Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2011, Az. I ZA 21/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7471

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren: Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Für den Markeninhaber ist seit dem 20. Januar 2000 die Marke Nr. 399 64 605

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für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 12 und 39 eingetragen.

2

Die Löschungsantragstellerin hat beim [X.] die Löschung der Marke für die Waren beantragt. Mit Beschluss vom 12. Januar 2010 hat die Markenabteilung des [X.]s die Teillöschung der Marke im beantragten Umfang angeordnet.

3

Gegen den Beschluss hat der Markeninhaber am 1. Februar 2010 Beschwerde eingelegt und beantragt, ihm Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Die [X.] hat er zunächst nicht gezahlt.

4

Das [X.] hat vorab über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entschieden und diesen mit der Begründung zurückgewiesen, die Beschwerde habe keine Aussicht auf Erfolg. Der Beschluss des [X.]s vom 31. März 2010 ist dem Markeninhaber am 16. April 2010 zusammen mit dem Hinweis des [X.] zugestellt worden, dass in entsprechender Anwendung des § 134 [X.] innerhalb von einem Monat und 27 Tagen ab Zustellung des Beschlusses die [X.] noch entrichtet werden kann. Den Antrag des Markeninhabers, ihm für eine noch einzulegende Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, hat der Senat zurückgewiesen (Beschluss vom 1. Juli 2010 - I ZA 14/10, juris). Nach Zustellung der Entscheidung am 29. Juli 2010 hat der Markeninhaber am 10. August 2010 die [X.] gezahlt.

5

Das [X.] hat entschieden, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt (B[X.], Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 28 W(pat) 36/10, juris). Der Markeninhaber beantragt, ihm für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

6

II. Das [X.] hat angenommen, dass die erst am 10. August 2010 bewirkte Zahlung der [X.] nicht rechtzeitig erfolgt ist und die Beschwerde deshalb nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt. Dazu hat es ausgeführt:

7

Der Markeninhaber habe zwar rechtzeitig einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt. Bis zur Entscheidung über den Antrag sei der Markeninhaber ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Mit Zustellung des die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschlusses des [X.]s am 16. April 2010 sei das Hindernis entfallen. Innerhalb der [X.] von zwei Monaten habe der Markeninhaber die Zahlung der [X.] nachholen können. Dies sei nicht rechtzeitig geschehen.

8

III. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist abzulehnen, weil eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s vom 1. Dezember 2010 keine Aussicht auf Erfolg hat.

9

1. Das [X.] hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist nur begründet, wenn einer der in § 83 Abs. 3 [X.] abschließend aufgezählten Verfahrensfehler vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. April 2008 - [X.], [X.], 1027 Rn. 24 = [X.], 1438 - Cigarettenpackung). Das ist nicht der Fall.

2. In Betracht kommt vorliegend nur eine Verletzung des Anspruchs des Markeninhabers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]). Das [X.] hat das rechtliche Gehör des Markeninhabers nicht verletzt.

a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs folgt nicht daraus, dass das [X.] dem Markeninhaber Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren verweigert hat.

aa) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 145; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712; [X.], Beschluss vom 29. Juli 2009 - [X.], [X.], 270 Rn. 14 = [X.], 269 - [X.]). Durch die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe kann das rechtliche Gehör im [X.] verletzt werden. Ein vermögensloser Beschwerdeführer wird - wenn ihm Verfahrenskostenhilfe verweigert wird - vom Zugang zu Gericht ausgeschlossen, weil ohne Zahlung der [X.] die Beschwerde als nicht eingelegt gilt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).

bb) Das [X.] hat die Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten versagt (§ 82 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO). Das Vorbringen des Markeninhabers gegen die Teillöschung seiner Marke gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 54 [X.] hat es bei seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen und erwogen. Darauf, ob das [X.] das Vorliegen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu Recht bejaht hat, kommt es nicht an. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] soll allein die Einhaltung des [X.] der Gewährung rechtlichen Gehörs sichern und dient nicht der Überprüfung der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2000 - [X.], [X.], 894, 895 = [X.], 1166 - Micro-PUR).

Unschädlich ist vorliegend, dass das [X.] bei der Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe nicht auf die Frage der Antragsberechtigung der Löschungsantragstellerin eingegangen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene [X.] auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Erst wenn das Gericht auf [X.] des [X.] eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war ([X.] 86, 133, 146; [X.], Beschluss vom 30. April 2008 - [X.], [X.], 731 Rn. 18 = [X.], 1110 - alphaCAM).

Im Beschwerdeverfahren betraf der vom Markeninhaber nunmehr problematisierte Gesichtspunkt, die Löschungsantragstellerin sei als [X.] nur vorgeschoben und habe den Löschungsantrag unter Verstoß gegen [X.] und Glauben nach § 242 BGB gestellt, um die von ihrer Arbeitgeberin eingegangene Unterlassungsverpflichtung zum Erlöschen zu bringen, [X.] des Beschwerdeverfahrens.

Es ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass einem Löschungsantragsteller eine [X.]widrigkeit seines Antrags nach § 242 BGB im Löschungsverfahren entgegenhalten werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juni 1993 - [X.], [X.]Z 123, 30, 35 - [X.]; Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.], [X.]Z 182, 325 Rn. 20 - Legostein). Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Stellung des Löschungsantrags ergaben sich aus dem Vorbringen des Markeninhabers im Beschwerdeverfahren aber nicht. Der Löschungsantrag kann nach § 54 Abs. 1 Satz 2 [X.] von jeder Person gestellt werden. Auf die für die Antragstellung maßgebliche Interessenlage kommt es grundsätzlich nicht an. Der Umstand, dass sich die Arbeitgeberin der Löschungsantragstellerin zur Unterlassung der Verwendung der in Rede stehenden Marke verpflichtet hat, kann den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht begründen. Die Arbeitgeberin der Löschungsantragstellerin wäre nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben aufgrund der gegenüber dem Markeninhaber eingegangenen Verpflichtung, die Benutzung der Marke zu unterlassen, selbst nicht gehindert gewesen, einen Löschungsantrag zu stellen.

b) Das [X.] hat auch nicht dadurch den Anspruch des Markeninhabers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, dass es die Zahlung der [X.] als nicht rechtzeitig angesehen und deshalb über die Beschwerde in der Sache nicht entschieden hat.

aa) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Markeninhaber bis zur Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe schuldlos daran gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Dieses Hindernis ist jedoch mit der Zustellung des Beschlusses des [X.]s vom 31. März 2010 am 16. April 2010 entfallen, mit dem es die beantragte Verfahrenskostenhilfe versagt hat.

(1) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Markeninhaber Verfahrenskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des [X.]s beantragt hat. Mit dem Beschluss des [X.]s vom 31. März 2010 war die beantragte Verfahrenskostenhilfe endgültig versagt, weil eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung unstatthaft ist (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 2008 - [X.], [X.], 732 Rn. 10 = [X.], 1113 - Tegeler Floristik).

(2) Nachdem die Entscheidung des [X.]s, mit der es die Verfahrenskostenhilfe versagt hatte, dem Markeninhaber am 16. April 2010 zugestellt worden war, musste er sich entscheiden, ob er das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen wollte.

Nach der Rechtsprechung des [X.] muss die [X.], der die beantragte Prozesskostenhilfe in einem Rechtsmittelverfahren nach der Zivilprozessordnung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist verweigert wird, innerhalb von drei bis vier Tagen entscheiden, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will, und anschließend innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachsuchen und die versäumte [X.] nachholen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 789 Rn. 6).

Ob im [X.] in einer entsprechenden Fallkonstellation die Wiedereinsetzung innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 66 Abs. 2 [X.]) zu beantragen und die versäumte [X.] nachzuholen ist (vorliegend die Zahlung der [X.]) oder dem Beschwerdeführer die [X.] von zwei Monaten (§ 91 Abs. 2 und 4 Satz 1 [X.]) zur Verfügung steht (hierzu Büscher in [X.]/, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 91 [X.] Rn. 28), braucht nicht entschieden zu werden. Auch unter Zugrundelegung einer Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen und der längeren zweimonatigen Frist des § 91 Abs. 2 [X.] nach Wegfall des Hindernisses am 16. April 2010 ist die Zahlung der [X.] am 10. August 2010 nicht rechtzeitig erfolgt.

bb) Der Markeninhaber kann zu seinen Gunsten auch nichts daraus ableiten, dass der Rechtspfleger des [X.]s mit Zustellung des Beschlusses vom 31. März 2010 mitgeteilt hat, in analoger Anwendung des § 134 [X.] sei die [X.] innerhalb von einem Monat und 27 Tagen zu bezahlen.

(1) Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren die Vorschrift des § 134 [X.] nicht entsprechend anwendbar ist. Nach der Bestimmung wird der Lauf der Frist zur Zahlung einer Gebühr bis zum Ablauf von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses gehemmt, der auf das Gesuch um Verfahrenskostenhilfe ergeht, wenn das Gesuch nach den §§ 130 bis 132 [X.] vor Ablauf der Frist für die Zahlung einer Gebühr eingereicht wird. Die Bestimmung ist vorliegend mangels Regelungslücke nicht heranzuziehen, weil sich die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Verfahrenskostenhilfe im [X.] gemäß § 82 Abs. 1 [X.] nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung richten.

(2) Die unzutreffende Mitteilung des [X.] des [X.]s ist für die Versäumung der Frist zur Einzahlung der [X.] allerdings nicht ursächlich geworden, weil der Markeninhaber auch die für ihn günstigste Frist von zwei Monaten und vier Tagen nicht eingehalten hat.

[X.]                               Pokrant                                   Büscher

                          Schaffert                               [X.]

Meta

I ZA 21/10

14.04.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend BPatG München, 1. Dezember 2010, Az: 28 W (pat) 36/10

§ 82 Abs 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG, § 114 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2011, Az. I ZA 21/10 (REWIS RS 2011, 7471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7471


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZA 14/10

Bundesgerichtshof, I ZA 14/10, 01.07.2010.


Az. I ZA 21/10

Bundesgerichtshof, I ZA 21/10, 14.04.2011.


Az. 28 W (pat) 36/10

Bundespatentgericht, 28 W (pat) 36/10, 01.12.2010.

Bundespatentgericht, 28 W (pat) 36/10, 31.03.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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