Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.05.2019, Az. 1 B 29/19

1. Senat | REWIS RS 2019, 7330

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Gegenstand

Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausnahmen vom Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

I. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

3

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 14. Februar 2018 - 1 [X.] 1.18 - juris Rn. 3).

4

2. Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Zulassung der Revision wegen der mit der [X.]eschwerde geltend gemachten Zweifel an der [X.]mäßigkeit von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, §§ 12, 4 Abs. 3 und § 29 [X.] aus.

5

a) Es fehlt bereits an einer ausdrücklich formulierten klärungsbedürftigen Frage. Die [X.]eschwerdebegründung erschöpft sich unter Wiederholung der bereits im [X.]erufungsverfahren vorgetragenen Argumente darin, ihre Kritik an der [X.]eurteilung der [X.]mäßigkeit des Prinzips der Vermeidung von [X.] durch den Verwaltungsgerichtshof in eine vermeintliche Grundsatzfrage zu kleiden.

6

b) Soweit der Kläger geltend macht, die Aufrechterhaltung des Prinzips der Vermeidung der [X.] durch die Voraussetzung der Aufgabe des Verlusts der bisherigen Staatsangehörigkeit für den [X.] in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] erweise sich wegen der hiervon in § 12 und § 29 i.V.m. § 4 Abs. 3 [X.] vorgesehenen Ausnahmen unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG als gleichheitswidrig, fehlt es jedenfalls an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung (zum Maßstab [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 29. September 1998 - 5 [X.] 82.97 - [X.]uchholz 436.0 § 120 [X.]SHG Nr. 18 und vom 17. Januar 2003 - 5 [X.] 261.02 - [X.]uchholz 436.61 § 62 [X.] Nr. 1; [X.]erlit, in: [X.]/[X.], [X.]eckOK VwGO, Stand Juli 2018, § 132 Rn. 30; [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 132 Rn. 17); denn auf der Grundlage des [X.]eschwerdevorbringens und der tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts bestehen im Hinblick auf die Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts keine ernsthaften Zweifel an der [X.]mäßigkeit der hier entscheidungserheblichen Normen des [X.]undesrechts.

7

aa) Der Grundsatz des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.], nach dem ein Ausländer grundsätzlich nur dann einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung hat, wenn er seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, steht mit nationalem [X.]recht und Völkerrecht im Einklang. Ungeachtet der in § 12 [X.] normierten Ausnahmen und ihrer empirischen Reichweite verfolgt der Gesetzgeber weiterhin das Ziel, [X.] möglichst zu vermeiden ([X.]T-Drs. 11/6321 [X.] und 14/533 S. 11) und jedenfalls nur in dem von ihm selbst eröffneten Umfang zuzulassen. Diese Entscheidung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 21. Mai 1974 - 1 [X.]vL 22/71 und 21/72 - [X.]VerfGE 37, 217 <254 f.>; vom 16. September 1990 - 2 [X.]vR 1864/88 - NJW 1991, 633 <634>; vom 8. Dezember 2006 - 2 [X.]vR 1339/06 - NVwZ 2007, 441 <442>; vgl. insgesamt Sachsenmaier, [X.], Stand 5. April 2019, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] Rn. 6 f.; [X.]erlit, in: [X.], Stand Oktober 2014, § 10 [X.] Rn. 272 ff.). Auch bei der Umgestaltung des § 29 [X.] unter Zulassung weitgehender Ausnahmen von dem [X.] hat der Gesetzgeber an dem Grundsatz der Vermeidung von [X.] ([X.]T-Drs. 18/1312 S. 8) unter [X.]eachtung der völker- und unionsrechtlichen Grenzen seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Gestaltungsmacht ([X.]erlit, in: [X.], Stand Juni 2015, § 29 [X.] Rn. 39 ff.) festgehalten. Weder dies noch das [X.]eschwerdevorbringen enthalten Anhaltspunkte, welche die [X.]ewertung der geltenden Regelungen zur [X.] als verfassungskonform in Frage stellen könnten oder sonst einen [X.]edarf der (neuerlichen) Klärung aufzeigten.

8

Normativ ist [X.] systematisch weiterhin die begründungsbedürftige Ausnahme, die es im Interesse klarer Verhältnisse im nationalen [X.]ereich sowie im internationalen Verkehr und zur [X.]eherrschung von Rechts(anwendungs)konflikten zu vermeiden gilt ([X.]erlit, in: [X.] , Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 2 Rn. 98). Die hierauf bezogenen Ausführungen der [X.]eschwerde werfen insoweit auch sonst keine neuerlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf und trennen zudem nicht hinreichend zwischen rechts- bzw. verfassungspolitischer Kritik und den vom Gesetzgeber zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.

9

bb) Zweifel an der [X.]mäßigkeit hier entscheidungserheblicher Normen bestehen auch nicht mit [X.]lick auf Art. 3 Abs. 1 GG.

aaa) Die vom Kläger angeführten Ausnahmen vom Prinzip der Vermeidung der [X.] verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche [X.]elastungen als auch für ungleiche [X.]egünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger [X.]egünstigungsausschluss, bei dem eine [X.]egünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 21. Juni 2006 - 2 [X.]vL 2/99 - [X.]VerfGE 116, 164 <180> m.w.[X.]). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche [X.]ehandlung rechtfertigen können ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 7. Februar 2012 - 1 [X.]vL 14/07 - [X.]VerfGE 130, 240 <252 f.> m.w.[X.]). Im [X.]ereich der gewährenden Staatstätigkeit, dem mangels verfassungsgesetzlich gewährleistetem [X.] auch eine Einbürgerung unter Hinnahme von [X.] zuzuordnen ist, kommt dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 7. Februar 2012 - 1 [X.]vL 14/07 - [X.]VerfGE 130, 240 <254>) sowie eine [X.] zu Integrationsvoraussetzungen und -wirkungen zu ([X.]erlit, in: [X.], Stand Juni 2015, § 29 [X.] Rn. 33).

bbb) Für die in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 [X.] geregelten Ausnahmen vom Prinzip der Vermeidung von [X.] bestehen nach Grund und Ausgestaltung sachliche Gründe, die dem jeweiligen Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Sie knüpfen in § 12 Abs. 1 [X.] ungeachtet der Frage, ob die in Satz 2 benannten Ausnahmegründe abschließend sind oder Satz 1 eine Generalklausel enthält (offengelassen in [X.]VerwG, Urteil vom 30. Juni 2010 - 5 [X.] 9.10 - [X.]VerwGE 137, 237 Rn. 37), daran an, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schweren [X.]edingungen aufgeben kann. Für die Ausgestaltung wie die Anwendung der Regelungen des § 12 Abs. 1 [X.] ist zudem zu berücksichtigen, dass diese Regelungen den systematisch vorrangigen Grundsatz des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] ausformen und insoweit ein Regel-Ausnahmeverhältnis besteht (siehe - zu § 87 AuslG a.F. - [X.]VerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 [X.] 13.03 - [X.]VerwGE 120, 298 <300>).

Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner [X.], welche Situationen oder [X.]edingungen er als "besonders schwerwiegend" erachtet, eine breite Gestaltungsmacht. Auch aus der objektiven Funktion von Grundrechten als wertentscheidende Grundsatznormen ergeben sich hier keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er von [X.] wegen gehalten sein könnte, auch subjektive Umstände zu berücksichtigen, die einer ohne Weiteres möglichen Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit allein wegen der Aufgabe als solcher entgegengehalten werden.

§ 12 Abs. 2 [X.] ist durch das Ziel sachlich gerechtfertigt, der [X.] Integration durch Erleichterung der Einbürgerung von Unionsbürgern ([X.]VerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 [X.] 13.03 - [X.]VerwGE 120, 298 <301>) bzw. der [X.]erücksichtigung völkerrechtlicher Sonderbeziehungen zu dienen, und lässt auch sonst keinen möglich [X.] erkennen.

ccc) Die Ausführungen der [X.]eschwerde zur Optionspflicht (§ 29 [X.]) geben ebenfalls keinen Anlass zu Zweifeln an der [X.]mäßigkeit der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] oder der Ausgestaltung der Ausnahmeregelungen des § 12 Abs. 1 [X.] unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 oder 3 GG (siehe [X.]erlit, in: [X.], Stand Juni 2015, § 29 [X.] Rn. 31 ff.). Die Ausnahmen von der Optionspflicht nach § 29 [X.] betreffen Personen, die unter den in § 4 Abs. 3 [X.] benannten [X.]edingungen durch Geburt die [X.] Staatsangehörigkeit erworben hatten und bei denen wegen des nachfolgenden Aufwachsens der Gesetzgeber im Rahmen seiner [X.] typischerweise eine besondere Hinwendung zum [X.]n Staatsverband annimmt. Allein der bereits bewirkte Staatsangehörigkeitserwerb durch Geburt gebietet keine Gleichstellung mit Fällen, in denen ein Drittstaatsangehöriger ebenfalls im [X.]undesgebiet aufgewachsen ist, und zwar unabhängig vom Grad der inneren oder durch besondere Integrationsleistungen oder -erfolge dokumentierten Verbundenheit zum [X.]undesgebiet.

ddd) Soweit das [X.]eschwerdevorbringen der Sache nach geltend macht, durch die Vielzahl der Ausnahmeregelungen messe der Gesetzgeber selbst dem Grundsatz der Vermeidung der [X.] nur noch so geringe [X.]edeutung bei, dass sie eine Ungleichbehandlung im [X.]ereich der Ausnahmegründe nicht mehr zu rechtfertigen vermöge, verkennt diese Rechtsbehauptung, dass der Gesetzgeber an diesem Grundsatz durch die Schaffung tatbestandlich begrenzter Ausnahmeregelungen gerade festgehalten und ihn dadurch bestätigt hat. Mangels Eingriffs in einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme von [X.] ist die von der [X.]eschwerde herangezogene Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts zur Schlüssigkeit, Konsequenz bzw. Systemgerechtigkeit eines Schutzkonzeptes ([X.]VerfG, Urteile vom 28. März 2006 - 1 [X.]vR 1054/01 - [X.]VerfGE 115, 276 und vom 30. Juli 2008 - 1 [X.]vR 3262/07 - [X.]VerfGE 121, 317) schon im Ansatz nicht direkt übertragbar.

3. Die Revision ist auch nicht wegen der für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Frage zuzulassen,

ob "subjektive Empfindungen, die sich in einer biographisch außergewöhnlichen [X.]indung an den Herkunftsstaat in besonderer Weise manifestiert haben, im Rahmen von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 [X.] nicht als erhebliche Nachteile zu berücksichtigen sind, wenn sie aus einer Gruppenbetroffenheit resultieren."

Hier fehlt es bereits an den erforderlichen Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil das [X.]erufungsgericht schon keine positiven Feststellungen zu den von der Frage vorausgesetzten "subjektiven Empfindungen" getroffen hat, "die sich in einer biographisch außergewöhnlichen [X.]indung an den Herkunftsstaat manifestiert haben". Dass der Kläger durchgängig solche subjektiven Empfindungen geltend gemacht hat, ersetzt solche Feststellungen nicht.

Unabhängig davon ist - solche subjektiven Empfindungen als gegeben unterstellt - in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt, dass sich durch die Hervorhebung der objektiv erkennbaren wirtschaftlichen oder vermögensrechtlichen Nachteile ergibt, dass bei immateriellen [X.]eeinträchtigungen nur solche beachtlich sind, die objektiv entstehen und zu gewichten sind. Eine besondere [X.]indung an die bisherige Staatsangehörigkeit bzw. die Schwierigkeit, die eigenen Wurzeln verleugnen zu müssen, sind ihrer Art nach nicht geeignet, nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 [X.] berücksichtigt zu werden. Es handelt sich um immaterielle Nachteile, die untrennbar mit dem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit verbunden sind und deren Entstehung sowie Gewichtung von der subjektiven [X.]ewertung des Einbürgerungsbewerbers abhängen ([X.]VerwG, Urteil vom 30. Juni 2010 - 5 [X.] 9.10 - [X.]VerwGE 137, 237 Rn. 30 und 36). Damit ist die weitere - implizite - Voraussetzung der Frage, "subjektive Empfindungen" seien regelmäßig im Rahmen von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 [X.] als "erheblicher Nachteil" zu berücksichtigen, unvereinbar.

Erst recht bedarf es dann aber nicht der revisionsgerichtlichen Klärung, inwieweit die - hier lediglich zudem geltend gemachten - Empfindungen dann nicht zu berücksichtigen sind, "wenn sie aus einer Gruppenbetroffenheit resultieren".

Mangels positiven Feststellungen des [X.]erufungsgerichts zum Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" stellte sich hier auch nicht die in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts offengelassene Frage, ob unter "außergewöhnlichen Umständen" eine hiervon abweichende [X.]ewertung immaterieller [X.]eeinträchtigungen in [X.]etracht kommen kann; aus der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass auch bei immateriellen [X.]eeinträchtigungen nur solche beachtlich sind, die objektiv entstehen und zu gewichten sind ([X.]VerwG, Urteil vom 30. Juni 2010 - 1 [X.] 9.10 - [X.]VerwGE 137, 237 Rn. 30; s.a. [X.]erlit, in: [X.], Stand November 2015, § 12 [X.] Rn. 222).

4. Mit der weiterhin aufgeworfenen Frage vermeintlich grundsätzlicher [X.]edeutung,

ob "ein von Art. 4 GG geschützter Gewissenskonflikt aufgrund fehlender Auseinandersetzung mit nationalem Recht und fehlender rechtlicher [X.]edeutung von Symbolen verneint werden" kann,

wendet sich die [X.]eschwerde in der Sache gegen die tatrichterliche Würdigung des [X.]erufungsgerichts, der Kläger habe eine Gewissensentscheidung mit [X.]lick auf die Staatsangehörigkeit schon nicht schlüssig vorgetragen ([X.] ff.); dies bezeichnet auch deswegen schon keine fallübergreifender Klärung zugängliche Rechtsfrage, weil aus den diese [X.]ewertung stützenden Erwägungen des [X.]erufungsgerichts lediglich - und dies zudem verkürzend - einige herausgegriffen werden.

Unabhängig davon ist wegen dieser Frage eine Revisionszulassung auch bereits deshalb nicht geboten, weil der Verwaltungsgerichtshof selbst bei Unterstellung der Glaubhaftmachung einer entsprechenden Gewissensentscheidung einen [X.] unter Hinnahme der [X.] mangels Eingriffs in die Gewissensfreiheit ablehnt ([X.] f.). Wegen dieser jeweils selbständig tragenden Mehrfachbegründung kommt es auf die Entscheidungserheblichkeit der Frage nicht an (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Februar 1998 - 1 [X.] 37.97 - NVwZ 1998, 850).

5. Auch die weitere, von der [X.]eschwerde mit der Grundsatzrüge aufgeworfene Frage,

"inwiefern ein Gewissensnotstand eine besonders schwierige [X.]edingung bzw. ein erheblicher Nachteil gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 Nr. 5 [X.] ist",

ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil das [X.]erufungsgericht - selbständig tragend - festgestellt hat, dass der Kläger eine Gewissensentscheidung mit [X.]lick auf die Staatsangehörigkeit schon nicht schlüssig vorgetragen hat ([X.] ff.).

Unabhängig davon wäre selbst dann, wenn eine Gewissensentscheidung als gegeben und zudem zugunsten des [X.] unterstellt wird, dass unter außergewöhnlichen Umständen im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 5 [X.] der vom Kläger beschriebene Gewissensnotstand dem Grunde nach geeignet wäre, diese Frage nicht entscheidungserheblich. Durch die zu [X.] dargestellte Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass die [X.]eachtlichkeit immaterieller [X.]eeinträchtigungen, die nicht objektiv entstehen und zu gewichten sind, allenfalls unter außergewöhnlichen Umständen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in [X.]etracht kommt, deren nähere [X.]estimmung sich einer fallübergreifenden Klärung entzieht. Dass ein "Gewissennotstand" bestehen mag, welcher einer Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit entgegensteht, begründet für sich allein keinen "außergewöhnlichen Umstand", weil dieser zumindest für die Gewichtung in [X.]eziehung zu setzen ist mit den Gründen, welche die Entscheidung für den Erwerb der [X.]n Staatsangehörigkeit prägen. Das aus den objektivrechtlichen Gehalten des Art. 4 Abs. 1 GG folgende staatliche "Wohlwollensgebot" gegenüber demjenigen, der sich auf Art. 4 Abs. 1 GG beruft, ist nicht grenzenlos und umfasst insbesondere nicht das Recht, die Rechtsordnung nur nach den eigenen Glaubens- und Gewissensvorstellungen zu gestalten, oder zu verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird ([X.]VerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 6 [X.] 5.96 - [X.]VerwGE 105, 73 <78> m.w.[X.]).

6. Die [X.]eschwerde hält schließlich für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob "bei einer Ermesseneinbürgerung nach § 8 [X.] der Umstand zu berücksichtigen ist, dass ein Interesse gerade an der Hinnahme von [X.] bestehen soll."

Zu dieser Frage ist die Revision schon deswegen nicht zuzulassen, weil sie nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts nicht entscheidungserheblich ist. Denn entgegen der [X.]eschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage des [X.]estehens eines derartigen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des [X.] wegen seiner Verwendung in juristischen [X.]erufen nicht offengelassen, sondern mit dem zutreffenden Hinweis schon im Ansatz nicht anerkannt, der Kläger könne weiterhin im [X.]undesgebiet als Rechtsanwalt oder im Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst tätig sein ([X.] 29).

Unabhängig davon kommt eine Revisionszulassung wegen dieser Frage auch deswegen nicht in [X.]etracht, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. Aufgrund des systematischen Zusammenhangs zwischen Anspruchs- und Ermessenseinbürgerung ist eine [X.]erücksichtigung der Anspruchsvoraussetzungen und -ausschlussgründe der §§ 10 und 11 [X.] auch im Rahmen des § 8 [X.] gerechtfertigt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 21. Februar 2013 - 5 [X.] 9.12 - [X.]VerwGE 146, 89 Rn. 25), so dass auch das in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] verankerte Prinzip der Vermeidung der [X.] und die Ausnahmen hiervon nach § 12 [X.] bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind. Die Ermessenseinbürgerung nach § 8 [X.] ist in den vom Verwaltungsgerichtshof und in der [X.]eschwerde angeführten ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften des [X.]undes und der Länder ausgeformt. Danach hat die Einbürgerungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (auch) zu prüfen, ob [X.] hingenommen werden kann. Ausnahmen kommen insbesondere in [X.]etracht, wenn ein herausragendes öffentliches Interesse an der Einbürgerung auch unter Hinnahme von [X.] besteht (Ziff. 8.1.2.6.3.6 der [X.] zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000, [X.]Anz. 2001, 1418; Ziff. 8.1.2.6.3 [X.]uchst. b der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration [X.]aden-Württemberg zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 8. Juli 2013 ). Nach der als solchen ermessensfehlerfreien Handhabung dieser Ausnahme in der Praxis muss das herausragende öffentliche Interesse an der Einbürgerung gerade die Hinnahme der [X.] rechtfertigen.

II. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts und des [X.]undesverwaltungsgerichts (Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls nicht dargetan.

1. Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. November 2017 - 1 [X.] 148.17 - juris Rn. 16 m.w.[X.]). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] nicht.

2. Diesen Anforderungen wird die erhobene [X.] nicht gerecht.

Die [X.]eschwerde geht selbst davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts im [X.]eschluss vom 20. Dezember 1960 - 1 [X.]vL 21/60 - ([X.]VerfGE 12.45) zum Schutzbereich der Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG zutreffend wiedergegeben hat. Wenn die [X.]eschwerde sodann darauf abstellt, der Verwaltungsgerichtshof habe eine nach diesen Maßstäben zu beurteilende Gewissensentscheidung im Falle des [X.] fehlerhaft nicht anerkannt, wird dadurch kein abweichender Rechtssatz aufgezeigt, sondern der Sache nach eine fehlerhafte Anwendung geltend gemacht.

Gleiches gilt in [X.]ezug auf die vermeintliche Divergenz zu dem Urteil des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 1997 - 6 [X.] 5.96 - ([X.]VerwGE 105, 73).

III. Der Senat sieht von einer weiteren [X.]egründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

1 B 29/19

14.05.2019

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 19. Dezember 2018, Az: 12 S 996/18, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 10 Abs 1 S 1 Nr 4 RuStAG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.05.2019, Az. 1 B 29/19 (REWIS RS 2019, 7330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7330


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 12 S 996/18

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 12 S 996/18, 19.12.2018.


Az. 1 B 29/19

Bundesverwaltungsgericht, 1 B 29/19, 14.05.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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