Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.02.2023, Az. 1 ABR 9/22

1. Senat | REWIS RS 2023, 1773

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Gegenstand

Betriebliche Vergütungsordnung - tarifgebundener Arbeitgeber


Leitsatz

§ 101 BetrVG begründet keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber, bei erst künftig erfolgenden Einstellungen oder Versetzungen von Arbeitnehmern eine Ein- oder Umgruppierung vorzunehmen sowie ein hierauf bezogenes Zustimmungs- und ggf. Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 1. Dezember 2021 - 4 TaBV 19/21 - aufgehoben, soweit er der Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 3. Mai 2021 - 14 [X.] - stattgegeben hat.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts wird auch insoweit zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Eingruppierung von Arbeitnehmern.

2

Die Arbeitgeberin erbringt [X.]eistungen für Hersteller in der Prozess-, Hybrid- und Einzelfertigungsindustrie. Sie unterhält einen Betrieb in [X.], in dem etwa 270 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dort ist der antragstellende Betriebsrat gebildet.

3

Die Arbeitgeberin war bis zum 31. Dezember 2020 Mitglied im [X.] [X.] und Umgebung [X.] Der Verband gehört dem META[X.][X.] [X.] Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen [X.] an, der mit der [X.] ([X.]) das Entgeltrahmenabkommen vom 18. Dezember 2003 ([X.]) geschlossen hat.

4

Das [X.] regelt in seinen §§ 2 und 3 iVm. den Anlagen 1a und 1b Vorgaben für die - nach einem Punktbewertungsverfahren erfolgende - Eingruppierung der von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer in eine der insgesamt 14 Entgeltgruppen. Nach § 3 Nr. 5 Abs. 1 [X.] werden die den Entgeltgruppen zugeordneten Geldbeträge im jeweils gültigen [X.] festgelegt. Das Abkommen über die [X.] in der Metall- und Elektroindustrie [X.] vom 14. Februar 2018 ([X.]) wurde von der tarifvertragschließenden [X.] zum 31. Dezember 2020 gekündigt.

5

Die Arbeitgeberin nahm in der [X.] von [X.] 2018 bis [X.] 2020 in 28 Fällen Einstellungen und Versetzungen von Arbeitnehmern vor, bei denen sie einen Großteil der betreffenden Arbeitnehmer in ein - nach „Job Grades“ unterteiltes - Vergütungssystem einstufte und den Betriebsrat hierzu um Zustimmung bat. Dieser stimmte den Einstellungen und Versetzungen zu, widersprach aber jeweils der beabsichtigten Eingruppierung. [X.] leitete die Arbeitgeberin nicht ein.

6

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin müsse die unter den Geltungsbereich des [X.] fallenden Arbeitnehmer, die sie einstelle oder versetze, in die tariflichen Entgeltgruppen eingruppieren und ihn hierbei beteiligen. Das [X.] sei die im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Der Austritt der Arbeitgeberin aus dem Arbeitgeberverband ändere hieran nichts. Die Arbeitgeberin sei nach § 3 Abs. 3 [X.] weiterhin an das [X.] gebunden.

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, bei Einstellungen und Versetzungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebs diese nach dem Entgeltrahmenabkommen ([X.] [X.]) einzugruppieren, sofern es sich nicht um AT-Angestellte iSd. [X.] [X.] oder [X.]eiharbeitnehmer handelt.

8

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das [X.] sei schon vor ihrem Austritt aus dem Arbeitgeberverband nicht die einzige im Betrieb geltende Vergütungsordnung gewesen. Jedenfalls bilde es seit ihrem Austritt nicht mehr das im Betrieb anzuwendende Entgeltsystem.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das [X.]andesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde der Arbeitgeberin abgewiesen und lediglich einem vom Betriebsrat hilfsweise zur Entscheidung gestellten Feststellungsantrag stattgegeben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein vorrangiges [X.]eistungsbegehren weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat Erfolg. Das [X.]andesarbeitsgericht hat die dem [X.]eistungsantrag stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert. Entgegen seiner Annahme ist der Antrag zulässig und begründet.

I. Der [X.]eistungsantrag ist zulässig.

1. Er bedarf allerdings der Auslegung. Wie das Vorbringen des Betriebsrats erkennen lässt, ist sein Antrag nicht lediglich darauf gerichtet, dass die Arbeitgeberin bei Einstellungen und Versetzungen von unter den persönlichen Geltungsbereich des [X.] fallenden Arbeitnehmern des Betriebs [X.] eine Entscheidung über die Zuordnung ihrer Arbeitsaufgabe zu den 14 Entgeltgruppen dieses Tarifvertrags nach Maßgabe von §§ 2 und 3 [X.] trifft. Vielmehr soll ihr - über den Wortlaut des Antrags hinausgehend - auch aufgegeben werden, zu dieser Entscheidung die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] einzuholen und bei deren ordnungsgemäßer Verweigerung ein arbeitsgerichtliches [X.] durchzuführen. Dieses Antragsziel hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat noch einmal ausdrücklich bestätigt. Vom erstrebten Handlungsausspruch ausgenommen sollen - neben den Arbeitnehmern, die der Arbeitgeberin zur Arbeitsleistung überlassen werden - nur „AT-Angestellte iSd. [X.]“ sein. Hierbei handelt es sich um diejenigen Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 3 [X.] erfüllen und daher nicht unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen.

2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann mit ausreichender Gewissheit erkennen, welche Handlungen sie wann künftig vornehmen soll. Dies gilt auch, soweit im Antrag Einstellungen und Versetzungen von nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des [X.] fallenden Arbeitnehmern ausgenommen sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass zwischen den Beteiligten Streit darüber bestünde, wann die tariflichen Vorgaben in § 1 Abs. 2 und 3 [X.] erfüllt sind. Soweit die Arbeitgeberin die von [X.] 2018 bis [X.] 2020 eingestellten und versetzten Arbeitnehmer in den Zustimmungsgesuchen als „AT-Angestellte“ bezeichnet hat, wollte sie - wie ihr Vortrag zeigt - damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie diese Arbeitnehmer nicht nach Maßgabe des [X.] eingruppieren will.

II. Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat kann verlangen, dass die Arbeitgeberin bei künftigen Einstellungen und Versetzungen von Arbeitnehmern, die unter den persönlichen Geltungsbereich des [X.] fallen, eine Entscheidung über die Zuordnung der von ihnen ausgeübten Arbeitsaufgabe zu den Entgeltgruppen des [X.] nach Maßgabe von dessen §§ 2 und 3 trifft und das in § 99 Abs. 1 [X.] vorgesehene Verfahren sowie - bei einer form- und fristgerechten Zustimmungsverweigerung - ein [X.] nach § 99 Abs. 4 [X.] durchführt.

1. Allerdings ergibt sich der Anspruch des Betriebsrats für sein ausschließlich zukunftsbezogenes [X.]eistungsbegehren nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 101 [X.]. Das hat das [X.]andesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber die gebotene Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers unterlässt, zur Sicherung seines [X.]s nach § 99 Abs. 1 [X.] in entsprechender Anwendung von § 101 [X.] beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung vorzunehmen, ihn hierzu um Zustimmung zu ersuchen und im Fall einer beachtlichen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche [X.] durchzuführen (vgl. zuletzt [X.] 20. Oktober 2021 - 7 [X.] - Rn. 21 mwN; sh. auch [X.] 12. Dezember 2006 - 1 [X.] - Rn. 19 mwN). Da es sich bei Ein- und [X.] nicht um konstitutive Akte des Arbeitgebers, sondern lediglich um einen mit der Kundgabe einer Rechtsansicht verbundenen Akt der Rechtsanwendung handelt, ist deren „Aufhebung“ im wörtlichen Sinn nicht möglich (vgl. [X.] 28. Juli 2020 - 1 ABR 5/19 - Rn. 18 mwN, [X.]E 171, 355). In diesen Fällen kann der Zweck des § 101 [X.] daher lediglich durch die Herstellung eines dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats entsprechenden Zustands erreicht werden.

b) Die Norm vermag aber - auch im Rahmen ihrer entsprechenden Anwendung - kein [X.]eistungsbegehren zu stützen, mit dem dem Arbeitgeber - wie vorliegend - die Vornahme einer Ein- oder Umgruppierung sowie die Durchführung des in § 99 Abs. 1 und 4 [X.] vorgesehenen Verfahrens erst bei künftig erfolgenden Einstellungen oder Versetzungen aufgegeben werden soll. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2011 (- 1 [X.] - Rn. 11, [X.]E 139, 332) etwas anderes ergibt, hält er hieran nicht mehr fest.

aa) Nach seinem Wortlaut knüpft § 101 Satz 1 [X.] an eine konkrete personelle Einzelmaßnahme an. Dies schließt seine Anwendung zwar nicht aus, wenn sich das vom Betriebsrat angebrachte Begehren auf mehrere gleichgelagerte Einzelmaßnahmen bezieht, die im Antrag lediglich in generalisierter Art und Weise umschrieben werden (vgl. [X.] 1. August 1989 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 62, 271). Eine Heranziehung der Vorschrift als Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung des Arbeitgebers, erst in künftigen und damit noch nicht konkretisierten Fällen eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung vorzunehmen und dabei das Verfahren nach § 99 Abs. 1 und (ggf.) Abs. 4 [X.] zu durchlaufen, lässt sich hingegen mit dem Wortlaut nicht vereinbaren.

bb) Ein solches Verständnis liefe vor allem dem Zweck der Vorschrift zuwider. § 101 [X.] zielt auf die Beseitigung eines bereits eingetretenen betriebsverfassungswidrigen Zustands ab (vgl. etwa [X.] 1. August 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.]E 62, 271). An einem solchen fehlt es, wenn dem Arbeitgeber die Vornahme einer Ein- oder Umgruppierungsentscheidung und die Durchführung des [X.] sowie ggf. des gerichtlichen [X.]s erst bei künftigen Einstellungen oder Versetzungen aufgegeben werden soll. Bei einem derartigen Verlangen geht es um eine ausschließlich zukunftsbezogene Sicherstellung betriebsverfassungskonformen Verhaltens. § 101 [X.] ist aber nicht darauf gerichtet, die künftige Beachtung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats zu sichern ([X.] 1. August 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, aaO).

cc) Eine entsprechende Anwendung von § 101 [X.] auf ein solches Begehren wäre zudem systemwidrig.

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats steht dem Betriebsrat gegen den Arbeitgeber kein allgemeiner Anspruch darauf zu, dass dieser ohne seine Zustimmung und ohne Durchführung des Verfahrens nach § 100 Abs. 2 [X.] beabsichtigte Einstellungen oder Versetzungen von Arbeitnehmern unterlässt (vgl. ausf. [X.] 23. Juni 2009 - 1 [X.] - Rn. 16 ff., [X.]E 131, 145). Maßgebend hierfür ist zum einen, dass § 100 Abs. 1 Satz 1 [X.] dem Arbeitgeber die Befugnis gewährt, solche Maßnahmen aus dringenden sachlichen Gründen auch ohne Zustimmung des Betriebsrats vorläufig - also bis zur Entscheidung über ihre materielle Rechtmäßigkeit - durchzuführen. Zum anderen hat der Gesetzgeber in § 101 [X.] die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die prozeduralen Anforderungen des § 100 Abs. 2 [X.] ausdrücklich geregelt. Die Annahme, dem Betriebsrat könne neben dem Beseitigungsanspruch aus § 101 Satz 1 [X.] und unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 [X.] ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zustehen, ist mit diesen systematischen Grundentscheidungen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren.

(2) Diese gesetzgeberischen Grundentscheidungen sind auch vorliegend zu beachten. Die Stattgabe eines ausschließlich zukunftsbezogenen [X.]eistungsbegehrens, mit dem dem Arbeitgeber für zukünftige Fälle die Vornahme von [X.] gebotenen Ein- oder [X.] sowie die Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 1 und ggf. Abs. 4 [X.] aufgegeben werden soll, bewirkt im Ergebnis, dass der Arbeitgeber vom titulierten Gebot abweichende Handlungen fortan unterlassen muss. Damit stünden dem Betriebsrat bei Ein- oder [X.] weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Arbeitgeber zu, als er sie bei den personellen Maßnahmen der Einstellung und Versetzung hätte. Dies ist gesetzlich nicht vorgesehen.

2. Dennoch erweist sich die Entscheidung des [X.]andesarbeitsgerichts im Ergebnis als rechtsfehlerhaft. Das Beschwerdegericht hat übersehen, dass der Betriebsrat den begehrten Handlungsausspruch auf § 23 Abs. 3 Satz 1 [X.] stützen kann.

a) Nach dieser Norm kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem [X.] durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Die Regelung dient dem Schutz der [X.]en Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. In solchen Fällen soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der [X.]en Ordnung sichergestellt werden, indem der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner [X.]en Pflichten angehalten wird (vgl. [X.] 8. März 2022 - 1 [X.] - Rn. 41 mwN). Ist eine erneute Verletzung dieser Pflichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, kann die Sicherstellungsfunktion des § 23 Abs. 3 Satz 1 [X.] allerdings nicht (mehr) erreicht werden. In diesem Fall scheidet ein Unterlassungsanspruch aus (vgl. [X.] 15. November 2022 - 1 [X.] - Rn. 33).

b) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind erfüllt.

aa) Die Arbeitgeberin hat wiederholt gegen ihre [X.]en Pflichten verstoßen.

(1) In Unternehmen mit - wie hier - in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor jeder Eingruppierung und Umgruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen. Satz 2 der Norm verpflichtet den Arbeitgeber, bei Einstellungen und Versetzungen insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Verlangt das Gesetz die Mitteilung der vorgesehenen Ein- und Umgruppierung, setzt dies voraus, dass der Arbeitgeber zuvor eine entsprechende Beurteilung vornimmt. An dieser hat er den Betriebsrat nach § 99 [X.] zu beteiligen, indem er dessen Zustimmung einholt und sie bei ordnungsgemäßer Verweigerung nach § 99 Abs. 4 [X.] gerichtlich ersetzen lässt (vgl. [X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 12, [X.]E 139, 332).

(2) Die im Gesetz vorausgesetzte Pflicht des Arbeitgebers zur Ein- und Umgruppierung und die in § 99 [X.] vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats dienen der einheitlichen Anwendung der zutreffenden Vergütungsordnung und sorgen auf diese Weise für Transparenz und innerbetriebliche [X.]ohngerechtigkeit. Der Arbeitgeber soll prüfen, welcher Stufe oder Gruppe der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung die Tätigkeit des Arbeitnehmers zuzuordnen ist, und diese Beurteilung gemeinsam mit dem Betriebsrat vornehmen. Dem [X.] des Betriebsrats unterliegt daher auch die Frage, ob ein Arbeitnehmer einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung zugeordnet werden kann (vgl. [X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 12, [X.]E 139, 332).

(3) Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Zwar handelt es sich bei tariflichen Vergütungsregelungen nicht um Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 [X.], die unabhängig von der [X.] der Arbeitnehmer für alle Betriebe des tarifgebundenen Arbeitgebers gelten, sondern um Inhaltsnormen, die unmittelbar und zwingend nur im Verhältnis zwischen tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien gelten können (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dennoch ist der tarifgebundene Arbeitgeber [X.] verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifbindung der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] unterliegen. Dieses Verständnis geben die Funktion des [X.] in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] sowie der Normzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] vor (vgl. [X.] 21. März 2018 - 7 [X.] - Rn. 32 mwN; 23. August 2016 - 1 [X.] - Rn. 18 mwN; ausf. [X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 16 ff., [X.]E 139, 332).

(4) Gegen diese [X.]en Vorgaben hat die Arbeitgeberin in der [X.] von [X.] 2018 bis [X.] 2020 in zahlreichen Fällen verstoßen.

(a) Die Arbeitgeberin war bis zum 31. Dezember 2020 [X.] im [X.] nach § 3 Abs. 1 [X.] an das [X.] gebunden. Das [X.] des [X.] stellt damit für die von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer die im Betrieb anzuwendende Vergütungsordnung dar. Die Arbeitgeberin war deshalb gehalten, bei den während des genannten [X.]raums erfolgten Einstellungen und Versetzungen die Arbeitsaufgabe der Arbeitnehmer nach Maßgabe der §§ 2 und 3 [X.] den dortigen Entgeltgruppen zuzuordnen, die Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Entscheidung einzuholen sowie - im Verweigerungsfall - ein gerichtliches [X.] durchzuführen. Dem ist die Arbeitgeberin nicht nachgekommen.

(b) Ihre hiergegen geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Es ist unerheblich, dass nur ein geringer Teil der Arbeitnehmer im Betrieb normativ - kraft Mitgliedschaft in der [X.] - an das [X.] gebunden ist und die weit überwiegende Zahl Arbeitsverträge hat, in denen dieser Tarifvertrag nicht in Bezug genommen ist. Bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung für alle unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts dar. Auf eine [X.] der Arbeitnehmer oder eine vertraglich vereinbarte Anwendung des betreffenden Tarifvertrags kommt es nicht an. Damit spielt es auch keine Rolle, in welchem Umfang der tarifgebundene Arbeitgeber die tarifliche Entgeltordnung tatsächlich im Betrieb anwendet. Das Vorbringen der Arbeitgeberin, das [X.] sei jedenfalls nicht das einzige im Betrieb anzuwendende Vergütungssystem gewesen, verfängt ebenfalls nicht. Eine Änderung der in ihrem Betrieb geltenden tariflichen Entgeltordnung war ihr weder einseitig noch gemeinsam im - ohnehin nicht vorliegenden - Einvernehmen mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] möglich. Aufgrund der [X.] der Arbeitgeberin bestand nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] im Geltungsbereich des [X.] kein Raum für eine Mitbestimmung.

bb) Mit ihrem Verhalten hat die Arbeitgeberin ihre [X.]en Pflichten auch in grober Weise verletzt.

(1) Ein grober Verstoß ist gegeben, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitgebers objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Verteidigt der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage, kann dies der Annahme eines groben Verstoßes allerdings entgegenstehen (vgl. [X.] 18. März 2014 - 1 [X.] - Rn. 15 mwN).

(2) Die Würdigung, ob der Arbeitgeber in grobem Maß seine Pflichten aus dem [X.] verletzt hat, obliegt zwar in der Regel den Tatsacheninstanzen, denen hierbei ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. [X.] 18. März 2014 - 1 [X.] - Rn. 16 mwN). Hat das [X.]andesarbeitsgericht - wie im Ausgangsfall - diese Würdigung jedoch rechtsfehlerhaft nicht vorgenommen, kann sie durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen, wenn die hierfür maßgebenden Tatsachen festgestellt oder unstreitig sind (vgl. [X.] 29. Februar 2000 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 b der Gründe; 22. Juni 1993 - 1 [X.] - zu [X.]II 3 b der Gründe, [X.]E 73, 291).

(3) Danach hat die Arbeitgeberin grob gegen ihre [X.]en Pflichten verstoßen. Sie ist in zahlreichen Fällen der ihr bei Einstellungen und Versetzungen obliegenden Pflicht zur Ein- oder Umgruppierung von Arbeitnehmern in das [X.] und zur Durchführung eines hierauf bezogenen Beteiligungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 [X.] sowie eines etwaigen gerichtlichen [X.]s nicht nachgekommen. Die Arbeitgeberin kann sich nicht darauf berufen, die Rechtslage sei ungeklärt gewesen. Es entspricht der langjährigen Rechtsprechung des Senats, dass der tarifgebundene Arbeitgeber [X.] verpflichtet ist, die tarifliche Vergütungsordnung im Betrieb ungeachtet einer Tarifgeltung iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] anzuwenden. Die Arbeitgeberin würde es auch nicht entlasten, wenn der Betriebsrat ihr betriebsverfassungswidriges Verhalten über längere [X.] hingenommen haben sollte. Auf sein Verhalten kommt es bei der Würdigung eines groben Pflichtverstoßes durch die Arbeitgeberin nicht an. Im Übrigen war für sie jedenfalls seit [X.] 2018 unzweifelhaft erkennbar, dass der Betriebsrat ihr Verhalten nicht mehr widerspruchslos akzeptierte.

cc) Eine künftige Wiederholung dieses betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ist nicht ausgeschlossen. Die Arbeitgeberin ist trotz ihres Austritts aus dem [X.] [X.] und Umgebung [X.] zum 31. Dezember 2020 weiterhin an das [X.] gebunden. Nach § 3 Abs. 3 [X.] bleibt die [X.] bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Dies ist bislang nicht der Fall. Das [X.] besteht unverändert und ungekündigt fort. Unerheblich ist, dass das [X.] vom 14. Februar 2018 von der [X.] zum 31. Dezember 2020 gekündigt wurde. Zwar ist dem Ende eines Tarifvertrags iSd. § 3 Abs. 3 [X.] jede Änderung desselben gleichzustellen (vgl. [X.] 7. Juni 2017 - 1 [X.] - Rn. 31, [X.]E 159, 222; 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 39 mwN). Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin bewirkt der Ablauf eines [X.]s jedoch keine Änderung des [X.]. Bei den betreffenden Tarifverträgen handelt es sich um gesondert vereinbarte Regelwerke, die in ihrem Bestand und ihrer Geltung voneinander unabhängig sind. Aus § 3 Nr. 5 Abs. 1 [X.] folgt nichts Gegenteiliges. Die Norm enthält keine dynamische Bezugnahme auf die Bestimmungen des jeweils geltenden [X.]s, sondern nur den deklaratorischen Hinweis, dass die Entgeltsätze in einem anderen Tarifvertrag geregelt sind. Vereinbaren die Tarifvertragsparteien - wie hier - in einem Entgeltrahmentarifvertrag lediglich die Entgeltordnung und in einem anderen die jeweiligen Entgeltsätze, wollen sie die letzteren Regelungen erkennbar nicht in den Entgeltrahmentarifvertrag inkorporieren (vgl. auch [X.] 28. April 2021 - 4 [X.] - Rn. 45).

III. Infolge der rechtskräftigen Stattgabe des [X.]eistungsantrags ist die Entscheidung des [X.]andesarbeitsgerichts über den hierzu hilfsweise vom Betriebsrat zur Entscheidung gestellten Feststellungsantrag wirkungslos (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 15, [X.]E 127, 214).

        

    Ahrendt    

        

    Waskow    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Rose    

                 

Meta

1 ABR 9/22

14.02.2023

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 3. Mai 2021, Az: 14 BV 166/20, Beschluss

§ 101 BetrVG, § 23 Abs 3 S 1 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, § 99 Abs 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.02.2023, Az. 1 ABR 9/22 (REWIS RS 2023, 1773)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1773

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