Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.08.2018, Az. 4 StR 255/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 4730

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Gegenstand

Beweiswürdigung bei gemeinschaftlichem Raub mit gefährlicher Körperverletzung und Einziehung des Wertes von Taterträgen


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten S.    gegen das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2018 wird mit der Maßgabe verworfen, dass gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung von [X.] in Höhe von 126.500 Euro angeordnet wird.

Der Angeklagte S.    hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2018 wird

a) die Strafverfolgung im Fall II. 2 der Urteilsgründe nach § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des schweren Raubes beschränkt;

b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte [X.] und im [X.] aufgehoben;

im Ausspruch über die Einziehung von [X.] dahin geändert, dass gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung von [X.] in Höhe von 126.500 Euro angeordnet wird;

im Ausspruch über die Einziehung von [X.] mit den Feststellungen aufgehoben, soweit außerdem die Einziehung von [X.] in Höhe von 1.500 Euro angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten [X.], an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten [X.]wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Raubes unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 25. Oktober 2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt und gegen ihn als Gesamtschuldner die Einziehung von [X.] in Höhe 130.000 Euro angeordnet. Den Angeklagten [X.]hat es wegen Raubes und schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn als Gesamtschuldner die Einziehung von [X.] in Höhe von 130.000 Euro sowie außerdem weiterer 1.500 Euro angeordnet. Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg.

2

1. Die Revision des Angeklagten [X.]führt lediglich zu einer geringfügigen Herabsetzung des Betrages im Ausspruch über die Einziehung von [X.]; im Übrigen ist sie unbegründet.

3

a) [X.] gemäß den §§ 73c, 73 Abs. 1 StGB in der hier nach Art. 316h Satz 1 [X.] anzuwendenden Fassung des [X.] vom 13. April 2017 ([X.] I S. 872) kann hinsichtlich eines Teilbetrages von 3.500 Euro nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen nicht ergeben, dass der Angeklagte [X.]insoweit den erforderlichen Mitgewahrsam hatte.

4

aa) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt daher voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. [X.]erzu ist in Fällen der Beteiligung mehrerer an einer Tat erforderlich, dass die mehreren Tatbeteiligten faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über die Beute erlangt haben. Dabei kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest [X.] über die Beute zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juni 2018 – 4 [X.], Rn. 12; Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 [X.], NStZ-RR 2018, 240, 241; jeweils mwN).

5

bb) Eine [X.] des Angeklagten [X.]an der [X.] aus dem von ihm als Mittäter begangenen Raubüberfall vom 26. April 2017 ist hier aber nur in Höhe von 126.500 Euro belegt. Denn nach den Feststellungen war der umfangreich in die Tatvorbereitung eingebundene Angeklagte an der Ausführung des Überfalls auf das Juweliergeschäft lediglich in der Weise beteiligt, dass er den [X.] absicherte. Die von den im Juweliergeschäft handelnden Mittätern [X.], [X.], [X.]und [X.]     mit Gewalt entwendete [X.] (Schmuck, Münzen und Altgold im Wert von 100.000 Euro sowie Bargeld in Höhe von 30.000 Euro) wurde in dem Pkw des Angeklagten [X.]abgelegt und gelangte erst nach der Entnahme von 3.500 Euro durch den Mittäter [X.]in den Besitz des Angeklagten [X.]und seiner weiteren Mittäter [X.], [X.].  , [X.].    und G.  .

6

cc) Da weitere Feststellungen nicht mehr zu erwarten sind, setzt der [X.]nat den einzuziehenden Betrag analog § 354 Abs. 1 StPO auf 126.500 Euro fest.

7

b) Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten [X.]ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

8

2. Die Revision des Angeklagten [X.]hat eine Beschränkung der Strafverfolgung im [X.] 2 der Urteilsgründe zur Folge. Die für diese Tat verhängte [X.] und der [X.] halten rechtlicher Überprüfung nicht stand und waren deshalb aufzuheben. Der Ausspruch über die Einziehung von [X.] war abzuändern, soweit gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung von 130.000 Euro angeordnet worden ist. Soweit die [X.] außerdem auf die Einziehung weiterer 1.500 Euro erkannt hat, war das Urteil aufzuheben. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

9

a) Der [X.]nat hat mit Zustimmung des [X.] die Strafverfolgung im [X.] 2 der Urteilsgründe nach § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des schweren Raubes beschränkt. Einer Schuldspruchberichtigung bedurfte es nicht, weil die [X.] zwar eine in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zu der Verurteilung wegen schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB stehende Strafbarkeit des Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in den Urteilsgründen bejaht, diese aber nicht in den Tenor aufgenommen hat.

b) Die im [X.] 2 der Urteilsgründe gegen den Angeklagten [X.]verhängte [X.] kann nicht bestehen bleiben, weil ihm die [X.] die tateinheitliche Verwirklichung eines weiteren Delikts angelastet hat, obgleich die Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen einer gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB nicht belegen.

aa) Nach den Feststellungen überfielen die anderweitig Verfolgten [X.]      und [X.]am 11. Mai 2017 auf Drängen und in Absprache mit dem Angeklagten [X.]ein Juweliergeschäft in [X.]. Dabei führte der anderweitig Verfolgte [X.]eine [X.] mit, die der Angeklagte [X.]zuvor zu diesem Zweck angekauft hatte. Als der anderweitig Verfolgte [X.]die [X.] auf die an einer Parkinsonerkrankung leidende Zeugin [X.].    , die Geschäftsinhaberin und einen hinzukommenden weiteren Angestellten richtete, geriet die Zeugin [X.].    in Todesangst und schnappte nach Luft. Im weiteren Verlauf wurde ihr übel und schwindelig.

Die [X.] geht davon aus, dass der Angeklagte „diese mögliche Wirkung der Bedrohung der anwesenden Personen“ jedenfalls billigend in Kauf genommen habe, als er mit den anderweitig Verfolgten [X.]und [X.]      die Bedrohung der im Geschäft anwesenden Personen mit einer echt aussehenden [X.] plante ([X.]). Da [X.]und [X.]      gemeinschaftlich handelten und sich die Folgen nicht außerhalb der Lebenserfahrung liegend darstellten, hätten sie diese auch in ihren gemeinsamen [X.] aufgenommen und gebilligt. Damit sei auch die Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllt. Der Angeklagte [X.], der die einzelnen Tatumstände gekannt und gebilligt habe, müsse sich den [X.] gemäß § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen (UA 32).

bb) Die Annahme der [X.], der Angeklagte [X.]habe die Auswirkung der Bedrohungen auf die körperliche Integrität der Zeugin [X.].    (zum objektiven Tatbestand vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2015 – 4 StR 548/14, [X.], 269; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, [X.]R StGB § 223 Abs. 1 [X.] 2; Urteil vom 15. Oktober 1974 – 1 StR 303/74, [X.] 1975, 22) billigend in Kauf genommen und deshalb mit einem bedingten Körperverletzungsvorsatz gehandelt, ist nicht belegt und hält deshalb revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand (zum Prüfungsmaßstab vgl. [X.], Urteil vom 6. [X.]ptember 2018 – 4 [X.], Rn. 18; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, [X.]St 3, 213, 215; st. Rspr.). Zwar kann sich – letztlich nicht anders als im Fall des bedingten Tötungsvorsatzes – die Annahme eines bedingten Körperverletzungsvorsatzes auch daraus ergeben, dass der Täter (oder ein Mittäter) eine Handlung vornimmt, die eine so hohe Gefahr für die körperliche Integrität des Opfers beinhaltet, dass im Einzelfall ohne weiter gehende Begründung aus der Kenntnis der Tatumstände auf das Wissens- und der gleichwohl erfolgten Tatausführung auf das Wollenselement des bedingten Vorsatzes geschlossen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2012 – 4 [X.], [X.]St 57, 183, Rn. 26 mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die geplante Bedrohung mit einer [X.] stellt für sich genommen noch keine so große Gefahr für die körperliche Integrität der betroffenen Personen dar, dass daraus ohne weitere Begründung der Schluss gezogen werden könnte, der Angeklagte habe mit dem Eintritt von körperlichen Folgen gerechnet, wie sie dann tatsächlich bei der Zeugin [X.].    eingetreten sind. Die allein auf die Mittäter [X.]und [X.]      bezogene Erwägung, dass die eingetretenen Folgen nicht außerhalb der Lebenserfahrung gelegen hätten, vermag einen solchen Schluss ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

c) Die Aufhebung der [X.] im [X.] 2 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

d) Soweit auch gegen den Angeklagten [X.]als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß den §§ 73c, 73 Abs. 1 StGB in Höhe von 130.000 Euro angeordnet worden ist, war – wie bei dem Angeklagten [X.]– analog § 354 Abs. 1 StPO eine Änderung auf einen Betrag von 126.500 Euro vorzunehmen, weil die Feststellungen auch hier eine [X.] des Angeklagten an der [X.] nur in dieser Höhe belegen. Zwar wurde das gesamte Raubgut nach dem Überfall vom 26. April 2017 ([X.] 1 der Urteilsgründe) von den Mittätern [X.], [X.], [X.]und [X.]     zunächst in dem Pkw des Angeklagten [X.]abgelegt. Der Angeklagte [X.]war zu diesem Zeitpunkt aber nicht vor Ort. Tatsächlich erlangte er erst nach der Entnahme von 3.500 Euro durch den Mittäter [X.]Mitgewahrsam an der (verbliebenen) Beute.

e) Die ohne nähere Begründung auf die § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 und § 73d Abs. 2 StGB gestützte weitere „Einziehung von [X.]“ in Höhe von 1.500 Euro hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die [X.] von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt ausgegangen ist und deshalb das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat.

Wie die Vertreterin des [X.] zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich die gesonderte Einziehung eines Betrages von 1.500 Euro offensichtlich auf den Erlös, den der Angeklagte [X.]aus dem Verkauf seines am 26. April 2017 als Tatfahrzeug verwendeten Pkw [X.] erzielt hat. Entgegen der Auffassung des [X.]s handelt es sich hierbei aber nicht um eine Einziehung von [X.] im Sinne der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB in der Fassung des [X.] vom 13. April 2017 ([X.] I S. 872), sondern um eine Einziehung des Wertes von [X.] auf die die Vorschriften der § 74 Abs. 1, § 74c Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 13. November 1998 anzuwenden sind (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Mai 2018 – 3 [X.], Rn. 6).

Die Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.] nach § 74 Abs. 1, § 74c Abs. 1 StGB steht aber sowohl hinsichtlich des Ob als auch hinsichtlich des Umfangs im Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen hat die [X.] aufgrund ihres unrichtigen rechtlichen Ansatzpunktes nicht ausgeübt, sodass seine Einziehungsanordnung schon aus diesem Grund nicht bestehen bleiben kann. Dem [X.]nat ist es verwehrt, die Entscheidung selbst zu treffen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Mai 2016 – 1 [X.], [X.], 731, 732).

f) Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten [X.]ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Cierniak

      

[X.]     

      

Quentin     

      

Meta

4 StR 255/18

16.08.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 30. Januar 2018, Az: 2 KLs 31/17

§ 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 Nr 4 StGB, § 73c S 1 StGB, § 74c Abs 1 StGB vom 13.11.1998

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.08.2018, Az. 4 StR 255/18 (REWIS RS 2018, 4730)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4730

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