Bundessozialgericht, Urteil vom 26.02.2019, Az. B 11 AL 6/18 R

11. Senat | REWIS RS 2019, 9908

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Gegenstand

Berufsausbildungsbeihilfeanspruch - Einkommensanrechnung - Berechnung des Durchschnittseinkommens aus dem Gesamteinkommen im Regelbewilligungszeitraum von 18 Monaten - keine Verkürzung - Verfassungsmäßigkeit - bei Härtefällen Rückgriff auf Grundsicherungsleistungen


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf [X.] hat.

2

Der 1989 geborene Kläger absolvierte eine zweijährige Ausbildung als Hochbaufacharbeiter bei der Firma i.-GmbH, die am [X.] begann und am [X.] endete. Die Ausbildungsvergütung betrug im [X.] Euro monatlich und im [X.] Euro monatlich. Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Eltern gab der Kläger, der nicht bei diesen wohnte, an, dass er eine Miete in Höhe von insgesamt 268 Euro monatlich, ab 2015 in Höhe von 278 Euro monatlich zu zahlen habe. Die Kosten für Pendelfahrten zur Arbeit mit dem Öffentlichen Personennahverkehr bezifferte er mit 44,70 Euro monatlich.

3

Die Beklagte lehnte den Antrag des [X.] auf [X.] ab. Ausgehend von einem 18monatigen Bewilligungszeitraum übersteige das aus der Ausbildungsvergütung resultierende durchschnittliche Einkommen in Höhe von 640,09 Euro monatlich den Gesamtbedarf im Bewilligungszeitraum in Höhe von 616,70 Euro monatlich (Bescheid vom 2.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 12.9.2014). Nachfolgend bewilligte das Jobcenter [X.] dem Kläger vom [X.] bis 28.2.2015 einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem [X.] in Höhe von monatlich 44 Euro.

4

Das [X.] hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger [X.] vom [X.] bis 31.8.2015 in gesetzlicher Höhe zu erbringen (Urteil vom 28.10.2016). Abweichend von dem gesetzlichen [X.] von 18 Monaten sei der Berechnung der [X.] ein Zeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen. Bereits bei Antragstellung sei absehbar gewesen, dass die Ausbildungsvergütung des [X.] im ersten Ausbildungsjahr nicht zur Deckung des Existenzminimums ausreiche, während der Bedarf ab dem zweiten Lehrjahr gedeckt werde.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.2.2018). Eine Bewilligung von [X.] nach Maßgabe eines auf das erste Ausbildungsjahr verkürzten Bewilligungszeitraums entbehre einer gesetzlichen Grundlage. Nach der Rechtsprechung des B[X.] seien eine Durchschnittsberechnung bezogen auf den [X.] und damit einhergehende Verzerrungen verfassungsrechtlich unbedenklich.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 69 Abs 1 Satz 2 [X.]I. Abweichungen vom [X.] seien möglich. Die Entscheidung der Beklagten zur Festlegung des Bewilligungszeitraums müsse pflichtgemäßem Ermessen entsprechen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsvergütung im Baugewerbe im zweiten Ausbildungsjahr gegenüber dem [X.] im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen untypisch hoch ausfalle. Sein Existenzminimum sei unterschritten worden. Dies sei nur vorübergehend hinzunehmen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 23. Februar 2018 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2016 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend. Eine Verkürzung des Bewilligungszeitraums auf das erste Ausbildungsjahr verkehre die vom Gesetzgeber als Regel vorgesehene Dauer von 18 Monaten zur Ausnahme.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des [X.] zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum vom [X.] bis 31.8.2015 keinen Anspruch auf [X.].

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 2.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.9.2014, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, [X.] zu erbringen. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 [X.]G), mit der er für den Zeitraum von September 2014 bis August 2015 [X.] in gesetzlicher Höhe - dh in Höhe von monatlich 74 Euro nach der Aufrundungsregel in § 71 Satz 1 [X.]B III (sämtliche Vorschriften anwendbar in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, [X.]) - begehrt (§ 123 [X.]G). In dem Umstand, dass der Kläger diese Aufrundungsregel bei der Abfassung seines Antrags vor dem [X.] nicht einbezogen hat, ist keine Beschränkung des Klagebegehrens zu sehen. Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips, wonach im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Kläger dasjenige begehrt, was ihm den größten Nutzen bringt (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 6/17 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]0, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen), ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zugrunde zu legen, dass er [X.] in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe beansprucht.

2. Der Kläger kann in dem streitigen Zeitraum vom September 2014 bis August 2015 keine [X.] beanspruchen.

a) Zwar erfüllt der Kläger die allgemeinen Voraussetzungen für die Bewilligung von [X.]. Er hat eine förderungsfähige Berufsausbildung zum Hochbaufacharbeiter nach Maßgabe des [X.] bei der i.-GmbH absolviert (vgl § 56 Abs 1 [X.], § 57 [X.]B III). Hierbei handelt es sich um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Gesamtdauer von 24 Monaten (§ 25 HwO iVm § 1 Abs 1 [X.] a), § 2 Abs 2 Satz 1 VO über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom [X.] <[X.] 1102>, in der ab dem [X.] geltenden Fassung <[X.] 399>). Der Kläger zählt auch zum förderungsfähigen Personenkreis und erfüllt die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung (§ 56 Abs 1 [X.], § 59 Abs 1, § 60 Abs 1, 2 [X.] [X.]B III). Ausweislich seines Antrags auf [X.] vom 7.8.2014 hat er die [X.] Staatsangehörigkeit und lebte als Volljähriger außerhalb des Haushalts seiner Eltern. Dem Kläger standen jedoch die erforderlichen Mittel zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung (§ 56 Abs 1 [X.] [X.]B III).

b) Zur Ermittlung des monatlichen Bedarfs des [X.] hat die Beklagte zu Recht die Bedarfe für den Lebensunterhalt und die Fahrkosten in Höhe von 616,70 Euro monatlich berücksichtigt. Hierin eingeschlossen sind ein Grundbedarf in Höhe von 348 Euro monatlich (§ 61 Abs 1 Satz 1 [X.]B III iVm § 13 Abs 1 [X.] [X.]; sämtliche [X.]-Vorschriften in der ab dem 28.10.2010 geltenden Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 7.12.2010, [X.] 1952) zuzüglich einer Erhöhung um 149 Euro monatlich für die Unterkunftskosten (§ 61 Abs 1 Satz 2 [X.]B III) und - wegen der diesen Betrag tatsächlich übersteigender Mietkosten von 268 Euro monatlich bzw 278 Euro monatlich - eine weitere Pauschale in Höhe von 75 Euro monatlich für Unterkunft und Nebenkosten (§ 61 Abs 1 Satz 3 [X.]B III) zuzüglich Kosten für Pendelfahrten in Höhe von 44,70 Euro monatlich (§ 63 Abs 1 Satz 1 [X.], Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]B III). Bedarfe für sonstige Aufwendungen iS des § 64 [X.]B III sind weder festgestellt noch begehrt der Kläger solche.

c) Diesen Bedarf konnte der Kläger aus seiner Ausbildungsvergütung im Zeitraum vom [X.] bis 31.8.2015 decken, weil sich hieraus als anrechenbares Einkommen (§ 67 Abs 1 [X.] [X.]B III) ein durchschnittlicher Betrag in Höhe von 640,09 Euro monatlich ergibt.

aa) Für das zu berücksichtigende Einkommen maßgeblich ist § 11 Abs 4 [X.] sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des [X.] mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen (§ 67 Abs 2 Satz 1 [X.]B III). Gemäß § 22 [X.] sind für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgebend (Abs 1 Satz 1). Auf den Bedarf jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums wird der Betrag angerechnet, der sich ergibt, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird (Abs 2). Die Ausbildungsvergütung wird ohne Berücksichtigung von Freibeträgen voll als Einkommen abzüglich einer Sozialpauschale in Höhe von 21,3 Prozent angerechnet (§ 21 Abs 2 Satz 1 [X.], § 23 Abs 3 [X.]). Abweichend von § 22 Abs 1 [X.] ist für die [X.] jedoch dasjenige Einkommen maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist; Änderungen sind (nur) bis zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen (§ 67 Abs 2 Satz 1, Satz 2 [X.] [X.]B III). Nach § 69 Abs 1 [X.]B III besteht der Anspruch auf [X.] für die Dauer der Berufsausbildung oder die Dauer der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (Satz 1). Über den Anspruch wird bei Berufsausbildung in der Regel für 18 Monate, im Übrigen in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden (Satz 2).

Zutreffend hat die Beklagte die zur Verfügung stehende und im Zeitpunkt der Beantragung von [X.] absehbare Ausbildungsvergütung des ersten Ausbildungsjahres und im Umfang von sechs Monaten auch diejenige des zweiten Ausbildungsjahres als Einkommen nach Maßgabe des Regelbewilligungszeitraums von 18 Monaten in Höhe von insgesamt 14 640 Euro abzüglich einer Sozialpauschale in Höhe von 3118,32 Euro mit 11 521,68 Euro zugrunde gelegt und hieraus ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 640,09 Euro monatlich ermittelt.

bb) Die Beklagte war nicht gehalten, bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens einen vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall der Bewilligungsdauer von 18 Monaten abweichenden Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen, der sich nur auf das erste Ausbildungsjahr beziehen würde.

Zwar sind nach dem Wortlaut des § 69 Abs 1 Satz 2 [X.]B III, wonach über den Anspruch auf [X.] in der Regel für 18 Monate, im Übrigen in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden wird, Abweichungen im Sinne einer Verkürzung oder Verlängerung des Bewilligungszeitraums mit Blick auf die Dauer der Ausbildung nicht ausgeschlossen (vgl [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 69 [X.]B III Rd[X.]1, Stand Juni 2018; [X.] in Brand, [X.]B III, 8. Aufl 2018, § 69 Rd[X.]; [X.] in [X.]Voelzke, jurisPK-[X.]B III, § 69 Rd[X.]7, 2. Aufl 2019; Schön in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B III, 2. Aufl 2015, § 69 Rd[X.]; Wagner in Mutschler/[X.], [X.]B III, 6. Aufl 2017, § 69 Rd[X.]1). Jedoch liegen weder wegen der tatsächlichen Bedarfsunterdeckung im streitigen Zeitraum des ersten Ausbildungsjahres noch wegen der Dauer der Ausbildung des [X.] von insgesamt nur 24 Monaten besondere Umstände vor, die eine Verkürzung geboten erscheinen lassen. Dies folgt vor allem aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesamtzusammenhang der Regelung (vgl zur historischen Entwicklung: B[X.] vom [X.] [X.] 47/06 R - [X.] 4-4300 § 71 [X.] Rd[X.]6).

Bis zum 1.1.1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des [X.] ([X.]) vom [X.] ([X.] 594), war in § 20 Abs 8 der Neufassung der Anordnung des [X.] [X.] zur Änderung der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A-Ausbildung) ab 1.10.1996 ([X.] 1997, 737f, 743 ff) vorgesehen, dass bei der Berechnung der [X.] die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend waren, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbar waren (Satz 1). Ausdrücklich geregelt war, dass Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung während eines Bewilligungszeitraums zu berücksichtigen waren, wenn diese auf dem Eintritt in das nächste Ausbildungsjahr oder in den nächsten Ausbildungsabschnitt beruhten (§ 20 Abs 8 Satz 3 A-Ausbildung).

Mit der zunächst in § 73 Abs 1 Satz 2 [X.]B III in der Fassung des [X.]es, der Vorgängerregelung zu § 69 Abs 1 Satz 2 [X.]B III, festgeschriebenen Dauer des Bewilligungszeitraums von einem Jahr knüpfte der Gesetzgeber wortlautidentisch an § 50 Abs 3 [X.] an (BT-Drucks 13/4941, [X.] ; vgl zur Verknüpfung der Regelbewilligungsdauer von einem Jahr nach dem [X.] mit dem Schuljahr bzw Semester: [X.] vom 15.11.1979 - 5 C 34/78 - [X.]E 59, 130; [X.] vom 13.1.1983 - 5 C 97/80 - FamRZ 1983, 1176 ff, juris Rd[X.]9). In Abgrenzung zu § 22 Abs 1 [X.] bezieht der Gesetzgeber für die Einkommensberechnung bei der [X.] jedoch nur dasjenige Einkommen ein, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist (§ 67 Abs 2 Satz 1, Satz 2 [X.] [X.]B III). Anders als beim [X.] führen daher Änderungen im laufenden Bewilligungszeitraum bei der [X.] nicht zu einer Änderung des [X.] (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 20/08 R - [X.] 4-4300 § 71 [X.] Rd[X.]9; BT-Drucks 13/4941, [X.] f ; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B III nF, § 67 RdNr 68, Stand Dezember 2016).

Trotz dieser Abweichung der [X.]-Regelungen von den [X.]-Bestimmungen ergaben sich wegen der zumeist vorab bekannten Höhe der Ausbildungsvergütung regelmäßig keine tatsächlichen Abweichungen bei der nach einer Durchschnittsbetrachtung erfolgenden Berechnung des monatlich zur Verfügung stehenden Einkommens im Regelbewilligungszeitraum von einem Jahr. Eine Änderung trat erst mit der Verlängerung des Bewilligungszeitraums von zwölf Monaten auf 18 Monate durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vom 19.3.2001 ([X.] 2001, 390) ein. Der Verlängerung des Bewilligungszeitraums kommt Bedeutung für die Höhe der [X.] zu, weil die regelmäßig höhere Ausbildungsvergütung im zweiten Ausbildungsjahr in die Berechnung der [X.] bereits für das erste Ausbildungsjahr einbezogen wurde. Die Erweiterung des Bewilligungszeitraums begründete der Gesetzgeber dennoch ausschließlich mit verwaltungspraktischen Gründen. Durch die Verlängerung des Bewilligungszeitraums werde die Verwaltung bei einer überwiegend 36 Monate umfassenden Ausbildungsdauer durch Erlass von nur noch zwei anstelle von bisher drei Bescheiden entlastet. Den Belastungsspitzen zu Beginn der Ausbildung im August/September eines Jahres könne die [X.] durch organisatorische Maßnahmen nicht ausreichend begegnen. Auch ziele die Verlängerung darauf ab, die bislang unzumutbar langen Bearbeitungszeiten für die Antragsteller zu verkürzen (vgl [X.] 585/00, [X.]; BT-Drucks 14/4731, [X.]).

Dieser entstehungsgeschichtliche Zusammenhang der § 67 Abs 2 Satz 1, § 67 Abs 2 Satz 2 [X.] [X.]B III und § 69 Abs 1 [X.]B III und der daraus herzuleitende Zweck der Regelung mit einem ausdrücklichen und alleinigen Abstellen auf verwaltungspraktische Gesichtspunkte bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Auszubildende wie den Kläger mit einer lediglich 24 Monate umfassenden Ausbildung abweichend behandeln wollte. Wie die Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 14/4731 [X.] "überwiegend 36 Monate umfassende Ausbildungsdauer") belegen, hat er Berufsausbildungen mit einer unterschiedlichen Dauer in den Blick genommen. Auch bei dem Anstieg von Ausbildungsvergütungen im zweiten Ausbildungsjahr handelt es sich um einen regelhaften Umstand, der sich bereits aus § 17 Abs 1 Satz 2 des BBiG ergibt. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber dies unbeachtet gelassen hat.

cc) Die Beklagte ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gehalten, einen vom Regelfall abweichenden Bewilligungszeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen. Zwar kann - wie der [X.] bereits betont hat - nach den jetzigen Regelungen zur Berechnung der [X.] regelmäßig und regelhaft vor allem zu Beginn einer Ausbildung eine Unterdeckung des errechneten [X.] des Auszubildenden bei alleiniger Betrachtung der [X.] auftreten (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 20/08 R - [X.] 4-4300 § 71 [X.] Rd[X.]0). Hiervon ist auch der Kläger betroffen. Bedenken begegnet dies wegen der Unterhaltssicherungsfunktion der [X.] (vgl B[X.] vom [X.] [X.] 47/06 R - [X.] 4-4300 § 71 [X.] Rd[X.]8). Nach ihrer Zweckbestimmung soll sie den Bedarf zum Lebensunterhalt während einer Berufsausbildung absichern (B[X.] vom 16.6.2015 - B 4 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 27 [X.] Rd[X.]9) und einen Zugang zum Erwerbsleben über eine abgeschlossene Berufsausbildung ermöglichen (vgl zur vorrangigen Absicherung der durch die Ausbildung entstehenden existenziellen Bedarfe durch Leistungen nach dem [X.] und dem [X.]B III BVerfG vom 8.10.2014 - 1 BvR 886/11 - juris Rd[X.]3 ff; B[X.] vom [X.] - [X.]/7b A[X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]5)

Der [X.] hat bereits in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.] [X.] 20/08 R - [X.] 4-4300 § 71 [X.] Rd[X.]0 ff) ausgeführt, dass sich eine vorübergehende Unterschreitung des Bedarfs mit Rücksicht auf den Ausgleich in Härtefällen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sieht. Denn der Gesetzgeber hatte bereits in § 27 Abs 4 [X.]B II aF eine Möglichkeit eröffnet, Härtefälle im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufzufangen. Auch aus Gründen der Absicherung des sozio-kulturellen Existenzminimums ist daher eine Verkürzung des Regelbewilligungszeitraums von 18 Monaten auf das erste Ausbildungsjahr des [X.] nicht geboten. Diesen Weg der Öffnung für [X.]B II-Leistungen hat der Gesetzgeber durch das [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 ([X.] 1824) zum [X.] fortgesetzt, indem er den Ausschluss der Auszubildenden mit Anspruch auf [X.] von [X.]B II-Leistungen aufgehoben hat. Anstelle einer Änderung der Regelungen der [X.] hat er die Schnittstelle zwischen Grundsicherung und Ausbildungsförderung entschärft. Ob es sich um eine verwaltungspraktische und zweckmäßige Lösung handelt, wenn eine Bedarfsdeckung bei bestimmten Auszubildenden nur unter Einbeziehung zweier Sozialleistungssysteme erfolgt, hatte der [X.] nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 6/18 R

26.02.2019

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Kiel, 28. Oktober 2016, Az: S 9 AL 167/14, Urteil

§ 56 Abs 1 Nr 3 SGB 3, § 67 Abs 1 Nr 1 SGB 3, § 67 Abs 2 S 1 SGB 3, § 67 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3, § 69 Abs 1 S 2 SGB 3, § 22 Abs 1 S 1 BAföG, § 27 Abs 4 SGB 2, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.02.2019, Az. B 11 AL 6/18 R (REWIS RS 2019, 9908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9908

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1 BvR 886/11

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