Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2010, Az. B 5 R 232/10 B

5. Senat | REWIS RS 2010, 3020

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Gegenstand

Ordnungsgemäße Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Prozessbevollmächtigten


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung ist Beschwerde zum [X.] eingelegt worden. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel geltend gemacht.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

4

           

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]),

        

-       

das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

        

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

        

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.] zu verwerfen.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Soweit - wie vorliegend - Verstöße gegen die tatrichterliche [X.] und Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können ([X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, [X.], 2009, § 160a [X.]). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

8

Der Kläger behauptet, er habe "in den Vorinstanzen zur Stützung seines Begehrens Beweisanträge gestellt, sein chronisches Leiden als bestehend anzuerkennen und hierfür Bescheinigungen des Hausarztes, Dr. M., vorgelegt" (Seite 2). Damit bezeichnet er keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Denn im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich ein Beweisantrag möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Ein Antrag, der lediglich zum Ziel hat, ein chronisches Leiden als bestehend anzuerkennen, erfüllt diese Anforderungen nicht. Der Kläger gibt im Übrigen weder eine Fundstelle für seine behaupteten Beweisanträge an noch behauptet er wenigstens, diese Anträge am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] aufrechterhalten zu haben. Mit dem Einwand, das Gericht habe den [X.] an [X.] zu Unrecht widerrufen (Seite 3), zeigt der Kläger nicht auf, überhaupt einen entsprechenden Beweisantrag gestellt zu haben.

9

Soweit der Kläger mit dem Vortrag, er habe "mehrfach darauf hingewiesen, dass das Verfahren zügiger als geschehen zu betreiben sei, damit nicht noch vor einer erstinstanzlichen Entscheidung der Beginn des [X.] einsetze" (Seite 3), eine überlange Verfahrensdauer rügen und damit einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention ([X.]) geltend machen will, fehlt es an ausreichenden Darlegungen. Hierfür hätte der Kläger den Ablauf des gesamten Verfahrens schildern und aufzeigen müssen, woraus er folgert, dass das Gericht das Verfahren nicht in zügiger Weise gefördert hat. Zu diesem Zweck hätte er darlegen müssen, wann das Verfahren begonnen hat und dass weder rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten des Verfahrens noch sein Verhalten oder eine besondere Bedeutung der Rechtssache zu der Verzögerung geführt haben ([X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]1 Rd[X.]9). Im Übrigen hat es der Kläger auch versäumt aufzuzeigen, dass die angefochtene Entscheidung auf dem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann (vgl [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]8; [X.] Beschluss vom 19.2.2008 - B 13 R 391/07 B - Juris Rd[X.]3).

Soweit die Beschwerdebegründung schließlich auf den [X.] als Ausschlussgrund für Leistungen zur Teilhabe eingeht (§ 12 Abs 1 [X.] SGB VI) und den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in Frage stellt, rügt sie nicht die verfahrensfehlerhafte Erarbeitung des maßgeblichen Prozessstoffs, sondern eine unrichtige Entscheidung in der Sache. Auf die vermeintliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nach § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.] nicht gestützt werden.

Das Schreiben des [X.] vom [X.], das der Prozessbevollmächtigte "auf ausdrücklichen Wunsch des [X.]" mit Schriftsatz vom [X.] nachgereicht hat, konnte bei der Beschwerdeentscheidung nicht berücksichtigt werden. Denn das gesetzliche Erfordernis, eine Nichtzulassungsbeschwerde durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten zu begründen (§ 73 Abs 4 Satz 1 [X.]), soll bewirken, dass dieser die Rechtslage im Hinblick auf die drei Gründe, auf die die Zulassung einer Revision allein gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.]), genau durchdenkt, ggf von der Durchführung aussichtsloser Beschwerden absieht und andernfalls durch eine klare Darstellung, welcher Zulassungsgrund aus welchen Gründen als vorliegend angesehen wird, die Entscheidungsfindung des Gerichts erleichtert ([X.] [X.] 3-1500 § 166 [X.]). Die nach § 160a Abs 2 [X.] erforderliche Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss das Ergebnis der geistigen Arbeit des zugelassenen Prozessbevollmächtigten sein, für die er mit seiner Unterschrift die volle Verantwortung übernimmt, und dies aus sich heraus erkennen lassen. Die bloße Vorlage eines von dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt unterzeichneten, sonst aber unveränderten Schriftsatzes des Beteiligten selbst stellt dann keine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung dar, wenn der Rechtsanwalt die Durchsicht, Sichtung und Gliederung des [X.] unterlassen hat (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Erfordernisses: [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]2 S 23). So liegt der Fall hier.

Der Kläger hat das fünfseitige Schreiben vom [X.], das er in der [X.] verfasst und an den Prozessbevollmächtigten gerichtet hat, selbst entworfen und geschrieben. Sein Prozessbevollmächtigter hat zwar die letzte Seite unterschrieben, im Begleitschreiben vom [X.] indessen distanzierend mitgeteilt, dass die Einreichung des Schreibens "auf ausdrücklichen Wunsch des [X.]" erfolge. Dass der zugelassene Prozessbevollmächtigte den Inhalt des Schreibens im Hinblick auf die Nichtzulassungsbeschwerde geprüft hat, ergibt sich hieraus gerade nicht. Hinzu kommt, dass das unübersichtliche und in großen Teilen beschwerderechtlich offensichtlich unerhebliche Vorbringen des [X.] nicht erkennen lässt, dass es sich in [X.] Weise mit den [X.] in Bezug auf das angefochtene Urteil auseinander setzt. Aus diesen Gründen und angesichts der distanzierenden Erklärung des Prozessbevollmächtigten muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass dieser die angefertigte Beschwerde ungeprüft unterschrieben hat, ohne hierfür die volle Verantwortung übernehmen zu wollen. Mit der Weiterleitung der vom Kläger entworfenen und geschriebenen Beschwerdebegründung in unveränderter Fassung hat der Prozessbevollmächtigte es dem Gericht überlassen, das zur ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung Erforderliche herauszufiltern, was indessen gerade nicht Sache des [X.], sondern der rechtskundigen Prozessbevollmächtigten ist ([X.] [X.] 3-1500 § 166 [X.]; BVerwG [X.] 310 § 139 VwGO [X.]8).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 5 R 232/10 B

27.09.2010

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Düsseldorf, 7. Januar 2009, Az: S 26 R 318/06, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2010, Az. B 5 R 232/10 B (REWIS RS 2010, 3020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3020

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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