Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2016, Az. 1 StR 72/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 9948

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150616B1STR72.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 72/16

vom
15. Juni
2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

wegen zu 1. + 2.:
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge u.a.

zu 3.:
Beihilfe zur
unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 15. Juni
2016
gemäß §
349 Abs.

2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] [X.] OPf. vom 8. Oktober 2015
a) im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Einziehung des Betäubungsmittels

auch hinsichtlich des ehemaligen Mitangeklagten M.

und
b) hinsichtlich des Angeklagten

H.

im Ausspruch über den [X.] der Maßregel
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Jugendkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte T.

und den Angeklagten

H.

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer nger Menge zu einer Freiheitsstrafe von jeweils sieben Jahren und drei Monaten, den Angeklagten N.

wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von [X.]
-
3
-

l-treiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier
Jahren und neun
Monaten und den Angeklagten M.

wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Men-ge mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und zehn
Monaten ver-urteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten

H.

in einer Entziehungsanstalt, den [X.] der Freiheitsstrafe vor der [X.] angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verlet-zung materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstanden die Revisionen der An-geklagten T.

und N.

das Verfahren. Sie haben den aus der Beschluss-formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

I.
Das [X.] hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
Am 3. September 2014 verbrachten die Angeklagten 418,34 g Me-thamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 254,2 g in dem vom Angeklagten

H.

geführten Pkw auf der [X.] über den [X.] Grenzübergang [X.] aus der [X.] in das [X.]. Die Angeklagte T.

befand sich auf dem Beifahrersitz, der Angeklagte N.

und der ehemals Mitangeklagte M.

saßen auf der Rückbank des Fahrzeugs. Die im Pkw befindlichen Betäubungsmittel waren in drei [X.] aufgeteilt, von denen eine mit einem Inhalt von 2
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25,87 g in einer Packung Damenbinden im Koffer der Angeklagten T.

aufbe-wahrt wurde und die beiden anderen mit 195,58 g und 196,89 g sich je in [X.] befanden, die in einer Einkaufstüte verstaut waren. Die Angeklagte T.

hatte die Betäubungsmittel zuvor beschafft und in ihrem Koffer und den Schuhen versteckt und diese sodann in das Tatfahrzeug gelegt. Das im Eigen-tum der Schwester der Angeklagten T.

stehende Tatfahrzeug hatte der An-geklagte
N.

in Kenntnis des beabsichtigten [X.] zum Abfahrtsort nach [X.] gebracht. Die Betäubungsmittel sollten

was [X.] Angeklagten bekannt war

über [X.] nach [X.] transpor-tiert und dort gewinnbringend weiterverkauft werden, wobei die Übergabe der Betäubungsmittel in [X.] durch den Mitangeklagten M.

erfol-gen sollte.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das [X.] hinsichtlich der Angeklagten

H.

und

T.

den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 [X.] zu Grunde gelegt und das Vorliegen eines minder schweren Falles ge-mäß § 30 Abs. 2 [X.] verneint. Hinsichtlich des Angeklagten N.

hat das [X.] den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 [X.] gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert, ohne jedoch die Voraussetzungen eines minder schwe-ren Falles ausdrücklich zu erörtern. Dabei hat das [X.] zu Lasten der e-kannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge r-Strafzumessung im engeren Sinne erneut strafschärfend berücksichtigt.

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II.
Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht vollumfänglich stand.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rechtsmittel bedarf lediglich die Revi-sion des Angeklagten

H.

der Erörterung.
Der Angeklagte hat seine Revision durch Schreiben vom 13. Dezember 2015

am 16. Dezember 2015 bei der gemeinsamen [X.] des Landge-richts, der Staatsanwaltschaft und des [X.] [X.] OPf. [X.]

zurückgenommen. Seine Verteidigerin, Frau Rechtsanwältin [X.].

, hat mit Schreiben vom 16. Dezember 2015

am selben Tag bei der gemein-samen [X.] eingegangen

die Rücknahme der Revision durch den Angeklagten für gegenstandslos erklärt. Nach Einholung dienstlicher Erklärun-gen durch den Senat im [X.] zur zeitlichen Abfolge des [X.] der oben genannten Schreiben konnte letztlich nicht zweifelsfrei geklärt werden, welches der beiden Schreiben früher beim zuständigen Gericht [X.] ist, sodass die Revision als zulässig anzusehen ist (vgl. dazu [X.], [X.] vom 2. September 1960

4 [X.], NJW 1960, 2202;
vom 3.
Mai 1991

3 StR 70/91
und
vom 19. Mai 1994

1 [X.], [X.], 447).
2. Den von
den Angeklagten T.

und N.

erhobenen [X.] bleibt der Erfolg aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des [X.] versagt.
3. Die Revisionen der Angeklagten haben auf die erhobenen Sachrügen jedoch den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg, weil die Strafzu-messung des [X.]s und die Anordnung der Einziehung [X.] Prüfung nicht standhalten.
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a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Er [X.] ist aufgrund des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, in der Lage, die für die Strafzumessung bestimmenden entlastenden und belastenden [X.] festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des [X.] in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich,
wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerech-ter Schuldausgleich zu sein (st.
Rspr.; [X.], Urteile vom 17. September 1980

2 StR 355/80, [X.]St 29, 319 [X.]; vom 4. Februar 2004

5 [X.], [X.], 262 [263]; vom 29. Juni 2005

1 [X.], [X.], 568; vom 7. Juni 2006

2 StR 42/06, [X.], 343 [344]; vom 7. November 2007

1 [X.], [X.], 58 f.
und
vom 19. Januar 2012

3 [X.], [X.], 168; Beschluss vom 10. April 1987

[X.], im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine
ins Einzelne gehende Richtig-keitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen
([X.], Urteile vom 29. Juni 2005

1 [X.], [X.], 568
und
vom 7. November 2007

1 [X.], [X.], 59; Beschluss vom 10. April 1987

[X.], [X.]St 34, 349).
Vorliegend sind die Zumessungserwägungen des [X.]s in sich fehlerhaft, weil es im Rahmen der konkreten Strafzumessung einzelnen Straf-zumessungsgründen erkennbar ein zu hohes Gewicht beigemessen hat.
Grundsätzlich kommt im Rahmen der Strafzumessung
der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2000

4 [X.], [X.], 613; [X.] in Kör-ner/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. [X.] Rn. 208), wobei nach 10
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der Rechtsprechung des [X.] diesbezüglich ein für die [X.], Kokain und Crack ([X.], Urteil vom 22. Januar 1998

4 StR 393/97, [X.], 148; vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. Juni 2000

4 [X.], [X.], 613) über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juni 1990

2 [X.], [X.] 1990, 494; vom 10. Februar 1993

2 StR 20/92, [X.], 287; vom 30. Oktober 1996

2 StR 508/96, [X.] 1997, 75
und vom 26.
März 2014

o-gen, wie Cannabis (dazu [X.], Urteile vom 2. Dezember 1986

1 StR 599/86, [X.] 1987, 203 und vom 28. Januar 2009

5 [X.]), besteht (vgl. insge-samt [X.] in Körner/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. [X.] Rn.
114, 126, 209 ff. [X.]).
Die straferschwerende Bewertung des [X.]s, dass es sich bei

und [X.] ähnliche Formulierungen begegnen im vorliegenden Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat besorgt deshalb, dass das [X.]
Methamphetamin als mindestens
so gefährlich wie Heroin eingeschätzt und damit das in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte vorgenannte Stufenverhältnis außer [X.] gelassen hat. Zutreffend ist zwar, dass es sich bei dem Rauschgift Methamphetamin um ein durchaus gefährliches
Betäubungs-mittel mit hohem Suchtpotential handelt (so [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015

1 StR 7/15, [X.], 283). Dies bedeutet allerdings nicht ohne [X.], Kokain und Crack, gleichzusetzen ist
(dazu auch [X.], Urteil vom 17.
November 2011

3 [X.], NJW 2012, 400 [401 [X.]]), zumal eine sol-che Annahme durch das [X.] auch nicht näher belegt wurde.
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b) Des Weiteren ist die unterbliebene Prüfung, ob hinsichtlich des Ange-klagten N.

die Voraussetzungen eines
minder schweren Falles gemäß §
30 Abs. 2 [X.] vorliegen, hier rechtsfehlerhaft.
Hier lag unter den gegebenen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles gerade für den Angeklagten N.

infolge der fehlenden Vorstrafen, der [X.] Einordnung in der [X.], der finan-ziellen Unterstützung der Familie in [X.], der Sicherstellung des Betäu-bungsmittels, insbesondere aber infolge des Vorliegens des vertypten Milde-rungsgrundes der Beihilfe und vor allem seines untergeordneten [X.] sowie des vom [X.] nicht festgestellten [X.]

auch in An-betracht der Art und Menge des Betäubungsmittels

nicht fern und hätte infol-gedessen der ausdrücklichen
Erörterung durch das [X.] bedurft.
4. Auch die [X.] des [X.]s erweist sich im Hinblick auf das Betäubungsmittel als nicht frei von [X.]. Die [X.] Gegenstände sind im [X.] konkret zu bezeichnen, um [X.] über den Umfang der Einziehung für die Beteiligten und die [X.] zu schaffen und um eine ordnungsgemäße Vollstreckung zu ermöglichen ([X.], Urteile vom 6. Oktober 1955

3 StR 279/55, [X.]St 8, 205 [211 f.] und vom 15. März 1994

1 [X.], NJW 1994, 1421). Die [X.] den vorliegenden Anforderungen nicht. Vielmehr hätte es der Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Betäubungsmittels im [X.] be-durft (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007

1 [X.], [X.], 713).
5. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils aufgrund der feh-lerhaften Zumessungserwägungen und [X.] auf den Mitan-geklagten M.

zu
erstrecken, der seine Revision im Verlauf des [X.] vor dem Senat zurückgenommen hat (zur Revisionserstreckung bei 14
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Revisionsrücknahme vgl. [X.], Urteile vom 11. Februar 1958

1 StR 589/57, NJW 1958, 560; vom 14. Mai 1996

1 StR 51/96, [X.], 2663
[2665] und
vom 28. Oktober 2004

3 [X.], [X.]St 49, 275 [276, 299]).
6. Die Anordnung des [X.]s der Maßregel hinsichtlich des An-geklagten

H.

gemäß § 67 Abs. 2 Satz
4 StGB war infolge der Aufhebung des Urteils im Strafausspruch ebenfalls aufzuheben. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB bleibt davon unberührt.
7. Im Übrigen waren die weitergehenden Revisionen der Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und blei-ben bestehen.

III.
Im Hinblick auf
die Bemessung einer gegen den Mitangeklagten M.

zu verhängenden Jugendstrafe weist der Senat auf § 18 Abs. 2 [X.] hin. Danach ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieheri-sche Einwirkung möglich ist. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen [X.], inwieweit dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung ge-schenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des [X.] gegen die Folge der Strafe für die weitere Entwicklung des [X.]/Heranwachsenden abgewogen worden ist (dazu [X.], Urteil vom 19. [X.] 2014

2 StR 413/13, [X.], 407; Beschlüsse vom 28. Februar 2012

3 StR 15/12, [X.], 186 [X.]; vom 17. Juli 2012

3 [X.] und
vom 8. Januar 2015

3 [X.], [X.], 154). Hieran fehlt es, 18
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wenn die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich mit solchen Zumes-sungserwägungen vorgenommen
wird, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen ([X.], Beschluss vom 14. Juli 1994

4 StR 367/94). Eine abschlie-ßende lediglich formelhafte Erwähnung der erzieherischen Erforderlichkeit der verhängten Jugendstrafe genügt den Erfordernissen des § 18 Abs. 2 [X.] nicht (st. Rspr.;
vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Juli
2012

3 [X.] und vom 8.
Januar 2015

3 [X.], [X.], 154).
Raum Graf Jäger

Riin[X.] Dr. Fischer ist in

Urlaub und deshalb an der

Unterschriftsleistung gehindert.

Raum Bär

Meta

1 StR 72/16

15.06.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2016, Az. 1 StR 72/16 (REWIS RS 2016, 9948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9948

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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