Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2016, Az. IX ZR 208/15

9. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11397

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Gegenstand

Rechtsanwaltsvergütung: Formerfordernisse für Schuldbeitritt zu einer Vergütungsvereinbarung


Leitsatz

Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten grundsätzlich auch für einen Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung. Ihre Reichweite wird bestimmt durch den Zweck, dem Beitretenden deutlich zu machen, dass er nicht nur der gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitritt, sondern der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten Vergütung.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 24. September 2015 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 124 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2013 abgewiesen wird.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger vertrat als Rechtsanwalt den [X.] Staatsangehörigen [X.]in einem Asylfolgeverfahren. Er fertigte unter dem Datum des 30. April 2013 eine Vergütungsvereinbarung. Die Vereinbarung sieht unter der Nummer 1 vor, dass der Mandant anstelle der gesetzlichen Gebühren eine pauschale Vergütung in Höhe von 800 € einschließlich Umsatzsteuer zu zahlen hat. Die Nummern 2 bis 9 regeln Einzelheiten der Vergütungspflicht. Die Nummer 10 der Vereinbarung lautet: "Die Unterzeichner haften gesamtschuldnerisch." Darunter unterzeichnete neben dem Mandanten die als Dolmetscherin für ihn tätige Beklagte.

2

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 800 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg. Die [X.] schuldet dem Kläger den in der Hauptsache geltend gemachten Betrag von 800 € nebst Verzugszinsen. Lediglich hinsichtlich der zusätzlich verlangten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Klage abzuweisen.

I.

4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die [X.] zu, weil das von ihr unterzeichnete Schriftstück nicht den Anforderungen des § 3a [X.] an die äußere Gestaltung einer wirksamen Vergütungsvereinbarung entspreche. Ein Schuldbeitritt bedürfe der Form des zu Grunde liegenden Geschäfts. Es müssten deshalb auch die Anforderungen des § 3a [X.] an die formale Gestaltung der Vereinbarung erfüllt sein. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Verpflichtung der [X.]n zur Mithaftung nicht hinreichend deutlich von der Vergütungsvereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Mandanten abgesetzt sei.

II.

5

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6

1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings in der Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung durch die [X.] einen Beitritt zur Schuld des Mandanten gesehen. Anders konnte der Kläger als Empfänger die ausdrücklich auf eine Mithaftung als Gesamtschuldnerin gerichtete Erklärung der [X.]n bei objektiver Würdigung nicht verstehen. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des [X.] setzt die Annahme eines Schuldbeitritts nicht voraus. Sofern die [X.], wie die Revisionserwiderung einwendet, eine Erklärung dieses Inhalts nicht abgeben wollte oder ihr das [X.] überhaupt gefehlt haben sollte, hätte sie ein mögliches Anfechtungsrecht innerhalb der Frist des § 121 BGB ausüben müssen; das hat sie nicht getan.

7

2. Die Erklärung eines Schuldbeitritts bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form. Er unterliegt aber als Verpflichtungsgeschäft den Formerfordernissen, die für den Hauptvertrag gelten, soweit diese mit Rücksicht auf den Leistungsgegenstand des Schuldbeitritts aufgestellt sind ([X.], Urteil vom 31. Januar 1991 - [X.], NJW 1991, 3095, 3098; vom 8. Dezember 1992 - [X.], [X.]Z 121, 1, 3; vom 14. Juni 1996 - [X.], NJW 1996, 2503, 2504; vom 21. April 1998 - [X.], [X.]Z 138, 321, 327; zum [X.]: [X.], Urteil vom 8. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 43, 46 f; vom 24. Juli 2007 - [X.], [X.], 1850 Rn. 12 mwN). Um solche Formerfordernisse handelt es sich auch bei denjenigen nach § 3a Abs. 1 [X.] (vgl. zur Vorgängervorschrift § 3 Abs. 1 [X.]: [X.], Urteil vom 31. Januar 1991, aaO). Sowohl das Erfordernis der Textform als auch die weiteren, in den Sätzen 2 und 3 der Norm aufgeführten Anforderungen dienen der Warnung und dem Schutz des Mandanten. Er soll klar erkennbar darauf hingewiesen werden, dass er eine Vergütungsvereinbarung schließt, die dem Rechtsanwalt einen von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichenden Honoraranspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2015 - [X.], [X.], 268 Rn. 17). Tritt ein Dritter der Verpflichtung des Mandanten aus der Vergütungsvereinbarung bei, ist er in gleicher Weise schutzbedürftig. Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 [X.] gelten deshalb grundsätzlich auch für die Erklärung des Schuldbeitritts.

8

3. [X.], im Streitfall genüge die Gestaltung des Schuldbeitritts nicht den Anforderungen des § 3a Abs. 1 Satz 2 [X.], kann jedoch nicht beigetreten werden.

9

a) Nach dieser Vorschrift muss eine Vergütungsvereinbarung als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet werden, sie muss von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein und darf nicht in der Vollmacht enthalten sein. Inwiefern diese Anforderungen auch auf den Beitritt eines [X.] zu der [X.] des Mandanten anzuwenden sind, bestimmt sich nach ihrem Schutzzweck. Dieser besteht darin, den Mandanten, der eine Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts schon von Gesetzes wegen schuldet, davor zu bewahren, dass er sich unbemerkt vertraglich zu einem von der gesetzlichen Vergütung abweichenden Honorar verpflichtet. Bezogen auf den Schuldbeitritt kann es danach nur darum gehen, dem [X.] deutlich vor Augen zu führen, dass er nicht nur der gesetzlichen [X.] des Mandanten beitritt - ein solcher Beitritt bedürfte keiner besonderen Form -, sondern der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten Vergütung.

b) Diesen Schutz gewährleistet die hier gewählte Form. Die Vereinbarung ist als Vergütungsvereinbarung bezeichnet und enthält ausschließlich die Vergütung betreffende Regelungen. Sie stellt klar, dass die vereinbarte Vergütung von der gesetzlichen Regelung abweicht. Die am Ende unter Nummer 10 getroffene Bestimmung, dass die Unterzeichner gesamtschuldnerisch haften, ist ein Bestandteil der Vergütungsvereinbarung selbst. Sie machte der [X.]n unmissverständlich klar, dass sie mit ihrer Unterschrift die Mithaftung für die vereinbarte [X.] des Mandanten übernahm.

c) Mit der Bestimmung in § 3a Abs. 1 Satz 2 [X.], dass die Vergütungsvereinbarung von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt sein muss, soll verhindert werden, dass der Mandant eine Vergütungsvereinbarung übersieht, die zwischen anderen mit dem Rechtsanwalt getroffenen Vereinbarungen "versteckt" ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Schuldbeitritt der [X.]n deutlich von der Vergütungsvereinbarung des Mandanten hätte abgesetzt werden müssen. Die [X.] gab neben dem Schuldbeitritt keine weiteren Erklärungen ab, die ihren Blick auf den Beitritt hätten beeinträchtigen können. Entscheidend ist, dass ihr durch die Gestaltung der Erklärung klar gemacht wurde, einer vertraglichen, von der gesetzlichen Regelung abweichenden [X.] beizutreten.

d) Liegt der nach Ansicht des Berufungsgerichts gegebene Formmangel mithin nicht vor, bedarf die Frage nach der Rechtsfolge eines solchen Mangels keiner Entscheidung. Die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten ist im Falle eines Verstoßes gegen die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] nicht unwirksam; aus ihr kann die vereinbarte Vergütung nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr gefordert werden ([X.], Urteil vom 5. Juni 2014 - [X.], [X.]Z 201, 334 Rn. 16 ff, 31; vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 178 Rn. 8; vom 3. Dezember 2015 - [X.], [X.], 268 Rn. 21). Ob entsprechendes bei [X.] eines Schuldbeitritts gilt, kann dahinstehen.

III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Der Schuldbeitritt genügt der durch § 3a Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgeschriebenen Textform. Die Vergütungsvereinbarung einschließlich der Mithaftungserklärung der [X.]n erfüllt die Voraussetzungen des § 126b BGB, insbesondere sind die Personen der Erklärenden hinreichend benannt. Hierfür genügt es, dass die [X.] in der Unterschriftszeile am Ende der Vereinbarung mit ihrem Namen genannt ist. Dass es sich dabei nicht um ihren tatsächlichen Namen, sondern um den Namen ihrer Tochter handelt, schadet nicht, weil die [X.] unbestritten regelmäßig unter diesem Namen auftritt und allen Beteiligten klar war, dass sie mit diesem Namen gemeint war (vgl. [X.]/[X.], 7. Aufl., § 126b Rn. 7).

2. Der Umstand, dass die Vergütungsvereinbarung entgegen § 3a Abs. 1 Satz 3 [X.] keinen Hinweis darauf enthält, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss, lässt den Anspruch des Rechtsanwalts auf die vereinbarte Vergütung - anders als eine Verletzung der Formvorschriften nach § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] - unberührt (§ 4b Satz 1 [X.]; AnwK-[X.]/Onderka, 7. Aufl., § 3a Rn. 3; [X.]/[X.]/Teubel, [X.], 6. Aufl., § 3a Rn. 49). Eine weitergehende Rechtsfolge kann diesem Formmangel auch im Verhältnis zu einem [X.], welcher der Schuld des Mandanten beigetreten ist, nicht zukommen.

3. Die vertragliche Regelung über den Schuldbeitritt hält auch einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand.

a) Die Vertragsklausel betreffend den Schuldbeitritt ist nicht als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam. Als der Kläger von der [X.]n die Mitunterzeichnung der von ihm mit seinem Mandanten zu schließenden Gebührenvereinbarung verlangte, lag es für die [X.] nahe, dass es dem Kläger darauf ankam, zur Absicherung seiner Gebührenforderung eine weitere Person in die Mithaftung zu nehmen. Andere Gründe, die eine Unterzeichnung durch die [X.] erfordert hätten, lagen - anders als etwa bei einem Handeln als Abschlussvertreter (vgl. dazu § 309 Nr. 11 Buchst. a BGB) - nicht vor. [X.] sich dieses Interesse des Klägers der [X.]n auf, musste sie damit rechnen, dass der ihr vorgelegte Vertragstext eine entsprechende Klausel enthielt. Ein Überrumpelungseffekt ergab sich im Übrigen auch nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags. Die Klausel betreffend die gesamtschuldnerische Mithaftung der [X.]n findet sich knapp und prägnant formuliert als letzte Vertragsbestimmung unmittelbar über dem für die [X.] vorgesehenen Unterschriftsfeld.

b) Auf die Frage, ob die unter Nummer 7 der Vergütungsvereinbarung getroffene Regelung, dass die vorzeitige Beendigung des Mandats durch den Mandanten den Vergütungsanspruch nicht berührt, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 308 Nr. 7a BGB unwirksam ist, kommt es nicht an. Die Vergütungsvereinbarung bliebe im Übrigen gleichwohl wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB; vgl. OLG Köln, [X.] 2013, 469, 470 mwN). Der Inhalt der Vereinbarung richtet sich in dem betreffenden Punkt gegebenenfalls nach den gesetzlichen Regeln. Ihr Fortbestand nach dieser Maßgabe stellte für die Vertragsparteien keine unzumutbare Härte dar (§ 306 Abs. 3 BGB).

IV.

Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die [X.] schuldet dem Kläger aufgrund ihres Beitritts zu der [X.]. Dieser Betrag ist wegen Verzugs ab dem Ablauf der vom Kläger gesetzten Zahlungsfrist zum 13. Dezember 2013 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB). Keinen Anspruch hat der Kläger hingegen auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Zwar können Rechtsverfolgungskosten im erforderlichen und zweckmäßigen Umfang zu dem wegen Verzugs erstattungsfähigen Schaden gehören (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB; vgl. etwa [X.], Urteil vom 6. Oktober 2010 - [X.], NJW 2011, 296 Rn. 8 f mwN), auch wenn ein Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird (vgl. [X.] ZIP 1995, 499). Sie müssen jedoch durch den Verzug verursacht worden sein. Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat die [X.] bereits mit der verzugsbegründenden Mahnung vom 20. Dezember 2013 zur Zahlung der Anwaltskosten aufgefordert, die demnach schon zuvor entstanden sein müssen. Die Berufung der [X.]n war daher unter Abweisung der Klage bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten zurückzuweisen.

[X.]                               Grupp

               [X.]                        [X.]

Meta

IX ZR 208/15

12.05.2016

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Kleve, 24. September 2015, Az: 6 S 17/15

§ 3a Abs 1 RVG, § 4b RVG, § 414 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2016, Az. IX ZR 208/15 (REWIS RS 2016, 11397)

Papier­fundstellen: WM2017,541 REWIS RS 2016, 11397

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