Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.03.2017, Az. II B 33/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 14785

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Gegenstand

Kein Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer wegen möglicher Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung - Aussetzung des Verfahrens - Verwirkung von Säumniszuschlägen


Leitsatz

1. Ein Klageverfahren, in dem der Kläger den Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung begehrt, ist nicht deshalb nach § 74 FGO auszusetzen, weil der BFH dem BVerfG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung ab 2008 vorgelegt hat.

2. Die beim BVerfG anhängigen Verfahren rechtfertigen keine AdV von Einheitswertbescheiden und damit auch keinen Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 16. März 2016  3 K 3271/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) errichtete im Jahr 1996 auf einem ihm gehörenden Grundstück in [X.] ein Gebäude, das vermietet ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) nahm daraufhin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 7. Dezember 2004 eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1997 vor und erließ einen entsprechenden Grundsteuermessbescheid und darauf beruhende Grundsteuerbescheide.

2

Da der Kläger die Grundsteuer wiederholt nicht bei Fälligkeit entrichtete, fielen Säumniszuschläge an. Anfang 2014 bestanden Forderungen des [X.] gegen den Kläger in Höhe von 19.740,92 € für Grundsteuer und von 10.601,74 € für Säumniszuschläge. Zum 31. August 2015 bestanden Rückstände in Höhe von 9.632,71 €, davon Säumniszuschläge in Höhe von 8.142,50 €.

3

Die Anträge des [X.], den Einheitswert auf den 1. Januar 2008 bzw. 1. Januar 2012 wegen Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung aufzuheben und Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu gewähren, lehnte das [X.] ab und wies die dagegen gerichteten Einsprüche zurück.

4

Die AdV-Anträge blieben beim Finanzgericht ([X.]) ebenfalls erfolglos. Das [X.] vertrat die Ansicht, das bei Gewährung von AdV nur wegen Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen gesetzlichen Regelung erforderliche besondere Aussetzungsinteresse liege nicht vor.

5

Das [X.] lehnte auch den Antrag des [X.] auf Stundung offener Grundsteuerbeträge ab, soweit nicht bereits Zahlungsverjährung eingetreten war.

6

Über die auf Aufhebung des [X.] zu den genannten Stichtagen gerichteten Klagen ist noch nicht entschieden. Das [X.] ordnete im Hinblick auf die [X.] des [X.] ([X.]) vom 22. Oktober 2014 II R 16/13 ([X.]E 247, 150, [X.], 957, Az. des [X.]: 1 BvL 11/14) und vom 17. Dezember 2014 II R 14/13 ([X.]/NV 2015, 475, Az. des [X.]: 1 BvL 1/15) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung die Aussetzung bzw. das Ruhen der Klageverfahren an.

7

Das [X.] lehnte den Antrag des [X.], ihm Säumniszuschläge in Höhe von 7.344 € gemäß Rückständeaufstellung vom 21. Juli 2014 zu erlassen, ebenfalls ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das [X.] führte aus, das Verfahren sei nicht bis zur Entscheidung des [X.] im Verfahren 1 BvL 1/15 auszusetzen. Das [X.] habe zutreffend angenommen, dass allein die beim [X.] anhängige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung keinen [X.] ergebe. Die Zahlungspflicht des [X.] sei durch die Ablehnung der AdV und der Stundung bestätigt worden. Die Säumniszuschläge wären gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung ([X.]) selbst dann nicht zu erlassen, wenn das [X.] die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung feststellen sollte.

8

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), die Erforderlichkeit einer Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) sowie Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) geltend.

9

Das [X.] hält die Beschwerde für unzulässig.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entspricht, liegen die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 [X.]O nicht vor.

1. Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) ist nicht deshalb gegeben, weil das [X.] das Verfahren nicht ausgesetzt, sondern in der Sache durch Urteil entschieden hat.

a) Unterlässt das [X.] eine gebotene Aussetzung des Verfahrens nach § 74 [X.]O, liegt darin ein Verfahrensfehler im Sinne eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens ([X.]-Urteil vom 16. Mai 2013 V R 23/12, [X.], 242, [X.], 325, Rz 16, m.w.[X.]). Voraussetzung für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 [X.]O ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Eine Abhängigkeit zwischen zwei anhängigen Verfahren in diesem Sinne besteht, wenn der Ausgang des einen (möglicherweise auszusetzenden) Rechtsstreits von dem anderen in der Sache beeinflusst werden kann ([X.]-Urteil in [X.], 242, [X.], 325, Rz 17).

Eine Aussetzung des Verfahrens kann entsprechend der Vorschrift des § 74 [X.]O geboten sein, wenn vor dem [X.] ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim [X.] anhängigen Verfahrens hat ([X.]-Urteil vom 5. Februar 2015 III R 19/14, [X.], 441, [X.], 840, Rz 27, m.w.[X.]). Dabei ist eine Aussetzung des Klageverfahrens wegen vor dem [X.] anhängiger Musterverfahren nur dann gerechtfertigt, wenn die Musterverfahren und das Klageverfahren hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Streitfrage im Wesentlichen gleichgelagert sind ([X.]-Urteil in [X.], 441, [X.], 840, Rz 27, m.w.[X.]).

b) Nach § 227 [X.] können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach der Lage des einzelnen Falls --aus persönlichen oder sachlichen [X.] unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen einschließlich der nach § 240 Abs. 1 [X.] entstehenden Säumniszuschläge ([X.]-Urteil vom 10. März 2016 III R 2/15, [X.], 12, [X.], 508, Rz 27).

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des [X.] gezahlt wird. Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 [X.] bleiben die verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben oder geändert wird. Diese Regelung gilt uneingeschränkt auch für die Beseitigung rechtswidriger Steuerfestsetzungen, da die Vollstreckbarkeit eines Steuerbescheids nicht von seiner Bestandskraft abhängt. Säumniszuschläge sind allerdings nicht verwirkt, soweit die Vollziehung des Steuerbescheids ausgesetzt ist ([X.]-Urteil in [X.], 12, [X.], 508, Rz 30).

Säumniszuschläge sind demgemäß wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung später aufgehoben wird und der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV des Steuerbescheids zu erreichen, das Finanzamt oder das [X.] aber die Aussetzung "obwohl möglich und geboten" abgelehnt hat. Ein Erlass kommt hingegen nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sich nicht um die AdV bemüht hat oder wenn die Vollziehung zu Recht nicht ausgesetzt worden ist, weil --z.B. in [X.] keine ernstlichen Zweifel bestanden und der Steuerbescheid erst aufgrund nachgereichter Steuererklärungen aufgehoben worden ist ([X.]-Urteil in [X.], 12, [X.], 508, Rz 31, m.w.[X.]).

c) Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 [X.]O sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Entscheidung über den vom Kläger mit der Klage begehrten Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer hängt nicht von der Entscheidung des [X.] in den Verfahren 1 BvL 11/14 und 1 [X.] über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung ab.

Die Voraussetzungen für einen Erlass der Säumniszuschläge wären selbst dann nicht erfüllt, wenn das [X.] in diesen Verfahren übereinstimmend mit der vom [X.] in den Beschlüssen in [X.]E 247, 150, [X.], 957 und in [X.]/NV 2015, 475 vertretenen Auffassung die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1. Januar 2008 für verfassungswidrig erklären sollte, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führt, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) nicht mehr vereinbar sind.

aa) Einer AdV des Einheitswertbescheids vom 7. Dezember 2004, mit dem das [X.] eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1997 vorgenommen hat und der als Grundlagenbescheid dem Grundsteuermessbescheid und mittelbar den [X.] zugrunde liegt (§ 13 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes --[X.]--, § 171 Abs. 10, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 182 [X.]), auf die vom Kläger genannten Stichtage (1. Januar 2008, hilfsweise 1. Januar 2012) steht zwar nicht entgegen, dass der Bescheid bestandskräftig wurde. Vorläufiger Rechtsschutz bei Ablehnung eines Begehrens auf Fortschreibung oder Aufhebung eines Einheitswerts auf einen späteren Stichtag wird im Wege der AdV (§ 361 [X.], § 69 [X.]O) gewährt ([X.]-Beschlüsse vom 10. April 1991 II B 66/89, [X.]E 164, 101, [X.] 1991, 549, und vom 24. April 1991 II B 185/90, [X.]/NV 1991, 697).

bb) Die AdV wurde zu Recht abgelehnt. Ihre Gewährung war nicht aufgrund der [X.]-Beschlüsse in [X.]E 247, 150, [X.], 957 und in [X.]/NV 2015, 475 geboten.

aaa) Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, hat das [X.] im Regelfall dessen Vollziehung auszusetzen oder im Falle eines bereits vollzogenen Verwaltungsakts die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Sätze 1 und 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

Beruhen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift, setzt die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung wegen des [X.] jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt ([X.]-Beschluss vom 15. Juni 2016 II B 91/15, [X.], 319, [X.], 846, Rz 10, m.w.[X.]).

Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an ([X.]-Beschluss in [X.], 319, [X.], 846, Rz 11, m.w.[X.]). Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des [X.] bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat ([X.]-Beschluss in [X.], 319, [X.], 846, Rz 11, m.w.[X.]). Die Kompetenz, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, steht nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das [X.] allein dem [X.] zu, das von dieser Möglichkeit nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe Gebrauch machen darf ([X.]-Beschluss vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, [X.]E 104, 23, 27 f.).

Eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung ist in diesen Fällen selbst bei schwerwiegenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der der Besteuerung zugrunde liegenden Vorschriften nicht geboten. Anders kann es sich nur verhalten, wenn die Rechtslage klar und eindeutig und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 319, [X.], 846, Rz 23, m.w.[X.]).

bbb) Die AdV des Einheitswertbescheids vom 7. Dezember 2004 auf die vom Kläger genannten Stichtage (1. Januar 2008, hilfsweise 1. Januar 2012) war danach trotz der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung an diesen Stichtagen nicht zu gewähren. Die AdV würde im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes, nämlich des [X.], und der Regelungen des Bewertungsgesetzes über die Einheitsbewertung führen. Diese Vorschriften sind formell verfassungsgemäß zustande gekommen und können daher bis zu einer Entscheidung des [X.] Geltung beanspruchen. Der Kläger hat kein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug dieser Vorschriften zukommt.

Am Vollzug der Vorschriften besteht wegen der Sicherung einer geordneten Haushaltsführung ein öffentliches Interesse. Das Aufkommen der Grundsteuer steht nach Art. 106 Abs. 6 GG den Gemeinden und den Ländern zu, in denen wie in [X.] keine Gemeinden bestehen. Eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Einheitswert-, Grundsteuermess- und Grundsteuerbescheide würde zu einer faktischen Außerkraftsetzung des [X.] und damit bei den Steuergläubigern zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe führen. Der vorläufige Rechtsschutz könnte nicht auf einzelne Steuerpflichtige oder Jahre beschränkt werden (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 319, [X.], 846, Rz 17). Er müsste vielmehr ab dem [X.] gewährt werden, soweit dem im Einzelfall nicht eine eingetretene Bestandskraft oder der Ablauf der [X.] oder Festsetzungsfrist entgegensteht. Nach der vom [X.] veröffentlichten Statistik über das Steueraufkommen beliefen sich die Einnahmen aus der Grundsteuer 2008 auf ca. 10,80 Mrd. €, 2009 auf 10,94 Mrd. €, 2010 auf 11,32 Mrd. €, 2011 auf 11,67 Mrd. €, 2012 auf 11,98 Mrd. €, 2013 auf 12,36 Mrd. €, 2014 auf 12,69 Mrd. € und 2015 auf 13,21 Mrd. €. Dieses Steueraufkommen ist für die Steuergläubiger von hoher Bedeutung und für eine geordnete Haushaltsführung unverzichtbar. Das Interesse der Steuerpflichtigen, vorläufig keine Grundsteuer zahlen zu müssen, ist demgegenüber nachrangig. Die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung der Grundsteuerbescheide im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen sind unter Berücksichtigung der Höhe der Steuer als eher gering einzustufen; der Eingriff hat keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen, wenn die Steuer später erstattet werden muss. Liegt eine wesentliche Ertragsminderung vor, kann der Steuerpflichtige den Erlass nach §§ 33, 34 [X.] beanspruchen und ist bereits dadurch gegen eine übermäßige Steuerbelastung geschützt.

Die Rechtslage ist auch nicht klar und eindeutig in dem Sinne, dass die beim [X.] anhängigen Verfahren mit Sicherheit zu einer Aufhebung des Einheitswertbescheids vom 7. Dezember 2004 auf die vom Kläger genannten Stichtage (1. Januar 2008, hilfsweise 1. Januar 2012) führen werden. Der [X.] ist zwar davon überzeugt, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1. Januar 2008 verfassungswidrig sind ([X.]-Beschlüsse in [X.]E 247, 150, [X.], 957, und in [X.]/NV 2015, 475). Ob sich das [X.] dieser Auffassung anschließt, ist aber offen. Auch wenn dies der Fall sein sollte, ist nach der Rechtsprechungspraxis des [X.] nicht mit Sicherheit zu erwarten, dass es die maßgeblichen Vorschriften für die Vergangenheit für nichtig erklärt, ohne dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, rückwirkend eine verfassungsgemäße Neuregelung zu erlassen (vgl. [X.]-Urteil vom 17. Dezember 2014  1 BvL 21/12, [X.]E 138, 136, [X.], 50, Rz 286, m.w.[X.]). Insbesondere berücksichtigt das [X.] das Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung ([X.]-Urteil in [X.]E 138, 136, [X.], 50, Rz 287, m.w.[X.]).

2. Die Beschwerdebegründung entspricht im Übrigen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O.

a) Bei den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]O sind substantielle und konkrete Angaben darüber erforderlich, weshalb eine Entscheidung des [X.] über eine bestimmte Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtsfortbildung oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im allgemeinen Interesse liegt. Bei dem Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ist eine konkrete und schlüssige Bezeichnung der Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel ergeben, zu fordern ([X.]-Beschluss vom 19. Juli 2016 III B 123/15, [X.]/NV 2016, 1732, Rz 2, m.w.[X.]).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung abgesehen von der [X.], das [X.] hätte das Verfahren gemäß § 74 [X.]O aussetzen müssen, nicht. Der Kläger hat keine bestimmten Rechtsfragen herausgestellt, deren Klärung in einem Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtsfortbildung oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im allgemeinen Interesse liegt. Er bringt nicht vor, dass in Rechtsprechung oder Literatur unterschiedliche, von der Ansicht des [X.] abweichende Auffassungen vertreten würden. Aus der Beschwerdebegründung geht auch nicht substantiiert hervor, dass offensichtliche materielle oder formelle Fehler des [X.] im Sinne einer objektiv willkürlichen und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung vorlägen und deshalb die Revision zugelassen werden müsse. Nur solche schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler, nicht aber sonstige Fehler rechtfertigen die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ([X.]-Beschluss vom 12. Juli 2016 III B 33/16, [X.]/NV 2016, 1750, Rz 19 f., m.w.[X.]).

c) Die Frage, ob der Kläger einen (teilweisen) Erlass der Säumniszuschläge wegen "jahrelanger Untätigkeit" des [X.] beanspruchen kann, betrifft nicht das Verfahrensrecht, sondern das materielle Recht. Der Kläger bringt dazu nicht vor, dass in Rechtsprechung oder Literatur die Meinung vertreten werde, es bestehe ein Anspruch auf einen (teilweisen) Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen, wenn das Finanzamt über einen längeren Zeitraum von Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen absieht.

Der Kläger hat sich auch nicht substantiiert mit der Rechtsprechung des [X.] zu Voraussetzungen sowie Sinn und Zweck der Säumniszuschläge auseinandergesetzt. Sie entstehen allein durch Zeitablauf, ohne dass es auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen ankommt ([X.]-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 172/79, [X.]E 145, 1, [X.] 1986, 122, m.w.[X.]). Sie sind ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgt § 240 [X.] den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen ([X.]-Urteil vom 30. März 2006 V R 2/04, [X.]E 212, 23, [X.] 2006, 612, m.w.[X.]). Gründe, aus denen unter Berücksichtigung dieser vom Gesetzgeber mit den Säumniszuschlägen verfolgten Ziele ein Anspruch auf einen (teilweisen) Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen bestehen soll, wenn das Finanzamt nicht zusätzliche Druckmittel anwendet, hat der Kläger nicht dargelegt.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II B 33/16

02.03.2017

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. März 2016, Az: 3 K 3271/15, Urteil

§ 69 FGO, § 74 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 227 AO, § 240 Abs 1 AO, § 361 AO, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.03.2017, Az. II B 33/16 (REWIS RS 2017, 14785)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14785

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