Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2022, Az. RiZ (R) 1/20

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2022, 8001

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Gegenstand

Überprüfung von Dienstaufsichtsmaßnahmen: Belassen von Dokumenten in der Personalakte eines Richters


Tenor

Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichts für [X.] bei dem [X.] vom 17. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist [X.] am Verwaltungsgericht im Dienst des Antragsgegners. Er beanstandet, dass in seiner beim [X.] (künftig: [X.]) geführten Personalakte eine über ihn erstellte [X.] aus dem Juli 2005 ohne Streichung einer Textpassage zu einer Erkrankung sowie hierauf bezogene weitere Dokumente enthalten sind.

2

Anlässlich seiner Bewerbung um die Stelle eines Vorsitzenden [X.]s bei dem [X.] erstellte die Präsidentin des [X.] am 18. Juli 2005 eine [X.] über den Antragsteller. Auf eine von ihm hierzu mit Schreiben vom 25. Juli 2005 abgegebene Stellungnahme teilte die Präsidentin dem Antragsteller am selben Tage schriftlich mit, die von ihr als Gegendarstellung gewertete Stellungnahme gebe zur Änderung der [X.] keine Veranlassung; auf einen von ihr beigefügten, ebenfalls vom 25. Juli 2005 datierenden Vermerk nehme sie Bezug. Mit Schreiben vom 15. August 2005 wandte der Antragsteller sich mit der Bitte um Berichtigung der [X.] an das [X.]; seine Stellungnahme sei missverständlich als Gegendarstellung behandelt worden. Das [X.] sah darin einen Widerspruch gegen die [X.] vom 18. Juli 2005, den es dem Präsidenten des [X.] vorlegte. Nachdem die Präsidentin des [X.], die vom Präsidenten des [X.] zu einer Entscheidung über die Abhilfe des Widerspruchs aufgefordert worden war, unter dem 11. Oktober 2005 Stellung genommen hatte, wies der Präsident des [X.] mit Bescheid vom 2. November 2005 an den Antragsteller "den mit Schreiben vom 15. August 2005 eingelegten Widerspruch" zurück.

3

Im Mai 2016 leitete der Antragsteller, der bei dem [X.] erfolglos die Bereinigung seiner Personalakte erstrebt hatte, beim [X.] für [X.] ein Prüfungsverfahren ein, in dem er die Feststellung beantragte, dass die Aufnahme des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des [X.] vom November 2005 und des [X.] der Präsidentin des [X.] vom Oktober 2005 in die Personalakte sowie das Belassen der dienstlichen Beurteilung vom Juli 2005 und eines Vermerks vom Juli 2005 in der Personalakte ohne Streichung von ihm bezeichneter krankheitsbezogener Textstellen unzulässig sind.

4

Das [X.] für [X.] hat mit am 7. Dezember 2019 zugestelltem Urteil vom 17. Oktober 2019 den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Er sei unbegründet, weil es an einer Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 DRiG fehle. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei der bloßen Aufnahme von Schriftstücken in die Personalakte des Antragstellers handele es sich nicht um jeweils eigenständige Maßnahmen der Dienstaufsicht. Mit der Übernahme der Schriftstücke in die Personalakte bringe der Dienstherr keine eigenständige Bewertung des Verhaltens des Antragstellers zum Ausdruck, der gegenüber der [X.] und dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid eine eigenständige Bedeutung zukommen könnte. Zudem seien sowohl der Vermerk der Präsidentin des [X.] vom 25. Juli 2005 als auch deren [X.] vom 11. Oktober 2005 dem Beurteilungs- und Widerspruchsvorgang zuzurechnen. Mit einem Antrag nach § 26 Abs. 3 DRiG könne ein Anspruch auf Entfernung der [X.] selbst zu einer rechtskräftig für unzulässig erklärten dienstlichen Beurteilung nicht mehr erstritten werden. Erst recht könne der Antragsteller mit diesem Antrag nicht die nachträgliche Feststellung erstreiten, die Aufnahme der [X.], gegen die er keinen Widerspruch erhoben haben wolle, und des bestandskräftigen Widerspruchsbescheids in die Personalakte seien unzulässig. Hierdurch werde der Antragsteller - insbesondere im Hinblick auf eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit - nicht rechtlos gestellt. Ihm sei es unbenommen gewesen, unmittelbar gegen die [X.] in der Fassung des Widerspruchsbescheids vorzugehen und diese bei dem [X.]dienstgericht und den im Übrigen zuständigen Verwaltungsgerichten einer rechtlichen Prüfung unterziehen zu lassen. Dagegen könne er sich nicht mehr gleichsam isoliert gegen deren ungekürzte Aufnahme in die beim [X.] geführte Personalakte wenden.

5

Mit seiner am 27. Dezember 2019 eingelegten Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er vertritt die Auffassung, in seinem Antrag komme zum Ausdruck, dass er sich gegen den unzulässigen Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005, gegen die unzulässige Nichtabhilfeentscheidung vom 11. Oktober 2005 und ihre Aufnahme in die Personalakte sowie gegen die zu Teilen unzulässige [X.] vom 18. Juli 2005 und den zu Teilen unzulässigen Vermerk vom 25. Juli 2005 und deren Belassen in der Personalakte wende. Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Aufnahme eines Dokuments in die bzw. das Belassen des Dokuments in der Personalakte umfasse auch den Antrag, die Unzulässigkeit des jeweiligen Dokuments - im Sinne eines Eingriffs in seine, des Antragstellers, richterliche Unabhängigkeit - festzustellen. Der Streit um die [X.] sei lediglich im Rahmen des Verfahrens zur Personalaktenbereinigung geführt worden. Durch den "nichtigen" Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005 und die "unwirksame" Nichtabhilfeentscheidung vom 11. Oktober 2005 werde er, der Antragsteller, jeweils persönlich schwerwiegend herabgesetzt. Die richterliche Unabhängigkeit verletzten insbesondere unsachliche Formulierungen, die die gesamte [X.]persönlichkeit über das Gebotene hinaus abwerteten. Tatsächlich habe er, der Antragsteller, keinen Widerspruch eingelegt, sondern die oberste Dienstbehörde lediglich ersucht, die [X.] vom 18. Juli 2005 noch einmal zu überprüfen; dies stelle offensichtlich keinen Widerspruch dar. Das [X.] mache sich den nichtigen Widerspruchsbescheid und die unwirksame Nichtabhilfeentscheidung zu eigen und beeinträchtige dadurch seinen - des Antragstellers - beruflichen Leumund und seine richterliche Unabhängigkeit.

6

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des [X.] - [X.] für [X.] - vom 17. Oktober 2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Aufnahme des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2005 mit dem [X.] vom 11. Oktober 2005 in die Personalakte, das Belassen der Beurteilung vom 18. Juli 2005 in der Personalakte ohne Streichung der benannten Textstellen und das Belassen des Vermerks vom 25. Juli 2005 in der Personalakte ohne Streichung der benannten Textstellen unzulässig ist.

7

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

9

Die gemäß § 45 Abs. 2 Sächs[X.]iG, § 80 Abs. 2 D[X.]iG zulässige [X.]evision des Antragstellers ist unbegründet.

I.

Das [X.] für [X.] ist zu [X.]echt davon ausgegangen, dass es sich bei der Aufnahme des Widerspruchsbescheids mit dem [X.] in die Personalakte und dem Belassen der dienstlichen Beurteilung sowie des Vermerks in der Personalakte jeweils ohne Streichung der vom Antragsteller benannten Textstellen nicht um Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 D[X.]iG handelt. Das [X.] gibt zu einer abweichenden Bewertung keine Veranlassung.

1. Nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG entscheidet auf Antrag des [X.]s ein Gericht, wenn dieser behauptet, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt.

Danach setzt ein Antrag nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG voraus, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht tatsächlich vorliegt. Die Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit muss der [X.] nachvollziehbar darlegen ([X.], Urteile vom 14. Februar 2013 - [X.], NJW-[X.][X.] 2013, 1215 [X.]n. 16, vom 3. Dezember 2014 - [X.]([X.]) 2/14, NJW 2015, 1250 [X.]n. 23 und vom 12. Oktober 2016 - [X.]([X.]) 6/13, NJW-[X.][X.] 2017, 763 [X.]n. 13).

Die Überprüfung einer Maßnahme der Dienstaufsicht ist nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG darauf beschränkt, ob sie in die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG eingreift. Die [X.]dienstgerichte befinden nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG nicht darüber, ob eine Maßnahme aus anderen Gründen rechtswidrig und damit unzulässig ist ([X.], Urteile vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96, D[X.] 1997, 467, 468 und vom 12. Oktober 2016 - [X.]([X.]) 6/13, NJW-[X.][X.] 2017, 763 [X.]n. 14).

Der Begriff der Maßnahme der Dienstaufsicht ist entsprechend dem auf einen umfassenden [X.]echtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 D[X.]iG weit auszulegen. Erforderlich, zugleich aber ausreichend ist, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten [X.] oder eine bestimmte Gruppe von [X.]n wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem [X.] oder bestimmten [X.]n gekommen ist bzw. ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines [X.]s besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer [X.] befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser [X.] in bestimmter [X.]ichtung auszuwirken (st. [X.]spr.; [X.], Urteile vom 14. Februar 2013 - [X.], NJW-[X.][X.] 2013, 1215 [X.]n. 17, vom 13. Februar 2014 - [X.]([X.]) 5/13, NJW-[X.][X.] 2014, 702 [X.]n. 20, vom 3. Dezember 2014 - [X.]([X.]) 2/14, NJW 2015, 1250 [X.]n. 23, vom 4. März 2015 - [X.]([X.]) 4/14, NVwZ-[X.][X.] 2015, 826 [X.]n. 14 und vom 12. Oktober 2016 - [X.]([X.]) 6/13, NJW-[X.][X.] 2017, 763 [X.]n. 16).

Der Begriff der Maßnahme der Dienstaufsicht umfasst nicht nur unmittelbare Eingriffe, sondern auch alle Einflussnahmen einer für die Dienstaufsicht in Betracht kommenden Stelle, die sich auf die Tätigkeit des [X.]s nur mittelbar auswirken oder darauf abzielen ([X.], Urteile vom 16. November 1990 - [X.] 2/90, [X.]Z 113, 36, 38, vom 20. Januar 2011 - [X.]([X.]) 1/10, NJW-[X.][X.] 2011, 700 [X.]n. 14, vom 12. Mai 2011 - [X.]([X.]) 4/09, juris [X.]n. 19 und vom 12. Oktober 2016 - [X.]([X.]) 6/13, NJW-[X.][X.] 2017, 763 [X.]n. 17).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind weder die Aufnahme des Widerspruchsbescheids mit dem [X.] in die Personalakte noch das Belassen der dienstlichen Beurteilung in der Personalakte ohne Streichung der vom Antragsteller benannten Textstellen und das Belassen des Vermerks in der Personalakte ohne Streichung der benannten Textstellen Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 D[X.]iG.

Bei den tatsächlichen Vorgängen der Aufnahme sowie des [X.] der in [X.]ede stehenden Schriftstücke in die Personalakte als solchen handelt es sich, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, nicht um Stellungnahmen zu einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten des Antragstellers und es fehlt auch an einer Eignung, auf dessen künftige Tätigkeit Einfluss zu nehmen. Mit der Aufnahme und dem unveränderten Belassen von Dokumenten in der Personalakte als solchem bringt der Dienstherr keine Bewertung des Verhaltens des Antragstellers zum Ausdruck. Die in [X.]ede stehenden Verhaltensweisen der Aufnahme bzw. des [X.] befassen sich weder selbst kritisch mit dem Verhalten des Antragstellers noch sind sie geeignet, auf seine künftige richterliche Tätigkeit Einfluss zu nehmen.

Soweit das [X.] des [X.] in einem Prüfungsverfahren angenommen hat, dass der [X.] einen Anspruch auf Entfernung der [X.] zu einer rechtskräftig für unzulässig erklärten dienstlichen Beurteilung aus seinen Personalakten hat ([X.], Urteil vom 23. August 1985 - [X.]([X.]) 10/84, [X.]Z 95, 313, 324), beruht dies auf einem weitergehenden, inzwischen aufgegebenen Verständnis des Begriffs der Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 D[X.]iG ([X.], Urteil vom 12. Oktober 2016 - [X.]([X.]) 6/13, NJW-[X.][X.] 2017, 763 [X.]n. 21).

II.

Entgegen der [X.]echtsauffassung des Antragstellers erfasst sein in der mündlichen Verhandlung beim [X.] für [X.] gestellter Antrag nicht auch die Feststellung der Unzulässigkeit der Anlassbeurteilung, des Vermerks hierzu, des [X.]s und des [X.]. Der im Tatbestand des Urteils der Vorinstanz zutreffend referierte Antrag ("festzustellen, dass die Aufnahme des…in die Personalakte durch den Antragsgegner unzulässig ist sowie das Belassen der…in der Personalakte…unzulässig ist sowie das Belassen des…in der Personalakte…unzulässig ist") ist eindeutig auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Aufnahme und des [X.] der genannten Dokumente in die Personalakte beschränkt und einer erweiternden Auslegung weder bedürftig noch zugänglich. Eine Änderung des Streitgegenstandes im [X.]evisionsverfahren wäre unzulässig.

III.

[X.]     

  

     Prof. [X.]     

  

Dr. Menges

  

[X.] am BVerwG
Dr. von der Weiden ist
krankheitsbedingt verhindert,
seine Unterschrift beizufügen

  

Dr. Eppelt     

  

  

[X.]

  

  

  

Meta

RiZ (R) 1/20

26.10.2022

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend LG Leipzig, 17. Oktober 2019, Az: 66 DG 5/16

Art 97 Abs 1 GG, § 26 Abs 3 DRiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2022, Az. RiZ (R) 1/20 (REWIS RS 2022, 8001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8001

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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