Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2011, Az. 3 ZA (pat) 21/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 4391

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren - Kostenfestsetzung - Notwendigkeit der Doppelvertretung - keine Parteiidentität im Nichtigkeitsverfahren und im parallelen Verletzungsverfahren


Leitsatz

Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VI

Soweit im Nichtigkeitsverfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeitgleich anhängigen, das Streitpatent betreffenden Verletzungsverfahren als notwendig angesehen wird, ist insoweit nicht rein formal auf die Parteiidentität in beiden Prozessen abzustellen. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob die Verletzungsklage auf Basis des mit der anschließenden Nichtigkeitsklage angegriffenen Streitpatents erhoben wurde.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

(hier: Erinnerung gegen [X.])

hat der 3.Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 26. Juli 2011 durch den Vorsitzenden [X.] sowie [X.] [X.]. [X.] und Schell

beschlossen:

1. Auf die Erinnerung der [X.] wird der [X.] der Rechtspflegerin vom [X.] dahin abgeändert, dass die von der [X.] der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 44.382,39 Euro festgesetzt werden.

2. Der zu erstattende Betrag ist vom 6.März2009 an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §247 BGB zu verzinsen.

3. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Nichtigkeitsbeklagte.

4. [X.] beträgt 11.260,00Euro.

Gründe

I.

1

Mit rechtskräftigem Urteil vom 3.Juni2008 hat der Senat der gegen das Streitpatent gerichteten Nichtigkeitsklage der Klägerin stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde der Streitwert für das Verfahren vor dem [X.] auf 1MillionEuro festgesetzt.

2

Die Klägerin hat [X.] beantragt, wobei u.a. Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 11.260,00Euro geltend gemacht wurden.

3

Die Beklagten haben dem [X.]santrag widersprochen und hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ausgeführt, diese seien nicht notwendig gewesen.

4

Mit Beschluss vom [X.] hat die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten –u.a. ohne Berücksichtigung der Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt der [X.] auf 33.122,39Euro festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten stünden nicht in Zusammenhang mit dem vorliegenden [X.]. Zwar habe die Klägerin insoweit auf ein parallel zum [X.] anhängiges, das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren hingewiesen. Die an den beiden Verfahren beteiligten Parteien seien jedoch nicht identisch, da die [X.] am Verletzungsprozess nicht beteiligt gewesen seien. Zwar könne möglicherweise wirtschaftlich betrachtet ein enger Zusammenhang zwischen den [X.] und der Verletzungsklägerin bestehen, etwa aufgrund von Firmenverflechtungen innerhalb eines Konzerns oder aufgrund bestehender Lizenzverträge. Da das [X.]sverfahren ein Massenverfahren darstelle, das auf eine rasche, allein anhand der Prozessakten überprüfbare Bearbeitung zugeschnitten sei, könnten derartige, außerhalb des direkten Prozessgeschehens liegende Umstände hier jedoch nicht im Einzelnen berücksichtigt werden.

5

Mit ihrer gegen diesen Beschluss eingelegten Erinnerung verfolgt die Klägerin die Erstattung ihrer Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt weiter. Zur Begründung trägt sie vor, zum Zeitpunkt der Klageerhebung in der vorliegenden Nichtigkeitssache sei ein paralleles Verletzungsverfahren anhängig gewesen, das die Mitwirkung des im Verletzungsstreit beauftragten Rechtsanwalts an dem vorliegenden [X.] erforderlich gemacht habe. Auch wenn die Nichtigkeitsbeklagte am Verletzungsstreit nicht beteiligt gewesen sei, sondern die tatsächlichen Rechtsinhaber, müsse von einem Parallelverfahren ausgegangen werden, das die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwalts auch im [X.] erforderlich gemacht habe. Über das Vorliegen eines [X.] habe es auch zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt Unstimmigkeiten gegeben.

6

Die Erinnerungsführerin und [X.] beantragt sinngemäß,

7

den [X.]sbeschluss vom [X.] abzuändern und ihrem Antrag bezüglich der Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 11.260,00Euro stattzugeben.

8

Die [X.] und Erinnerungsgegner beantragen sinngemäß,

9

die Erinnerung zurückzuweisen.

Sie halten die Erinnerung für unbegründet, denn die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im vorliegenden [X.] könne nicht als notwendig angesehen werden. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten einer Doppelvertretung durch Rechtsanwalt und Patentanwalt seien deshalb nicht erstattungsfähig. Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf das Verletzungsverfahren vor dem [X.], denn hierbei habe es sich mangels [X.] um kein Parallelverfahren zur verfahrensgegenständlichen Nichtigkeitsklage gehandelt. Nur wenn die an den betreffenden Verletzungs- und [X.] beteiligten Parteien identisch seien, könne ein anerkennenswerter Abstimmungsbedarf, der die Mitwirkung eines Rechtsanwalts auch im [X.] rechtfertige, aber überhaupt in Betracht kommen. Insgesamt habe die Klägerin keine Argumente dafür vorbringen können, was die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im [X.] erforderlich gemacht habe. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass der im [X.] mitwirkende Patentanwalt über die erforderliche Kompetenz verfüge, die notwendigen Koordinierungsleistungen zu erbringen.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die auf einen Teil des angegriffenen [X.]sbeschlusses beschränkte Erinnerung ist zulässig (§23 Abs.2 [X.]. §104 Abs.3 ZPO, §84 Abs.2 [X.]). Sie ist auch begründet.

Gemäß §84 Abs.2 [X.] sind für die Entscheidung über die Kosten des [X.]s die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kosten entsprechend anzuwenden. Nach §91 Abs.1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. [X.] in diesem Sinne ist eine Maßnahme dann, wenn sie eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits als sachdienlich ansehen durfte, um ihre berechtigten Interessen zu verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen ([X.] in: [X.], ZPO, 28.Auflage, §91 Rdnr.12). Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist stets zu berücksichtigen, dass im Interesse der Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme trotz der erforderlichen Einzelfallprüfung für geeignete Fallkonstellationen eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist ([X.], 294; [X.], 901, 902 -Auswärtiger Rechtsanwalt I).

Eine Doppelvertretung durch einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt bei Erhebung einer Nichtigkeitsklage ist typischerweise dann als notwendig anzusehen, wenn zeitgleich mit dem [X.] ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist, da dem Patentnichtigkeitsverfahren regelmäßig eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang eines parallel geführten [X.] zukommt. Aufgrund der engen Verknüpfung von Verletzungs- und [X.] muss das jeweilige Vorgehen in beiden Verfahren regelmäßig aufeinander abgestimmt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die sowohl in technischer wie auch in rechtlicher Hinsicht häufig sehr komplexen und eng mit dem Verletzungsstreit zusammenhängenden Fragestellungen des [X.]s (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 24.Februar2011, [X.], 308ff. [X.]). Deshalb kann es aus der Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig handelnden Prozesspartei durchaus sinnvoll erscheinen, im Nichtigkeitsprozess neben dem Patentanwalt auch einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung zu beauftragen, vor allem wenn dieser auch in dem zwischen denselben Parteien geführten Verletzungsverfahren tätig ist.

Zwar waren die Beklagten im [X.] an dem von der [X.] angeführten, parallel anhängigen Verletzungsstreit nicht beteiligt, vielmehr wurde die [X.] im Verletzungsverfahren von einer Lizenznehmerin der Patentinhaber verklagt. Hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten eines Rechtsstreits ist jedoch nicht rein formal auf die Parteieigenschaft in beiden Prozessen abzustellen. Denn eine derartige Konstellation ergibt sich zwangsläufig, wenn ein Lizenznehmer wegen Patentverletzung klagt und der so Beklagte im Gegenzug Nichtigkeitsklage erhebt, die gemäß §81 Abs.1 [X.] [X.] nicht gegen den Verletzungskläger, sondern gegen den im [X.] Eingetragenen gerichtet werden muss. Aus diesem Grund kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der [X.] an, sondern darauf, ob die Verletzungsklage auf Basis des mit der anschließenden Nichtigkeitsklage angegriffenen Streitpatents erhoben wurde. Anderenfalls hätte es ein Patentinhaber durch eine entsprechende Lizenzgewährung in der Hand, seine Kostentragungspflicht auch im Fall einer notwendigen Doppelvertretung von vornherein ausschließen zu können (vgl. hierzu auch das obiter dictum des 4.Senats des [X.]s im Beschluss vom 26.Oktober2010, [X.]. 4ZA(pat)50/10). Handelt es sich also – wie hier – in beiden Verfahren um dasselbe Schutzrecht, liegt eine hinreichend enge Verknüpfung von Verletzungs- und [X.] vor, um bei Anlegung der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Doppelvertretung als sachdienlich und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erscheinen zu lassen, da die Mitwirkung des im Verletzungsprozess auftretenden Rechtsanwalts auch im [X.] die notwendige Abstimmung zwischen den beiden Verfahren gewährleistet. Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte für ein relevantes Abweichen vom Regelfall ersichtlich, das die Erstattung von [X.] ausnahmsweise ausschließen könnte.

Nach alldem war die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im vorliegenden [X.] auf Seiten der Klägerin als notwendig anzusehen. Seine Kosten sind somit zu erstatten. Die Verzinsung des festgesetzten Betrages ab dem vom 6.März2009, dem Tag des Eingangs des Festsetzungsgesuchs beim [X.], ergibt sich aus §84 Abs.2 [X.] i.V.m. §§104 Abs.1 [X.], 103 Abs.1 ZPO.

Die Kosten des [X.] waren den [X.] und [X.] aufzuerlegen, da ihr Begehren erfolglos war (§84 Abs.2 [X.]. §91 Abs.1 ZPO). Der Wert des [X.] ergibt sich aus dem von der Klägerin geltend gemachten Betrag.

Meta

3 ZA (pat) 21/10

26.07.2011

Bundespatentgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 91 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2011, Az. 3 ZA (pat) 21/10 (REWIS RS 2011, 4391)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4391

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4 ZA (pat) 52/10

4 ZA (pat) 13/12

4 ZA (pat) 35/11

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