Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 36/17 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 3914

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Aufwandsentschädigung aus kommunalem Mandat - Berliner Bezirksverordneter - zweckbestimmte Einnahme - erhöhter Grundfreibetrag bei ehrenamtlicher Tätigkeit - Nachweis höherer Ausgaben - Vereinbarkeit der Nachweispflicht mit freiem Mandat


Leitsatz

Die Aufwandsentschädigung an Mitglieder einer Berliner Bezirksverordnetenversammlung ist weder eine von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommene zweckbestimmte Einnahme noch ist deren Empfänger bei Geltendmachung den Grundfreibetrag übersteigender Absetzbeträge vom Nachweis der Ausgaben freigestellt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Berücksichtigung einer der Klägerin als [X.] [X.]n geleisteten Aufwandsentschädigung als zur Bedarfsdeckung einzusetzendes Einkommen im Febr[X.]r 2013.

2

Die 1965 geborene, alleinstehende Klägerin erhielt laufend [X.] vom beklagten Jobcenter und war gewähltes Mitglied der [X.]nversammlung F Als [X.] erhielt sie nach landesrechtlichen Bestimmungen eine Aufwandsentschädigung, die sich aus der Grundentschädigung, Sitzungsgeldern und einer Fahrgeldentschädigung zusammensetzte. Der Beklagte berücksichtigte neben einem Erwerbseinkommen von 180 Euro auch die in der Aufwandsentschädigung als [X.] enthaltene Grundentschädigung von 345 Euro als Einkommen und zog von den Einnahmen einen erhöhten pauschalen Grundfreibetrag von 200 Euro ab (zuletzt für Febr[X.]r 2013 durch Bescheid vom 30.4.2013).

3

Den von der Klägerin im Oktober 2013 gestellten Überprüfungsantrag lehnte der Beklagte ab, weil es sich bei der Grundentschädigung nicht um eine von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommene zweckbestimmte Leistung handele und weil höhere Aufwendungen als 200 Euro nicht konkret nachgewiesen seien (Bescheid vom 14.10.2013, Widerspruchsbescheid vom 27.1.2014).

4

Das [X.] hat die [X.] hiergegen gerichtete Klage insofern abgewiesen (Urteil vom 4.11.2015), das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.2.2017).

5

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 11a Abs 3 [X.]B II, weil die Grundentschädigung eine zweckbestimmte Leistung sei, und von § 11b Abs 2 [X.]B II, weil der geforderte Nachweis von Aufwendungen, wenn höhere als der Freibetrag von 200 Euro vom Einkommen abgesetzt werden sollen, ihre Mandatsausübung beeinträchtige und [X.]-Empfänger gegenüber anderen Mandatsträgern ungleich behandele.

6

Nachdem die Beteiligten durch einen Teilvergleich im Termin vor dem Senat den streitigen Zeitraum auf Febr[X.]r 2013 beschränkt haben, beantragt die Klägerin,

        

die Urteile des [X.] vom 15. Febr[X.]r 2017 und des [X.] vom 4. November 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Jan[X.]r 2014 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Änderung des Bescheids vom 30. April 2013 für Febr[X.]r 2013 Arbeitslosengeld II ohne Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung als [X.] zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Sie hat keinen Anspruch auf höheres [X.], weil die in ihrer Aufwandsentschädigung als [X.] enthaltene Grundentschädigung von 345 Euro grundsätzlich als Einkommen nach §§ 11 ff [X.] zu berücksichtigen und sie bei der Geltendmachung den Grundfreibetrag übersteigender Absetzbeträge vom Nachweis der Ausgaben nicht freigestellt ist.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen nach dem Teilvergleich der Beteiligten vor dem [X.] nur noch der Überprüfungsbescheid vom 14.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.1.2014, mit welchem der [X.] die Änderung ua des bindend gewordenen Bescheids vom 30.4.2013 für den streitigen Februar 2013 im Hinblick auf die Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin aus ihrem Mandat als [X.] abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich diese zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG), gerichtet auf Änderung des ablehnenden Überprüfungsbescheids und Verpflichtung des [X.]n zur Änderung des den Februar 2013 regelnden, bindend gewordenen Bescheids vom 30.4.2013 dahingehend, ihr höheres [X.] ohne Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung als [X.] zu zahlen (vgl zur Klageart letztens [X.] vom [X.] AS 32/16 R - [X.], 199 = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.]). Nicht Gegenstand des Verfahrens ist insoweit nach dem Teilvergleich vor dem [X.] höheres [X.] auch mit Blick auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl zu deren Abtrennbarkeit als Streitgegenstand [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.] ff).

2. Der angefochtene Überprüfungsbescheid des [X.]n vom 14.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.1.2014 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höheres [X.] unter Änderung des die Leistungen für Februar 2013 regelnden Bescheids vom 30.4.2013 ist § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] (§ 40 [X.] in der zum Zeitpunkt der Überprüfungsentscheidung maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.]) iVm § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] und §§ 19 ff iVm §§ 7 ff [X.] (in der für Februar 2013 maßgeblichen Fassung des [X.] durch das [X.] vom [X.], [X.]; zur Maßgeblichkeit des zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechts in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume [X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 14 f).

Auch nach Unanfechtbarkeit ist nach § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

In zeitlicher Hinsicht steht dem Überprüfungsbegehren für Februar 2013 aufgrund des [X.] vom Oktober 2013 zwar nicht bereits die einjährige Verfallsfrist nach § 40 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 44 Abs 4 Satz 1 [X.] entgegen. Die Klägerin hat indes keinen Anspruch auf Änderung des zu überprüfenden Bescheids vom 30.4.2013, weil dieser rechtmäßig ist.

3. [X.] vom 30.4.2013 regelt ua für Februar 2013 eine [X.] vom 24.11.2012, denn er ändert diesen und bewilligt niedrigeres [X.], als durch diesen bewilligt worden war. Durch den Bescheid vom 24.11.2012 war der Klägerin [X.] noch ohne Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung als [X.] bewilligt worden.

a) Rechtsgrundlage der Teilaufhebung ist § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 [X.] [X.] iVm § 45 [X.] und § 330 Abs 2 [X.]I. Danach ist eine anfänglich rechtswidrige begünstigende Bewilligung von Leistungen nach dem [X.], auch nachdem sie unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

b) [X.] vom 30.4.2013 ist rechtmäßig, denn die Nichtberücksichtigung der Aufwandsentschädigung als [X.] bei der Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 24.11.2012 war von Anfang an rechtswidrig. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf [X.] ohne Berücksichtigung der in ihrer Aufwandsentschädigung als [X.] enthaltenen Grundentschädigung von 345 Euro im Februar 2013 als Einkommen nach §§ 11 ff [X.] (dazu 4.). Die Voraussetzungen für die Teilaufhebung der Bewilligung wegen dieser anfänglichen Rechtswidrigkeit liegen vor (dazu 5.).

4. Die Aufwandsentschädigung an Mitglieder einer [X.] [X.]nversammlung ist weder eine von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommene zweckbestimmte Einnahme noch ist deren Empfänger bei Geltendmachung den Grundfreibetrag übersteigender Absetzbeträge vom Nachweis der Ausgaben freigestellt.

a) Die Klägerin war nach den Feststellungen des [X.] eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte iS des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]; ein Ausschlusstatbestand vom [X.] lag nicht vor.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts waren ihr in Höhe der Bedarfe (§ 19 Abs 1 Satz 3 [X.]) zu erbringen, soweit diese nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt waren (§ 19 Abs 3 Satz 1 [X.]). Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b [X.] abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a [X.] genannten Einnahmen.

b) Die der Klägerin als [X.] [X.]n geleistete Aufwandsentschädigung ist nicht als zweckbestimmte Einnahme von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen.

Nach § 11a Abs 3 Satz 1 [X.] sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem [X.] im Einzelfall demselben Zweck dienen.

Hiermit soll einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des [X.] verfehlt wird, und andererseits verhindert werden, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden ([X.] vom 26.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 18; [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.] Rd[X.]9). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es für eine Privilegierung nach dieser Vorschrift erforderlich, dass es sich bei der Leistung um eine in ihrer Verwendung zweckbestimmte Einnahme handelt (vgl nur mwN [X.] vom [X.] [X.]/16 R - [X.]-4200 § 11b [X.] Rd[X.]6). Erforderlich ist mit der Leistung die Verfolgung eines Zwecks, der über die vom [X.] verfolgte Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht ([X.] vom 26.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 19).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] zum einschlägigen [X.] Landesrecht lässt sich diesem für die Grundentschädigung der ehrenamtlich tätigen [X.]n ein anderer Zweck als die Sicherung des Lebensunterhalts nicht entnehmen. Das [X.] hat den insoweit maßgeblichen landesrechtlichen Regelungen (§ 1 Satz 1 und 2, § 2 des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder der [X.]nversammlungen, der [X.] und sonstiger ehrenamtlich tätiger Personen) in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entnommen, dass die [X.]n geleistete Grundentschädigung als Teil der Aufwandsentschädigung keinen weitergehenden Zweck verfolgt als die Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund des Ausfalls anderweitiger Erwerbsmöglichkeiten; an diese Auslegung ist der [X.] gebunden (zur Bindung des [X.] an die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Landesrecht, dessen Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des [X.] hinaus erstreckt, vgl letztens [X.] vom [X.] vorgesehen für [X.]E = [X.]-3300 § 82 [X.], RdNr 16; [X.] vom [X.] KR 32/17 R - vorgesehen für [X.]E und [X.], RdNr 14 ff). Dem steht der von der Klägerin erhobene Einwand, dass die Aufwandsentschädigung das freie Mandat in der [X.]nversammlung gewährleisten solle, nicht entgegen, denn daraus folgt keine rechtliche Vorgabe einer bestimmten Verwendung der Aufwandsentschädigung durch [X.] (vgl entsprechend bereits [X.] vom 26.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 18 f zu Aufwandsentschädigungen an ehrenamtlich tätige Bürgermeister und Stadträte; [X.] vom [X.] [X.]/16 R - [X.]-4200 § 11b [X.] Rd[X.]7, 29 zur Aufwandsentschädigung an ehrenamtliche Betreuer).

c) Die der Klägerin als gewählter [X.]n geleistete Aufwandsentschädigung ist bei Geltendmachung den Grundfreibetrag übersteigender Absetzbeträge nicht vom Nachweis der Ausgaben freigestellt.

aa) Erzielen erwerbsfähige Leistungsberechtigte Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, ist anstelle der Beträge nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] bis 5 [X.] - Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben - nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] ein Grundfreibetrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Übersteigen die Ausgaben für diese Beträge 100 Euro monatlich, sind sie im tatsächlichen Umfang abzusetzen, wenn das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro beträgt und die Ausgaben nachgewiesen werden (§ 11b Abs 2 Satz 2 [X.]). Abweichend davon sieht § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] einen auf 200 Euro erhöhten monatlichen Freibetrag und eine auf diesen Betrag abgesenkte Einkommensgrenze für den Nachweis tatsächlich höherer Ausgaben für solche leistungsberechtigten Personen vor, die aus mindestens einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 [X.], 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind.

Bei der Aufwandsentschädigung für [X.] handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] um eine nach § 3 [X.] EStG steuerprivilegierte Tätigkeit. Zugunsten der Klägerin findet deshalb der erhöhte pauschale Grundfreibetrag von 200 Euro Anwendung. Sie hat indes keinen Anspruch auf einen höheren als den in § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] geregelten Freibetrag von 200 Euro. Weder hat sie 200 Euro übersteigende Ausgaben als zu berücksichtigende Absetzbeträge nachgewiesen oder auch nur geltend gemacht (zur Erforderlichkeit, Ausgaben zu belegen, [X.] vom [X.] [X.]/16 R - [X.]-4200 § 11b [X.] Rd[X.]3) noch steht der Nachweispflicht ihr Mandat als [X.] entgegen. Insbesondere führt der vom Gesetz für einen höheren Freibetrag geforderte Nachweis der Aufwendungen nicht automatisch zu einem Eingriff in ihre Mandatsausübung, weil zunächst die einschlägigen Datenschutzbestimmungen und darüber hinaus spezifische Grenzen zum Schutz ihrer Mandatsausübung zu beachten sind.

bb) Die Vorschriften des [X.] über die Berücksichtigung von Einkommen auch aus einem kommunalen Mandat verletzen weder den aus Art 28 Abs 1 Satz 2 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch die Freiheit der Mandatsausübung, wie die Klägerin geltend macht.

Zwar gelten die Anforderungen des Art 28 Abs 1 Satz 2 GG, zu denen der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gehört, auch für kommunale Untergliederungen wie Stadt- und Gemeindebezirke und deren Vertretungen, soweit ihnen die selbständige Ausübung von Staatsgewalt übertragen wird, denn sie bedürfen dafür einer [X.] Legitimation (vgl [X.] vom 15.2.1978 - 2 BvR 134, 268/76 - [X.]E 47, 253, 272 f, RdNr 42). Doch finden diese Anforderungen auf die Wahl zu den [X.] [X.]nversammlungen weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung, weil den Bezirken in [X.] sowohl die Rechtsfähigkeit als auch die Allzuständigkeit fehlt, welche die gemeindliche Selbstverwaltung prägen (VerfGH des Landes [X.] vom [X.] - Rd[X.]2; vgl auch [X.] vom 31.10.1990 - 2 [X.] - [X.]E 83, 60, 76, RdNr 46). Geltung beansprucht dagegen auch für gewählte [X.] als kommunale Mandatsträger die grundsätzliche Gewährleistung des freien Mandats (vgl OVG [X.] vom 19.8.1997 - 8 SN 295.97 - Rd[X.], 17). Gewährleistet wird damit, dass die kommunalen Mandatsträger in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln verpflichtet und an Aufträge nicht gebunden sind (vgl OVG für das [X.] vom 24.1.2005 - 15 B 2713/04 - Rd[X.]).

In diese Freiheit greifen die Vorschriften des [X.] über die Berücksichtigung von Einkommen, auch soweit dieses aus der Tätigkeit als gewähltes Mitglied einer [X.]nversammlung erzielt wird, nicht unmittelbar ein. Auch eine nur mittelbare Beeinträchtigung des freien Mandats durch eine Offenlegung von im Rahmen der Mandatsausübung getätigten Ausgaben gegenüber dem Jobcenter liegt bei Beachtung nachstehender Maßgaben nicht vor.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Klägerin durch die Bestimmungen zum Sozialdatenschutz (§ 35 [X.], §§ 67 ff [X.]) davor geschützt ist, dass Angaben zu Absetzbeträgen vom Jobcenter zu anderen Zwecken als der Prüfung des Anspruchs der Klägerin auf [X.]-Leistungen und deren Berechnung verwendet werden. Überdies ist die Nachweisführung darauf beschränkt, die Mandatsbezogenheit einer Ausgabe in Abgrenzung von Ausgaben zur privaten Lebensführung darzulegen. Dies erfordert weder zwingend die Angabe näherer politischer Inhalte noch der Namen von Personen, zB bestimmter Bewirtungsgäste.

Zu berücksichtigen ist sodann, dass die Klägerin nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] bereits durch den [X.] erhöhten pauschalen Grundfreibetrag privilegiert ist. Erst wenn sie diesen übersteigende Absetzbeträge geltend machen will, sind entsprechende Angaben und Nachweise erforderlich. Dabei wird ihr nicht abverlangt, ihre politische Tätigkeit offenzulegen und einer inhaltlichen Bewertung zugänglich zu machen, also den von ihr abgelehnten "politischen Fingerabdruck" abzugeben, sondern lediglich einzelne Ausgaben zu bezeichnen und dem Jobcenter deren Prüfung auf ihre mandatsbezogene Verwendung zu ermöglichen. Einer völligen Freistellung von Nachweispflichten stehen zudem gewichtige Gemeinwohlbelange entgegen (zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch Vorlage von [X.] [X.] vom 19.9.2008 - [X.] [X.]/07 R - [X.]E 101, 260 = [X.]-1200 § 60 [X.], Rd[X.]5 f); der Staat hat ein berechtigtes Interesse daran, dass steuerfinanzierte bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen nur an Bedürftige gewährt werden. Bei Streitigkeiten um konkrete Ausgaben und Nachweise kann insoweit Rechtsschutz in Anspruch genommen werden.

Es stellt schließlich auch keine unzulässige Ungleichbehandlung dar, dass die Klägerin anders als [X.], die keine [X.]-Leistungen beziehen, der Regelung des § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] unterworfen ist. Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl im Einzelnen zum Prüfungsmaßstab letztens [X.] vom 1.12.2016 - [X.] AS 28/15 R - Rd[X.]4 mit Verweis auf [X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353, Rd[X.]9). [X.] Grund für eine Ungleichbehandlung kann insbesondere der Bezug von nachrangigen Sozialleistungen sein (vgl [X.] vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - Rd[X.]; [X.] vom [X.] - 1 BvR 2556/09 - [X.]-4200 § 11 [X.]3 RdNr 17). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sich der Gesetzgeber im Rahmen seines Spielraums bei der Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen (vgl nur [X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353, Rd[X.]6, 38, 56, 50) für die Berücksichtigung von Einkommen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit entscheidet und zugleich die privilegierte Geltendmachung von Absetzbeträgen ermöglicht.

d) Bei der Klägerin ist demnach neben dem aus einer Beschäftigung erzielten Erwerbseinkommen von 180 Euro auch die Aufwandsentschädigung von 345 Euro als Einkommen zu berücksichtigen, und zwar in bedarfsmindernder Höhe von insgesamt 260 Euro.

Das Erwerbseinkommen der Klägerin ist um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] und deren Aufwandsentschädigung als [X.] um einen weiteren Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] zu bereinigen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, sind bei dem Zusammentreffen von Einkünften aus nicht privilegierter Erwerbstätigkeit iS von § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] und aus [X.] (ehrenamtlicher) Tätigkeit iS von § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] die Absetzbeträge nach § 11b Abs 2 [X.] zwar für jede Tätigkeit gesondert anzusetzen und können auch nebeneinander eingreifen ([X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 11b [X.]). Doch findet eine Addition von allgemeinem und erhöhtem Grundfreibetrag nicht statt, sodass der aus § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] folgende Betrag von 200 Euro eine Freibetragsobergrenze für die Fälle darstellt, in denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit von über 100 Euro und aus privilegierter ehrenamtlicher Tätigkeit von über 200 Euro zusammentreffen ([X.], ebenda, Rd[X.]0).

Das nach Bereinigung nach § 11b Abs 2 [X.] verbleibende Einkommen der Klägerin ist um den Zusatzfreibetrag für Erwerbstätige nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.], Abs 3 Satz 2 Nr 1 [X.] zu bereinigen (zur Anwendung des [X.] auch auf Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten mit Entgeltcharakter [X.] vom 26.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 17, 26; vgl zur Unentgeltlichkeit ehrenamtlicher Tätigkeiten im Sinne der Vorschriften zur Sozialversicherungspflicht [X.] vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - vorgesehen für [X.]E und [X.]-2400 § 7 [X.]1, Rd[X.]9 ff). Danach ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit für den Teil des monatlichen Einkommens, das den erhöhten Grundfreibetrag übersteigt und nicht mehr als 1000 Euro beträgt, ein weiterer Betrag von 20 % abzusetzen ([X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 11b [X.] Rd[X.]5 mit Verweis auf eine ansonsten mögliche Doppelprivilegierung von Einkommen).

Ausgehend von dem den erhöhten Grundfreibetrag übersteigenden Teil des Einkommens von 325 Euro (525 Euro Gesamteinkommen abzüglich 200 Euro erhöhter Grundfreibetrag) errechnet sich ein Erwerbstätigenfreibetrag von 65 Euro (20 % von 325 Euro). Insgesamt betrug demnach im Februar 2013 das zu berücksichtigende Gesamteinkommen 260 Euro (525 Euro abzüglich 200 Euro und 65 Euro) und führte zu einem Anspruch auf einen Regelbedarf von 122 Euro (382 Euro Regelbedarf abzüglich 260 Euro). Dadurch, dass der [X.] stattdessen im Bescheid vom 30.4.2013 ein Gesamteinkommen von 240 Euro berücksichtigt und einen Regelbedarf von 142 Euro bewilligt hat, ist die Klägerin nicht beschwert.

5. Die weiteren Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung des Bescheids vom 24.11.2012 durch den zu überprüfenden Bescheid vom 30.4.2013 liegen vor.

Das [X.] hat bindend festgestellt, dass der Klägerin spätestens seit Oktober 2012 bekannt war, dass die Grundentschädigung grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen ist. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] gestützt hierauf im Rahmen seiner nur in engen Grenzen überprüfbaren Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Klägerin grob fahrlässige Unkenntnis von der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung vorzuwerfen ist (vgl hinsichtlich des zu beachtenden Maßstabs [X.] vom 4.4.2017 - B 11 [X.] 19/16 R - [X.]-4300 § 144 [X.]5 Rd[X.]), mit der Folge, dass die Rücknahme nach § 45 [X.] ohne Ausübung von Ermessen vorzunehmen war (§ 40 Abs 2 [X.] [X.] iVm § 330 Abs 2 [X.]I). Die für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu beachtende Frist des § 45 Abs 4 Satz 2 [X.] hat der [X.] gewahrt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Meta

B 14 AS 36/17 R

12.09.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 4. November 2015, Az: S 82 AS 12274/13, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11a Abs 3 S 1 SGB 2, § 11b Abs 2 S 3 SGB 2 vom 21.03.2013, § 1 S 1 DepEntschG BE 1978, § 1 S 2 DepEntschG BE 1978, § 2 Abs 1 DepEntschG BE 1978 vom 16.07.2001, Art 3 Abs 1 GG, Art 28 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 36/17 R (REWIS RS 2018, 3914)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3914

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1 BvR 371/11

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