Bundessozialgericht, Urteil vom 24.05.2017, Az. B 14 AS 32/16 R

14. Senat | REWIS RS 2017, 10419

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Überprüfungsverfahren - unrichtige Rechtsanwendung - unzulässige Beschränkung der Überprüfung auf einzelne Elemente eines Leistungsanspruchs -Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges - Berücksichtigung des zur Schuldentilgung einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen - bereite Mittel


Leitsatz

1. Die Überprüfung eines Bescheids über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen unrichtiger Rechtsanwendung kann nicht auf einzelne Elemente eines Leistungsanspruchs beschränkt werden, die keinen zulässigerweise abtrennbaren Streitgegenstand bilden.

2. Der Berücksichtigung des zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen stehen die Grundsätze zum bereiten Mittel jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der betreffenden Person ausreichend Mittel zur Deckung des Existenzminimums verbleiben.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des [X.] vom 3. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 [X.]B X die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für die Zeit von September 2011 bis April 2012 insbesondere unter Berücksichtigung eines Betrags zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens als Einkommen.

2

Der Kläger ging in dem streitbefangenen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit mit einem Bruttoentgelt von 1300 Euro/Monat nach und bezog vom beklagten [X.] aufstockendes [X.] Nachdem er mit seinem bis dahin genutzten Pkw einen Totalschaden erlitten hatte, erhielt er von seinem Arbeitgeber im August 2011 ein Darlehen über 1600 Euro zum Kauf eines neuen Pkw, verbunden mit der Abrede, der Arbeitgeber dürfe von dem auszuzahlenden Entgelt ab September 2011 monatlich 100 Euro einbehalten. Das Begehren des [X.], nur das so verringerte, ausgezahlte Einkommen der Ermittlung seines [X.] zugrunde zu legen, lehnte der Beklagte auch auf den im Dezember 2012 gestellten Antrag auf Überprüfung der Bescheide zur abschließenden Feststellung der vom Kläger im maßgebenden Zeitraum zu beanspruchenden Leistungen ab (Bescheide vom 3.11.2011, 15.11.2011, 15.12.2011, [X.], 23.2.2012 und 31.5.2012); das [X.] sei mit ca 330 bis 580 Euro monatlich rechtmäßig bewilligt worden (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 24.6.2013).

3

Klage und Berufung des [X.] sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des [X.] vom 1.7.2014; Beschluss des L[X.] vom 3.12.2015). Zur Begründung hat das L[X.] ausgeführt: Zu Recht habe der Beklagte eine Änderung der Bescheide für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt, weil der Kläger für diese Monate keinen Anspruch auf Festsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines um 100 Euro verminderten Nettoeinkommens habe. Auch wenn dem Kläger die 100 Euro nicht ausgezahlt worden seien, stellten sie für ihn aufgrund der Verringerung der Darlehensschuld einen Wertzuwachs dar und seien als Einkommen nach §§ 11 ff [X.] zu berücksichtigen. Maßgeblich dafür sei allein, dass der Kläger autonom über den [X.] habe verfügen können.

4

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Entscheidung des L[X.] nach § 153 Abs 4 [X.]G als verfahrensfehlerhaft und macht materiell eine Verletzung von § 11 Abs 1 Satz 1 und § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 [X.] geltend. Die monatlichen Raten von September 2011 bis April 2012 iHv 100 Euro seien keine bereiten Mittel gewesen (Hinweis ua auf B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 229 = [X.]-4200 § 11 [X.]). Jedenfalls seien sie als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 [X.] von dem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen gewesen.

5

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des [X.] vom 3. Dezember 2015 und das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 3. November 2011, 15. November 2011, 15. Dezember 2011, 31. Januar 2012, 23. Februar 2012 und 31. Mai 2012 zu ändern und ihm für September 2011 bis April 2012 weiteres [X.] in Höhe von 100 Euro monatlich zu zahlen.

6

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar ist das [X.] im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die zur Tilgung des Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Monatsraten als Einkommen zu berücksichtigen waren. Ob die zur Überprüfung gestellten Bescheide auch ansonsten keine Rechtsfehler zum Nachteil des [X.] aufweisen, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des [X.] zu seiner [X.]keit indes nicht abschließend entscheiden.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Überprüfungsbescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem der Beklagte - ein zugelassener kommunaler Träger (§ 6a Abs 2 [X.] iVm § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung) - es auf den Antrag des [X.] vom 20.12.2012 abgelehnt hat, die abschließenden Bewilligungen im Hinblick auf die [X.] mit dem Arbeitgeber für den Zeitraum seit [X.] im September 2011 (nicht schon August 2011) bis April 2012 zurückzunehmen und dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv 100 Euro monatlich zu zahlen.

9

2. [X.] bestehen nicht. Insbesondere stand der angegriffenen Berufungsentscheidung nicht die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG entgegen, nachdem der angefochtene Überprüfungsbescheid einen Bewilligungszeitraum von acht Monaten umfasst und der Kläger nach seinen Anträgen in den Vorinstanzen zusätzlich noch die abschließende Bewilligung für August 2011 durch Bescheid vom 22.9.2011 in den Rechtsstreit einbezogen hat, sich der [X.] somit auf 900 Euro belaufen hat. Zutreffend verfolgt der Kläger sein Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG), gerichtet auf die Aufhebung des die Überprüfung der abschließenden Bewilligungen für den streitbefangenen Zeitraum ablehnenden Überprüfungsbescheids sowie auf Erteilung eines entsprechenden Änderungsbescheids und auf höhere existenzsichernde Leistungen (vgl letztens [X.] vom 12.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - vorgesehen für [X.] und [X.]-4200 § 40 [X.], RdNr 11 mwN).

3. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres [X.] unter teilweiser Rücknahme der die Leistungen für den streitbefangenen Zeitraum abschließend feststellenden Bescheide sind § 40 Abs 1 [X.] iVm § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] und §§ 19 ff iVm § 7 ff [X.] idF des [X.], die es vor dem streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch das [X.] ([X.] 1114) erhalten hat (zur Maßgeblichkeit des zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechts in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl letztens [X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.] mwN).

Auch nach Unanfechtbarkeit ist hiernach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 40 Abs 1 [X.] iVm § 44 Abs 1 Satz 1 und [X.]). Ob es so liegt, vermag der Senat mangels ausreichender Feststellungen des [X.] zu den mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu deckenden Bedarfen des [X.] nicht abschließend zu entscheiden (dazu 4.). [X.] ist insoweit allerdings, dass zu deren Deckung auch die zur Tilgung des Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Beträge als zu berücksichtigendes Einkommen einzusetzen waren (dazu 5.).

4. a) Im Ausgangspunkt steht dem Überprüfungsbegehren zunächst in zeitlicher Hinsicht nicht die einjährige Verfallsfrist nach § 40 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 44 Abs 4 Satz 1 [X.] entgegen, denn der Zeitraum der Rücknahme bei Überprüfungen auf Antrag wird von Beginn des Jahres der Antragstellung an gerechnet (§ 44 Abs 4 Satz 3 und Satz 2 [X.]) und daher können auf den Überprüfungsantrag vom Dezember 2012 auch Bewilligungen für das [X.] zu korrigieren sein.

b) Ebenfalls erfüllte der Kläger die Grundvoraussetzungen, um [X.] zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.]), hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in [X.]; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt.

c) Nicht abschließend beurteilen kann der Senat aufgrund der Feststellungen des [X.], ob die dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum abschließend zuerkannten Leistungen seine [X.]keit iS von § 7 Abs 1 Satz 1 [X.], §§ 9, 11, 11a, 11b, 12 [X.] abgewendet und seinen Lebensunterhalt gesichert haben. [X.] im Sinne der genannten Vorschriften ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs 2 Satz 1 [X.]).

Insoweit trägt der Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] noch den Schluss, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum allein lebte und die von ihm zu beanspruchenden Leistungen deshalb weder vom Bedarf noch von einem etwaigen Einkommen oder Vermögen mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebender Personen abhängen. Nicht zu beurteilen ist dagegen vom Regelbedarf iHv 364 Euro (§ 20 Abs 2 Satz 1 [X.]) bzw 374 Euro (§ 2 [X.] 2012 vom 17.10.2011, [X.] 2090 für die Zeit ab dem 1.1.2012) abgesehen, welche weiteren Bedarfe von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu decken waren, weil der Entscheidung des [X.] weder Angaben zu den tatsächlichen Aufwendungen des [X.] für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 [X.]) noch zu sonstigen Bedarfen wie insbesondere den nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten angefallenen Kosten zur Ausübung eines Umgangsrechts (§ 21 Abs 6 [X.]) zu entnehmen sind.

d) Diese Feststellungen sind für die abschließende Entscheidung nicht deshalb entbehrlich, weil auf die Klage gegen den streitbefangenen Überprüfungsbescheid nur über die Qualifizierung der einbehaltenen Beträge als zu berücksichtigendes Einkommen zu befinden wäre.

Solange eine Sachprüfung nicht schon aus [X.] (hierzu jüngst [X.] vom 23.2.2017 - [X.] [X.]/15 R - vorgesehen für [X.]) oder mangels ausreichender Substantiiertheit des [X.] (grundlegend hierzu [X.] vom 13.2.2014 - [X.] AS 22/13 R - [X.] 115, 126 = [X.]-1300 § 44 [X.], RdNr 13 ff; ebenso [X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-1300 § 44 [X.]1 Rd[X.]) überhaupt ausscheidet, erstreckt sie sich jedenfalls bei Anträgen nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 1 [X.] ("das Recht unrichtig angewandt") auf die Rechtmäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Verfügungssätze unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt. Ob wegen unrichtiger Rechtsanwendung "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht" worden sind, beurteilt sich nach der Übereinstimmung der zuerkannten Leistung mit der objektiven Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsakts und nicht nach der zutreffenden Bewertung einzelner Begründungselemente. Daher ist in der Rechtsprechung des [X.] auch anerkannt, dass die Klage gegen einen Überprüfungsbescheid gemäß § 44 [X.] nicht schon deswegen als unbegründet abzuweisen ist, weil im Verwaltungsverfahren keine neuen Gesichtspunkte geltend gemacht worden sind (vgl nur [X.] vom 16.5.2001 - B 5 RJ 26/00 R - [X.] 3-2600 § 243 [X.] mwN; ebenso Voelzke/[X.], [X.] 2012, 685, 688).

Das nötigt zwar nicht dazu, bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen ([X.] vom 13.2.2014 - [X.] AS 22/13 R - [X.] 115, 126 = [X.]-1300 § 44 [X.], RdNr 19). Insofern wird die Ermittlungspflicht auch der Gerichte durch die Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten beschränkt (Voelzke/[X.], [X.] 2012, 685, 689). Daher gibt ein Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 1 [X.] im Geltungsbereich des [X.] etwa keinen Anlass zur Prüfung von besonderen Bedarfslagen etwa zu Härtefallmehrbedarfen nach § 21 Abs 6 [X.], solange dem [X.] oder den Akten kein Anhalt für eine entsprechende Lage entnommen werden kann. Unbeschadet dessen kann die durch einen nicht schon im Ansatz unbeachtlichen Antrag (vgl die Nachweise oben Rd[X.] ) einzuleitende Prüfung allerdings weder im Verwaltungsverfahren noch in einem etwaigen Gerichtsverfahren auf einzelne Elemente eines Anspruchs nach § 19 [X.] beschränkt werden, die nicht einen abtrennbaren Streitgegenstand bilden und insoweit auch zur isolierten gerichtlichen Überprüfung gestellt werden könnten (vgl etwa zur Abtrennbarkeit von Ansprüchen für Unterkunft und Heizung letztens etwa [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]; [X.] vom 6.8.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 116, 254 = [X.]-4200 § 7 [X.]8, RdNr 12).

Das schließt es grundsätzlich aus, die gerichtliche Kontrolle eines nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 1 [X.] beantragten Überprüfungsbescheids auf einzelne Begründungselemente zu beschränken und daraus abzuleiten, dass der zur Überprüfung gestellte Bescheid auch im Übrigen rechtmäßig ist (vgl eingehend [X.] vom [X.] - B 2 U 24/05 R - [X.] 97, 54 = [X.]-2700 § 8 [X.], RdNr 12 ff mwN). Das gilt zumal bei Zweifeln an der Schlüssigkeit der zur Überprüfung gestellten Entscheidungen wie hier bei schwankenden [X.] trotz monatlich gleichbleibenden Bruttoeinnahmen und teilweise nicht von der Bedarfsermittlung gedeckten Bewilligungen, was auf nicht ausgewiesene und deshalb zu verifizierende zusätzliche Bedarfe hinweisen kann.

5. Dessen ungeachtet ist das [X.] im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die zur Darlehenstilgung einbehaltenen Beträge als zu berücksichtigendes Einkommen anzusehen sind und daher insoweit eine Rücknahme der zur Überprüfung gestellten Bescheide nicht veranlasst ist.

a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b [X.] abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a [X.] genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.] nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des [X.] grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie siehe [X.] vom 30.7.2008 - [X.]/11b [X.] - Rd[X.]0 ff; siehe auch [X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R - [X.] 101, 291 = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.]; [X.] vom 6.10.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (stRspr seit [X.] vom 30.7.2008 - [X.] AS 26/07 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3; zuletzt etwa [X.] vom 17.2.2015 - [X.] KG 1/14 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 16).

b) Zutreffend ist der Beklagte hiernach davon ausgegangen, dass die Tilgungsbeträge dem Kläger als Einkommen zugeflossen sind. Entscheidend dafür ist allein, dass die Verbindlichkeit des [X.] bei seinem Arbeitgeber durch den abredegemäßen Lohneinbehalt monatlich um 100 Euro reduziert worden ist und der Kläger insoweit einen wertmäßigen Zuwachs um diesen Betrag erlangt hat (zur Qualifizierung von [X.] als Einkommen vgl nur [X.] vom 16.5.2012 - [X.] AS 132/11 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1).

c) Der Berücksichtigung des zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen stehen anders als mit der Revision geltend gemacht die Grundsätze zum bereiten Mittel jedenfalls dann nicht entgegen, wenn dem Leistungsberechtigten ausreichend Mittel zur Deckung des Existenzminimums verbleiben.

Nach diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt es bei Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen in einem abschließenden [X.] darauf an, ob [X.] Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl letztens zusammenfassend [X.] vom 19.8.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 16 mwN). Hiernach darf zum einen eine einmalige Einnahme nicht mehr im [X.] als fiktives Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt werden, soweit der Leistungsberechtigte sie bereits zu anderen Zwecken als zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage verwendet hat und sie daher als bereites Mittel nicht mehr geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (grundlegend [X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 112, 229 = [X.]-4200 § 11 [X.], RdNr 13 ff mwN; vgl insoweit inzwischen § 24 Abs 4 Satz 2 [X.]). Zum anderen ist die Berücksichtigung als Einkommen auch dann ausgeschlossen, wenn der als Einkommen erlangte [X.] im Zeitpunkt des Zuflusses aus Rechtsgründen noch nicht als bereites Mittel zur Verfügung steht (vgl letztens [X.] vom 19.8.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 16 mwN).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Weder handelt es sich um eine fiktive Einkommenszurechnung trotz vorzeitigen Verbrauchs einmaliger Einnahmen noch um die Zurechnung von Einnahmen, die im Moment ihres Zuflusses noch nicht zur Existenzsicherung eingesetzt werden konnten. Vielmehr hat der Kläger im Vorhinein eine Verwendungsentscheidung über das in den betreffenden Monaten zu erwartende Einkommen getroffen, die grundsätzlich nicht anders zu bewerten ist wie jede andere Entscheidung über die zur Verfügung stehenden Mittel (zur Einkommensverwendung vgl bereits [X.] vom [X.] [X.] [X.]/12 R - [X.]-4200 § 11b [X.] Rd[X.]0; [X.] vom 29.4.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3). Ohne Bedeutung dafür ist, ob er darin autonom in dem Sinne war, dass ihm tatsächlich andere Handlungsoptionen offen gestanden hätten. [X.] maßgebend ist vielmehr, dass der Kläger im Monat der Einkommensberücksichtigung insoweit einen tatsächlichen [X.] erhalten hat - er also nicht lediglich fiktiv auf eine bereits in der Vergangenheit zugeflossene einmalige Einnahme verwiesen worden ist - und er davon auch bereits Gebrauch gemacht hat - ihm also die Möglichkeit der Einkommensverwendung nicht erst in Zukunft offen steht.

Inwiefern auf derartige Fälle einer im Monat des [X.]es bereits verbrauchten Einnahme die Grundsätze der bereiten Mittel anzuwenden sind, kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls vorliegend steht die [X.] des [X.] aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, die in dem Erfordernis der bereiten Mittel zum Ausdruck kommt, der Berücksichtigung des zur Darlehenstilgung einbehaltenen Betrags als Einkommen nicht entgegen. Ungeachtet der noch zu klärenden Fragen zum Ausmaß seiner [X.]keit ist nämlich der monatliche Einbehalt von 100 Euro durch den [X.] gedeckt, der bei einem Erwerbseinkommen von brutto 1300 Euro oberhalb von 100 Euro liegt (§ 11b Abs 3 [X.]; vgl inzwischen ebenfalls § 41a Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

d) Schließlich sind die einbehaltenen Beträge nicht als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 [X.] von dem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen. Selbst wenn das [X.] - wie der Kläger behauptet - festgestellt haben sollte, dass er zur Erreichung seines Arbeitsplatzes auf den mit dem Darlehen angeschafften Pkw zwingend angewiesen gewesen sei, ist die Anschaffung eines Pkw schon einkommensteuerrechtlich durch einen Arbeitnehmer, wenn es sich bei dem Fahrzeug nicht um ein Arbeitsmittel handelt, stets ein privater Vorgang ([X.] vom 1.10.1982 - [X.]/79 - [X.]E 136, 488), was eine Berücksichtigung damit verbundener Aufwendungen als notwendige Ausgabe iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 [X.] über die Beträge nach § 6 Abs 1 [X.] Buchst a [X.]-V aF hinaus grundsätzlich schon im Ansatz ausschließt (vgl zum Verhältnis zwischen steuerrechtlichen Werbungskosten und der Einkommensbereinigung nach dem [X.] nur [X.] vom [X.] AS 163/11 R - [X.] 111, 89 = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.] f; [X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 27/12 R - [X.]-4225 § 6 [X.] Rd[X.]0). Insoweit besteht entgegen der Auffassung der Revision auch kein Anlass zu einem ausnahmsweise erweiternden Verständnis des [X.], weil auf besondere Bedarfslagen in diesem Zusammenhang mit Eingliederungsleistungen nach den §§ 16 ff [X.] zu reagieren sein kann, worüber hier indes nicht zu entscheiden ist (vgl dazu [X.] vom [X.] AS 163/11 R - [X.] 111, 89 = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.]4).

6. Die vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge hinsichtlich eines Einstiegsgelds nach § 16b [X.] und, ob der Kläger im Hinblick auf die von ihm für erforderlich gehaltene erneute Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG zu Recht die Besetzung der Richterbank als unvorschriftsmäßig beanstandet hat, können im Hinblick auf die ohnehin erforderliche Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung offen bleiben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 14 AS 32/16 R

24.05.2017

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Braunschweig, 1. Juli 2014, Az: S 57 AS 2908/13, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2, § 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.05.2017, Az. B 14 AS 32/16 R (REWIS RS 2017, 10419)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10419

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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