Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2006, Az. 3 StR 284/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2226

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 11. August 2006 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja, nur zu [X.] Veröffentlichung: ja __________________ StPO vor § 1, § 274 1. Ein Beschwerdeführer, der bewusst wahrheitswidrig einen [X.] und sich zum Beweis auf ein als unrichtig erkanntes Protokoll beruft, handelt rechtsmissbräuchlich; seine Rüge ist unzulässig. 2. Dies gilt auch, wenn er das sichere Wissen von der Unwahrheit erst nachträglich erlangt, die Rüge jedoch gleichwohl weiterverfolgt. [X.], Urteil vom 11. August 2006 - 3 [X.] - [X.] in [X.] - 2 - wegen [X.] einer Sprengstoffexplosion u. a. - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Grund der Verhandlung vom 29. Juni 2006 in der Sitzung am 11. August 2006, an denen teilgenommen ha-ben: Vorsitzender [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], die [X.] am [X.] [X.], [X.], von [X.], [X.]als beisitzende [X.], [X.] beim [X.] - in der Verhandlung vom 29. Juni 2006 -, [X.] beim [X.] - in der Verkündung vom 11. August 2006 - als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin - in der Verhandlung vom 29. Juni 2006 - als Verteidigerin, Justizangestellte - in der Verhandlung vom 29. Juni 2006 -, Justizamtsinspektor - in der Verkündung vom 11. August 2006 - als [X.] der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammerge-richts [X.] vom 18. März 2004 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen. Von Rechts wegen Gründe: Der Angeklagte wurde wegen [X.] einer Sprengstoffexplosion und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Herbeiführen einer - weiteren - Sprengstoffexplosion und mit Beförderung von Sprengstoff zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. [X.]ine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] keinen Erfolg. Der näheren Erörterung bedürfen nur folgende Beanstandungen: 1 A. Verfahrensrügen: 2 I. Rüge A. I der Revisionsbegründung (Angeklagter zeitweise nicht ver-teidigt): 3 Mit der von Rechtsanwältin [X.]begründeten Rüge wird [X.], der Angeklagte sei am 8. Mai 2003, dem 126. Verhandlungstag, ab 11.14 Uhr nicht verteidigt gewesen. Diese Behaup[X.] eines Verfahrensfehlers ist, 4 - 5 - wenn nicht schon von Anfang an bewusst wahrheitswidrig aufgestellt, so [X.] seit der Kenntnis vom Inhalt der dazu abgegebenen dienstlichen Erklärun-gen wider besseres Wissen aufrechterhalten und dem Revisionsgericht zur Entscheidung unterbreitet worden. Die Weiterverfolgung der Rüge unter [X.] auf das als unrichtig erkannte Protokoll ist rechtsmissbräuchlich; damit ist die Rüge unzulässig geworden. 1. Das ursprünglich gefertigte Protokoll enthielt zum Ablauf dieses [X.] - soweit es hier von Bedeu[X.] ist - folgende Angaben: 5 09.17 Aufruf, für den Angeklagten sind erschienen Rechtsanwältin [X.]

und Rechtsanwältin [X.].

als Vertreterin von [X.] [X.] 09.20 Zeugin [X.]. wird hereingerufen und vernommen 10.15 Unterbrechung 10.37 Fortsetzung, Rechtsanwalt [X.]

nicht wieder erschienen 10.52 Rechtsanwalt von [X.]. verlässt den Sitzungssaal 11.05 Rechtsanwalt [X.]. verlässt den Sitzungssaal 11.10 Zeugin [X.]. wird entlassen 11.10 Rechtsanwältin [X.]. verlässt den Sitzungssaal 11.12 Rechtsanwalt [X.] erscheint wieder 11.12 Rechtsanwalt B. verlässt den Sitzungssaal 11.13 Rechtsanwalt [X.]. erscheint wieder 11.13 Zeuge [X.]wird hereingerufen und vernommen 11.14 Rechtsanwältin [X.] verlässt den Sitzungssaal 11.21 Rechtsanwalt [X.] verlässt den Sitzungssaal - 6 - 11.22 Rechtsanwalt [X.] erscheint wieder 12.48 Zeuge [X.]wird entlassen 12.50 Sitzung geschlossen Mit der Revision hat Rechtsanwältin [X.]

gerügt, der Angeklagte sei an diesem Sitzungstag ab 11.14 Uhr nicht verteidigt gewesen. Daraufhin haben am 1. Juli 2005 die Vorsitzende und die Protokollführerin das Protokoll dadurch berichtigt, dass die Eintragung "11.14 Uhr Rechtsanwältin [X.] verlässt den Sitzungssaal" gestrichen wurde. 6 Zur Anwesenheit dieser Verteidigerin ist in dienstlichen Erklärungen [X.] bekundet worden: 7 Die Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.]hat erklärt: Aus ih-rer persönlichen Mitschrift der Hauptverhandlung ergebe sich, dass Rechtsan-wältin [X.] bei der Vernehmung des Beamten des [X.] [X.]anwesend gewesen sei und Fragen an ihn gestellt habe. Im Übrigen zeige die Vorgeschichte ein erhebliches Interesse der Rechtsanwältin an der Vernehmung des Zeugen. Sie habe bei einer früheren Vernehmung des [X.] deren Unterbrechung mit der Begründung beantragt, dass es zum [X.] (Vorhandensein einer konspirativen Wohnung in der [X.]) vermutlich weitere bisher nicht vorgelegte Protokolle gebe. Dies sei Gegenstand von Auseinandersetzungen mit dem Gericht gewesen, die auch zu einem Ablehnungsgesuch der Verteidigerin geführt hätten. 8 [X.] am [X.] A. hat erklärt, er habe elf [X.]iten [X.] zur Vernehmung des Zeugen [X.] gefertigt, in denen zahlreiche [X.] - 7 - gen der Rechtsanwältin [X.] an diesen Zeugen sowie deren Anregung, auch noch den Zeugen [X.]n. zu vernehmen, enthalten seien. [X.] am [X.] [X.]
war von der Vorsitzenden beauftragt, die Anwesenheit der Verteidiger zu kontrollieren und darüber Aufzeichnungen zu machen. Nach diesen zu den Akten übergebenen Aufzeichnungen war Rechtsanwältin [X.] an diesem Sitzungstag durchgehend anwesend. 10 [X.] am [X.] Ha. hat bekundet, ausweislich seiner Aufzeichnungen über die Anwesenheit der Verteidiger habe Rechtsanwältin [X.] den Sitzungssaal nicht verlassen und am Ende der [X.] die Ladung der Zeugen [X.]m. und [X.]n. angeregt. 11 [X.] Br. hat erklärt, er habe Staatsanwalt [X.]. beauf-tragt, ein Wortprotokoll über diesen Sitzungstag zu fertigen, und dieses mit ihm abgestimmt. In dem zu den Akten gereichten Protokoll sind 20 Fragen oder Vorhalte der Rechtsanwältin [X.] an den Zeugen [X.] im Wortlaut wiedergegeben. 12 Diese dienstlichen Erklärungen sind mit den übergebenen Aufzeichnun-gen den Verteidigern des Angeklagten mitgeteilt worden. Sie haben zu deren Richtigkeit keine Erklärungen abgegeben. In der Revisionshauptverhandlung hat Rechtsanwältin [X.] erklärt, dass sie als Erkenntnisquelle für die Be-haup[X.] der Abwesenheit von Rechtsanwältin [X.] lediglich das Protokoll habe. Nach Durchsicht des Protokolls habe sie noch mit Rechtsanwältin [X.] und dem Angeklagten Rücksprache genommen, die sich jedoch an den Vorgang nicht hätten erinnern können. Auf die weitere Frage, ob es ihr nicht zu denken gebe, dass in den dienstlichen Erklärungen der [X.] - 8 - [X.] dezidiert entgegengetreten werde, hat sie geantwortet: "Im Rahmen mei-ner Rechtsansicht nein". 2. Der [X.]nat ist davon überzeugt, dass Rechtsanwältin [X.] am 8. Mai 2003 um 11.14 Uhr den Sitzungssaal nicht verlassen hat und bei der Vernehmung des Zeugen [X.]anwesend war. Die mehrfachen, eindeuti-gen, durch Aufzeichnungen belegten dienstlichen Erklärungen lassen daran keinen Zweifel. Dies wird auch bestätigt durch das Verhalten der Verteidigerin Rechtsanwältin [X.] , die den Erklärungen nicht entgegengetreten ist. 14 Er ist weiter davon überzeugt, dass Rechtsanwältin [X.] den wah-ren Sachverhalt kennt. Es ist bereits in hohem Maße wahrscheinlich, dass die-ser ihr schon bei Fertigung der Revisionsbegründung bekannt war. Der Ange-klagte wurde von den Rechtsanwältinnen [X.] und [X.] gemein-sam als "[X.]" verteidigt, während weitere Verteidiger im [X.] nur für Vertre[X.]sfälle zum Einsatz kamen. Eine solche gemeinsame Verteidigung setzt die gegenseitige Information über solche [X.] voraus, bei denen einer von beiden nicht anwesend ist. Wie sich aus der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden ergibt, war zudem die Vernehmung des Zeugen [X.]von erheblichem Interesse für die Verteidigung. Es erscheint daher - schon im Hinblick auf die Fortführung der weiteren Verteidigung und die [X.]lussvorträge - wenig glaubhaft, dass es im [X.] an den Sitzungstag nicht zeitnah zu einer Kontaktaufnahme zwischen beiden Verteidigerinnen [X.] ist, bei der Rechtsanwältin [X.]

ihre Mitverteidigerin über die wesentlichen Ergebnisse der Befragung informiert hat. Jedenfalls hat Rechts-anwältin [X.] mit Erhalt der dienstlichen Erklärungen sicheres Wissen erlangt, dass die behauptete Abwesenheit nicht der [X.]hrheit entspricht. In die-sen Erklärungen wird die tatsächliche Anwesenheit der Verteidigerin nicht nur 15 - 9 - pauschal, sondern - zudem aus der Sicht unterschiedlicher Beteiligter - sub-stantiiert unter Vortrag zahlreicher Einzelheiten und unter Vorlage detaillierter Aufzeichnungen versichert. Es ist nicht vorstellbar, dass Rechtsanwältin [X.] nach Kenntnisnahme dieser Erklärungen und der beigefügten [X.] die Abwesenheit ihrer Mitverteidigerin überhaupt noch für möglich hielt. Das gilt selbst dann, wenn sich Rechtsanwältin [X.] , was sich aber ebenfalls der Vorstellungskraft des [X.]nats entzieht, auf Nachfrage an die in Rede stehende Vernehmung des Zeugen [X.]nicht erinnern konnte oder dies behauptet hat. 3. Auch im Strafprozess gilt - ebenso wie in anderen [X.] nungen - ein allgemeines Missbrauchsverbot. Zwar enthält die [X.] keinen generellen Missbrauchstatbestand. Jedoch sind in ihr Sonderfälle wie der Missbrauch des Fragerechts in § 241 Abs. 1 i. V. m. § 239 Abs. 1 StPO und der Missbrauch des Verteidigerrechts in § 138 a Abs. 1 Nr. 2 StPO gere-gelt. Der Gedanke der Verhinderung eines Rechtsmissbrauchs liegt auch den Vorschriften der § 26 a Abs. 1 Nr. 3, § 29 Abs. 2, § 137 Abs. 1 Satz 2, § 244 Abs. 3 Satz 2 ("Prozessverschleppung"), § 245 Abs. 2 Satz 3 und § 266 Abs. 3 Satz 1 StPO zugrunde (vgl. [X.] 1980, 219 f.). Für andere Fälle des [X.] prozessualer Befugnisse im Strafverfahren, die der Ge-setzgeber nicht ausdrücklich geregelt hat, gilt - wie in jedem Prozess - das allgemeine [X.]verbot ([X.]St 38, 111, 112 f.; [X.] StV 2001, 100 f. und 101; [X.] 1971, 338 mit zust. [X.] [X.]; [X.] GA 1975, 289, 295; [X.], [X.] im Strafprozess S. 68 ff., 124 ff.; [X.] StV 1996, 501 ff.; Fischer NStZ 1997, 212, 216 f.; [X.] NStZ 1998, 588 ff.; [X.] in [X.] für [X.], 19 f.; [X.], StPO 49. Aufl. [X.]. [X.]. 111; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. vor § 226 [X.]. 49; [X.] in [X.]. [X.]. [X.]. 22 a). Gegen diese Auffassung wenden sich einige Stimmen mit der [X.] - 10 - fürch[X.], es könne von den Gerichten Missbrauch mit einem allgemeinen Missbrauchsverbot getrieben werden ([X.] in [X.][X.], [X.]. [X.]. J [X.]. 36; [X.], Strafprozessrecht 6. Aufl. [X.]. 293; Fezer in [X.] für Ul-rich [X.] S. 475 ff.). Diesem dogmatisch ohnehin wenig gewichtigen Argu-ment ist entgegenzuhalten, dass seit der grundlegenden Anerkennung eines allgemeinen [X.] durch die Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs in [X.]St 38, 111 nunmehr fast 15 Jahre vergangen sind, ohne dass sich diese Befürch[X.] bestätigt hätte. Die sehr seltenen Entscheidungen, in denen davon Gebrauch gemacht worden ist, belegen eine ausgesprochene Zu-rückhal[X.] der Praxis. 4. Ein Missbrauch prozessualer Rechte ist dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die ihm durch die Strafprozessordnung eingeräumten Möglichkeiten zur [X.]hrung seiner verfahrensrechtlichen Belange benutzt, um gezielt verfahrensfremde oder verfahrenswidrige Zwecke zu verfolgen ([X.]St 38, 111, 113). Einen solchen Rechtsmissbrauch begeht auch ein Beschwerde-führer, der in einer Verfahrensrüge einen [X.] behauptet, obwohl er sicher weiß, dass sich dieser nicht ereignet hat ([X.], [X.] im Strafverfahren S. 156 f.). Denn er verfolgt mit ihr verfahrenswidrige Zwecke. Eine Verfahrensrüge dient dazu, geschehene Verfahrensfehler zu korrigieren ([X.] aaO S. 689). Nur dann, wenn das Verfahrensrecht tatsächlich verletzt worden ist und entweder ein absoluter Revisionsgrund eingreift oder das [X.] des Urteils auf dem Fehler nicht ausgeschlossen werden kann, unterliegt das Urteil der Aufhebung. Liegt dagegen der behauptete Verfahrensfehler nicht vor, ist - sofern nicht andere Aufhebungsgründe gegeben sind - die Revision zu verwerfen; das Urteil hat dann Bestand. Diesem Zweck der Verfahrensrüge würde es zuwiderlaufen, wenn man einem Rechtsmittelführer gestatten würde, durch die bewusst wahrheitswidrige Behaup[X.] eines Verfahrensfehlers ein 17 - 11 - Urteil zu Fall zu bringen, von dem er sicher weiß, dass es insoweit in einem feh-lerfreien Verfahren ergangen ist. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es an der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke fehle und die Erhebung einer bewusst unwahren Rüge jedenfalls dann zulässig sein müsse, wenn es dem Verteidiger darum [X.], ein materiell für unrichtig gehaltenes Urteil zu Fall zu bringen (so [X.] NJW 1951, 259; [X.]neidewin [X.] 1951, 193, 194). Ein solches Fernziel kann das prozessrechtswidrige Vorgehen nicht rechtfertigen ([X.] - "Der Zweck heiligt nicht die Mittel." - NJW 1951, 256, 257; [X.] aaO S. 688; vgl. auch [X.] in [X.] für [X.] S. 595, 600). So kann ein Verteidiger auch nicht zu unlauteren Mitteln greifen, um eine drohende - nach seiner Auffassung nicht gerechtfertigte - Verurteilung zu verhindern, indem er etwa einen zum Meineid entschlossenen Zeugen präsentiert oder gefälschte Urkunden vorlegt (vgl. [X.], Die Strafbarkeit des Verteidigers S. 53, 83). Insofern gilt nichts anderes als umgekehrt für den Staatsanwalt oder den Nebenkläger. Für ihre [X.]ite wird kaum zu vertreten sein, dass sie bewusst eine unwahre Verfahrens-rüge erheben dürfen, um einen für unrichtig gehaltenen Freispruch zu revidie-ren (vgl. [X.] aaO S. 691; vgl. aber [X.], 335, 337 f.). 18 5. Ein missbräuchliches Verhalten wird auch nicht dadurch ausgeschlos-sen, dass die Erhebung einer bewusst wahrheitswidrigen Verfahrensrüge sich auf die Beweiskraft eines - als fehlerhaft erkannten - Protokolls stützen kann. Ein solcher Sachverhalt wird in der Literatur vielfach mit dem plakativen Begriff "unwahre Protokollrüge" bezeichnet (vgl. [X.] aaO S. 595). 19 - 12 - a) Die Frage, ob eine bewusst "unwahre Protokollrüge" zulässig ist, hat die Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden. In der Literatur ist sie hef-tig umstritten. 20 Überwiegend wird die Auffassung vertreten, die sich aus § 274 StPO er-gebende Beweiskraft erlaube einem Verteidiger, sich ein unrichtiges Protokoll uneingeschränkt zunutze zu machen und eine bewusst "unwahre Protokollrüge" zu erheben (vgl. u. a. [X.]neidewin aaO.; [X.] aaO; [X.]/[X.], [X.] in Strafsachen 6. Aufl. [X.]. 292-294; [X.], [X.] f.; [X.]lüchter/[X.] in [X.] § 274 [X.]. 24); nach [X.] besteht insoweit nicht nur ein Recht, sondern sogar eine Pflicht (NJW 1950, 930 ff. und NJW 1951, 259). [X.] hat dies dahin formuliert, dass in [X.] Bereich des Revisionsverfahrens ein Rechtsanwalt "nach [X.], besser: nach [X.] lügen darf und muss" ([X.], 181, 185; vgl. auch Handbuch des Strafverteidigers 7. Aufl. [X.]. 917 ff.). 21 Andere halten die Erhebung einer bewusst "unwahren Protokollrüge" für rechtsmissbräuchlich ([X.] aaO S. 665 ff.; [X.] NJW 1951, 256 ff.; [X.], StPO 49. Aufl. § 274 [X.]. 21). Teilweise wird hierin ein lediglich [X.] Verhalten gesehen, das jedoch die prozessuale Zulässigkeit nicht berühre (Dünnebier in [X.][X.], StPO 23. Aufl. vor § 137 [X.]. 17 f.). [X.] (aaO S. 601 f.) sieht zwar in einer bewusst "unwahren Protokollrü-ge" einen Rechtsmissbrauch, möchte jedoch aus pragmatischen Gründen hier-aus keine Konsequenzen ziehen und die Rüge für zulässig erachten. 22 b) Wie der [X.]nat bereits in seinem [X.]uss vom 14. April 1999 ([X.]R StPO § 274 Beweiskraft 21; vgl. auch 24 und 27) erwogen hat, handelt ein Be-schwerdeführer, der bewusst wahrheitswidrig einen [X.] [X.] - 13 - tet und sich zum Beweis auf ein als unrichtig erkanntes Protokoll beruft, rechtsmissbräuchlich. Es gibt keine durchgreifenden Gründe, die bewusst "unwahre Protokoll-rüge" im Hinblick auf einen Rechtsmissbrauch anders zu beurteilen, als eine sonstige bewusst unwahre Verfahrensrüge: 24 aa) Es trifft insbesondere nicht zu, dass eine bewusst "unwahre Proto-kollrüge" keine Lüge sei, dass jedenfalls der Verteidiger insoweit lügen dürfe oder gar müsse oder dass durch § 274 StPO eine "prozessuale [X.]hrheit" ge-schaffen werde (so aber [X.] aaO; [X.]neidewin aaO; [X.] aaO; [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO). Die Beweiskraft des Protokolls nach § 274 StPO verändert nicht die Tatsachen, macht aus Unwahrheit keine [X.]hrheit. Die Vorschrift enthält vielmehr eine Beweisregel (Dünnebier aaO; [X.] aaO S. 687). Die Ebenen der Behaup[X.] eines Verfahrensfehlers und seines Beweises [X.] nicht vermengt, sondern müssen streng getrennt werden (so zutreffend [X.] aaO S. 257). Eine zulässige Verfahrensrüge erfordert zunächst die be-stimmte Behaup[X.] eines Verfahrensfehlers, erst danach stellt sich die Frage des Beweises. Deshalb besagt die Beweisbarkeit einer unwahren Behaup[X.] nichts über deren Zulässigkeit. 25 bb) Die Entscheidungen [X.], 1 und [X.]St 2, 125 stehen der [X.] des [X.]nats nicht entgegen. Sie befassen sich ausdrücklich lediglich mit der Frage, ob einer Verfahrensrüge durch eine Protokollberichtigung der Boden entzogen werden kann, nicht aber mit der Zulässigkeit einer bewusst "unwahren Protokollrüge". Soweit ein Recht zur Erhebung solcher [X.] aus einzelnen Begründungselementen dieser Entscheidungen hergeleitet wird (vgl. [X.] Stra-Fo 2004, 335, 337), kann dahin stehen, ob diese Wendungen nicht lediglich 26 - 14 - objektiv unrichtige, sondern tatsächlich auch bewusst wahrheitswidrige auf das Protokoll gestützte [X.] im Blick hatten (vgl. dazu ausführlich [X.] aaO S. 681 ff.). Denn der [X.]nat wäre an die Auffassung seines [X.] e-benso wenig wie an die des [X.] gebunden. Im Übrigen hat sich die Rechtslage mit Anerkennung eines allgemeinen [X.] in [X.]St 38, 111 ff. verändert. Immerhin hatte aber bereits das [X.] in der ge-nannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass von einem Recht auf Gel-tendmachung der Unwahrheit in solchen Fällen nicht gesprochen werden könne und es sich nur um die "Möglichkeit handle, eine prozessrechtliche Befugnis zu tatsächlich wahrheitswidrigen Zwecken zu missbrauchen" (aaO S. 6). cc) Der Vorschrift des § 274 StPO kann nicht entnommen werden, der Missbrauch von Verfahrensrügen unter Berufung auf das Protokoll sei "instituti-onell eingeplant" (so aber [X.], [X.] im Strafverfahren S. 237). Dessen Beweiskraft hat lediglich zur Folge, dass ein beurkundeter Sachverhalt ohne Rücksicht auf das tatsächliche Geschehen als bewiesen gilt und somit ein Verteidiger mit einer auf gutem Glauben oder auch nur auf einer unsicheren Erinnerung basierenden Rüge erfolgreich sein kann, obgleich der Verfahrens-fehler sich tatsächlich nicht ereignet hat. Nur dies ist "institutionell eingebaut", nicht aber der (wissentliche) Missbrauch des Rügerechts (vgl. auch [X.] aaO S. 689). 27 [X.]) Gegen die Anwendung des Missbrauchsverbots bei bewusst "unwah-ren Protokollrügen" kann nicht eingewandt werden, durch deren freibeweisliche Klärung werde faktisch die Beweiskraft des Protokolls nach § 274 StPO [X.]. Diese behält vielmehr ihre Bedeu[X.] nicht nur in allen Fällen, in denen unklar ist, ob sich der Verstoß ereignet hat, sondern auch dann, wenn sich die Rüge zwar als objektiv unwahr erweist, der Verteidiger dies aber entweder nicht 28 - 15 - weiß oder ihm jedenfalls sicheres Wissen um die Unwahrheit nicht nachgewie-sen werden kann. In solchen Fällen kann ein Beschwerdeführer sich auf das seinen Vortrag stützende Protokoll berufen, auch wenn es objektiv dem Ge-schehensablauf nicht entspricht, ohne sich dem Vorwurf des [X.]s auszusetzen. Im Ergebnis wird unter dem Gesichtspunkt des Rechts-missbrauchs die Berufung auf die Beweiskraft des Protokolls nur in den - eher seltenen - Fällen verwehrt, in denen die objektive Unwahrheit so klar zu Tage tritt, dass sie auch dem Verteidiger schlechterdings nicht verborgen geblieben sein kann. ee) Es trifft auch der weitere Einwand nicht zu, die Gewichte würden sich grundlegend zum Nachteil eines Angeklagten verschieben, wenn dem [X.] die Erhebung einer bewusst "unwahren Protokollrüge" unmöglich gemacht wird, weil dann die vom Protokoll abweichende Wirklichkeit nur zu seinen Las-ten, nicht aber zu seinen Gunsten maßgeblich sei. Dieses Bedenken relativiert sich von vorneherein dadurch, dass die Berufung auf ein - auch objektiv unrich-tiges - Protokoll, wie dargelegt, in den meisten Fällen weiterhin möglich sein wird und nur dann dem Missbrauchsverbot unterfällt, wenn sie zur Stützung einer bewusst wahrheitswidrigen Rüge erfolgt. Zudem besteht die beklagte [X.] tatsächlich nicht. Einer bewusst "unwahren Protokollrüge" ent-spricht bei einer solchen vergleichenden Betrach[X.] nämlich nicht ein zu Las-ten des Angeklagten lediglich irrtümliches, also nur objektiv unrichtiges, [X.] ein bewusst wahrheitswidrig gefertigtes Protokoll, bei dem die [X.] den Nachweis eines Verfahrensfehlers, der sich tatsächlich ereignet hatte, durch eine entsprechende Formulierung des Protokolls bewusst vereiteln. Eine solche "Lüge" der Unterzeichner des Protokolls stellt eine Fälschung im Sinne des § 274 Satz 2 StPO dar ([X.] StV 1984, 108), die wie ein etwai-ger Rechtsmissbrauch des Beschwerdeführers im Freibeweis festzustellen [X.] - 16 - re und ebenfalls zum Wegfall der Beweiskraft führen würde ([X.], StPO 49. Aufl. § 274 [X.]. 19). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Pflicht zur Berichtigung eines unrichtigen Protokolls besteht, auf die die [X.] hinwirken können (vgl. [X.] aaO § 271 [X.]. 23), und dass sich die Unterzeichner eines bewusst unrichtigen Protokolls nach § 348 Abs. 1 StGB wegen Falschbeurkundung im Amt strafbar machen, da ein Proto-koll zumindest im Hinblick auf die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten eine öffentliche Urkunde darstellt (vgl. [X.], 226 f.; [X.] in [X.]. § 271 [X.]. 45). Entsprechendes muss gelten, wenn Amtsträger die Berichtigung eines als unrichtig erkannten Protokolls unterlas-sen (vgl. [X.] aaO § 348 [X.]. 18). ff) [X.]ließlich können auch die gegen die Anwendung des Missbrauchs-verbotes bei der bewusst "unwahren Protokollrüge" vorgebrachten praktischen Bedenken nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Abgesehen davon, dass praktische Erwägungen es ohnehin kaum rechtfertigen können, einem klar er-kennbaren oder sogar offen zugegebenen Missbrauch nicht entgegenzutreten (vgl. [X.] aaO S. 702), gilt im Einzelnen folgendes: 30 Der Einwand, ein Rechtsmissbrauch mit seinen objektiven und subjekti-ven Elementen erfordere regelmäßig die Durchführung eines Freibeweisverfah-rens durch das Revisionsgericht und sei schwer zu beweisen (vgl. [X.] aaO S. 601), mag zwar die Konsequenzen zutreffend beschreiben. Er kann [X.] nicht überzeugen, da eine solche Klärung nur in den seltenen Fällen zum Tragen kommt, in denen die bewusst "unwahre Protokollrüge" klar zu Tage tritt. Insofern unterscheidet sich im Übrigen die Situation bei der bewusst "unwahren Protokollrüge" nicht von der bei anderen Anwendungsfällen des [X.], für die entsprechende Beweisschwierigkeiten bestehen. 31 - 17 - Soweit eingewandt wird, in vielen Fällen könne das Missbrauchsverbot durch Beauftragung eines anderen [X.] umgangen werden (vgl. [X.] aaO S. 601), kann auch dies nicht durchgreifen. Allerdings liegt die Verbrei[X.] einer solchen [X.] nicht fern, zumal sie in Handbüchern ausdrücklich empfohlen wird (vgl. dazu [X.], Handbuch des Strafverteidigers 7. Aufl. [X.]. 917 ff., 920: "[X.] Fragen" von [X.] nach der [X.]hrheit solle man dadurch umgehen, dass man einen anderen, nicht in der Hauptverhandlung anwesenden Rechtsanwalt mit der Verteidigung im Revisionsverfahren beauftragt, der hierzu im Stande der "Unberührtheit" gehalten werden solle). Es mag dahin gestellt bleiben, ob eine solche Umge-hungsstrategie dem Bild der Strafverteidigung nach der Strafprozessordnung entspricht, woran der [X.]nat allerdings Zweifel hat. Einer solchen Verfahrens-weise kann jedenfalls in Fällen begegnet werden, in denen der [X.] einen [X.] behauptet, den er nur dem Protokoll entnimmt, für dessen Unrichtigkeit jedoch erhebliche Anhaltspunkte gegeben sind. In [X.] Fällen wird er gehalten sein, sich bei dem in der Hauptverhandlung anwe-senden Instanzverteidiger zu erkundigen (vgl. [X.] NStZ 2005, 283 f.; [X.], [X.]. vom 22. [X.]ptember 2005 - 2 BvR 93/05). [X.]ließlich wird es in [X.] eklatanten Fällen - wie hier - vielfach möglich sein, auch dem beauftragten [X.] das Wissen um die Unwahrheit seiner Rüge nachzuwei-sen. 32 6. Auch eine unter Berufung auf das Protokoll erhobene Rüge, bei der der Beschwerdeführer zunächst nicht bewusst wahrheitswidrig gehandelt hat, kann im Laufe des Revisionsverfahrens rechtsmissbräuchlich und damit unzu-lässig werden, wenn das sichere Wissen um die Unwahrheit später erworben, die Rüge aber gleichwohl weiterverfolgt und dem Revisionsgericht zur Ent-scheidung unterbreitet wird. Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfah-33 - 18 - rensrüge ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] abzustellen. Es ist kein Grund ersichtlich, einen erst im Laufe des [X.] entstehenden Rechtsmissbrauch folgenlos hinzunehmen. Nur so kann auch der Umgehung des [X.] durch Beauftragung eines anderen Verteidigers, der im Unklaren über die Unwahrheit gelassen worden ist, begegnet werden. 7. Da nach alledem die Rüge der Verteidigerabwesenheit rechtsmiss-bräuchlich und unzulässig ist, kommt es auf die Frage, ob eine [X.] berücksichtigt werden kann, durch die einer erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen wird, nicht an. Es ist somit auch nicht veranlasst, das nach Durchführung des Anfrageverfahrens des 1. Strafsenats zu dieser Frage (vgl. [X.] NStZ-RR 2006, 112) voraussichtlich zu erwartende Vorlageverfahren nach § 132 Abs. 2 [X.] abzuwarten. Ausweislich des im [X.] mitgeteil-ten Sachverhalts geht der anfragende [X.]nat nicht davon aus, der Verteidiger habe dort den [X.] wider besseres Wissen behauptet. 34 8. Im Übrigen geben die [X.], die dieser und einer ent-sprechenden Rüge der Mitangeklagten [X.].

zugrunde liegen, Anlass zu dem Hinweis, dass ein ständiges Kommen und Gehen, bei der Verteidiger gleichsam im Minutentakt den Sitzungssaal betreten oder verlassen, mit dem geordneten Ablauf einer Hauptverhandlung und den Anforderungen an eine sachgerechte Verteidigung schwerlich zu vereinbaren sind. 35 II. Rüge A. III der Revisionsbegründung (Zutritt von Personen unter 16 Jahren): 36 - 19 - [X.], die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt worden, weil die Vorsitzende in der Sitzungsverfügung Personen unter 16 Jahren den Zutritt versagt habe, ist unbegründet. Ist - wie hier - die Sicher-heit im Gerichtsgebäude nicht ohne weiteres gewährleistet, dürfen im Rahmen einer Sicherheitsverfügung Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsver-handlung regeln, getroffen werden, wenn für sie ein verständlicher Anlass be-steht, wobei die Entscheidung hierüber im pflichtgemäßen Ermessen des die [X.] ausübenden Vorsitzenden steht ([X.]St 27, 13). 37 Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorsitzende in Ziffer 2 dieser Verfügung Personen, die jünger als 16 Jahre sind, den Zugang generell versagt hat. Nach § 175 Abs. 1 [X.] war sie befugt, unerwachsene Personen von der Teilnahme an der Hauptverhandlung auszuschließen. Dass sie diese Befugnis im Rahmen einer Sicherheitsverfügung pauschal in der [X.] ausgeübt hat, dass damit junge Menschen, die mehr als zwei Jahre unter der Volljährigkeitsgrenze sind, allgemein erfasst wurden, zeigt keinen Rechts-fehler auf. In Anbetracht der erforderlichen umfangreichen und personalintensi-ven Eingangskontrollen, die [X.]chtmeistern und Polizeikräften übertragen wer-den mussten, kann jedenfalls für diese Altersgruppe, bei der eine hohe [X.]hr-scheinlichkeit für das Fehlen der Erwachsenenreife spricht, eine individuelle Prüfung dieser Reife durch das Gericht nicht gefordert werden. Die Entschei-dung des [X.] in [X.], 374 steht dem nicht entgegen, da ihr [X.] vergleichbare Situation, die eine Sicherheitsverfügung erforderlich machte, zugrunde lag. Im Übrigen betraf sie 17-jährige Zuschauer und hatte für diese das Erfordernis einer individuellen Prüfung mit spezifischen Argumenten für diese Altersgruppe begründet (Heiratsfähigkeit, Zulassung zum Militärdienst). 38 - 20 - III. Rüge A. IV der Revisionsbegründung (Verwer[X.] entgegen § 51 BZRG): 39 Der [X.] hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der gerügte Sachverhalt nicht die Verletzung von Verfahrensrecht, sondern von sachlichem Recht betrifft. Hierauf wird im Zusammenhang mit der Sachrüge eingegangen. 40 IV. Rüge A. [X.] der Revisionsbegründung (Aussetzung): 41 [X.], das [X.] habe Aussetzungsanträge bis zur [X.] der vollständigen Gesprächsprotokolle des [X.] mit dem Zeugen M. zu Unrecht abgelehnt, ist unbegründet. Das Tatgericht war weder unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Sachaufklä-rungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), der Rücksichtnahme auf die Belange der [X.] (§ 338 Nr. 8 StPO), noch des fairen Verfahrens (Art. 6 [X.]) verpflich-tet, den Aussetzungsanträgen zu entsprechen; eine veränderte Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 StPO war - entgegen der Auffassung der Revision - ohnehin nicht gegeben. Das [X.] hat in seinen [X.]üssen unter Orientierung an den von der Rechtsprechung des [X.] entwi-ckelten Grundsätzen die wesentlichen Belange - [X.]hrheitsermittlung einerseits, Verfahrensbeschleunigung andererseits - erkannt und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles gegeneinander abgewogen ([X.] NStZ 1985, 466 ff.). Es hat dabei berücksichtigt, dass zwar bereits eine verwal[X.]s-gerichtliche Entscheidung auf Aufhebung der Sperrerklärung in erster Instanz vorgelegen hat, diese aber nicht rechtskräftig war und dass ihr im Übrigen nicht die Verpflich[X.] zur Herausgabe der ungeschwärzten Protokolle entnommen werden konnte. Angesichts einer Sachlage, die wesentlich dadurch [X.] - 21 - zeichnet ist, dass es nicht um die völlige Sperrung eines Zeugen als Beweis-person - wie sonst häufig im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 96 StPO - geht, sondern dass hier der Zeuge M. persönlich für eine außergewöhn-lich lange Befragung im Ermittlungsverfahren und ebenso im späteren Haupt-verfahren zur Verfügung gestanden hat, durfte das [X.] den ge-schwärzten Passagen eine allenfalls geringe potentielle Beweisbedeu[X.] bei-messen. Denn die Befragung des Zeugen durch den [X.] hat erst nach Abschluss eines wesentlichen Teils der Vernehmungen im Ermitt-lungsverfahren stattgefunden. Damit konnten aber die Aussageentwicklung zwischen Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung nachverfolgt und et-waige Abweichungen - wie geschehen - näher beleuchtet werden. Unter diesen Umständen lag kein Sachverhalt vor, aufgrund dessen sich das Gericht zur wei-teren Aufklärung gedrängt sehen musste. Damit war eine Aussetzung nicht nur nicht geboten, sie hätte vielmehr dem Gebot der rechtsstaatlich geforderten [X.]eunigung des Strafverfahrens widersprochen ([X.]E 63, 45, 68 f.). [X.] der Revisionsbegründung (Koordinierungsausschuss): 43 Das [X.] hat die nicht namentlich genannten Mitarbeiter des [X.] zu Recht als unerreichbar angesehen. Hinsichtlich der übrigen benannten Zeugen kann offen bleiben, ob es den Beweisantrag mit der gegebenen [X.] als bedeu[X.]slos ablehnen durfte, jedenfalls kann ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der unterbliebenen Vernehmung zu der [X.] in einem Nebenpunkt, der nicht das Kerngeschehen be-trifft, beruht. 44 - 22 - VI. Rüge A. XIII der Revisionsbegründung ([X.]): 45 Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Ka. wurde zu Recht als be-deu[X.]slos abgelehnt. Zum einen ergibt sich aus der vorgelegten, vom Zeugen M. gefertigten Skizze entgegen den Angaben der Verteidigung nicht, dass der Wecker mit der Rückseite auf den Karton "aufgeklebt", sondern nur, dass er am Karton "angebracht" worden ist, was eine spätere Zugänglichkeit der [X.] nicht ausschließt; zum anderen geht das [X.] davon aus, dass der Sprengsatz später noch verändert worden ist. Eine solche Änderung kann sich aber neben der Zusammensetzung der Sprengstoffmischung auch auf die Art der Befestigung der Zündvorrich[X.] bezogen haben. 46 Der von der Revision beschriebene Widerspruch zur Zusammensetzung des Sprengstoffgemischs ergibt sich aus dem Urteil nicht, sondern besteht nur im Verhältnis zu eigenen, [X.] "Feststellungen" der Verteidigung. [X.]selemente in Verteidigerschriftsätzen werden nicht dadurch zu Fest-stellungen des Gerichts, dass sie unwidersprochen bleiben. 47 VII. Rüge A. XV der Revisionsbegründung (Kfz-Kennzeichen u. a.): 48 Die Voraussetzungen einer nur ausnahmsweise zulässigen "Alternativrü-ge", etwa wenn ein essentieller, nicht erklärlicher Widerspruch zwischen [X.] und Urteilsgründen besteht ([X.]St 43, 212, 215 f.) oder der Akteninhalt die Unrichtigkeit der Urteilsfeststellungen ohne weiteres beweist ([X.] NJW 2000, 1962 f.) sind nicht gegeben. Es besteht kein solcher Widerspruch zwi-schen dem vorgetragenen Akteninhalt und den Urteilsgründen. Denn danach hat der Zeuge M. den Diebstahl von Kennzeichen von Doublettenfahrzeugen nur als [X.]lussfolgerung ( – "gegen gestohlene des gleichen [X.]gentyps [X.] - 23 - getauscht worden sein müssen") und als Information vom [X.], nicht als selbst erlebte oder beobachtete Tatsache. Bereits bei diesen Vernehmungen war ihm vorgehalten worden, dass tatsächlich nachgefertigte Doublettenkennzeichen eingesetzt worden sind, worauf er äußerte, dass es ihn nicht wundern würde, wenn solche Nachfertigungen hergestellt worden seien und dass er seinen Kenntnisstand lediglich von "J. " habe. Bei dieser Sachlage war eine Erörterung in den Urteilsgründen, die sich nicht zu allen erdenklichen, sondern nur zu den wesentlichen Umständen verhalten müssen, nicht zwingend geboten, zumal die Angaben des M. zur Herkunft der Kennzeichen in der Hauptverhandlung noch eine weitere Klärung erfahren haben können. [X.]. Rüge [X.] der Revisionsbegründung (Aussage des M.): 50 [X.] enthält im Wesentlichen, wie der [X.] zutref-fend ausführt, sachlich-rechtliche Angriffe gegen die Beweiswürdigung. Soweit mit ihr auch die sog. Alternativrüge erhoben werden soll, sind deren Vorausset-zungen im Hinblick auf die nicht erörterten Herstellungsanlei[X.]en in [X.]riften nicht erfüllt. Soweit die Erwähnung "obiger Vernehmungen des Zeugen M." vermisst wird, ist die Rüge nicht zulässig erhoben, da nicht hinreichend erkenn-bar ist, worin ein Widerspruch gesehen wird, der entweder zu weiterer Aufklä-rung oder zur Erörterung in den Urteilsgründen hätte führen müssen. 51 IX. Rüge XXII der Revisionsbegründung (Rucksackinhalt): 52 Auch dieses Vorbringen enthält keine zulässige Alternativrüge. Der Ab-lauf des [X.] von Ausweisdokumenten beweist die Unrichtigkeit der Urteilsfeststellungen nicht ohne weiteres. Denn auch die Mitnahme [X.] Dokumente im Fluchtgepäck kann sinnvoll sein, wenn etwa die Absicht ver-53 - 24 - folgt wird, solche Papiere ebenso wie Notizbücher u. ä. der Polizei nicht in die Hände fallen zu lassen. B. Sachrüge: 54 I. Rüge B. I der Revisionsbegründung (§ 51 Abs. 1 BZRG): 55 1. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 56 Der Angeklagte war bereits ab 1985 Mitglied der Revolutionären Zellen in [X.]. Er nahm zur Finanzierung dieser terroristischen Vereinigung an der sog. "Postsparbuchaktion" teil, bei der mit gefälschten Postsparbüchern Gelder be-trügerisch erlangt wurden. Deswegen wurde er am 27. Februar 1989 durch das Landgericht [X.] wegen Betrugs verurteilt; die Mitgliedschaft in einer terroristi-schen Vereinigung nach § 129 a StGB war nicht Gegenstand des Verfahrens. Das [X.] hat ihn in diesem Verfahren nur wegen der nach dieser Verurteilung begangenen mitgliedschaftlichen [X.] abgeurteilt, weil im Übrigen Strafklageverbrauch eingetreten sei. Die Revision rügt jedoch, dass gleichwohl solche früheren Betätigungen bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt worden seien; dies verstoße gegen § 51 Abs. 1 BZRG. 57 2. Es ist zweifelhaft, ob sich das Verwer[X.]sverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nach der zwischenzeitlich getilgten Verurteilung wegen Betrugs auch auf davor liegende mitgliedschaftliche [X.] des Angeklagten bezieht. Denn nach dieser Vorschrift darf nur die Verurteilung und die ihr zugrunde lie-gende Tat nicht zum Nachteil verwertet werden. [X.]lbst wenn man davon [X.] - 25 - geht, der Begriff der Tat im Sinne des § 51 Abs. 1 BZRG sei gleichbedeutend mit dem nach § 264 StPO, wäre weiter Voraussetzung für die Annahme eines Verwer[X.]sverbotes, dass diese [X.] Bestandteil der vom [X.] am 27. Februar 1989 abzuurteilenden Tat im Sinne des § 264 StPO sind. Dies erscheint zweifelhaft. Der [X.]nat hat bereits in der den früheren Mitange-klagten [X.]i. betreffenden Beschwerdeentscheidung vom 30. März 2001 ausgeführt, dass er dazu neigt, mehrere prozessuale Taten anzunehmen, wenn der Angeklagte nur wegen einer einzelnen Betätigung verurteilt worden ist und er nicht darauf vertrauen durfte, durch das frühere Verfahren seien alle Betäti-gungsakte für die Vereinigung erfasst ([X.]St 46, 349, 358). 3. Diese Frage muss jedoch hier ebenfalls nicht entschieden werden. Auch wenn man von der gleichen prozessualen Tat ausgehen würde, läge ein durchgreifender Rechtsfehler nicht vor, da nicht die der Verurteilung zugrunde liegende Tat zum Nachteil verwertet worden ist. 59 a) Aus der von der Revision beanstandeten beweiswürdigenden Passa-ge auf [X.] ergibt sich lediglich, dass eine Bestätigung der Aussage des Zeugen M. im Hinblick auf die Flucht des Angeklagten nach [X.] ("in den [X.]ld") durch den Inhalt seines Tagebuchs erfolgt sei. Diese Flucht wegen dro-hender polizeilicher Verfolgung stellt jedoch keine mitgliedschaftliche Betätigung im Sinne des § 129 a StGB dar, weil mit ihr keine terroristischen Ziele gefördert wurden. 60 b) Aus der weiteren Passage in der Beweiswürdigung, wonach feststehe, dass "die Angeklagten" bei allen drei vorangegangen Anschlägen umsichtig, sorgfältig und arbeitsteilig gehandelt hätten ([X.] f.), ergibt sich nicht, dass speziell beim Angeklagten eine frühere Betätigung als Mitglied als Indiz 61 - 26 - herangezogen worden ist. Vielmehr sollte die generelle Arbeitsweise der Verei-nigung charakterisiert werden, die zuvor bei den einzelnen Anschlägen heraus-gearbeitet worden war. Es versteht sich, dass sich die Wendung nur auf die Verhaltensweisen derjenigen Mitglieder bezog, die wegen der jeweiligen [X.] abgeurteilt worden sind. c) Die straferschwerende Erwägung, der [X.] sei bereits nach dem [X.]. diskutiert und schließlich nach langer Planung und Vorberei[X.] von den Angeklagten verübt worden ([X.]), berührt allerdings zu einem gewissen Anteil das Verwer[X.]sverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG. Da der [X.]. am 1. [X.]ptember 1987 und der [X.] am 15. Januar 1991 stattfanden, hätte von der dazwischen liegenden Planungs- und Vorberei[X.]stätigkeit der vor dem 27. Februar 1989 liegende Teil von der Berücksichtigung ausgenom-men werden müssen. Die nachfolgende Vorberei[X.] durfte jedoch ebenso wie der Umstand, dass sich der Angeklagte bei der Tatbegehung an einer lange vorher geplanten und vorbereiteten Tat beteiligte, zu seinem Nach-teil berücksichtigt werden. Dass das [X.] bei einer solch feinen Diffe-renzierung zu einer geringeren Strafe gelangt wäre, vermag der [X.]nat auszu-schließen. 62 II. Rüge B. II der Revisionsbegründung (Widersprüche bei Aussage M.): 63 Soweit die Revisionsbegründung unter Abschnitt B. II verschiedene [X.] zwischen der Aussage des Zeugen M. und dem festgestellten Ge-schehensablauf darlegt und beanstandet, diese seien nicht erschöpfend [X.], zeigt sie einen Rechtsfehler nicht auf. Das [X.] hat die genann-ten Widersprüche gesehen und im Rahmen der außerordentlich umfangreichen 64 - 27 - Beweiswürdigung in ausreichender Weise erörtert; dass es dabei wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hätte, ist nicht ersichtlich. III. Rüge B. III der Revisionsbegründung (Überlassung von [X.]): 65 Die sachlich-rechtliche Beanstandung, das [X.] habe bei der Würdigung der Aussage des Zeugen M. in den Urteilsgründen nicht ausdrück-lich erörtert, dass ihm und seinem Beistand zuvor [X.], insbeson-dere Abschriften von Vernehmungsprotokollen aus dem Ermittlungsverfahren zur Verfügung gestellt worden waren, geht von [X.] Feststellungen aus und kann somit einen sich aus dem Urteil selbst ergebenden [X.] nicht belegen. Eine Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben. 66 Im Übrigen würde auf der fehlenden Erörterung das Urteil nicht beruhen. Denn die Überlassung war Gegenstand etlicher Anträge und [X.]. Dabei hat das [X.] ausgeführt, dass die Überlassung für die Würdigung von Bedeu[X.] sein kann und deshalb die Kenntnisnahme durch den Zeugen zum Gegenstand seiner Befragung gemacht worden war. Bei die-ser Sachlage kann ausgeschlossen werden, dass das Gericht diesen Umstand bei seiner Überzeugungsbildung aus dem Blick verloren haben könnte. 67 IV. Rüge B. IV der Revisionsbegründung (Wohnung [X.]): 68 Die ausführliche Beweiswürdigung des [X.]s zum [X.] einer konspirativen Wohnung in der [X.] lässt einen Rechts-fehler nicht erkennen. Ein solcher wird auch nicht dadurch belegt, dass die Zeugin L. zwar 24 Minuten lang vernommen worden sein soll, ihre Aussa-ge aber nur mit einigen Sätzen dargestellt worden ist. Es genügt grundsätzlich 69 - 28 - die zusammenfassende Wiedergabe des für die Überzeugungsbildung wesentli-chen Inhalts, eine vollständige Dokumentation der Aussage ist nicht geboten (vgl. [X.]R StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 3). [X.]

[X.] [X.]

von [X.] [X.]

Meta

3 StR 284/05

11.08.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2006, Az. 3 StR 284/05 (REWIS RS 2006, 2226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2226

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