Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.07.2016, Az. 1 B 78/16

1. Senat | REWIS RS 2016, 8852

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Gegenstand

Rücknahme einer Einbürgerung


Leitsatz

Die Loyalitätserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG (juris: RuStAG) muss unabhängig von ihrer Einordnung als lediglich formelle oder als materielle Einbürgerungsvoraussetzung hinsichtlich der in ihr enthaltenen Tatsachenerklärungen der Sache nach vollständig und wahrheitsgemäß abgegeben werden.

Gründe

1

Die auf eine Grundsatz- und eine [X.] gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.], [X.]eschluss vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110).

4

Die [X.]eschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, ob die für die Einbürgerung erforderliche Loyalitätserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] formellen oder materiellen Charakter hat. Denn eine lediglich formell verstandene Loyalitätserklärung könne nicht [X.]ezugspunkt einer arglistigen Täuschung sein, wie sie dem Kläger hier vorgeworfen werde.

5

Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision, da sie sich im vorliegenden Verfahren nicht stellt. Zwar trifft es zu, dass unterschiedliche Auffassungen zur inhaltlichen Reichweite einer Loyalitätserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vertreten werden, wie sie das [X.]erufungsgericht zutreffend wiedergibt ([X.]). Jedoch muss die Loyalitätserklärung unabhängig von ihrer Einordnung als lediglich formelle oder als materielle Einbürgerungsvoraussetzung jedenfalls hinsichtlich der in ihr enthaltenen Tatsachenerklärungen der Sache nach vollständig und wahrheitsgemäß abgegeben werden (vgl. [X.], in: [X.], § 10 [X.], Stand Oktober 2014, Rn. 135, 149). Wahrheitswidrige Erklärungen eines Einbürgerungsbewerbers zu den [X.] des § 11 [X.] können die Rücknahme der Einbürgerung rechtfertigen (vgl. [X.], ebd. Rn. 154). Dies folgt unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Klärung. Hierauf hat das [X.]erufungsgericht seine Entscheidung gestützt. Es hat die festgestellten Tatsachen dahin gewürdigt, dass der Kläger eine wahrheitswidrige Erklärung zur Unterstützung von [X.]estrebungen abgegeben hat, die seiner Einbürgerung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 [X.] entgegenstehen.

6

2. Eine zur Revisionszulassung führende Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat die [X.]eschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

7

Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7 m.w.N.). Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtsätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.]undesverwaltungsgericht oder unter anderem das [X.]undesverfassungsgericht in der Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] nicht.

8

So liegt der Fall hier. Die [X.]eschwerde bezieht sich zunächst auf das Urteil des [X.]undesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 (2 [X.]vR 669/04 - [X.]VerfGE 116, 24 <45>), das die Rücknahme einer Einbürgerung für vereinbar mit Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG erklärt, wenn sie rechtswidrig ist und durch Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten erwirkt wurde. Sie benennt aber keinen hierzu im Widerspruch stehenden vom [X.]erufungsgericht aufgestellten Rechtssatz. Das gleiche gilt für die beiden in der [X.]eschwerde zitierten Urteile des [X.]. Die [X.]eschwerde wendet sich vielmehr gegen die Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts im Hinblick auf die [X.]ejahung eines Täuschungsvorsatzes des Klägers. Hiermit kann sie die Zulassung der Revision indes nicht erreichen.

9

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.2 [X.].

Meta

1 B 78/16

04.07.2016

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 17. März 2016, Az: 19 A 2330/11, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 1 RuStAG, § 11 S 1 Nr 1 RuStAG, § 35 RuStAG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.07.2016, Az. 1 B 78/16 (REWIS RS 2016, 8852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8852

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Referenzen
Wird zitiert von

4 L 1411/17.MZ

Zitiert

2 BvR 669/04

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