehören nach Absatz 2 dieser Vorschrift die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden [X.].

8

2. Die Kosten für die Doppelvertretung im Berufungsverfahren sind hier notwendig und mithin erstattungsfähig. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Nichtabhilfeentscheidung der Rechtspflegerin vom 2. März 2010 und die dort zitierte Rechtsprechung Bezug genommen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines Nichtigkeitsberufungsverfahrens als typischerweise angebracht, die entstehenden Kosten demgemäß als regelmäßig für die Rechtsverfolgung zweckentsprechend und notwendig anzusehen sind. Das hat seinen Grund zum einen darin, dass der [X.] als gemeinsame oberste Instanz in allen Patenterteilungs-, Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren zur einheitlichen Auslegung und Fortbildung des Patentrechts im Rahmen der Gesamtrechtsordnung berufen ist und hierzu auch der kundigen und auf allen Rechtsgebieten erfahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten in besonderem Maße bedarf. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der [X.] letztinstanzlich entscheidet, weshalb es in dieser Instanz in besonderer Weise auf einen lückenlosen Vortrag ankommt (vgl. dazu im einzelnen B[X.] 3 ZA (pat) 17/09).

9

3. Die nachträgliche Geltendmachung des [X.] ist hier auch nicht ausgeschlossen.

Eine Nachliquidation ist grundsätzlich zulässig, sofern ein Posten im ersten Gesuch nicht enthalten war oder versehentlich übergangen wurde (vgl. [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl. 2010, § 103 Rdnr. 18). Die Position „Verfahrensgebühr“ des Rechtsanwalts in der zweiten Instanz ist im Beschluss vom 20. April 2010 aufgrund der Erklärung des [X.]s nicht enthalten.

Der Anspruch ist auch nicht durch Verzicht erloschen. Zwar hatte der Beklagte in seinem Gesuch vom 12. April 2010 nach dem erfolgten Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] zur Erstattungsfähigkeit der Kosten in der ersten Instanz die Streichung der betreffenden Position beantragt. Darin ist aber kein (endgültiger) Verzicht auf diese Forderung zu sehen. Ein solcher Verzicht wäre nur anzunehmen, wenn der [X.] eindeutig zu erkennen gegeben hätte, er wolle auf die Geltendmachung der betreffenden Kosten ein für allemal verzichten. Das liegt hier nicht vor.

Die nachträgliche Geltendmachung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen, denn die Erinnerungsführerin durfte nicht darauf vertrauen, dass der [X.], auch wenn er den Kostenansatz hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten zwischenzeitlich nicht mehr geltend gemacht hatte, endgültig davon absehen würde (vgl. Pfeiffer, in: [X.], 5. Aufl. 2010, § 242 BGB, Rdnr. 58).

Es ist kein widersprüchliches Verhalten darin zu sehen, dass der [X.] nach Erlangung der Kenntnis von einer für ihn günstigen Entscheidung des Gerichts den Anspruch erneut geltend macht. Vielmehr erscheint es sinnvoll und legitim, dass ein Kostengläubiger eine neue und für ihn günstige Rechtsprechung als Anlass zu Erhebung einer Nachforderung sieht.

[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.

Meta

4 ZA (pat) 58/10

30.03.2011

Bundespatentgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 91 Abs 1 ZPO § 91 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.03.2011, Az. 4 ZA (pat) 58/10 (REWIS RS 2011, 8064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8064

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 ZA (pat) 52/10

Zitiert

3 ZA (pat) 17/09

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