Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.12.2010, Az. 28 W (pat) 36/10

28. Senat | REWIS RS 2010, 893

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Verfahrenskostenhilfe im markenrechtlichen Löschungsbeschwerdeverfahren" – Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 114 ff. ZPO – bei Ablehnung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eröffnet sich für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen


Leitsatz

Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht richtet sich gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nach den Bestimmungen der §§ 114 ff. ZPO.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke...

(hier: Löschungsverfahren S .../08Lösch)

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2010 durch die Richterinnen [X.], [X.] und Kirschneck

beschlossen:

Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

Gründe

I.

1

Die nachfolgend wiedergegebenen Marke T...

2

ist seit dem 20. Januar 2000 für die Waren und Dienstleistungen

3

"Elektronisch oder elektrisch gesteuerte Geräte für die Mess- und Regelungstechnik, im Wesentlichen zur Verwendung bei [X.] zur Kontrolle der Fahrstabilität; Fahrzeuge und deren Teile, insbesondere Anhänger und deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten; Zubehör für Fahrzeuge, nämlich elektronisch oder elektrisch gesteuerte Geräte zur Kontrolle der Fahrzeugstabilität bei Fahrzeugkombinationen bestehend aus Fahrzeugführerwagen und mindestens einem Anhänger; Transportwesen"

4

im Markenregister eingetragen. Die Antragstellerin hat im Juli 2008 die teilweise Löschung der Marke nach § 50 i. V. m. § 8 [X.] für alle Waren beantragt, der die Markenabteilung im beantragten Umfang mit Beschluss vom 12. Januar 2010 stattgegeben hat.

5

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, der innerhalb der Beschwerdefrist einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gestellt, nicht aber die [X.] entrichtet hatte. Diesen Antrag hat der Senat mangels Erfolgsaussichten der Beschwerde mit Beschluss vom 31. März 2010 zurückgewiesen. Er ist dem Markeninhaber am 16. April 2010 zugestellt worden und enthielt in der Anlage den Hinweis des [X.], die [X.] könne binnen einer Frist von einem Monat und 27 Tagen noch entrichtet werden.

6

Mit Beschluss vom 1. Juli 2010 hat der [X.] den Antrag des Markeninhabers vom 28. April 2010 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit der Begründung abgelehnt, die Rechtsbeschwerde habe keine Aussicht auf Erfolg, weil sie gegen den die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des [X.] nicht zulässig sei (Aktenzeichen [X.]). Die Zustellung dieses Beschlusses ist am 29. Juli 2010 erfolgt. Die [X.] hat der Markeninhaber am 10. August 2010 entrichtet.

7

In der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2010 hat der Markeninhaber beantragt,

8

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

9

Auf den Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung, die [X.] sei nicht rechtzeitig nachgezahlt worden, hat der Markeninhaber erwidert, er habe angenommen, der beim [X.] gestellte Antrag auf Verfahrenskostenhilfe habe aufschiebende Wirkung. Welche Fristen er zu beachten gehabt hätte, sei ihm nicht bekannt gewesen. Bezüglich des [X.] des Markeninhabers im Übrigen wird auf den Beschluss des Senats vom 31. März 2010 verwiesen.

Die Antragstellerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und ist trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin nicht erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- bzw. Amtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Markeninhabers gegen den Beschluss der Markenabteilung vom 12. Januar 2010 über die Teillöschung der Marke gilt als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).

Die [X.] ist innerhalb der Monatsfrist des § 66 Abs. 2 [X.] nicht entrichtet und auch nicht rechtzeitig nachgezahlt worden. Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung ist daher bestandskräftig geworden.

1. Unstreitig ist die [X.] nicht innerhalb der nach § 66 Abs. 2 [X.] i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 PatKostG laufenden Beschwerdefrist von einem Monat entrichtet worden, die mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses mittels Übergabeeinschreiben am 28. Januar 2010 begann und am Montag, den 1. März 2010, endete.

2. Die erst am 10. August 2010 bewirkte Zahlung der [X.] führt nicht zur Aufrechterhaltung des Rechtsmittels.

a) Zwar hat der Markeninhaber noch innerhalb der Beschwerdefrist beim Senat einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gestellt. In diesen markenrechtlichen Verfahren vor dem [X.] gelten nach § 82 Abs. 1 [X.] die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO entsprechend ([X.] 2009, 88, 1. Leitsatz - [X.]). Eine [X.], die für ein (beabsichtigtes) Rechtsmittel um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachsucht, ist bis zur Entscheidung über ihren Antrag schuldlos verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, wenn sie Anlass hat, auf die Bewilligung zu vertrauen. Dieses Hindernis entfällt mit der Entscheidung über das Gesuch. Im Fall der Verweigerung der beantragten Prozesskostenhilfe steht der [X.] innerhalb der [X.] offen, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will (vgl. [X.] v. 20.1. 2009, [X.] 21/08, veröffentlicht in JURIS).

Die entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf das [X.] bedeutet, dass nach einer Ablehnung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe durch den Beschwerdesenat sich dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eröffnet, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Der Markeninhaber hätte im vorliegenden Fall nach Zustellung des Beschlusses des Senats vom 31. März 2010, mit dem ihm die Bewilligung verweigert wurde, unter den Voraussetzungen des § 91 [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und die versäumte Handlung, die Zahlung der Verfahrensgebühr (§ 66 Abs. 2 [X.]), nachholen können. Zwar hat der Markeninhaber einen solchen Antrag nicht ausdrücklich gestellt, jedoch kann ihm nach § 91 Abs. 4 Satz 2 [X.] Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden, wenn er die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist (§ 91 Abs. 2 [X.]) nachgeholt hat.

b) An dieser Voraussetzung fehlt es aber vorliegend.

aa) Die Antragsfrist nach § 91 Abs. 2 [X.] beträgt zwei Monate und beginnt mit dem Wegfall des die [X.]. Im Fall der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren entfällt das Hindernis mit der Zustellung des den Antrag zurückweisenden Beschlusses am 16. April 2010. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Markeninhaber nicht mehr darauf vertrauen, dass er von der Zahlung der [X.] befreit ist. Die Entrichtung der Verfahrensgebühr hätte der Markeninhaber ab diesem Datum innerhalb der Antragsfrist von 2 Monaten (§ 91 Abs. 2 [X.]) noch bis zum Ablauf des 16. Juni 2010 bewirken können. Die tatsächliche Zahlung erfolgte jedoch erst am 10. August 2010.

bb) Ein späterer Wegfall des Hindernisses ergibt sich dabei nicht aus dem Umstand, dass der Markeninhaber am 30. April 2010 beim [X.] Antrag auf Bewilligung von [X.] für das - offenbar beabsichtigte - Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des [X.] gestellt hat und der diesen Antrag ablehnende Beschluss des [X.]s dem Markeninhaber (erst) am 29. Juli 2010 zugestellt worden ist. Denn mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde hätte der Eintritt der Rechtskraft des [X.] vom 31. März 2010 nicht verhindert werden können. Gegen einen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ablehnenden Beschluss des [X.] ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht statthaft, da das Patentgericht darin nicht über eine Beschwerde nach § 66 [X.] entscheidet, sondern lediglich eine Nebenentscheidung trifft (vgl. [X.] 2008, 732, [X.]. 10 - [X.] Floristik; [X.] v. 1.7.2010, [X.], [X.]. 8). Ein unstatthaftes Rechtsmittel aber hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 83 [X.]. 46; § 66 [X.]. 51; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., [X.]. § 511 [X.]. 13, 15), hemmt also nicht den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung.

cc) Dem Wegfall des Hindernisses mit dem Datum der Zustellung steht ferner nicht entgegen, dass der Beschluss vom 31. März 2010 in der Anlage einen unzutreffenden Hinweis des [X.] enthielt. Darin wurde mitgeteilt, der Markeninhaber habe in analoger Anwendung von § 134 [X.] noch eine Frist von 1 Monat und 27 Tagen zur Verfügung, um die [X.] zu bezahlen.

Für eine analoge Anwendung des § 134 [X.] ist im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren jedoch kein Raum. Das [X.] enthält nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers keine Regelung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und auch keinen Verweis auf eine entsprechende Anwendung der patentrechtlichen Verfahrenskostenhilfebestimmungen der §§ 130 ff. [X.]. In markenrechtlichen Registerverfahren vor dem [X.] ist eine Verfahrenskostenhilfe daher ausgeschlossen (vgl. [X.] a. a. O., [X.]. 11 - [X.] Floristik; vgl. auch [X.]/[X.], a. a. O., § 64a [X.]. 19). Soweit nach der Rechtsprechung des [X.]s dagegen in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem [X.] (vgl. [X.] 2009, 88, [X.]. 10 ff. - [X.]) und Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem [X.] (vgl. [X.] a. a. O., [X.]. 11 - [X.] Floristik) Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann, richtet sich diese über die Verweisungsnorm des § 82 Abs. 1 [X.] - allein - nach den Bestimmungen der §§ 114 ff. ZPO über die Prozesskostenhilfe.

Der unrichtige Hinweis ist jedoch schon deshalb unbeachtlich, weil der Patentinhaber dadurch keinen Rechtsnachteil erlitten hat. Denn für ihn bestand jedenfalls im Rahmen der Wiedereinsetzung innerhalb der insofern längeren zweimonatigen Frist des § 91 Abs. 2 [X.] die Möglichkeit, die [X.] noch rechtzeitig zu entrichten.

dd) Soweit der Markeninhaber sinngemäß vorträgt, er habe keine Kenntnis vom Ablauf der Fristen für die Zahlung der [X.] gehabt, sondern bei Einzahlung der [X.] darauf vertraut, die Handlung zu diesem Zeitpunkt wirksam vornehmen zu können, rechtfertigt dies keine für den Markeninhaber günstigere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Mangelnde Rechtskenntnisse schließen das Verschulden im Rahmen einer Wiedereinsetzung nicht aus, sondern verpflichten generell, sich über das geltende Recht zu informieren. Bei einem nicht vertretenen [X.] bedeutet dies, dass er verpflichtet ist, sich sachkundigen Rat einzuholen.

Im Ergebnis ist daher die [X.] nicht rechtzeitig entrichtet worden.

Meta

28 W (pat) 36/10

01.12.2010

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 114ff ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.12.2010, Az. 28 W (pat) 36/10 (REWIS RS 2010, 893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 893


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZA 21/10

Bundesgerichtshof, I ZA 21/10, 14.04.2011.


Az. 28 W (pat) 36/10

Bundespatentgericht, 28 W (pat) 36/10, 01.12.2010.

Bundespatentgericht, 28 W (pat) 36/10, 31.03.2010.


Az. I ZA 14/10

Bundesgerichtshof, I ZA 14/10, 01.07.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

25 W (pat) 89/12

27 W (pat) 258/09

Zitiert

I ZA 14/10

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