Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.10.2016, Az. RiZ (R) 6/13

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2016, 4153

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Gegenstand

Maßnahme der richterlichen Dienstaufsicht: Weitergabe eines Vorhalts mit Ermahnung an die nachgeordneten Dienstvorgesetzten


Leitsatz

Bei der schlichten Weitergabe eines Vorhalts mit Ermahnung an die nachgeordneten Dienstvorgesetzten zum Zwecke der Kenntnisnahme und Zustellung an den ermahnten Richter, mit der der Dienstherr keine erneute, über den Vorhalt mit Ermahnung hinausgehende Bewertung des Verhaltens des Richters zum Ausdruck bringt, handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Dienstaufsicht.

Tenor

Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichts für [X.] bei dem [X.] vom 18. April 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob der Antragsteller durch die Weitergabe eines vom [X.] (künftig: [X.]) ausgesprochenen, später vom [X.] für [X.] für unzulässig angesehenen [X.] mit Ermahnung an den Präsidenten des [X.] und die Präsidentin des [X.] zum Zwecke der Kenntnisnahme und Zustellung an den Antragsteller sowie den Verbleib des [X.] mit Ermahnung in den bei diesen Gerichten geführten Akten in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt ist.

2

Der Antragsteller steht als Vorsitzender [X.] am Verwaltungsgericht im Dienst des Antragsgegners. [X.] nahm er in seine beim [X.] geführte Personalakte Einsicht. In einem Schreiben an das [X.] beanstandete er in mehrfacher Hinsicht die Führung seiner Personalakte. Wegen der Wortwahl des Antragstellers leitete das [X.] gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren ein und "zog dieses an sich". Das [X.] stellte das Disziplinarverfahren wieder ein, nachdem der Antragsteller bekundet hatte, nicht beabsichtigt zu haben, den handelnden Personen einen persönlichen Vorwurf zu machen oder diese zu beleidigen. Wegen der Äußerungen sprach das [X.] aber einen Vorhalt mit Ermahnung aus. Einstellungsverfügung und Vorhalt mit Ermahnung wurden an den Präsidenten des [X.] und anschließend an die Präsidentin des [X.] zur Aushändigung an den Antragsteller übersandt.

3

Im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach § 34 Nr. 4 Buchst. [X.] hat der Antragsteller - soweit hier noch von Bedeutung - vor dem [X.] für [X.] beantragt,

die Erteilung eines [X.] mit Ermahnung des Sächsischen [X.]s der Justiz und für Europa vom 9. September 2010 für unzulässig zu erklären,

die Weitergabe des [X.] mit Ermahnung des Sächsischen [X.]s der Justiz und für Europa vom 9. September 2010 durch den Antragsgegner an den Präsidenten des Sächsischen [X.] und an die Präsidentin des [X.] zum Zwecke der Kenntnisnahme und Zustellung gegen [X.] für unzulässig zu erklären und

den Antragsgegner zu verpflichten, den Vorhalt mit Ermahnung einschließlich vorhandener Kopien zurückzuverlangen und zu vernichten.

4

Das [X.] für [X.] hat im Rahmen des Verfahrens nach § 34 Nr. 4 Buchst. [X.] festgestellt, dass die Erteilung des [X.] mit Ermahnung des [X.]s vom 9. September 2010 an den Antragsteller unzulässig war. Im Übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen. Insoweit hat es zur Begründung ausgeführt:

5

Bei der Weitergabe des [X.] mit Ermahnung handele es sich nicht um eine Maßnahme der Dienstaufsicht. Die Weitergabe sei keine über den Inhalt der weitergegebenen Verfügung hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Antragstellers. Dementsprechend sei auch eine Entscheidung über den Annexantrag ausgeschlossen.

6

Dagegen richtet sich die Revision des Antragstellers, zu deren Begründung er vorträgt: Durch die Bekanntgabe des vom [X.] rechtskräftig als unzulässig bewerteten [X.] mit Ermahnung an das Oberverwaltungsgericht und das Verwaltungsgericht und die Aufnahme in die dort jeweils geführte Personalakte sei der Eindruck einer abgeschlossenen Maßnahme erweckt und der Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit weiter vertieft worden. Die Befugnis, eine Maßnahme der Dienstaufsicht für unzulässig zu erklären, schließe es als Annex ein, die betreffende Stelle zu verpflichten, die im Zuge der unzulässigen Maßnahme entstandenen Vorgänge zu entfernen.

7

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des [X.] - [X.] für [X.] - vom 18. April 2013 unter Ziffer 3 aufzuheben und die Weitergabe des [X.] mit Ermahnung des Sächsischen [X.]s der Justiz und für Europa vom 9. September 2010 durch das [X.] an den Präsidenten des Sächsischen [X.] und an die Präsidentin des [X.] zum Zwecke der Kenntnisnahme und Zustellung gegen [X.] für unzulässig zu erklären sowie den Antragsgegner zu verpflichten, diese Unterlagen sowie vorhandene Kopien zurückzuverlangen und zu vernichten.

8

Der Antragsgegner stellt keinen Antrag.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

Die nach § 79 Abs. 2, § 78 Nr. 4 Buchst. e und § 80 Abs. 2 D[X.]iG sowie § 45 Abs. 2 Sächs[X.]iG zulässige [X.]evision des Antragstellers ist unbegründet.

I. Das Dienstgericht für [X.] ist zu [X.]echt davon ausgegangen, dass es sich bei der Weitergabe des [X.] mit Ermahnung an den Präsidenten des [X.] und nachfolgend an die Präsidentin des [X.] und dem Verbleiben dieses [X.] mit Ermahnung in den beim [X.] sowie beim Verwaltungsgericht geführten Akten nicht um Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 D[X.]iG handelt.

1. Nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG entscheidet auf Antrag des [X.]s ein Gericht, wenn dieser behauptet, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt.

Danach setzt ein Antrag nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG voraus, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht tatsächlich vorliegt. Die Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit muss der [X.] nachvollziehbar darlegen ([X.], Urteile vom 14. Februar 2013 - [X.], NJW-[X.][X.] 2013, 1215 [X.]n. 16 und vom 3. Dezember 2014 - [X.]([X.]) 2/14, NJW 2015, 1250 [X.]n. 23).

Die Überprüfung einer Maßnahme der Dienstaufsicht ist nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG darauf beschränkt, ob sie in die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG eingreift. Die [X.]dienstgerichte befinden nach § 26 Abs. 3 D[X.]iG nicht darüber, ob eine Maßnahme aus anderen Gründen rechtswidrig und damit unzulässig ist ([X.], Urteil vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96, D[X.] 1997, 467, 468).

Unerheblich ist, dass das vom Antragsteller beanstandete Verhalten des Antragsgegners nicht die richterliche Tätigkeit des Antragstellers betrifft. Handlungen des Dienstherrn unterliegen der Nachprüfung durch das [X.]dienstgericht im [X.]ahmen des § 26 Abs. 3 D[X.]iG auch dann, wenn sie die nichtrichterliche Tätigkeit oder das außerdienstliche Verhalten eines [X.]s zum Gegenstand haben ([X.], Urteil vom 31. Januar 1984 - [X.]([X.]) 4/83, [X.]Z 90, 34, 37).

Der Begriff der Maßnahme der Dienstaufsicht ist entsprechend dem auf einen umfassenden [X.]echtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 D[X.]iG weit auszulegen. Erforderlich, zugleich aber ausreichend ist, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten [X.] oder eine bestimmte Gruppe von [X.]n wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem [X.] oder bestimmten [X.]n gekommen ist bzw. ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines [X.]s besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer [X.] befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser [X.] in bestimmter [X.]ichtung auszuwirken (st.[X.]spr.; [X.], Urteile vom 14. Februar 2013 - [X.], NJW-[X.][X.] 2013, 1215 [X.]n. 17, vom 13. Februar 2014 - [X.]([X.]) 5/13, NJW-[X.][X.] 2014, 702 [X.]n. 20, vom 3. Dezember 2014 - [X.]([X.]) 2/14, NJW 2015, 1250 [X.]n. 23 und vom 4. März 2015 - [X.]([X.]) 4/14, NVwZ-[X.][X.] 2015, 826 [X.]n. 14).

Der Begriff der Maßnahme der Dienstaufsicht umfasst nicht nur unmittelbare Eingriffe, sondern auch alle Einflussnahmen einer für die Dienstaufsicht in Betracht kommenden Stelle, die sich auf die Tätigkeit des [X.]s nur mittelbar auswirken oder darauf abzielen ([X.], Urteile vom 16. November 1990 - [X.] 2/90, [X.]Z 113, 36, 38, vom 20. Januar 2011 - [X.]([X.]) 1/10, NJW-[X.][X.] 2011, 700 [X.]n. 14 und vom 12. Mai 2011 - [X.]([X.]) 4/09, juris [X.]n. 19).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Weitergabe des [X.] mit Ermahnung des Staatsministeriums an den Präsidenten des [X.] und nachfolgend an die Präsidentin des [X.] zum Zwecke der Kenntnisnahme und Zustellung an den Antragsteller gegen [X.] nicht um eine Maßnahme der Dienstaufsicht. Die Weitergabe als solche ist weder als Stellungnahme zu einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten des Antragstellers anzusehen noch ist sie geeignet, auf seine künftige Tätigkeit Einfluss zu nehmen.

Der Vorhalt mit Ermahnung als solcher ist eine Maßnahme der Dienstaufsicht. Mit der schlichten Weitergabe des [X.], die hier allein noch Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, bringt der Dienstherr aber keine Bewertung des Verhaltens des Antragstellers zum Ausdruck, die über den Inhalt der Verfügung hinausgeht. Es handelt sich nicht um eine erneute Beurteilung des Verhaltens des Antragstellers gegenüber anderen Bediensteten seines Dienstherrn mit dem Ziel, den Antragsteller zukünftig zu einer größeren Zurückhaltung zu bewegen.

3. Auch die Aufnahme des [X.] mit Ermahnung in die bei dem [X.] und dem Verwaltungsgericht geführten Akten ist keine Maßnahme der Dienstaufsicht. Auch dies ist nicht Ausfluss einer erneuten kritischen Bewertung des Verhaltens des Antragstellers.

Soweit das Dienstgericht des [X.] in einem Prüfungsverfahren angenommen hat, dass der [X.] einen Anspruch auf Entfernung der [X.] zu einer rechtskräftig für unzulässig erklärten dienstlichen Beurteilung aus seinen Personalakten hat ([X.], Urteil vom 23. August 1985 - [X.]([X.]) 10/84, [X.]Z 95, 313, 324), beruht dies auf einem weitergehenden, inzwischen aufgegebenen Verständnis des Begriffs der Maßnahme der Dienstaufsicht [X.]. § 26 Abs. 3 D[X.]iG.

Bergmann      

        

Drescher      

        

Menges

        

Heitz      

        

Hartung      

        

Meta

RiZ (R) 6/13

12.10.2016

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Sächsisches Dienstgericht für Richter, 18. April 2013, Az: 66 DG 9/10

§ 26 Abs 3 DRiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.10.2016, Az. RiZ (R) 6/13 (REWIS RS 2016, 4153)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4153

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