Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.07.2010, Az. B 4 AS 77/10 B

4. Senat | REWIS RS 2010, 4480

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Gegenstand

Fehlende Zulassung der Berufung - Berufungsfähigkeit - Arbeitslosengeld II als laufende Leistung - Begrenzung des Streitgegenstandes durch 6monatigen Bewilligungszeitraum


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 28. Mai 2010 (L 12 AS 388/10) Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Übernahme von Stromkosten in Höhe von 179,73 Euro als Leistung nach dem [X.] für den Zeitraum vom [X.] bis 30.11.2009. Im Verwaltungs- und Klageverfahren ist er insoweit erfolglos geblieben. Das [X.] hat die Beklagte durch Urteil vom 10.2.2010 entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilanerkenntnis verpflichtet, weitere [X.]-Leistungen in Höhe von 12,09 Euro für den Monat Juni 2009 und insgesamt 11,95 Euro für die Monate Juli bis September 2009 sowie 31,95 Euro für die Monate Oktober und November 2009 zu gewähren. Die darüber hinausgehende Klage hat es abgewiesen. Im Tenor hat das [X.] die Berufung nicht zugelassen, jedoch eine Rechtsmittelbelehrung über eine zulässige Berufung beigefügt. Die Berufung hiergegen hat das L[X.] Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom [X.] verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die ausdrücklich vom Kläger eingelegte Berufung sei wegen des Unterschreitens des [X.] nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G unzulässig. Der [X.] betrage im konkreten Fall 179,73 Euro und nicht, wie für eine zulassungsfreie Berufung erforderlich, 750 Euro. Es handele sich bei den geltend gemachten Stromkosten auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr iS des § 144 Abs 1 Satz 2 [X.]G. Demnach hätte die Berufung der Zulassung durch das [X.] bedurft. Dieses sei nicht geschehen. Eine ausdrückliche Zulassung ergebe sich weder aus der Urteilsformel, noch den Entscheidungsgründen. Die Rechtsmittelbelehrung ersetze die Entscheidung des [X.] nicht. Das L[X.] hat die Revision nicht zugelassen.

2

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er [X.] an das B[X.] gesandt hat. Zugleich beantragt er die Gewährung von [X.] für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des L[X.].

3

II. Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von [X.] und der damit verbundene Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen. Gemäß § 73a Abs 1 [X.]G iVm § 114 ZPO kann [X.] nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier.

4

Es sind unter Berücksichtigung des Vorbringens des [X.] und des [X.] keine Gründe für eine Zulassung der Revision ersichtlich. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), wenn das Urteil von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G).

5

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, einen Verfahrensfehler des L[X.] darzulegen, insbesondere dass das L[X.] verfahrensfehlerhaft ein Prozess- anstatt ein Sachurteil erlassen habe. Das L[X.] ist nach Aktenlage zutreffend davon ausgegangen, dass weder die Voraussetzungen des § 144 Abs 1 Satz 1 oder Satz 2 [X.]G für eine zulassungsfreie Berufung gegeben sind, noch das [X.] die Berufung an das L[X.] zugelassen hat.

6

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G bedarf es der Zulassung der Berufung durch das [X.], wenn der [X.] 750 Euro nicht übersteigt. Das ist hier der Fall. Der [X.] beträgt 179,73 Euro. Der Kläger verkennt insoweit den Begriff des [X.]. Beim [X.] kommt es nur auf den Wert des [X.] an. Der [X.] bemisst sich demnach ausschließlich nach der Höhe des Geldbetrages, um den unmittelbar gestritten wird (stRspr des B[X.], s nur B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 177/05 B - [X.] 4-1500 § 144 [X.]; B[X.] Urteil vom 27.7.2004 - B 7 [X.] 104/03 R - [X.] 4-1500 § 144 [X.]; B[X.] Urteil vom 18.3.2004 - [X.] [X.] 53/03 R). Sonstige denkbare Folgewirkungen bleiben außer Betracht.

7

Das L[X.] hat auch den Begriff der wiederkehrenden und laufenden Leistung iS des § 144 Abs 1 Satz 2 [X.]G zutreffend ausgelegt. Der wiederkehrenden und laufenden Leistung sind die Wiederholung, die Gleichhaltigkeit und der Ursprung in demselben Rechtsverhältnis gemeinsam (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 1500 § 144 [X.]). Leistungen beruhen auf demselben Rechtsverhältnis, wenn ihnen derselbe Leistungsfall zu Grunde liegt (B[X.] Urteil vom 18.3.1982 - 7 [X.]/80 - [X.] 4100 § 118 [X.]0), auf den die [X.] zurückgeführt werden können. Lediglich ein natürlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang oder dasselbe Sozialrechtsverhältnis reichen hierfür nicht aus. § 41 [X.] schafft eine zeitliche Zäsur, die den jeweiligen Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht umschreibt (vgl zur Nichtanwendbarkeit des § 96 [X.]G im Bereich des [X.]: B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7) und auf die Dauer um sechs bzw maximal zwölf Monaten begrenzt. Die Leistungsbewilligung im [X.] für jeweils sechs Monate erfolgt [X.] deswegen, weil es Ziel des Gesetzes ist, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wieder in Arbeit zu integrieren und ein dauerhafter Bezug von Leistungen nach dem [X.] (als rentenähnliches Recht) die Ausnahme sein soll (B[X.] Beschluss vom 30.7.2008 - [X.] [X.]/08 B). Insofern kann mit der Behauptung der lediglich fiktiven Möglichkeit, auch noch über den Bewilligungszeitraum hinaus Leistungen nach dem [X.] zu beziehen, die Berufungsfähigkeit nicht hergestellt werden, denn diese ist, jeweils auf das sachlich verfolgbare (materiell mögliche) Prozessziel beschränkt, also hier auf den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2009.

8

Das L[X.] folgt zudem der ständigen Rechtsprechung des B[X.], nach der die für die zulassungsfreie Berufung übliche Rechtsmittelbelehrung keine Entscheidung über die Zulassung ist, sondern eine falsche Rechtsmittelbelehrung, die es nicht bindet (B[X.] Urteil vom 18.3.2004 - [X.] [X.] 53/03 R; B[X.] Urteil vom 19.11.1996, [X.] 3-1500 § 158 [X.]; B[X.] Urteil vom 23.7.1998, [X.] 3-1500 § 158 [X.]; s zur Rechtsmittelbelehrung als alleinige Zulassungsentscheidung B[X.] Urteil vom 28.3.1957, B[X.]E 5, 92, 95; B[X.] Urteil vom 23.7.1998, [X.] 3-1500 § 158 [X.]; stRspr). Gründe, die auf Umstände hindeuten, warum im vorliegenden Fall dennoch von einer Zulassung der Berufung durch das [X.] auszugehen war, sind nicht ersichtlich. Das [X.] hat die Berufung weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen zugelassen. Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ersetzt nicht die Berufungszulassung.

9

Die Möglichkeit der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) oder Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits - wie zuvor dargelegt - höchstrichterlich geklärt und daher nicht mehr klärungsbedürftig. Hinweise für eine Divergenz sind nicht ersichtlich.Selbst wenn der Rechtsstreit jedoch - wie der Kläger vorträgt - Fragen grundsätzlicher Bedeutung bergen sollte oder eine Divergenz - als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung - dargelegt werden könnte, wäre ein zugelassener Prozessbevollmächtigter nicht in der Lage, Zulassungsgründe insoweit ordnungsgemäß darzulegen. Die grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G kann nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage erwarten lässt. Hieran fehlt es vorliegend. In einem Revisionsverfahren wäre es dem Revisionsgericht angesichts der Unzulässigkeit der Berufung und damit dem zutreffenden Erlass eines Prozessurteils verwehrt, über die aufgeworfenen Fragen zu entscheiden.

Da dem Kläger [X.] nicht zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a [X.]G iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.

Die von dem Kläger [X.] eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger insoweit nicht durch einen vor dem B[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]G) vertreten ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 2. Halbs iVm § 169 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 77/10 B

22.07.2010

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Köln, 10. Februar 2010, Az: S 20 AS 70/09, Urteil

§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG vom 26.03.2008, § 144 Abs 1 S 2 SGG vom 26.03.2008, § 41 Abs 1 S 4 SGB 2, § 95 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.07.2010, Az. B 4 AS 77/10 B (REWIS RS 2010, 4480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4480

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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