Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2004, Az. IX ZR 108/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 301

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 9. Dezember 2004 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja

[X.] § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, § 129 Abs. 1, § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
a) Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwal-ter Verträgen des Schuldners über die Erfüllung von Altverbindlichkeiten vorbehaltlos zu, die im Zusammenhang stehen mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertrags-partners, begründet dies für diesen grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den der Verwalter bei Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr [X.] kann (Ergänzung zu [X.] 154, 190).
b) Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwal-ter einer Rechtshandlung des Schuldners zu, durch die gesetzliche Ansprüche oder Altverbindlichkeiten erfüllt werden, ohne daß dies mit einer noch zu erbringenden eige-nen Leistung in Zusammenhang steht, kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllungshandlung nach den Regeln der Deckungsanfechtung anfechten (Ergänzung zu [X.] 154, 190).
[X.], Urteil vom 9. Dezember 2004 - [X.] - OLG Stuttgart

LG Hechingen - 2 - Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2004 durch [X.] [X.], [X.] Ganter, [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Stuttgart vom 20. April 2004 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf eigenen Antrag vom 28. Februar 2003 am 1. Mai 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Diese kam seit Januar 2003 ihren Pflichten zur Lohnzahlung und ihren Beitragsverpflichtungen gegenüber der verklagten [X.] nicht nach. Am 28. Februar 2003 be-stellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete unter anderem an, daß Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit [X.] Zustimmung wirksam seien.

Mit Schreiben vom 9. April 2003 kündigte der Kläger unter Hinweis auf das laufende Insolvenzeröffnungsverfahren der Beklagten gegenüber an, daß er, um Zurückbehaltungsrechte der Arbeitnehmer abzuwenden, der [X.] - lung der Nettolöhne für den Monat Januar 2003 durch die Schuldnerin zustim-men werde, nicht jedoch einer Auszahlung der hierauf entfallenden Sozialver-sicherungsbeiträge. Die Beklagte sah in der Auszahlung der Nettolöhne unter gleichzeitiger Vorenthaltung der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbei-träge ein strafrechtlich relevantes Verhalten des [X.] und kündigte an, Strafanzeige wegen Verstoßes gegen § 266a StGB zu erstatten. Zur [X.] stimmte der Kläger unter dem Vorbehalt der Anfechtung und Rückforderung der Auszahlung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversi-cherungsbeiträge durch die Schuldnerin für Januar 2003 von insgesamt 5.830,27 • zu. Die Schuldnerin überwies den Betrag am 17. April 2003 auf ein Konto der Beklagten.

Der Kläger hat die an die Beklagte geleistete Zahlung aufgrund des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] angefochten. Die Vorinstanzen haben der [X.] stattgegeben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist unbegründet.

[X.]

1. Die Überweisung der Schuldnerin vom 17. April 2003 erfüllt die [X.] einer nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] anfechtbaren Rechtshandlung. - 4 - Sie fällt in den Zeitraum nach dem Insolvenzantrag; der Beklagten war dieser Antrag aus dem Schreiben des [X.] vom 9. April 2003 bekannt.

2. Eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 [X.] ist ebenfalls gegeben. Auch den auf die Arbeitnehmerbeiträge entfallenden Teil der [X.] leistet der Arbeitgeber aus seinem Vermögen. Das [X.] an der Abführung der Beiträge begründet keine in der Insolvenz des Arbeitgebers geschützte Rechtsposition ([X.] 149, 100, 105 f; Urt. v. 10. Juli 2003 [X.], [X.], 1666, 1667). [X.] hat der [X.] für die von den Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer an-genommen ([X.], Urt. v. 22. Januar 2004 [X.], [X.], 513, 517). Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision nicht nur für den Zeitraum, in dem sich der Sozialversicherungsträger über die Zahlung des [X.] schadlos halten kann, sondern ganz allgemein (vgl. [X.] 149, 100, 107).

I[X.]

Der Kläger ist nicht daran gehindert, die Rückzahlung der am 17. April 2003 von der Schuldnerin erbrachten Sozialversicherungsbeiträge zu [X.], obwohl er der Erfüllungshandlung als damaliger vorläufiger Insolvenzver-walter zugestimmt hat.

1. Unter der Geltung der Konkursordnung entsprach es der ständigen Rechtsprechung des [X.], daß der Konkursverwalter grund-sätzlich Rechtshandlungen anfechten konnte, die er selbst in seiner Eigen-schaft als [X.] vorgenommen hatte ([X.] 86, 190, 195 f; 97, 87, 91; - 5 - 118, 374, 380 f; [X.], Urt. v. 11. Juni 1992 - [X.], [X.], 1008, 1009). Konkursverwalter und [X.] konnten von ihrer Funktion her nicht gleichgestellt werden. Die umfassenden Verwaltungs- und [X.] standen dem [X.] nicht zu. Seine Aufgabe beschränkte sich darauf, die zur Sicherung und Erhalt der zukünftigen [X.] notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Rechtshandlungen des [X.]s erfolgten vor Konkurseröffnung; sie waren dem Gemeinschuldner zuzurechnen und schon deshalb regelmäßig in gleicher [X.]e anfechtbar (vgl. [X.], Urt. v. 11. Juni 1992, [X.]O S. 1009).

2. Im Anschluß an diese Rechtsprechung besteht auch heute im Grund-satz Einigkeit darüber, daß der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen nach den Vorschriften der §§ 130, 131 [X.] anfechten kann, an denen er selbst als vorläufiger Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungs- und [X.] beteiligt war (Braun/de Bra, [X.] 2. Aufl. § 129 Rn. 21; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 129 Rn. 30; [X.]/[X.], [X.] Bd. I § 22 Rn. 230 f; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 129 Rn. 46; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] § 129 Rn. 45; [X.], in: [X.], [X.] § 129 Rn. 17; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 129 Rn. 39 f; [X.]/[X.], [X.] § 129 Rn. 24; vgl. OLG Celle [X.], 412, 413).

a) Wie der [X.] bereits entschieden hat, betrifft § 55 Abs. 2 [X.] ausschließlich Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzver-walters, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist; die Vorschrift ist dagegen weder unmittelbar noch entspre-chend auf Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne be-gleitendes allgemeines Verfügungsverbot anzuwenden ([X.] 151, 353, 358, - 6 - 363). Führt seine Mitwirkung an Schuldnerhandlungen nicht analog § 55 Abs. 2 [X.] zu einer Masseschuld, ist seine Stellung der des Insolvenzverwalters nicht derart angenähert, daß eine Anfechtung seiner Rechtshandlungen von vornherein ausscheidet.

Ob das für Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot auch insoweit gelten kann, als er durch wirksame Einzelermächtigung berechtigt ist, [X.] zu begründen (vgl. [X.] 151, 353, 366 f), kann offenbleiben (vgl. hierzu HK-[X.]/[X.], [X.]O § 129 Rn. 31). Dem Kläger waren zwar Einzelermächtigun-gen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten unter anderem für [X.] und [X.] erteilt worden, nicht jedoch für den Regelungsbereich der hier streitigen Arbeitsverhältnisse.

b) Im Schrifttum wird teilweise erwogen, die grundsätzliche Anfechtbar-keit von Erfüllungshandlungen des Schuldners einzuschränken, wenn der [X.] Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt der Rechtshandlung zu-vor zugestimmt hat (vgl. Ganter, Festschrift für Walter [X.] 2004 S. 237, 242-245; [X.], Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 14.102; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 129 Rn. 45). Der [X.] hat diese Frage in seiner grundlegenden Entscheidung vom 13. März 2003 ([X.] 154, 190, 193) offengelassen, weil nach seiner Auffassung, die in die-sem Punkt allerdings Kritik erfahren hat (vgl. de Bra LMK 2003, 135; [X.]/ [X.] [X.] 2003, 494, 495; [X.]/Schirrmeister [X.] 2003, 294), jedenfalls die der Erfüllungshandlung zugrundeliegende schuldrechtliche [X.], daß der Vertragspartner bei Erbringung der (Neu-)Leistung auch die [X.] erhalte, gemäß § 132 Abs. 1 Nr. 2 [X.] wegen unmit-- 7 - telbarer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger anfechtbar sei ([X.] 154, 190, 194).

c) Im Streitfall fehlt es an einer der Zahlung zugrundeliegenden schuld-rechtlichen Abrede zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, die als unmit-telbar nachteilige Rechtshandlung nach § 132 [X.] anfechtbar sein könnte. Deshalb wird die Streitfrage erheblich, ob die Schuldtilgung allein deshalb un-anfechtbar ist, weil der Kläger ihr als vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hat. Der [X.] beantwortet sie dahin, daß die Anfechtung auch in diesem Fall nur ausgeschlossen ist, wenn der spätere Insolvenzverwalter durch sein [X.] einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand beim Empfänger begründet hat und dieser infolgedessen nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) damit [X.] durfte, ein nicht mehr entziehbares Recht errungen zu haben (vgl. [X.] 118, 374, 381 f; 154, 190, 199).

[X.]) In dem Urteil vom 13. März 2003 ([X.] 154, 190, 193) werden die Gründe, aus denen die Grundsätze zur Anfechtbarkeit von [X.]handlun-gen nicht unbesehen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verfügungsbefugnis übertragen werden können, angesprochen: Der Zustim-mungsvorbehalt solle zwar die künftige Insolvenzmasse schützen, nicht aber zugleich das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit von Zustimmungen eines derart ausgestatteten vorläufigen Verwalters erschüttern. Stimme der vorläufige Insolvenzverwalter einer Verfügung des Schuldners zu, dürfe der Geschäftspartner möglicherweise darauf vertrauen, daß eine bloß mittelbare, im Zeitpunkt der Verfügung vielleicht noch nicht erkennbare Gläubi-gerbenachteiligung nicht zur Anfechtung führe.
- 8 - Der [X.] hat durch diesen Hinweis auf die Gefahr eines [X.], den es zu meiden gilt, aufmerksam gemacht. Könnte ein vorläufiger Verwalter, der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]) und der einer Erfüllungshandlung des [X.] zugestimmt hat, nach der Insolvenzeröffnung und seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter mit Erfolg die Anfechtung erklären, so wäre für den [X.] die Zustimmung des vorläufigen Verwalters zur Leistung des Schuldners letztlich wertlos. Die Voraussetzungen der Deckungsanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] wären in einem solchen Fall regelmäßig gegeben. Die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts, welche die weitere Teil-nahme des Schuldners am Rechts- und Geschäftsverkehr ermöglichen soll, könnte keine Wirkung entfalten. Dies würde sich insbesondere in den Fällen des beabsichtigten Erhalts des [X.] (§ 1 Satz 1 [X.]) ne-gativ auswirken. Denn der vorläufige Insolvenzverwalter wird die für die [X.] notwendigen Vertragspartner nur finden, wenn diese grundsätzlich darauf vertrauen können, daß die mit dem vorläufigen Verwalter getroffenen Vereinbarungen auch in der Insolvenz Bestand haben (näher [X.], [X.]O S. 243).

[X.]) Die deshalb nach Sinn und Zweck notwendige Einschränkung der Anfechtbarkeit von Erfüllungshandlungen erfordert es jedoch nicht, Handlun-gen zur Schuldtilgung generell der Deckungsanfechtung zu entziehen, wenn ihnen der vorläufige, mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete Insolvenzverwal-ter zuvor zugestimmt hat. Der von [X.] 154, 190, 194 angesprochene [X.] steht der Anfechtbarkeit vielmehr nur entgegen, wenn der [X.] auf die Rechtsbeständigkeit des Verhaltens des vorläufigen Verwalters tatsächlich vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist (vgl. - 9 - de Bra, [X.]O; [X.]/[X.], [X.]O S. 495; [X.]/Schirrmeister, [X.]O S. 294; vgl. auch Ganter, [X.]O S. 254).

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

(1) Stimmt der vorläufige Insolvenzverwalter, der mit der Rechtsstellung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 [X.] (Zustimmungsvorbehalt) ausgestattet ist, Verträgen des Schuldners vorbehaltlos zu, die dieser mit dem [X.] nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen schließt und in denen im Zu-sammenhang mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners Erfül-lungszusagen für Altverbindlichkeiten gegeben werden, begründet dies grund-sätzlich einen Vertrauenstatbestand, den er später bei der Vornahme der [X.] durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann. Dies gilt [X.] davon, ob er mit dem späteren Insolvenzverwalter personenidentisch ist oder nicht. Denn das von dem vorläufigen Insolvenzverwalter gesetzte [X.] knüpft typischerweise nicht an die bestellte Person, sondern an dessen Funktion an. Hat sich der vorläufige Verwalter die Rückforderung bei [X.] nicht vorbehalten, kann auch ein mit ihm nicht [X.] Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch nicht durchsetzen. Den genannten Fallgestaltungen ist gemeinsam, daß der Vertragspartner we-gen der Einbindung des vorläufigen Insolvenzverwalters in den Vertragsschluß keinen Grund hat, an der Endgültigkeit seines Erwerbs nur deshalb zu [X.], weil der vorläufige Insolvenzverwalter keine volle Verfügungsmacht (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.]), sondern nur [X.] (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]) hatte.
- 10 - Ließe man in diesen Fällen die Deckungsanfechtung zu, würde allein hierdurch die Fortführung des [X.] erschwert, vielfach so-gar unmöglich gemacht. Dies gefährdete in den Fällen wirtschaftlich sinnvoller Unternehmensfortführungen mittelbar die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger und stände deshalb in Widerspruch zu den Zielen des In-solvenzverfahrens (vgl. § 1 [X.]).

(2) Hat dagegen der vorläufige Insolvenzverwalter schon bei [X.] die beabsichtigte spätere Anfechtung der von ihm gebilligten oder als Stellvertreter des Schuldners selbst vorgenommenen Deckungshandlung an-gekündigt, hat er von vornherein keinen Vertrauenstatbestand gesetzt. Der Vertragspartner, der dennoch mit dem Schuldner Verträge schließt, geht [X.] das Risiko ein, daß diese in der Insolvenz keinen Bestand haben. Hierher gehören die vom [X.] schon entschiedenen Fallgestaltungen, in denen sich der Vertragspartner des Schuldners hinsichtlich seiner Altforderungen eine Be-vorzugung vor anderen Gläubigern verschaffen will, indem er es ausnutzt, daß der vorläufige Insolvenzverwalter dringend auf seine weiteren Leistungen an-gewiesen ist (vgl. [X.] 154 [X.]O; Urt. v. 13. März 2003 - [X.], [X.], 855, 856).

Wie zu entscheiden ist, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zunächst auf die spätere Rückforderung im Wege der Anfechtung pocht, im Laufe der Vertragsverhandlungen jedoch, um den Abschluß eines neuen Vertrages nicht zu gefährden, hierzu schweigt, bleibt offen.

(3) Stimmt der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete Insolvenzverwal-ter einer Erfüllungshandlung des Schuldners zu, die nicht im Zusammenhang - 11 - mit einem neuen Vertragsschluß steht, ist der Vertragspartner in aller Regel ebenfalls nicht schutzwürdig. Auch hier macht es keinen Unterschied, ob zwi-schen dem vorläufigen Verwalter und dem späteren Insolvenzverwalter Perso-nenidentität besteht oder nicht. Unerheblich ist auch, ob der Schuldner auf eine vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vertraglich begründete oder eine gesetzliche Schuld zahlt. Die Fallgestaltungen haben gemeinsam, daß der Gläubiger nach Antragstellung nur noch Zahlung verlangt, diese also von keiner eigenen Leistung an den Schuldner mehr abhängig ist. Damit ent-fällt der sachliche Grund, diese Erfüllungshandlungen des Schuldners gegen-über anderen Rechtshandlungen zu Lasten der Gläubigergesamtheit zu privi-legieren.

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung der Schuldnerin im Streitfall nicht der Deckungsanfechtung entzogen.

a) Die Beklagte durfte nicht damit rechnen, ein insolvenzbeständiges Recht errungen zu haben. Die Zustimmung des [X.] zur Auszahlung der rückständigen Arbeitnehmeranteile steht nicht im Zusammenhang mit einer Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, auf deren [X.] diese vertrauen durfte. Ihrem Schutzbedürfnis steht zudem der zuvor er-teilte Hinweis des [X.] auf die alsbaldige Anfechtung und Rückforderung entgegen. Die mit der erteilten Einwilligung verbundenen Vorbehalte beruhten auf der von der Beklagten gegen den Kläger angekündigten Strafanzeige, die ersichtlich als Druckmittel eingesetzt werden sollte. Entgegen der Auffassung der Revision steht dieser - auch nach Ablauf des durch das Insolvenzgeld ab-gedeckten Zeitraums - eine insolvenzrechtliche Bevorzugung nicht zu (vgl. - 12 - [X.] 149, 100, 107). Die Beklagte verfolgte deshalb mit ihrer Ankündigung das Ziel, eine insolvenzzweckwidrige Erfüllung ihrer Ansprüche zu erhalten.

b) Die von der Revision zur Überprüfung gestellten weiteren Gesichts-punkte stehen der Deckungsanfechtung durch den Kläger ebenfalls nicht ent-gegen.

[X.]) Der auf Rückgewähr in Anspruch genommene Gläubiger kann dem gegen ihn gerichteten Anfechtungsanspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Insolvenzverwalter hätte seine Zustimmung zu Erfüllungshandlungen ge-genüber anderen Gläubigern unterlassen oder jedenfalls erfolgversprechende [X.] auch gegen diese erheben müssen. Der Zusammenhang zwischen den [X.] und den Sozialversicherungsbeiträgen reicht hierfür nicht aus. Auch aus der grundrechtlichen Rechtsschutzgewährlei-stung im Sinne einer gleichen Befriedigungschance als Ausfluß der Art. 2, 14 GG in Verbindung mit Art. 3 GG, auf welche die Revision sich bezieht, ergibt sich hierfür nichts.

[X.]) Nichts anderes gilt für den Einwand der Revision, die Anfechtung erscheine auch deshalb als rechtsmißbräuchlich, weil der Kläger es der Schuldnerin durch seine Zustimmung zur Auszahlung der Nettolöhne ermög-licht habe, den Zugriff der Beklagten auf das Insolvenzgeld nach § 183 [X.] zu vereiteln. Dies könnte nur dann als arglistiges Verhalten zu werten sein, wenn das Insolvenzeröffnungsverfahren von dem Kläger bewußt hinausgezö-gert worden wäre, um die Beklagte zu schädigen. Dies hat das Berufungsge-richt verneint; hiergegen wendet sich die Revision nicht.
- 13 - [X.] Ganter [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 108/04

09.12.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2004, Az. IX ZR 108/04 (REWIS RS 2004, 301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 301

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