Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.06.2018, Az. 4 StR 63/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8107

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Gegenstand

Einziehung von Taterträgen bei Mittäterschaft: Erfordernis einer Mitverfügungsmacht bei der Zurechnung von Beuteanteilen


Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 29. August 2017 wird mit der Maßgabe verworfen, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des Teilbetrages von 10.000 € als Gesamtschuldner angeordnet wird.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] und Diebstahls in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat in Höhe von 11.800 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie weiterhin die Einziehung einer Reihe im Tenor näher bezeichneter Schmuckstücke angeordnet. Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte und vom [X.] teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Ausspruch über die Einziehung beschränkt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg; es führt lediglich zugunsten des Angeklagten zu einer Ergänzung der Entscheidungsformel.

I.

2

Der Verurteilung des Angeklagten liegen drei Einbruchdiebstähle zu Grunde:

3

1. a) In der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 2015 verschaffte sich der Angeklagte zusammen mit einem unbekannten Mittäter gewaltsam Zutritt zu einem Wohnhaus in [X.]       . Den früheren Mitangeklagten [X.]und [X.]kam dabei die Aufgabe zu, sich außerhalb des Anwesens aufzuhalten, um gegebenenfalls den Angeklagten und seinen Mittäter frühzeitig telefonisch warnen zu können.

4

Der Angeklagte und der unbekannte Mittäter erbeuteten einen Bargeldbetrag von über bzw. mindestens 35.000 Euro sowie Schmuck in einem Gesamtwert von mindestens 5.000 Euro. Der Mittäter „sammelte Wertgegenstände ein“ und übergab die gesamte Beute absprachegemäß vollständig an den Angeklagten; dies geschah ausschließlich zu dem Zweck, dass der Angeklagte die [X.] in seine Unterkunft nach B.       transportierte, „ohne hierüber jedoch die Verfügungsgewalt zu erlangen“. Vor der Tat hatten sie vereinbart, dass nur der Mittäter berechtigt sein sollte, die Beute aufzuteilen. „[X.] nach der Tat“ teilte der Mittäter diese absprachegemäß im Verhältnis 75 % zu 25 % auf. Er wies dem Angeklagten das diesem danach zustehende Viertel - 10.000 Euro Bargeld und bestimmte Schmuckstücke - zu. Der Beuteanteil konnte bei einer Durchsuchung im Januar 2016 vollständig aufgefunden werden. Insgesamt wurde beim Angeklagten Bargeld in Höhe von 20.000 Euro sichergestellt. Den weiteren Betrag von 10.000 Euro konnte die [X.] dem Wohnungseinbruch in [X.]       nicht zuordnen.

5

Die beiden rechtskräftig wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchdiebstahl verurteilten Mitangeklagten [X.]und [X.]erhielten keinen Anteil an der [X.].

6

Der Angeklagte erklärte in der Hauptverhandlung gegenüber dem [X.] „den Verzicht auf die Rückgabe des sichergestellten Geldes und Schmuckes“.

7

b) Am 27. November 2014 drang der Angeklagte zusammen mit einem weiteren, namentlich noch nicht ermittelten Täter gewaltsam in eine Gaststätte in [X.]      ein. Dort erbeuteten sie Bargeld in Höhe von insgesamt mindestens 1.550 Euro sowie Zigaretten. Die Beute teilten sie vor Ort in der Weise, dass der Angeklagte das Bargeld und sein Mittäter die Zigaretten erhielt.

8

c) Anschließend verschaffte sich der Angeklagte mit einem anderen Täter gewaltsam Zutritt zu einem Vereinsheim. Dort stahlen die beiden mindestens 500 Euro. Der Angeklagte teilte die Beute mit seinem Mittäter vor Ort hälftig auf.

9

2. Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie wegen (gemeinschaftlichen) Diebstahls (im besonders schweren Fall) in zwei Fällen nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB verurteilt. Da die [X.] hinsichtlich des [X.] nicht aufklären konnte, welche der beim Angeklagten sichergestellten Geldscheine konkret aus dieser Tat stammten, hat es gemäß § 73c StGB insgesamt die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 11.800 Euro angeordnet. Einen darüber hinausgehenden Beuteanteil hat es dem Angeklagten mangels einer [X.] nicht zugerechnet.

II.

Die gegen die Einziehungsentscheidung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.

Das [X.] hat mit Recht § 73c Satz 1 StGB in der Fassung des [X.] vom 13. April 2017 ([X.]) angewendet (Art. 316h Satz 1 EGStGB) und dem Angeklagten die Beuteanteile, die in den drei Fällen an seine jeweiligen Mittäter gelangten, nicht zugerechnet.

1. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Hierzu ist in Fällen der Beteiligung mehrerer an einer Tat nach der bereits zu § 73a StGB aF ergangenen und unverändert fortgeltenden Rechtsprechung des [X.] von folgenden Grundsätzen auszugehen: Erforderlich ist, dass die mehreren Tatbeteiligten faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über die Diebesbeute erlangt haben ([X.], Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, [X.], 92 f.). Dabei kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest [X.] über die Beute zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte ([X.], Beschlüsse vom 10. September 2002 - 1 [X.], [X.], 198, 199, vom 1. März 2007 - 4 [X.], vom 12. Mai 2009 - 4 [X.], [X.], 320, vom 27. April 2010 - 3 [X.], [X.], 568, vom 22. Juli 2014 - 1 StR 53/14 und vom 17. März 2016 - 1 [X.], [X.]R StGB § 73 [X.]s 19). Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlende Darlegung des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen ([X.], Urteil vom 26. März 2009 - 3 [X.], [X.], 86, 87; vgl. auch [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39, 44 f.). Eine gemeinsame Mitverfügungsmacht über die gesamte Beute ist daher in der Rechtsprechung des [X.] verneint worden, wenn der Angeklagte den Gesamtbetrag nur kurzfristig und transitorisch erhalten und sodann an seine Mittäter deren Beuteanteile weitergeleitet hatte (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Mai 2009, aaO; Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, [X.], 92).

2. In den drei abgeurteilten Fällen hat das [X.] danach eine Zurechnung der den jeweiligen Mittätern zugeflossenen Beuteanteile an den Angeklagten zu Recht verneint:

a) Im Fall des [X.] in [X.]       (oben Ziff. [X.])) liegt eine solche Einigung über die [X.] nicht vor. Im Gegenteil hat die [X.] auf Grund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung festgestellt, dass der Angeklagte über die Beute keine auch nur faktische bzw. wirtschaftliche [X.] erlangen sollte. Allein aus der Überlassung der Beute zum Transport und einer zeitlich nicht näher eingegrenzten Aufbewahrung folgt eine solche faktische [X.] des Angeklagten nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Mai 2009 - 4 [X.], aaO). Dieser kurzfristige und vorübergehende Zustand begründete keinen rechtserheblichen Vermögenszufluss beim Angeklagten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. April 2010 - 3 [X.], [X.], 568, und vom 8. August 2013 - 3 [X.], [X.], 44). Der Angeklagte war sich vielmehr mit seinem unbekannt gebliebenen Mittäter einig, dass er nur als Bote und Verwahrer fungierte; er verhielt sich weisungsgemäß und leitete die gesamte Beute an seinen Mittäter weiter. Da somit von einer Einigung über die Einräumung oder Ausübung von [X.] des Angeklagten keine Rede sein kann, kommt der von der [X.] nicht näher geklärten Zeitspanne bis zur Beuteteilung keine Bedeutung zu. Insoweit liegt der Fall hier anders als derjenige, über den der 5. Strafsenat des [X.] mit Urteil vom 24. Mai 2018 (5 StR 623 und 624/17) entschieden hat.

b) Nach den vorgenannten Grundsätzen kommt dem Angeklagten erst recht keine [X.] an der jeweiligen Beute aus den beiden Einbrüchen in [X.]      (oben Ziff. [X.]) und c)) zu. Hier ist schon nicht festgestellt, dass der Angeklagte und sein jeweiliger Mittäter vor der Beuteteilung [X.] am jeweils anderen Beuteanteil erlangten. Eine Verfahrensrüge ist nicht erhoben.

3. Gemäß § 301 StPO war der Tenor des landgerichtlichen Urteils dahin zu ergänzen, dass der Angeklagte hinsichtlich seines [X.] von 10.000 Euro aus dem Wohnungseinbruchdiebstahl in [X.]       nur als Gesamtschuldner mit seinem unbekannten Mittäter haftet; diesem vermittelte er die faktische Verfügungsgewalt an der gesamten Beute und damit auch an dem ihm schließlich zugewiesenen Beuteanteil von 10.000 Euro (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, insofern nicht abgedruckt in [X.], 162). Der Kennzeichnung der Haftung als gesamtschuldnerisch im [X.] bedarf es auch nach neuem Recht (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. März 2018 - 4 StR 57/18 und vom 20. Februar 2018 - 2 StR 12/18; zu § 73a StGB aF; [X.], Beschluss vom 23. November 2011 - 4 StR 516/11, [X.], 147 mwN; einschränkend [X.]/[X.], NStZ 2017, 665, 668 mN in [X.]. 34). Damit wird ermöglicht, dass den Beteiligten das aus der Tat [X.] entzogen wird, aber zugleich verhindert, dass dies mehrfach erfolgt ([X.], Urteil vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623 und 624/17 mwN). Die anteilige gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten hat der Senat im Tenor klargestellt; hierfür ist die Angabe eines Namens des jeweiligen Gesamtschuldners nicht erforderlich (vgl. [X.], Beschluss vom 27. August 2013 - 4 StR 280/13).

4. Zur Frage, ob es angesichts des wirksamen Verzichts des Angeklagten auf die Rückgabe des bei ihm sichergestellten Schmucks einer förmlichen Einziehung gemäß § 73 StGB nF bedurft hätte, verweist der Senat auf das bereits zur Rechtslage nach dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ergangene Urteil des 5. Strafsenats vom 10. April 2018 (5 [X.], [X.], 333). Zu einer Abänderung der Einziehungsentscheidung, soweit sie Gegenstände erfasst, auf deren Herausgabe der Angeklagte verzichtet hat, sieht sich der Senat indes nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 7. März 2018 - 2 [X.]).

Sost-Scheible     

        

Cierniak     

        

Bender

        

Feilcke     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 63/18

07.06.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 29. August 2017, Az: 5171 Js 2182/16 - 3 KLs

§ 73 Abs 1 StGB, §§ 73ff StGB, § 73c S 1 StGB, § 25 Abs 2 StGB, § 244 Abs 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.06.2018, Az. 4 StR 63/18 (REWIS RS 2018, 8107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8107

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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