Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.02.2018, Az. 1 B 3/18

1. Senat | REWIS RS 2018, 13630

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Gegenstand

Ausschluss der Einbürgerung; Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG


Gründe

1

Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Der gerügte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

2

1. Die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist der [X.]eschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

3

Die Darlegung einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache setzt nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 7. Dezember 2017 - 1 [X.] 142.17 - juris und vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen genügt das [X.]eschwerdevorbringen nicht.

4

Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob das Tatbestandsmerkmal des § 11 S. 1, Nr. 1. Var. 2 [X.] in der Person eines Einbürgerungsbewerbers zwangsläufig vorliegen muss, wenn die angeblich unterstützten Organisationen, die in Verfassungsschutzberichten einzelner Länder und des [X.] als 'nach außen hin verfassungskonform agierend und die Verfassungsordnung des [X.] achtend' aufgeführt sind, wenn dieser [X.]ewerber nicht selbst Mitglied in den Organisationen ist, sondern lediglich an deren Veranstaltungen/Seminaren passiv als Zuhörer teilgenommen und sich öffentlich mit Vortragenden und Veranstaltern gezeigt hat".

5

Die aufgeworfene Frage lässt sich nicht verallgemeinerungsfähig beantworten. Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.]verwaltungsgerichts ist die Frage, ob eine tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 [X.] vorliegt, aufgrund einer wertenden [X.]etrachtung der gesamten [X.]egleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen ([X.]VerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 1.11 - [X.]VerwGE 142, 132 Rn. 20; [X.]eschluss vom 13. Mai 2016 - 1 [X.] 55.16 - [X.] 2016, 300 Rn. 5), ohne dass das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung bei Verwirklichung vom Einzelfall abstrahierender Umstände "zwangsläufig vorliegen muss", wie das die [X.]eschwerde als Frage formuliert.

6

2. Soweit in der [X.]eschwerde eine Abweichung der angegriffenen Entscheidung von dem Urteil des [X.]verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2009 - 5 C 24.08 - ([X.]VerwGE 135, 302) gerügt wird, wird ein Zulassungsgrund im Sinne vom § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.

7

Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]verwaltungsgerichts oder eines der anderen in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7 und vom 21. Juni 1995 - 8 [X.] 61.95 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 18). Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.]verwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

8

Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerde nicht. Sie bezeichnet als Rechtssatz, von dem das [X.]erufungsgericht abgewichen sein soll, folgende Aussage im Urteil des [X.]verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2009 - 5 C 24.08 - ([X.]VerwGE 135, 302 Rn. 20):

"Der aus der Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven [X.]etätigung für eine Organisation hergeleitete Verdacht der Unterstützung verfassungsfeindlicher [X.]estrebungen kann im Einzelfall auch davon abhängen, ob die Organisation bei einer Gesamtbetrachtung ihres Wirkens in [X.]ezug auf die Verfolgung oder Unterstützung von gegen die freiheitlich [X.] Grundordnung gerichteter Ziele als homogen einzustufen ist oder verschiedene Strömungen aufweist, die unter dem Aspekt der Verfassungsfeindlichkeit unterschiedlich zu bewerten sind. Denn bei einer sich im Hinblick auf die Verfassungsfeindlichkeit als inhomogen darstellenden Organisation kann der Mitgliedschaft in ihr und/oder die Tätigkeit für sie keine vergleichbare indizielle Aussagekraft wie bei einer in [X.]ezug auf die Verfassungsfeindlichkeit einheitlich zu beurteilenden Organisation beigemessen werden. In diesen Fällen hängt - vorausgesetzt, andere Anknüpfungstatsachen sind nicht gegeben - der begründete Verdacht vielmehr davon ab, welcher Richtung sich der Ausländer zurechnen lassen muss."

9

Hierzu soll folgende Passage aus dem angefochtenen Urteil (S. 15 Abs. 2) einen rechtssatzmäßigen Widerspruch aufweisen:

"Der früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständige zwölfte Senat des [X.] hat in seinem [X.]eschluss vom 6. Januar 2006 (12 UZ 3731/04) ausgeführt, dass es für die Erfüllung des Ausschlusstatbestandes des § 11 S. 1 Nr. 1 [X.] nicht erforderlich ist, dass die unterstützten Organisationen nahezu ausschließlich verfassungsfeindliche [X.]estrebungen verfolgen, vielmehr genüge es, wenn in mehr als nur ganz unwesentlichem Umfang gegen die freiheitlich [X.] Grundordnung gerichtete [X.]estrebungen festzustellen seien, auch wenn ein Teil der Aktivitäten dieser Organisationen auf politisch nicht relevantem, allein kulturellem Gebiet stattfinde."

Einen Widerspruch leitet die [X.]eschwerde daraus ab, dass das [X.]erufungsgericht den Vortrag des [X.], seine als einbürgerungsschädlich gewerteten Aktivitäten im Zusammenhang mit bestimmten Organisationen seien alle auf seine religiöse Weiterbildung gerichtet, er respektiere jedoch die Rechtsordnung des Grundgesetzes, allenfalls als ein unbeachtlicher innerer Vorbehalt hinsichtlich der verfassungsfeindlichen [X.]estrebungen der von ihm unterstützten Organisationen zu qualifizieren seien. Damit zeigt die [X.]eschwerde jedoch keinen Widerspruch im abstrakten Rechtssatz auf, sondern wendet sich gegen die Anwendung der Rechtssätze im konkreten Einzelfall. Aus dem in [X.]ezug genommenen Rechtssatz des [X.]erufungsgerichts ergibt sich hingegen keine Divergenz im Hinblick auf die abstrakte [X.]ewertung von Aktivitäten in einer sich im Hinblick auf die Verfassungsfeindlichkeit als inhomogen darstellenden Organisation.

3. Der geltend gemachte Verfahrensfehler eines Verstoßes gegen die Regeln richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt nicht vor.

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder [X.]eweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und [X.]eweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Die [X.]eweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel deshalb grundsätzlich nicht begründen (vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 7. Februar 2017 - 6 [X.] 30.16 - juris Rn. 10). Nach diesen Maßgaben ergeben sich verfahrensrechtliche Mängel der Überzeugungsbildung aus der [X.]eschwerdebegründung nicht.

Die [X.]eschwerde sieht einen Verstoß gegen die sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Vorgaben darin, dass das [X.]erufungsgericht die Verbreitung einer Einladung zum [X.]esuch eines Vortrages [X.] über das [X.] Netzwerk [X.] vom 1. November 2012 als ein Unterstützen von mit der [X.] verbundenen Organisationen gewertet, dabei aber verkannt habe, dass Herr [X.] zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht Mitglied im Vorstand des [X.] "[X.]" gewesen sei und auch nicht Dozent am [X.]". Herr [X.] sei erst nach dem 1. November 2012 "vorsitzendes Mitglied im Vereinsvorstand des [X.]" geworden. Das [X.] habe erst im [X.] seine Lehrtätigkeit aufgenommen. Der Kläger habe also denknotwendigerweise mit der Verbreitung einer Einladung am 1. November 2012 zu einem Vortrag [X.] nicht eine Unterstützungshandlung zugunsten des [X.] und des [X.] leisten können.

Es kann offenbleiben, ob das [X.]erufungsgericht bei der Würdigung des genannten Handelns des [X.] als Unterstützungshandlung gegen die Denkgesetze verstoßen oder nur Rückschlüsse aus den in der Folgezeit entfalteten Aktivitäten des Herrn [X.] auf die von ihm schon im November 2012 verbreitete Ideologie gezogen hat. Hierauf kommt es für die Frage, ob ein entscheidungserheblicher Mangel der richterlichen Überzeugungsbildung vorliegt, nicht an. Denn das Gericht hat seine Überzeugungsbildung, dass der Kläger Unterstützungshandlungen im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 [X.] geleistet hat, selbstständig tragend auf mehrere [X.] gestützt. Das sind neben der Verbreitung der vorgenannten Einladung (1) die Verbreitung von Stellungnahmen und Verlautbarungen auf dem [X.]-Profil des [X.] mit der Telefonnummer des [X.] im [X.]riefkopf im Mai 2015 (2), die regelmäßige Teilnahme des [X.] an Veranstaltungen und Seminaren des [X.] und seiner Teilnahme an einer Jahreskonferenz der islamischen Gemeinschaft [X.] "[X.]" (3) sowie die regelmäßige langjährige - auch während des Einbürgerungsverfahrens fortdauernde - Teilnahme an den Veranstaltungen des [X.] (4). Im [X.]erufungsurteil werden die [X.] jeweils für sich als "einbürgerungsfeindliche Handlung" gewertet, wie sich aus den Gründen ergibt (S. 15). Stützt das Gericht seine Überzeugungsbildung aber - selbstständig tragend - auf mehrere Einzelakte, läge ein entscheidungserheblicher Mangel der Überzeugungsbildung nur vor, wenn er alle Einzelakte erfasste. Das ist hier nicht der Fall, da ein Mangel nur in [X.]ezug auf einen der vier Einzelakte gerügt wird.

Nicht hinreichend dargelegt ist in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.], weil das Gericht ihn nicht darauf hingewiesen habe, seine Entscheidung auf die Verbreitung der Einladung zum Vortrag [X.] am 1. November 2012 stützen zu wollen. Denn die behauptete Verletzung wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich geworden, weil das Gericht seine Entscheidung selbstständig tragend auf weitere Unterstützungshandlungen gestützt hat.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG; Nr. 42.2 [X.].

Meta

1 B 3/18

20.02.2018

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 21. November 2017, Az: 5 A 2126/16, Urteil

§ 11 S 1 Nr 1 RuStAG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.02.2018, Az. 1 B 3/18 (REWIS RS 2018, 13630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13630

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