Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2019, Az. II ZB 23/18

2. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3041

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Gegenstand

(Anfechtbarkeit einer Entscheidung über Antrag auf Erweiterung des Musterverfahrens)


Leitsatz

Die einen Antrag auf Erweiterung des Musterverfahrens zurückweisende Entscheidung des Oberlandesgerichts ist unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (Festhaltung an BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 - II ZB 24/14).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 23. Oktober 2018 wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.232,71 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beigeladenen verfolgen in einem bei dem [X.] anhängigen Verfahren gegen die [X.] Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Mitteilungspflichten über Insiderinformationen sowie fehlerhafter Finanzberichterstattung im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal. Das [X.] hat das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] im Hinblick auf das vorliegende Musterverfahren ausgesetzt, dem zunächst nur gegen die [X.] zu 1 gerichtete Ausgangsverfahren zugrunde lagen. Das [X.] hat durch Beschluss vom 15. Juni 2018 festgestellt, dass die [X.] zu 2 - u.a. im Hinblick auf das von der den Beigeladenen betriebene Ausgangsverfahren - weitere [X.] im Musterverfahren geworden sei.

2

Die Beigeladenen haben beantragt, das Musterverfahren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] um weitere, im Wesentlichen die [X.] zu 2 betreffende [X.] zu erweitern. Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde der Beigeladenen.

3

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist.

4

1. Die einen Antrag auf Erweiterung des [X.] zurückweisende Entscheidung ist nicht anfechtbar. Der Rechtsschutz gegen die Entscheidungen des [X.]s ist im Verfahren nach dem [X.] nach § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegen den [X.] und dann eröffnet, wenn das Gesetz die Entscheidung nicht für unanfechtbar erklärt und das [X.] die Rechtsbeschwerde nach § 3 Abs. 1 EGZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen hat. Obwohl das Gesetz keine ausdrückliche Regelung zur Anfechtbarkeit der Entscheidung über den Antrag auf Erweiterung des [X.] nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] enthält, ist davon auszugehen, dass die den Antrag zurückweisende Entscheidung des [X.]s einer Anfechtung entzogen ist ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2018 - [X.], [X.], 2307 Rn. 140 f.). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Einwände fest.

5

a) Die Begründung des [X.] zu § 15 [X.] weist darauf hin, dass § 13 Abs. 2 in der bis zum 31. Oktober 2010 geltenden Fassung ([X.] a.F.) durch die Zuweisung der Entscheidungskompetenz an das [X.] überflüssig werde und begründet dies mit der Erwägung, dass die Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf das [X.] zur Folge habe, dass weder die Bekanntmachung der Erweiterung des [X.] noch die Ablehnung einer Erweiterung mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden könnten (BT-Drucks. 17/8799, [X.]). § 13 Abs. 2 [X.] a.F. sah vor, dass die Erweiterung des [X.] durch das Prozessgericht unanfechtbar und für das [X.] bindend sei. Wurde danach eine gesetzliche Regelung zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung unter Hinweis auf den Ausschluss der sofortigen Beschwerde für überflüssig gehalten, ist für die Deutung der Rechtsbeschwerde, der Hinweis auf die fehlende Anfechtungsmöglichkeit mit der sofortigen Beschwerde, beziehe sich lediglich auf den Ausschluss eines zulassungsfreien Rechtsmittels, kein Raum. Für eine solche Einschränkung finden sich in der Begründung des [X.] keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil ist in den parlamentarischen Beratungen hervorgehoben worden, dass zum Zweck der Beschleunigung des [X.] Streitigkeiten in Zwischenverfahren über den Umfang der [X.] abgeschnitten werden sollten, was angesichts des verbleibenden Rechtsschutzes im [X.] hinnehmbar sei ([X.] 17/165, S. 19708).

6

b) Der Senat vermag auch dem Argument der Rechtsbeschwerde nicht beizutreten, er unterlaufe die grundlegende Intention des Gesetzgebers, der mit dem [X.] dem Rechtsbeschwerdegericht die Aufgabe zugewiesen habe, außer Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auch Fragen der Fortbildung des Rechts zu klären und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sichern und einer Rechtszersplitterung entgegenzuwirken. Der Gesetzgeber hat - wie der Senat bereits hervorgehoben hat ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2018 - [X.], [X.], 2307 Rn. 144) - die Einschränkung des Rechtsschutzes im Musterverfahren gesehen und den verbleibenden Rechtsschutz im [X.] für ausreichend erachtet, wenn nicht alle aus der Sicht eines einzelnen Klägers klärungsbedürftigen Punkte Gegenstand des [X.] werden (BT-Drucks. 17/8799, [X.]). Damit dieser Rechtsschutz dem verfassungsrechtlichen Grundsatz bei Effektivität für den einzelnen Kläger genügt, muss sich das Prozessgericht für die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens die Überzeugung bilden (§ 286 ZPO), dass es auf die [X.], die Gegenstand des [X.] sind, für den Ausgang des Rechtsstreits konkret ankommen wird, auch wenn hierzu eine Beweisaufnahme durchzuführen ist ([X.], Beschluss vom 30. April 2019 - [X.], [X.], 1615 Rn. 28). Dass aus diesem Grund - wie die Rechtsbeschwerde befürchtet - die Klärung von außerhalb der [X.] des [X.] liegender Streitpunkte not-wendig werden und es zu einer Mehrbelastung der Gerichte kommen kann, ist hinzunehmen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 30. April 2019 - [X.], [X.], 1615 Rn. 26).

7

c) Schließlich führt auch der Hinweis der Rechtsbeschwerde auf den Senatsbeschluss vom 20. Januar 2015 zu keinem anderen Ergebnis. Diese Entscheidung verhält sich zum Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz in der bis zum 31. Oktober 2012 geltenden Fassung ([X.], Beschluss vom 20. Januar 2015 - [X.], [X.], 703 Rn. 13). Nach § 13 Abs. 1 [X.] a.F. hatte das Prozessgericht über die Erweiterung des [X.] zu entscheiden und nach § 13 Abs. 2 [X.] a.F. war ausdrücklich nur die Erweiterung des [X.] einer Anfechtung entzogen. Angesichts dieser Regelungen und der mit der Neufassung des Kapitalanleger-[X.]gesetzes verfolgten Ziele war die Frage der Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Zurückweisung eines auf Erweiterung des [X.] gerichteten Antrags durch das [X.] vom Senat neu zu beantworten.

8

2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das [X.] führt ebenfalls nicht zur Statthaftigkeit des Rechtsmittels. Diese kann keinen vom Gesetz nicht vorgesehenen Instanzenzug eröffnen (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Oktober 2002 - [X.] 271/02, [X.], 70; Beschluss vom 26. März 2007 - [X.], juris Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2018 - [X.] 634/17, [X.], 690 Rn. 7).

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Born   

      

Bernau     

      

V. Sander     

      

Meta

II ZB 23/18

01.10.2019

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Braunschweig, 23. Oktober 2018, Az: 3 Kap 1/16

§ 15 Abs 1 S 1 KapMuG, § 20 Abs 1 S 1 KapMuG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2019, Az. II ZB 23/18 (REWIS RS 2019, 3041)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 117 WM2019,2345 REWIS RS 2019, 3041

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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