Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.2017, Az. B 11 AL 20/16 R

11. Senat | REWIS RS 2017, 4019

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Berufsausbildungsbeihilfe - Einkommensanrechnung - Ausbildungsvergütung - Jugendhilfeleistung - Übernahme der Kosten durch Jugendhilfeträger - Feststellung des Leistungsanspruchs des Jugendhilfeträgers - gleichartige Sozialleistung - Vorrang-Nachrang-Regelung


Leitsatz

Erhält eine behinderte Jugendliche während ihrer Berufsausbildung eine Vergütung, ist diese als anrechenbares Einkommen bei der Berufsausbildungsbeihilfe auch dann zu berücksichtigen, wenn der Jugendhilfeträger dem Ausbildungsbetrieb die Kosten hierfür erstattet.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 9. Juni 2016 und des [X.] vom 30. Juni 2015 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der klagende Landkreis, ein Träger der Jugendhilfe, begehrt die Feststellung der Verpflichtung der beklagten [X.] zur Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe ([X.]) an die Beigeladene.

2

Die im Jahre 1996 geborene [X.] (im Folgenden: Beigeladene) erhält seit Juli 2012 Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) im Jugendhilfezentrum "c. " in A. (im Folgenden: Jugendhilfezentrum) mit Kostenübernahme durch den Kläger. Die Beklagte bestätigte nach einem Eignungstest, dass bei der Beigeladenen aufgrund der Art und Schwere der Behinderung eine Ausbildung nach § 66 BBiG angezeigt sei (Schreiben vom 13.6.2014). Der Kläger trug auch die Kosten für deren im September 2014 begonnene Ausbildung zur [X.] im Jugendhilfezentrum (Bescheid an die Beigeladene und Nachricht an den Kläger vom 22.9.2014). Die Kosten für die Gesamtmaßnahme beliefen sich auf ca 7000 Euro monatlich und umfassten Betreuungskosten (Heimerziehung), Ausbildungskosten (rund 2000 Euro) und den Lebensunterhalt der Beigeladenen. Als Ausbildungsbetrieb zahlte das Jugendhilfezentrum der Beigeladenen eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 793,26 Euro monatlich ([X.] bis 31.8.2015) bzw 843,20 Euro monatlich (1.9.2015 bis 29.2.2016) und einmalige Leistungen im November 2014, Juni 2015 und November 2015.

3

Der Kläger beantragte bei der Beklagten für die Beigeladene [X.]. Er teilte mit, dass die von ihm erbrachten Aufwendungen neben den Kosten der Bestreitung des gesamten Lebensunterhalts die Ausbildungskosten umfassten (Schreiben vom 22.9.2014). Die Eltern der Beigeladenen bezögen [X.] II-Leistungen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf [X.] ab, weil die Beigeladene mit der Ausbildungsvergütung über ausreichende Einkünfte verfüge (Bescheid vom 18.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 19.2.2015). Das [X.] hat der allein von dem Kläger als erstattungsberechtigtem Träger der Jugendhilfe erhobenen Klage stattgegeben, den Bescheid vom 18.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.2.2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger [X.] für die Beigeladene ab dem [X.] zu zahlen (Urteil vom 30.6.2015).

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das [X.]-Urteil geändert und festgestellt, dass diese verpflichtet sei, der Beigeladenen ab [X.] [X.] in gesetzlicher Höhe zu gewähren sowie im Übrigen die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Beigeladene habe vom [X.] bis 29.2.2016 eine dem Grunde nach förderungsfähige berufliche Ausbildung absolviert, gehöre zum förderungsfähigen Personenkreis und erfülle auch die sonstigen persönlichen Voraussetzungen. Die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Maßnahmekosten (Gesamtbedarf) hätten ihr auch nicht anderweitig zur Verfügung gestanden, weil die Ausbildungsvergütung nicht anzurechnen sei. Unabhängig von der Frage, ob man in den konkret an die Beigeladene erbrachten Zahlungen eine Ausbildungsvergütung, eine Ausbildungsbeihilfe oder eine gleichartige Leistung aus öffentlichen Mitteln sehe, stehe § 10 Abs 1 [X.] VIII einer Anrechnung entgegen. Bei diesen Zahlungen und der [X.] handele es sich um zweckidentische Leistungen mit unterhaltssichernder Funktion. Unerheblich sei, dass die [X.] nicht unmittelbar von dem Kläger an die Beigeladene ausgezahlt, sondern zunächst der Ausbildungseinrichtung (Jugendhilfezentrum) zur Verfügung gestellt würden, die dann ihrerseits der Beigeladenen eine Ausbildungsvergütung in entsprechender Höhe nach dem BBiG erbringe. Es handele sich dennoch um an Dritte erbrachte Sozialleistungen nach den Vorschriften des [X.] VIII, weil sie der hilfebedürftigen Beigeladenen zur Verwirklichung ihres [X.] Rechts auf Jugendhilfe zukämen und deren Lebensunterhalt während der Ausbildung ermöglichten. Wegen der kausalen Verknüpfung der beiden Zahlungen erfordere es der Zweck des § 10 Abs 1 Satz 2 [X.] VIII, diese Vorrangregelung anzuwenden. Entscheidend sei, dass die beiden Leistungsverpflichtungen nebeneinander bestünden und jeweils der Deckung des Lebensunterhalts der Beigeladenen im streitbefangenen Zeitraum dienten.

5

Mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 [X.] III sowie § 10 [X.] VIII. Eine Ausbildungsvergütung, die von der Ausbildungseinrichtung im Rahmen der Heimerziehung an einen (minderjährigen) Jugendlichen gezahlt, aber vom Jugendhilfeträger erstattet werde, müsse als Einkommen auf die [X.] angerechnet werden. Im Verhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen verliere die Ausbildungsvergütung nicht ihren Charakter als "Vergütung".

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 9. Juni 2016 und des [X.] vom 30. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des [X.] vom 9.6.2016, soweit dieses die Aufhebung des Bescheids vom 18.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.2.2015 durch das [X.] bestätigt und festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, der [X.] ab 1.9.2014 [X.] in gesetzlicher Höhe zu erbringen.

Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger sein Begehren als Anfechtungs- und Feststellungsklage geltend machen muss. Nach § 97 Satz 1 [X.]B VIII kann der erstattungsberechtigte Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Die Regelung berechtigt den Kläger, im Wege einer gesetzlichen Prozessstandschaft die Feststellung zu verfolgen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Beigeladene, die weiterhin potentielle Inhaberin des Anspruchs bleibt, [X.] zu erbringen. Auf das von dem Kläger als Jugendhilfeträger anstelle der [X.] im Wege des § 97 [X.]B VIII geführte Verfahren auf Bewilligung von [X.] hat die Beklagte diese Sozialleistung durch die angefochtenen Bescheide abgelehnt.

Bei einer solchen Leistungsablehnung ermöglicht § 97 Satz 1 [X.]B VIII die Erhebung einer Anfechtungsklage (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 82, 112, 114 = [X.] 3-5910 § 91a [X.]). Die damit verbundene Feststellungsklage kann sich auf das Bestehen eines Anspruchs des Jugendlichen oder Kindes beziehen. Deren (fremde) Rechte können geltend gemacht, nicht aber eine Leistung an sich selbst verlangt werden (B[X.] vom 15.2.2000 - [X.] [X.] 73/99 R - juris Rd[X.] 14; B[X.] vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.] 4-3100 § 60 [X.], Rd[X.] 25; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B VIII, § 97 Rd[X.] 24, Stand Dezember 2016).

2. Von Amts wegen zu beachtende [X.] liegen nicht vor. Ein (teilweiser) Wegfall des [X.] für die Feststellungsklage ist nicht deshalb anzunehmen, weil der Kläger wegen der bei Klageerhebung bereits erbrachten [X.] auch einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte hätte geltend machen können. Der Gesetzgeber stellt den Trägern der Jugendhilfe grundsätzlich beide Wege (Feststellungsverfahren, Erstattungsverfahren) zur Wahl. § 97 [X.]B VIII bezieht sich nicht ausschließlich auf eine in die Zukunft gerichtete Feststellung des Sozialleistungsanspruchs; vielmehr soll das Feststellungsverfahren einer Klärung der Verhältnisse in Bezug auf das Bestehen eines Erstattungsanspruchs dienen ([X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B VIII, § 97 [X.] 19, 27, Stand Dezember 2016; vgl zu § 91a [X.]: B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 82, 112, 116 = [X.] 3-5910 § 91a [X.] mwN). Solange davon ausgegangen werden kann, dass sich durch die Feststellung wesentliche Vorfragen des [X.] erledigen können, besteht (weiterhin) ein Rechtsschutzbedürfnis. Dies ist hier wegen der Klärung des Anspruchs der [X.] auf [X.] der Fall (vgl auch B[X.] vom [X.] SF 1/14 R - [X.]b 2014, 504 zu der § 86 [X.]B X entnommenen Verpflichtung des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers statt und gerade neben [X.] nach den §§ 102 ff [X.]B X die Feststellung der Leistungspflicht des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers für bereits erbrachte Sozialleistungen als Prozessstandschafter bei vorangegangener Ablehnung gegenüber dem Berechtigten zu betreiben). Ob im Ausnahmefall das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage fehlen kann, wenn bei Klageerhebung ausschließlich bereits abgeschlossene Zeiträume betroffen sind und direkt auf Erstattung geklagt werden könnte, ist im Übrigen nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten (vgl für eine derartige Konstellation: B[X.] vom 15.2.2000 - [X.] [X.] 73/99 R - juris Rd[X.] 14). Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

Der Umstand, dass die Beigeladene wegen der [X.] des § 107 Abs 1 [X.]B X vor Klageerhebung bereits erbrachter Leistungen nicht noch einmal an sich selbst verlangen könnte, berührt nicht das [X.] des vorleistenden Jugendhilfeträgers, sondern - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - allein den Auszahlungsanspruch der Berechtigten - also hier der [X.] - gegen die Beklagte, der jedoch nicht Streitgegenstand ist.

3. Das zulässige Feststellungsbegehren ist jedoch nicht begründet. Zwar ist der Kläger grundsätzlich erstattungsberechtigt, weil er an die Beigeladene Leistungen der Jugendhilfe erbracht hat und es sich bei einem Teil dieser [X.] und der [X.] um gleichartige Sozialleistungen handelt (s hierzu unter a). Wegen der Höhe der an die Beigeladene ausgezahlten Ausbildungsvergütung hatte diese gegen die Beklagte jedoch keinen Anspruch auf [X.] (s hierzu unter b).

a) Rechtsgrundlage für eine potentielle Erstattungsberechtigung des [X.] nach § 97 Satz 1 [X.]B VIII ist § 104 Abs 1 Satz 1 [X.]B X. Dies setzt voraus, dass Leistungsverpflichtungen von zwei Sozialleistungsträgern - hier des [X.] als Jugendhilfeträger und der beklagten [X.] als zur Erbringung von [X.] Verpflichtete - nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen [X.] nachgehen muss.

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ist davon auszugehen, dass der Kläger der [X.] neben der fortgeführten Hilfe zur Erziehung ab September 2014 die Förderung einer Berufsausbildung zur [X.] als Maßnahme der Jugendberufshilfe bewilligt hat. Nach § 41 Abs 1 [X.]B VIII soll einem jungen Volljährigen - in der Regel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres - Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. § 27 Abs 3 Satz 2 [X.]B VIII, auf den § 41 Abs 2 [X.]B VIII zur Ausgestaltung dieser Hilfen ausdrücklich verweist, bestimmt, dass die Hilfen zur Erziehung bei Bedarf Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen iS des § 13 Abs 2 [X.]B VIII einschließen. Hiernach können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen. Im ambulanten und stationären Bereich können Hilfeformen vorgehalten werden, die Hilfe zur Erziehung mit Ausbildungs- und Beschäftigungsformen koppeln ([X.] in [X.], [X.]B VIII, 5. Aufl 2015, § 27 Rd[X.] 35; [X.] in [X.]/[X.]/Trenzcek, [X.] Kommentar [X.]B VIII, 7. Aufl 2013, § 13 Rd[X.] 16 mit Verweis auf BT-Drucks 11/5948, [X.]; zur sozialpolitischen Bedeutung: [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B VIII, § 13 Rd[X.]8 ff, Stand Juni 2014). Möglich sind öffentlich-rechtliche Beschäftigungsmaßnahmen und reguläre Arbeitsverträge ([X.] in [X.], [X.]B VIII, 5. Aufl 2015, § 13 Rd[X.] 32). Bei der Entscheidung über die Art, den Umfang und die zeitliche Dauer einer Hilfe für junge Volljährige steht dem Jugendhilfeträger im erforderlichen Rahmen der (sozial-)pädagogischen Wertungen und Zukunftsprognosen ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum und ein Bewertungsvorrecht zu [X.] in [X.] ua, [X.]B VIII, 5. Aufl 2017, § 41 Rd[X.] 17 mwRspr).

Die gerichtliche Überprüfung hat sich grundsätzlich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (vgl BVerwG vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155, 167; [X.] vom 17.6.2004 - 12 CE 04.578 - [X.] 2004, 545, 546; VG Würzburg vom [X.] 10.489 - juris, Rd[X.] 25). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Förderung der [X.] durch die auch von der Beklagten als "angezeigt" angesehene Ausbildung zur [X.] in der Jugendhilfeeinrichtung nicht erforderlich war, liegen nicht vor.

Bei diesen Leistungen des [X.] als Jugendhilfeträger und der [X.] kann es sich auch um gleichartige Sozialleistungen im Sinne der [X.] des § 104 [X.]B X handeln. Wesentliche Kriterien für die Gleichartigkeit der Leistungen sind deren Ziel und Funktion, also "deren Zweck" ([X.], [X.]B VIII, 5. Aufl 2009, § 10 Rd[X.] 2). Die Leistungen müssen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (BVerwG vom [X.] - 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 ff, 96). Dies kann nicht pauschal anhand der (gesamten) Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, sondern nur bezogen auf die jeweils differenziert zu betrachtenden einzelnen Anteile einer Jugendhilfemaßnahme bestimmt werden (vgl nur [X.] vom 28.7.2009 - 4 PA 250/08 - [X.], 180, 181).

Eine Kongruenz von Leistungen ist bei der Sicherstellung des Lebensunterhalts durch die [X.] einerseits und die [X.] andererseits grundsätzlich anzunehmen, wobei die [X.] gegenüber Leistungen für Unterhalt und Unterkunft nach dem [X.]B VIII grundsätzlich vorrangig ist ([X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B VIII, § 10 Rd[X.] 15, Stand Februar 2017; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Kinder- und Jugendhilferecht, § 10 Rd[X.] 31, Stand Januar 2015; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] Kommentar zum [X.]B VIII, 7. Aufl 2013, § 10 Rd[X.] 9; vgl zur früheren Rechtslage: B[X.] vom 28.9.1993 - 11 [X.] - [X.], 127, 131). Dies ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Subsidiaritätsregelungen in § 22 Abs 1 [X.]B III und § 10 Abs 1 [X.]B VIII. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 [X.]B VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch das [X.]B VIII nicht berührt (Satz 1). Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem [X.]B VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 10 Abs 1 Satz 2 [X.]B VIII). Wenn Leistungen eines anderen [X.] nicht deshalb versagt werden dürfen, weil es im [X.]B VIII entsprechende Leistungen gibt, zeigt dies, dass im Sinne der weiteren Nachrangregelung des § 22 Abs 1 und 2 [X.]B III eine Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers in Fallgestaltungen gleichartiger Leistungen gerade nicht bestehen soll und die Jugendhilfe als nachrangig angesehen werden muss ([X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B VIII, § 10 Rd[X.] 27, Stand Februar 2017).

b) Trotz demnach grundsätzlich möglicher Erstattungsberechtigung des [X.] iS des § 97 Satz 1 [X.]B VIII steht einer Begründetheit seines Feststellungsbegehrens entgegen, dass die Ausbildungsvergütung selbst nicht als nachrangige Jugendhilfeleistung iS des § 10 [X.]B VIII angesehen werden und wegen deren konkreter Höhe von der [X.] keine [X.] beansprucht werden kann.

§ 56 Abs 1 [X.]B III macht den Anspruch von Auszubildenden auf [X.] während einer Berufsausbildung davon abhängig, ob eine Berufsausbildung förderungsfähig ist ([X.] 1), sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehören, die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind ([X.] 2) und ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten und die sonstigen Aufwendungen (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen ([X.] 3). Zwar kann ausgehend von einer Berufsausbildung für behinderte Menschen nach § 66 BBiG grundsätzlich eine durch [X.] förderungsfähige Ausbildung vorliegen (§ 116 Abs 2 [X.]B III iVm § 57 Abs 1 [X.]B III; vgl die am 30.9.2011 beschlossene Empfehlung für eine Ausbildungsregelung zum Fachpraktiker Küche /zur Fachpraktikerin Küche <[X.]> gemäß § 66 BBiG bzw § 42m HwO <[X.]nZ [X.] 165a - Beilage vom 3.11.2011>). Die Beigeladene konnte ihren zu berücksichtigenden Gesamtbedarf im Rahmen der [X.] jedoch anderweitig iS des § 56 Abs 1 [X.] 3 [X.]B III decken.

Die Subsidiaritätsklausel des § 56 Abs 1 [X.] 3 [X.]B III wird in § 67 [X.]B III näher konkretisiert. Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens richtet sich über § 67 Abs 2 Satz 1 [X.]B III im Wesentlichen nach § 21 [X.]föG und knüpft an den Einkommensbegriff iS des § 2 EStG an. § 2 Abs 1 EStG bestimmt, welche Arten des zu berücksichtigenden Einkommens existieren. Vom Einkommensbegriff des § 21 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]föG iVm § 2 EStG umfasst sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, nicht jedoch solche aus staatlichen Transferleistungen (Buser in Eicher/[X.], [X.]B III, § 56 Rd[X.]7, Stand Dezember 2015). Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von dem Jugendhilfezentrum erbrachte Lehrlingsvergütung als Einkommen aus unselbständiger Arbeit iS des § 67 [X.]B III iVm den Vorschriften des [X.]föG und des EStG anzurechnen ist.

Insofern ist nicht entscheidend, dass der Kläger die gesamten Ausbildungskosten der [X.] zur [X.] - einschließlich der damit verbundenen Lehrlingsvergütung - gegenüber der [X.] als Jugendhilfeleistung bewilligt und tatsächlich wirtschaftlich getragen hat. Zwar könnten die Leistungen des [X.] an das Jugendhilfezentrum als ausbildenden Betrieb als Sozialleistungen für den Arbeitgeber zu qualifizieren sein (vgl nur B[X.] vom 22.9.2004 - [X.] [X.] 33/03 R - [X.] 4-1500 § 183 [X.] 2 zu [X.] an Arbeitgeber; B[X.] vom 6.8.2014 - [X.] [X.] 7/13 R - [X.] 4-1200 § 45 [X.] 8 Rd[X.] 15 ff zu Erstattungszahlungen für Arbeitgeberbeiträge an den eine [X.] betreibenden Verein). Hiervon getrennt zu betrachten ist jedoch die Frage, ob die zwischen der [X.] und dem Jugendhilfezentrum auf der Grundlage eines [X.] (§ 10 BBiG) mit Vereinbarung einer Vergütung (§ 17 BBiG) an die Beigeladene erbrachte Ausbildungsvergütung als Einkommen im Sinne der Vorschriften zur [X.] zu berücksichtigen ist (vgl zu den unterschiedlichen Rechtsverhältnissen im Rahmen einer dreiseitigen Rechtsbeziehung bei Förderung einer überbetrieblichen Ausbildung der beruflichen Rehabilitation durch die Arbeitsverwaltung: [X.]G vom 15.11.2000 - 5 [X.] - [X.]GE 96, 237, 244).

Die Vorschriften zur Einkommensanrechnung bei der [X.] unterscheiden zwischen anrechenbaren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und staatlichen Transferleistungen. Nur für staatliche Transferleistungen regelt § 21 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]föG, dass sonstige Einnahmen, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, als Einkommen in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge gelten, soweit sie das [X.] in der diese Leistungen der [X.] Sicherung abschließend aufzählenden [X.]föG-Einkommensverordnung erfasst bzw gerade nicht erfasst hat. Bezogen auf privatrechtlich vereinbarte Ausbildungsvergütungen enthalten die bei der [X.] heranzuziehenden Einkommensanrechnungsvorschriften jedoch keine Einschränkungen (etwa im Sinne einer Nichtanrechenbarkeit von aus [X.] in wirtschaftlicher Hinsicht getragenen Ausbildungsvergütungen). Dass bei [X.] nach § 66 BBiG häufig eine Förderung durch staatliche Transferzahlungen notwendig sein wird und zugleich aus jugendhilferechtlicher Sicht eine Angleichung an "normale Ausbildungsverhältnisse" angestrebt wird, ermöglicht keine andere rechtliche Wertung. Da die gesetzlichen Regelungen eine Anrechenbarkeit der tatsächlichen Einnahmen aus einer Ausbildungsvergütung - in hier bedarfsdeckender Höhe von 793,26 Euro (Zeitraum: [X.] bis 31.8.2015) bzw 843,20 Euro (Zeitraum: 1.9.2015 bis 29.2.2016) zzgl der einmaligen Zahlungen - zwingend vorsehen, sieht der Senat keinen rechtlichen Ansatz für eine Nichtberücksichtigung der an die Beigeladene nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] gezahlten Vergütung in bedarfsdeckender Höhe.

Ohne ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers ist es mit der privatautonomen Gestaltung der Ausbildungsvergütungen und deren Funktionen nicht vereinbar, diese gegenüber der [X.] als subsidiäre Sozialleistung iS des § 11 Satz 1 [X.]B I zu werten. Zu berücksichtigen ist, dass die Angemessenheit der Höhe der Ausbildungsvergütung nach der Rechtsprechung des [X.]G ausgehend von den drei Funktionen einer finanziellen Unterstützung, der Heranbildung ausreichenden Nachwuchses und der Entlohnung der Leistungen des Auszubildenden bestimmt wird ([X.]G vom [X.] - 9 AZR 999/06 - [X.]GE 125, 285, 292; [X.]G vom [X.] - 9 [X.] - [X.], 1384; [X.] in [X.]/[X.], BBiG, 5. Aufl 2016, § 17 Rd[X.] 6). Es greift regelmäßig die Vermutung, dass die Höhe der Ausbildungsvergütung diesen Gesichtspunkten Rechnung trägt. Dies wird auch darin deutlich, dass das [X.]G in Fallgestaltungen einer vollständigen Förderung durch die öffentliche Hand eine deutliche Unterschreitung der tariflichen Vergütung bis hin zu einem völligen Verzicht auf eine Ausbildungsvergütung jedenfalls in Einzelfällen für möglich gehalten hat ([X.]G vom 6.9.1989 - 5 [X.] - [X.] 1990, 105 zur Vereinbarung einer Zahlung des von der [X.] erbrachten Ausbildungsgeldes als Vergütung iS des § 10 Abs 1 Satz 1 BBiG; [X.]G vom 11.10.1995 - 5 [X.] - [X.]GE 81, 139 ff bei 100%iger Förderung durch die öffentliche Hand und fehlendem Vorteil des ausbildenden Vereins an der Durchführung der Ausbildung; [X.]G vom [X.] - 9 AZR 999/06 - [X.]GE 125, 285 ff, zur Zulässigkeit einer deutlich unter dem [X.] liegenden Ausbildungsvergütung bei einem durch Zuschüsse der [X.] finanziertem Ausbildungsverhältnis).

4. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 20/16 R

12.10.2017

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Trier, 30. Juni 2015, Az: S 6 AL 25/15, Urteil

§ 22 Abs 1 SGB 3, § 56 Abs 1 Nr 3 SGB 3, § 67 Abs 1 SGB 3, § 67 Abs 2 S 1 SGB 3, § 10 Abs 1 S 1 SGB 8, § 10 Abs 1 S 2 SGB 8, § 13 Abs 2 SGB 8, § 27 Abs 3 S 2 SGB 8, § 41 Abs 1 SGB 8, § 97 S 1 SGB 8, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.2017, Az. B 11 AL 20/16 R (REWIS RS 2017, 4019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4019

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