Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2019, Az. 2 StR 54/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 1359

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Gegenstand

Faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bei Mittäterschaft


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 26. September 2018, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; die Einziehung entfällt.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten und die Revision der Angeklagten [X.]    gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen.

2. Die Angeklagte [X.]hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Bei dem Angeklagten [X.]wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls schuldig gesprochen. Die Angeklagte [X.]hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren - unter Aussetzung der Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung - und den Angeklagten [X.]zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Mitangeklagten [X.]  , dessen Revision der [X.] mit Beschluss vom 21. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, hat es wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das [X.] hat weiterhin festgestellt, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert wurde und hinsichtlich des Mitangeklagten [X.]   eine weiter gehende Kompensationsentscheidung getroffen. Ferner hat es die Einziehung eines Geldbetrages von 508 Euro angeordnet, „für den die Angeklagten als Gesamtschuldner haften“.

2

Soweit es den Angeklagten [X.]betrifft, hat der [X.] aus prozessökonomischen Gründen entsprechend dem Antrag des [X.] in der Hauptverhandlung von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Im Übrigen haben die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten keinen Erfolg.

3

1. Nach den Feststellungen der [X.] kamen die Angeklagten dahin überein, alleinstehende betagte Senioren, die altersbedingt in ihrer Auffassungsgabe eingeschränkt waren, in ihren Wohnungen zu bestehlen. Die Senioren wurden zuvor von allen drei Angeklagten ausgespäht, wobei sich deren potentielle [X.] beispielsweise daraus erschloss, dass sie auf einen Rollator angewiesen waren.

4

Der in anderer Sache inhaftierte Mitangeklagte [X.]  , der zu den jeweiligen [X.] von der [X.]        genehmigte [X.] wahrnahm, wirkte dabei mit den beiden anderen Angeklagten, die ebenfalls keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgingen, arbeitsteilig zusammen. Der Angeklagte [X.]  , der Stiefsohn des Mitangeklagten [X.]  , übernahm die Rolle des "[X.]", indem er an der Wohnungstür klingelte und vorgab, dass sein Ball beim Spielen in den Garten gefallen sei. Das in Aussicht genommene Opfer begleitete ihn sodann in den Garten, während sich der Mitangeklagte [X.]unbemerkt Zutritt zu den Wohnungen verschaffen konnte und diese nach Wertgegenständen, insbesondere Bargeld und Schmuck durchsuchte. Die Angeklagte [X.]  , die Ehefrau des Mitangeklagten [X.]   und Mutter des Angeklagten [X.]  , die als einzige der drei im Besitz einer Fahrerlaubnis war, wartete mit ihrem Pkw auf der Straße und beobachtete das Umfeld.

5

In vier Fällen gelang es dem Mitangeklagten [X.]  , Schmuck und Bargeld in Höhe von insgesamt 508 Euro an sich zu bringen und sodann mit den beiden anderen Angeklagten gemeinsam vom Tatort [X.]. In einem Fall blieb es beim Versuch.

6

2. Die auf die Sachrügen hin gebotene Überprüfung deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

7

a) Die Feststellungen tragen die Annahme, dass die Angeklagten mit dem Mitangeklagten [X.]eine Bande bildeten und mittäterschaftlich handelten.

8

b) Soweit es die Angeklagte [X.]betrifft, ist das [X.] zwar bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe von einem unrichtigen Strafrahmen ausgegangen, denn es hat angenommen, dass die Mindeststrafe des nach §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten § 244a Abs. 2 StGB drei Monate beträgt und sich nicht - was zutreffend wäre - auf das gesetzliche Mindestmaß ermäßigt. Der [X.] kann aber ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO). Das [X.] hat für diese Tat die gegenüber den anderen vier Taten mit Abstand geringste Einzelstrafe von sechs Monaten verhängt, sich dabei aber angesichts des in allen Fällen jeweils gleichartigen Tatbeitrags der Angeklagten ersichtlich nicht an der Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe orientiert.

9

c) Die Einziehungsentscheidung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

aa) Das [X.] hat die auf § 73 Abs. 1, § 73c StGB gestützte Einziehungsentscheidung damit begründet, dass die Angeklagten „jeweils sämtlich Gewahrsam an der jeweils gesamten erlangten Beute gehabt (haben), dies spätestens bei deren Aufteilung“, weswegen „sie auch jeweils gemeinschaftlich für die vollen Beträge (haften)“.

bb) Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar ist den Urteilsgründen nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, ob auch die Angeklagten [X.]und [X.]schon deswegen gemeinschaftlich die tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt an der jeweils gesamten [X.] hatten, weil sie sich gemeinsam mit dem Mitangeklagten [X.]   im Pkw von den [X.] entfernten (vgl. auch [X.], Beschluss vom 24. Januar 2019 - 1 StR 591/18, insoweit in NStZ-RR 2019, 206 f. nicht abgedruckt). Denn die unmittelbare Tatausführung oblag dem Mitangeklagten [X.], der jeweils die Beute in Besitz genommen hatte. Die Beteiligten waren sich jedoch schon zu Beginn der Taten darüber einig, dass jedem der Mittäter die Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen sollte. Eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bei mehreren Beteiligten kann aber - jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter - auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam [X.] sich selbst oder den anderen zuordnet (vgl. [X.], Urteile vom 5. Juni 2019 - 5 [X.], juris Rn. 7; vom 18. Juli 2018 - 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279; vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, [X.]R StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1; Beschluss vom 27. April 2010 - 3 [X.], [X.], 568).

Nach den Feststellungen beabsichtigten alle drei Angeklagte, die keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgingen, sich durch die wiederholte Tatbegehung der Trickdiebstähle „eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen und somit auch den familiären Lebensunterhalt mit zu finanzieren“. Der von der [X.] gezogene Schluss, dass die Beute „dem Lebensunterhalt der Familie dienen sollte“, ist auch angesichts der familiären Beziehungen zwischen den Angeklagten, die - jedenfalls soweit es [X.]        und [X.]betraf - zum Zeitpunkt der Taten zusammenwohnten, möglich; zwingend braucht er nicht zu sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 11. Februar 2016 - 3 [X.], juris Rn. 20).

cc) Das [X.] hat demnach zu Recht die Einziehung des Wertes des gesamten Tatertrages gegen die Angeklagte [X.]als Gesamtschuldnerin angeordnet. Soweit es den Angeklagten [X.]betrifft, hat der [X.] entsprechend dem Antrag des [X.] in der Hauptverhandlung im Hinblick auf das Anfrageverfahren zu § 8 Abs. 3 JGG vom 11. Juli 2019 (1 [X.], [X.], 682 ff.) von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO), um weitere Verzögerungen zu vermeiden.

Franke     

        

Appl     

        

Krehl 

        

Zeng     

        

Grube     

        

Meta

2 StR 54/19

20.11.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 26. September 2018, Az: 117 KLs 1/16

§ 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2019, Az. 2 StR 54/19 (REWIS RS 2019, 1359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1359

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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