Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 12 KR 6/10 R

12. Senat | REWIS RS 2012, 5249

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Krankenversicherung - Regelung über die Versicherungsfreiheit in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB 5 ab 2.2.2007 - Erfordernis eines dreijährigen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze - Geltung auch für vorher selbstständig tätige Personen - Lage des Dreijahreszeitraums - Nichteinrechnung von selbstständigen Tätigkeiten in Dreijahreszeitraum - Nichtanwendung des § 6 Abs 9 SGB 5 auf Selbstständige - Verfassungsmäßigkeit der Wechselbeschränkung in private Krankenversicherung)


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungsfreiheit des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]).

2

Der 1964 geborene Kläger ging bis März 2004 einer Beschäftigung nach, in der er im Hinblick auf sein hohes regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt in der [X.] versicherungsfrei war. Von Januar 1999 bis Ende August 2001 war er als freiwillig Versicherter Mitglied der Rechtsvorgängerin der beklagten Krankenkasse. Seither unterhält er eine Krankheitskostenvollversicherung in der privaten Krankenversicherung ([X.]). Von April 2004 bis Ende Januar 2005 war der Kläger selbstständig tätig. In der Folgezeit war er bis Dezember 2005 wieder beschäftigt, wobei das für diese elf Monate gemeldete Arbeitsentgelt 35 066 Euro betrug. Von Januar 2006 bis Ende August 2007 war der Kläger erneut selbstständig tätig. Seit [X.] ist er bei der [X.], die ein Assekuranz-Maklergeschäft betreibt, beschäftigt. Von September bis November 2007 betrug sein monatliches Arbeitsentgelt jeweils 4532 Euro, im Dezember 4832 Euro; im Jahr 2008 lag das Arbeitsentgelt zwischen 3760 Euro und 7044 Euro monatlich, von Januar bis April 2009 betrug es jeweils 3818 Euro monatlich.

3

Mit Bescheid vom 30.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2008 stellte die Beklagte dem Kläger gegenüber fest, dass er vom Beginn seiner Beschäftigung am [X.] an "als [X.] Arbeitnehmer durch seinen Arbeitgeber anzumelden" sei, weil er in dieser Beschäftigung weder nach § 6 Abs 1 [X.] noch nach § 6 Abs 9 [X.]B V in der [X.] versicherungsfrei sei bzw versicherungsfrei geblieben sei.

4

Das dagegen angerufene [X.] hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger in seiner Beschäftigung ab [X.] in der [X.] versicherungsfrei sei (Urteil vom [X.]). Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Der seit [X.] als Beschäftigter iS von § 7 Abs 1 [X.]B IV in der [X.] versicherungspflichtige Kläger sei nicht ausnahmsweise nach § 6 Abs 1 [X.], Abs 4 [X.]B V versicherungsfrei. § 6 Abs 1 [X.] in der ab 2.2.2007 geltenden Fassung sei auch auf Personen mit einem Einkommen oberhalb der [X.] ([X.]) anzuwenden, die vor Beginn ihrer Beschäftigung wegen einer selbstständigen Tätigkeit nicht versicherungspflichtig gewesen seien. Die Voraussetzungen der Regelung seien nicht erfüllt, weil der Kläger in den drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren vor dem [X.] als Selbstständiger Arbeitseinkommen, nicht aber - wie nach dem Gesetz erforderlich - Arbeitsentgelt erzielt habe. Für die Überschreitung der [X.] in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren komme es auf die unmittelbar vor der Beschäftigung liegenden Jahre an, sodass ohne Bedeutung sei, dass der Kläger möglicherweise früher einmal die dreijährige Wartefrist erfüllt habe. Diese Auslegung verletze ihn nicht in seinen Grundrechten aus Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Der Kläger sei ab [X.] auch nicht nach § 6 Abs 9 [X.]B V versicherungsfrei. Er sei am [X.], nicht aber - wie das Gesetz verlange - Beschäftigter gewesen. Eine erweiternde Erstreckung der Vorschrift auf Personen, die am Stichtag als Selbstständige nicht versicherungspflichtig gewesen seien, komme nicht in Betracht. Diese Benachteiligung Selbstständiger sei nicht gleichheitswidrig, weil die Beschränkung der Bestandsschutzregelung des § 6 Abs 9 [X.]B V auf am 2.2.2007 versicherungsfreie Beschäftigte darauf beruhe, dass nur diese durch die Verschärfung des § 6 Abs 1 [X.] in ihren Grundrechten betroffen gewesen seien (Urteil vom 12.2.2010).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 6 Abs 1 [X.] in der ab 2.2.2007 geltenden Fassung. Entgegen der Auffassung des L[X.] müsse nach dieser Vorschrift ein Überschreiten der [X.] nicht innerhalb jener drei Kalenderjahre erfolgen, die der Aufnahme der Beschäftigung unmittelbar vorangingen, sondern reiche aus, dass der Beschäftigte diese "Mindestverweildauer" in der [X.] irgendwann einmal aufgewiesen habe. Für die Forderung nach einer wiederholten Erfüllung der dreijährigen Wartefrist bei mehrfachem Statuswechsel finde sich im Gesetz keine Stütze. Die hier vorliegende Fallkonstellation eines mehrfachen Wechsels zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit des Betroffenen habe das [X.] in seinem Urteil vom [X.] ([X.]E 123, 186 = [X.]-2500 § 6 [X.] nicht vor Augen gehabt. Anders als bei einem einmaligen Wechsel, bei dem sich wegen des späteren Eintrittsalters nur die Prämien zur [X.] verteuerten, könne es bei einem mehrfachen Statuswechsel und mehrfacher Anwendung des § 6 Abs 1 [X.] zu einer "Zerstückelung" des Versicherungsverlaufs in der [X.] und zu erheblichen Störungen in der Prämienentwicklung kommen. Die Auslegung des § 6 Abs 1 [X.] durch das L[X.] würde dazu führen, Versicherte von einem Wechsel in die [X.] und Selbstständige von einem Wechsel in eine Beschäftigung abzuhalten, und verletze deren Grundrechte aus Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Weil die Übergangsregelung des § 6 Abs 9 [X.]B V nur für am 2.2.2007 versicherungsfreie Beschäftigte, nicht aber für nicht versicherungspflichtige Selbstständige gelte, liege außerdem eine unzulässige echte Rückwirkung vor. Würde lediglich eine einmalige "Erdienung der Dreijahresregelung" gefordert, so hätte er diese Voraussetzung in den Jahren 1999 bis 2003 erfüllt.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des [X.]s Baden-Württemberg vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2009 zurückzuweisen,

        
        

hilfsweise,
das Urteil des [X.]s Baden-Württemberg vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

        

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat konnte über die Revision des [X.] ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 [X.] 2 SGG).

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet.

Zu Recht hat das [X.] das der Anfechtungs- und Feststellungsklage stattgebende erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage mit Urteil vom [X.] nach der in diesem prozessual maßgeblichen [X.]punkt geltenden - allein zwischen den Beteiligten streitigen - Rechtslage abgewiesen. Zutreffend hat die beklagte Krankenkasse mit den angefochtenen Bescheiden die Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] ab [X.] festgestellt; ihre Feststellung, er sei "als [X.] Arbeitnehmer durch seinen Arbeitgeber anzumelden", betrifft bei verständiger Würdigung der Sache nach - wie auch die Beteiligten annehmen - nicht die Arbeitgeber-Meldepflicht nach § 28a [X.], sondern die Versicherungspflicht bzw -freiheit des [X.] in der [X.]. Ihre Feststellung traf die Beklagte nicht in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle des [X.], sondern (nur) als Versicherungsträger ihres eigenen, hier spezifischen Regelungen unterliegenden Versicherungszweiges.

Der Kläger, der am [X.] eine Beschäftigung aufnahm und deshalb nach § 5 [X.] 1 [X.] SGB V iVm § 7 [X.] 1 [X.] dem Grunde nach versicherungspflichtig wurde, war von diesem [X.]punkt an nicht nach § 6 [X.] 1 [X.], [X.] 4 SGB V in der [X.] versicherungsfrei (dazu im Folgenden 1.). Auch aus dem zu diesem [X.]punkt geltenden § 6 [X.] 9 SGB V kann eine Versicherungsfreiheit des [X.] nicht mit Erfolg hergeleitet werden (dazu 2.). Grundrechte des [X.] stehen dieser Rechtslage nicht entgegen (dazu 3.).

1. Der Kläger war nicht in seiner ab [X.] aufgenommenen Beschäftigung nach § 6 [X.] 1 [X.], [X.] 4 SGB V in der [X.] versicherungsfrei.

a) Nach § 6 [X.] 1 [X.] SGB V in der hier anzuwendenden, ab [X.] geltenden Fassung des [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ([X.]-WSG, vom [X.], [X.], dort Art 1 [X.] a; geändert mW vom 31.12.2010 durch das [X.]-Finanzierungsgesetz vom 22.12.2010, [X.] 2309) sind in der [X.] versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges [X.] die [X.] nach den [X.]ätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt. Die Ermittlung der dabei in Bezug genommenen Beträge des § 6 [X.] 6 SGB V ("allgemeine [X.]") sowie des § 6 [X.] 7 SGB V ("besondere [X.]") wird in den genannten Regelungen näher umschrieben. Zu dem in § 6 [X.] 1 S 1 SGB V idF des [X.]-WSG aufgeführten Passus "in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat" enthält § 6 [X.] 4 SGB V nähere Regelungen: Nach § 6 [X.] 4 S 1 SGB V endet dann, wenn die [X.] in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überschritten wird, die Versicherungspflicht mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird. Nach [X.] 4 Satz 4 liegt ein Überschreiten der [X.] in einem von drei aufeinander folgenden Kalenderjahren vor, wenn das tatsächlich im Kalenderjahr erzielte regelmäßige [X.] die [X.] überstiegen hat. Satz 5 bestimmt, dass für [X.]en, in denen bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis kein Arbeitsentgelt erzielt worden ist, insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung sowie bei Bezug von Entgeltersatzleistungen, ein regelmäßiges Arbeitsentgelt in der Höhe anzusetzen ist, in der es ohne die Unterbrechung erzielt worden wäre.

b) Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die Regelung über die Versicherungsfreiheit in § 6 [X.] 1 [X.] SGB V mit seinem vom [X.] an geltenden Erfordernis eines dreijährigen Überschreitens der [X.] auch Personen mit einem Einkommen oberhalb der [X.] erfasst, die - wie der Kläger ab [X.] - vor Beginn ihrer Beschäftigung wegen einer selbstständigen Tätigkeit nicht in der [X.] versicherungspflichtig waren. Da das Gesetz insoweit eine undifferenzierte Regelung enthält, ist auch dieser Personenkreis (zunächst) für die Dauer von [X.]n versicherungspflichtig, bevor Versicherungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Höhe des Arbeitsentgelts des Betroffenen eintreten kann. Aus welchem vorherigen Status heraus (als zuvor Erwerbstätiger oder Nichterwerbstätiger) die zur Versicherungspflicht nach § 5 [X.] 1 [X.] SGB V führende entgeltliche Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellter aufgenommen wurde, ist für die Anwendung der gesetzlichen Regelung ohne Belang. Dies gilt zumal in den Fällen, in denen - wie hier - der [X.] erst nach dem Außerkrafttreten des bis [X.] geltenden, das Ausscheiden aus der [X.] zu einem früheren [X.]punkt ermöglichenden Rechts (vgl § 6 [X.] 1 und [X.] 4 SGB V aF) begründet wurde. Das [X.] hat dies ergänzend zutreffend unter Hinweis auf entsprechende Ausführungen in den Gesetzesmaterialien begründet (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum [X.]-WSG, BT-Drucks 16/3100 [X.] zu [X.] <§ 6> zu Buchst a, am Ende; Bericht des [X.] zum Gesetzentwurf, BT-Drucks 16/4247 S 30 zu [X.] <§ 6> zu Buchst e zu [X.] 9 zu Satz 1).

c) Der Kläger hatte die [X.] am [X.] nicht in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren iS von § 6 [X.] 1 [X.] SGB V idF des [X.]-WSG überschritten, sodass die Bestimmung nicht zu seinen Gunsten zur Anwendung gelangt.

Anders als der Kläger meint, müssen die drei aufeinander folgenden Kalenderjahre, in denen die [X.] überschritten wurde, der [X.] unmittelbar vorgelagert sein; nicht reicht es dagegen aus, dass dies zu einem beliebigen [X.]punkt irgendwann einmal vor der krankenversicherungsrechtlich zu beurteilenden Beschäftigung der Fall war. Zwar ist dem Wortlaut des § 6 [X.] 1 [X.] SGB V selbst nicht zu entnehmen, dass der [X.] der [X.] unmittelbar vorangegangen sein muss. Obwohl es dort nicht etwa heißt "in den letzten drei aufeinander folgenden Kalenderjahren", widerspricht das Unmittelbarkeitserfordernis dem Wortlaut andererseits auch nicht. [X.] Überlegungen geben ebenfalls keinen hinreichenden Aufschluss über die Auslegung des § 6 [X.] 1 [X.] SGB V in der ab [X.] geltenden Fassung. Der Senat hält indessen eine enge Auslegung der Regelung im [X.] an Erwägungen des [X.] nach Sinn und Zweck für geboten. So hat bereits das [X.] in seinem Urteil vom [X.] - 1 BvR 706/08 ua - darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber (auch) bei früheren Selbstständigen den (zur Versicherungsfreiheit führenden) Nachweis des Überschreitens der [X.] im Sinne eines Belegs für die nun auflösbare Bindung an die Solidargemeinschaft davon abhängig machen durfte, "dass diese Überschreitung von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stetigkeit ist" (so [X.]E 123, 186, 263 f = [X.] 4-2500 § 6 [X.] Rd[X.]31 f unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, aaO, BT-Drucks 16/3100 [X.]). Dieser Passus im Urteil des [X.] ist von dem Verständnis getragen, dass der Gesetzgeber vor Eintritt von Versicherungsfreiheit in einer Beschäftigung und damit vor (endgültiger) Entlassung aus der [X.] immer nur einen aktuellen bzw zeitnahen Nachweis dafür ausreichen lassen wollte, dass der Beschäftigte (bereits) zumutbar einen nachhaltigen Beitrag für die Solidargemeinschaft im System der [X.] erbracht hat, welcher es rechtfertigt, ihm ein Befreiungsrecht einzuräumen. Hätten Betroffene dagegen die Möglichkeit, die [X.] bereits immer dann mit Blick auf beliebig zurückliegende, nicht notwendig zusammenhängende [X.]en der Überschreitung der [X.] zu verlassen, sobald sich diese [X.]en insgesamt auf [X.] summiert haben, wäre das Befreiungsrecht letztlich oft von jeweils zeitabschnittsbezogenen Zufälligkeiten und individuellen Besonderheiten abhängig. Das aber widerspräche dem gesetzgeberischen Anliegen, Betroffenen nur bei einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stetigkeit des Überschreitens der [X.] das Ausscheiden aus der Solidargemeinschaft zu gestatten. [X.] ist bei dem Kläger nicht gegeben, sodass dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Solidargemeinschaft in der [X.] Vorrang zukommt.

Auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] war der Kläger im insoweit maßgeblichen [X.] vor dem [X.] - nämlich in der [X.] vom 1.9.2004 bis [X.] - nicht Beschäftigter, sondern von April 2004 bis Januar 2005 sowie von Januar 2006 bis August 2007 selbstständig tätig. Bei ihm schied damit das ununterbrochene Überschreiten der [X.] als - an sich [X.] - Beschäftigter schon deshalb aus, weil er als Selbstständiger kein Arbeitsentgelt, sondern Arbeitseinkommen erzielte (vgl §§ 14, 15 [X.]). [X.]en der [X.]icherung des Krankheitsrisikos eines nicht versicherungspflichtigen Selbstständigen in der [X.] können nämlich nicht in den [X.] eingerechnet werden, wie der Wortlaut des § 6 [X.] 1 [X.] SGB V klar belegt: Danach muss ein "[X.]" - nicht "Einkommen" - die [X.] überstiegen haben (vgl auch [X.], NZS 2008, 173, 176, 178: Anrechnung ausgeschlossen, wenn der Betroffene zeitweise die [X.] freiwillig verlassen hat, zB durch Selbstständigkeit oder Wechsel in die [X.]). Da § 6 [X.] 4 S 4 bis 6 SGB V zudem spezielle Regelungen über die Anrechenbarkeit von Kalenderjahren auf die [X.] und eine Lückenschließung enthält, Ausnahmen insoweit jedoch nur für "arbeitsentgeltlose" [X.]en Beschäftigter vorsieht, scheidet eine Analogie schon mangels Regelungslücke aus.

2. Auch die [X.] des § 6 [X.] 9 SGB V (in der ab [X.] geltenden Fassung des [X.]-WSG, aaO) kommt dem Kläger nicht zugute.

Nach § 6 [X.] 9 S 1 SGB V bleiben Arbeiter und Angestellte, die nicht die Voraussetzungen nach § 6 [X.] 1 [X.] SGB V erfüllen und die am [X.] wegen Überschreitens der [X.] bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren oder - was vorliegend nicht einschlägig ist - die vor diesem Tag die Mitgliedschaft bei ihrer Krankenkasse gekündigt hatten, um in ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu wechseln, versicherungsfrei, solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht erfüllen.

Schon nach ihrem Wortlaut findet diese [X.] auf den Kläger keine Anwendung. Er gehörte zwar ab [X.] zu dem Personenkreis der Arbeiter bzw Angestellten, die nicht die Voraussetzungen des § 6 [X.] 1 [X.] SGB V erfüllten. Allerdings war er schon nicht am [X.] "wegen Überschreitens der [X.]" versicherungsfrei und mit Blick darauf in der [X.] versichert, sondern gehörte - weil er an diesem Tag noch im Status eines Selbstständigen erwerbstätig war - an diesem Stichtag schon generell nicht zum Kreis der Versicherungspflichtigen (wobei dahinstehen kann, ob - wozu das [X.] keine Feststellungen getroffen hat - es sich bei seiner Versicherung in der [X.] um eine substitutive Versicherung handelte). Bereits der Wortlaut des § 6 [X.] 9 SGB V lässt insoweit eine erweiternde, sich auf Selbstständige erstreckende Auslegung nicht zu (vgl [X.], [X.] Komm, § 6 SGB V Rd[X.]8, Stand Einzelkommentierung August 2008). Gleiches ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, in denen es ausdrücklich heißt, "Arbeitnehmer, die am Stichtag … als Selbstständige privat krankenversichert waren, sollen sich dagegen nicht auf den Bestandsschutz berufen können" (so [X.], aaO, vgl BT-Drucks 16/4247 S 30 zu [X.] <§ 6> zu Buchst e zu [X.] 9 zu Satz 1; vgl auch bereits Gesetzesbegründung, aaO, BT-Drucks 16/3100 [X.] zu [X.] <§ 6> zu Buchst e).

3. Der Kläger kann sich gegen die vorstehend dargestellte Rechtslage, insbesondere gegen die Auslegung des § 6 [X.] 1 [X.] SGB V und des § 6 [X.] 9 SGB V, nicht mit Erfolg auf verfassungsrechtliche Bedenken berufen. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass die vorliegend zu würdigende Rechtslage ohnehin nur für eine beschränkte [X.], nämlich vom [X.] bis 30.12.2010 (vgl die mW vom 31.12.2010 durch das [X.]-Finanzierungsgesetz vom 22.12.2010, [X.] 2309 erfolgten Rechtsänderungen) gegolten hat, inzwischen also im Wesentlichen wieder die vom Kläger nicht beanstandeten, bis [X.] maßgeblich gewesenen Regelungen einschlägig sind.

a) [X.]rechtliche Bedenken dagegen, dass infolge von § 6 [X.] 1 [X.] SGB V der der [X.] unmittelbar vorgelagerte [X.] nach Ende einer Phase der Selbstständigkeit immer wieder neu zu laufen beginnt, können sich allenfalls darauf richten, einen Bestandsschutz auf Beibehaltung eines vorherigen Versicherungsschutzes in der [X.] eingeräumt zu bekommen. [X.] ist zu berücksichtigen, dass § 6 SGB V von ihrer Zielrichtung her eine Regelung zur Festlegung des [X.] der Versicherten der [X.] darstellt, die - wie in der Sozialversicherung allgemein - seit jeher im [X.] durch die [X.] versicherungspflichtige (ausnahmsweise versicherungsfreie) Beschäftigung (vgl § 7 [X.] 1 [X.]) und nicht versicherungspflichtige Selbstständigkeit wesentlich geprägt ist. Zwar ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen, wenn der Gesetzgeber Personen der Pflichtversicherung in einem System der [X.] Sicherheit unterwirft (stRspr vgl [X.]E 109, 96, 109 f = [X.] 4-5868 § 1 [X.] Rd[X.]4 mwN). Dies gilt auch für die Begründung der Pflichtmitgliedschaft mit [X.] in der [X.] (vgl [X.]E 115, 25, 42 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] Rd[X.]8), die bei einer - wie hier - aufgenommenen Beschäftigung bundesgesetzlich (§ 5 [X.] 1 [X.], § 6 [X.] 1 [X.] SGB V) angeordnet wurde. Der Gesetzgeber ist allerdings von [X.] wegen nicht gehindert, den Kreis der Versicherungspflichtigen in der Sozialversicherung so abzugrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (so zB [X.]E 123, 186, 263 = [X.] 4-2500 § 6 [X.] Rd[X.]29 mwN). Entsprechend darf er die Voraussetzungen der Versicherungspflicht festlegen, weil er Verantwortung dafür trägt sicherzustellen, dass die Solidargemeinschaft leistungsfähig ist und bleibt (vgl [X.]E 109, 96, 111 = [X.] 4-5868 § 1 [X.] Rd[X.]7 mwN). Denn die [X.] dient dem [X.] Schutz und der [X.]icherung von Arbeitnehmern vor den finanziellen Risiken von Erkrankungen. Sie basiert auf einem umfassenden [X.] Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, vor allem aber zwischen Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Personen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl [X.]E 123, 186, 263 = [X.] 4-2500 § 6 [X.] Rd[X.]29 mwN). Allein die Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der [X.] als überragend wichtiger Gemeinwohlbelang (vgl [X.], aaO, [X.] bzw Rd[X.]33 mwN), um dessentwillen dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Abgrenzung des [X.] der Pflichtversicherten entsprechend dem Erfordernis der Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft zukommt (vgl [X.], aaO, [X.] bzw Rd[X.]29), rechtfertigt - unabhängig von der individuellen Schutzbedürftigkeit - auch die Einbeziehung zuvor in der [X.] versicherter Personen in die Versicherungspflicht im Rahmen der Sozialversicherung (vgl [X.], aaO, [X.] bzw Rd[X.]32).

Bezogen auf die vorliegend streitigen Regelungen hat das [X.] bereits entschieden, dass die durch das [X.]-WSG vorgenommene Beschränkung der Möglichkeit zum Wechsel in die [X.] bei Überschreiten der [X.] gemäß § 6 [X.] 1 [X.] SGB V betroffene Versicherte nicht in ihrem Grundrecht aus Art 2 [X.] 1 GG verletzt, sondern insbesondere verhältnismäßig ist (vgl [X.]E 123, 186, 262 ff = [X.] 4-2500 § 6 [X.] Rd[X.]27 ff), und dass auch ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Versicherungsunternehmen gerechtfertigt ist, soweit diese durch § 6 [X.] 1 [X.] SGB V betroffen sind (vgl [X.], aaO, [X.] bzw Rd[X.]37; vgl auch [X.] [X.] 4-2500 § 5 [X.]).

b) Auch die Beschränkung der Übergangsregelung in § 6 [X.] 9 SGB V auf Personengruppen, zu denen der Kläger nicht gehört, verstößt nicht gegen seine Grundrechte, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 [X.] 1 GG. Dieser ist nur verletzt, wenn durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl zB [X.]E 55, 72, 88; 126, 400, 418).

§ 6 [X.] 9 S 1 SGB V ist - wie dargestellt - als [X.] allein für die Fälle konzipiert, in denen ohne diese Regelung am [X.] allein infolge der ab diesem Tage wirkenden Verschärfung des § 6 [X.] 1 [X.] SGB V durch das [X.]-WSG die zuvor bestehende Versicherungsfreiheit eines Beschäftigten entfallen wäre. Der Gesetzgeber musste bei der Schaffung einer [X.] daher in diesem Zusammenhang in erster Linie den Personenkreis berücksichtigen, der durch die Verschärfung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt von Versicherungsfreiheit nachteilig in einem Vertrauenstatbestand betroffen war. Zu diesem Personenkreis gehörten die nach alter Rechtslage wegen Überschreitens der [X.] versicherungsfreien Arbeitnehmer, welche bereits privat versichert waren oder im Hinblick auf ein privates Krankenversicherungsverhältnis ihre Mitgliedschaft in der [X.] schon gekündigt hatten und deren Versicherungsverhältnis im ersten Fall ohne eine Übergangsregelung ex lege aufgelöst worden wäre (vgl [X.]E 123, 186, 233 f = [X.] 4-2500 § 6 [X.] Rd[X.]51 ).

Zu Recht hat das [X.] vor diesem Hintergrund die Schlechterstellung von Beschäftigten, die am [X.] selbstständig und in der [X.] abgesichert waren, gegenüber Beschäftigten, die am [X.] beschäftigt und in der [X.] abgesichert waren, als sachlich gerechtfertigt angesehen. Letztere verloren mit der Verschärfung ab [X.] eine in ihrem Bestand zu schützende "Rechtsposition", nämlich das bereits vor diesem Datum betätigte Vertrauen, sich trotz eigentlich bestehender Versicherungspflicht als Beschäftigter auf ihre Versicherungsfreiheit eingerichtet zu haben, indem sie entweder einen Versicherungsvertrag in der [X.] abgeschlossen oder jedenfalls ihre Mitgliedschaft in der [X.] wegen eines in Aussicht genommenen Versicherungsverhältnisses in der [X.] gekündigt hatten; eine vergleichbare Situation lag bei den Angehörigen der ersten Gruppe nicht vor. Die geschützte "Rechtsposition" konnte einem Betroffenen nur bei einem bereits vor dem [X.] begonnenen Beschäftigungsverhältnis erwachsen, während die vor [X.] überhaupt nicht existierende Versicherungspflicht Selbstständiger nach dem Wechsel in eine (versicherungspflichtige) Beschäftigung keine vergleichbare schutzwürdige Wirkung entfaltete. Die vor der Gesetzesneuregelung bestehende bloße Aussicht eines Selbstständigen, bei Aufnahme einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung mit einem [X.] oberhalb der [X.] und bei bisheriger [X.]icherung in der [X.] sofort versicherungsfrei zu werden und so nicht in die [X.] einbezogen zu sein, durfte der Gesetzgeber als nicht gleichermaßen schützenswert behandeln. Dass dann aber ursprünglich nicht versicherungspflichtigen Selbstständigen, die in ein Beschäftigungsverhältnis eintreten, aus der - zumal später ohnehin nur zeitlich begrenzt in Geltung gewesenen - Erhöhung der Mindestverweildauer in der [X.] auf [X.] unter dem Blickwinkel des [X.]rechts gleichwohl weitergehende Rechte für ihr Versicherungsverhältnis in der [X.] zustehen könnten, als sie das [X.] ([X.]E 123, 186, 261 ff = [X.] 4-2500 § 6 [X.] Rd[X.]25 ff) schon versicherungsfrei gewesenen Beschäftigten zuerkannt hat, ist nicht ersichtlich.

4. [X.] beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 12 KR 6/10 R

27.06.2012

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Heilbronn, 5. Februar 2009, Az: S 2 KR 1203/08, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 6 Abs 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 6 Abs 9 SGB 5 vom 26.03.2007, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 S 2 GG, GKV-WSG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 12 KR 6/10 R (REWIS RS 2012, 5249)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5249

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 12 KR 10/10 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Versicherungspflicht - Versicherungsfreiheit - Abgrenzung - Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze - Anwendung der Bestandsschutzregelung …


B 12 KR 11/10 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenkassenwahl - Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse kein Verwaltungsakt


B 12 KR 20/18 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - obligatorische Anschlusskrankenversicherung bei einer beihilfeberechtigten Person - Vorliegen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung …


B 12 KR 11/11 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Krankenversicherung - keine Versicherungspflicht von Arbeitslosengeld II-Bezieher bei vorherigen privatem Krankenversicherungsschutz


B 12 KR 11/09 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5 für …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.