Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. B 5 R 296/20 B

5. Senat | REWIS RS 2021, 7980

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Gegenstand

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Divergenz - Klagerücknahmefiktion


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 5. November 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung von rentenrechtlichen Zeiten (Bezug von [X.] vom 1.5.2008 bis 31.8.2008). Das [X.] hat mit Gerichtsbescheid vom [X.] die Beendigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme festgestellt. Das [X.] hat die Voraussetzungen einer Klagerücknahmefiktion bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim B[X.] eingelegt und mit Schriftsätzen vom 13.1.2021 und [X.] begründet. Sie macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz geltend 160 Abs 2 [X.] und 2 [X.]G).

2

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Keiner der im Gesetz abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung einer Revision wird nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.

3

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung nicht formgerecht dargelegt.

4

Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 [X.]G) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr, [X.] Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] RdNr 4 mwN). Daran fehlt es hier.

5
        

Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:

        

"Sollte durch § 102 Abs. 2 [X.]G für die Sozialgerichte eine zusätzliche Möglichkeit verschaffen, Verfahren beschleunigt zu beenden oder ist die ein Vorgehen nach § 102 Abs. 2 [X.]G im Verhältnis zu anderen Maßnahmen insbesondere eine Fristsetzung nach § 106a [X.]G subsidiär?"

6

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 [X.]G) mit höherrangigem Recht formuliert. Die Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl dazu B[X.] Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 mwN). Jedenfalls enthält die Beschwerdebegründung keinen hinreichenden Vortrag zur (abstrakten) Klärungsbedürftigkeit. Dazu muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des B[X.] und ggf des [X.] zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem [X.] noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] R 61/19 B - juris RdNr 9). Zur Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs 2 [X.]G existieren bereits höchstrichterliche Entscheidungen (vgl ua B[X.] Urteil vom 4.4.2017 - B 4 [X.]/16 R - [X.], 62 = [X.] 4-1500 § 102 [X.], Rd[X.]9 ff mwN; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.]/18 B - juris RdNr 8). Eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer Klagerücknahmefiktion unter Auswertung dieser Rechtsprechung enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht.

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Zudem fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur (konkreten) Klärungsfähigkeit. Der Senat vermag anhand der Beschwerdebegründung nicht zu beurteilen, ob die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage zur Subsidiarität einer Klagerücknahmefiktion entscheidungserheblich ist. Aus der Beschwerdebegründung geht hervor, dass das [X.] zuvor andere Maßnahmen ergriffen und den Prozessbevollmächtigten der [X.] mehrfach um Erteilung eines Einverständnisses zur Beiziehung von zwei Gerichtsakten ersucht hat. Erst im darauffolgenden Jahr 2018 verfügte das [X.] eine Erledigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahmefiktion. Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.

8

2. Den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) hat die Klägerin ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet.

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Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des [X.] nicht den Kriterien entspricht, die das B[X.] aufgestellt hat, sondern erst, wenn das [X.] diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des [X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl B[X.] Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 4 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin benennt als abstrakten Rechtssatz des [X.], "dass eine konkrete Handlungsanweisung auch aus einem außerhalb der Betreibensaufforderung ergangenen Schreiben eines Gerichts entnommen werden darf, welches seinerseits nicht zugestellt wurde und bei dem streitig ist, ob es zugegangen ist." Dagegen komme nach der Rechtsprechung des [X.] eine Rücknahmefiktion nur in eng begrenzten Ausnahmefällen vor. Erforderlich sei eine "Gesamtwürdigung von Betreibensaufforderung und Verhalten des Klägers". An solcher fehle es hier.

Dieser Beschwerdebegründung lässt sich schon nicht entnehmen, dass das [X.] einen eigenen abstrakten Rechtssatz aufgestellt und selbst rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, die von denjenigen des [X.] abweichen. Weitere Ausführungen wären schon deshalb erforderlich gewesen, weil sämtliche von der Klägerin aufgeführten Beschlüsse des [X.] in den Entscheidungsgründen des [X.] Urteils zitiert wurden ([X.] Kammerbeschlüsse vom 19.5.1993 - 2 BvR 1972/92 -, vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - und vom 17.9.2012 - 1 BvR 2254/11). Soweit die Klägerin die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht rügt, ist dies als bloße Subsumtionsrüge nicht ausreichend (vgl dazu B[X.] Beschluss vom 7.12.2020 - [X.] [X.] 22/20 B - juris Rd[X.]9 mwN). Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr, [X.] Beschluss vom [X.] R 46/20 B - juris RdNr 4 mwN). Auf die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl nur B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 RS 10/18 B - juris Rd[X.]1).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 5 R 296/20 B

11.03.2021

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Magdeburg, 7. Mai 2019, Az: S 5 R 497/18 WA, Gerichtsbescheid

§ 102 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 162 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. B 5 R 296/20 B (REWIS RS 2021, 7980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2254/11

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