Bundessozialgericht, Urteil vom 03.04.2014, Az. B 5 R 25/13 R

5. Senat | REWIS RS 2014, 6544

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Gegenstand

Rückforderung überzahlter Geldleistungen nach dem Tod des Rentenberechtigten - eingeschränkte Haftung der Erben des Verfügenden


Leitsatz

Der gegen den Verfügenden gerichtete Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers bei Rentenzahlungen über den Tod der Rentenberechtigten hinaus stellt keine im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergehende Nachlassverbindlichkeit dar.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 155 871,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beklagte begehrt von der Klägerin die Erstattung von Rentenüberzahlungen in Höhe von 155 871,65 Euro.

2

Die 1920 geborene [X.] (nachfolgend: [X.]) bezog nach ihrem verstorbenen Ehemann [X.] eine Witwenrente und eine eigene Altersrente. Die Renten wurden durch den Postrentendienst auf das Konto der [X.]n bei der Stadt- und Kreissparkasse L. bis zum Monat Mai 2007 gezahlt, obwohl die [X.] bereits am 29.10.1991 verstorben war. Hiervon erlangte die Beklagte durch einen Postrücklauf am 12.3.2007 und eine Mitteilung der [X.] vom 7.5.2007 Kenntnis. Daraufhin verfügte sie die endgültige Zahlungseinstellung und machte mit Schreiben vom 26.6.2007 und 17.7.2007 gegenüber der Stadt- und Kreissparkasse L. für die Zeit vom 1.11.1991 bis [X.] Erstattungsansprüche in Höhe von 107 917,56 Euro für die überzahlte Hinterbliebenenrente sowie in Höhe von 114 077,81 Euro für die überzahlte Altersrente geltend. Die Stadt- und Kreissparkasse L. teilte mit Schreiben vom [X.] mit, den noch auf dem Konto vorhandenen Saldo in Höhe von 65 640,52 Euro zurückzuzahlen und erklärte im Übrigen, dass der [X.] der [X.]n [X.], der Ehemann der Klägerin, über das Konto der [X.]n verfügt und bis einschließlich 23.7.2004 Barabhebungen vorgenommen habe. Danach sei über das Konto von [X.] nicht mehr verfügt worden. Im Rahmen der daraufhin von der Beklagten eingeleiteten Ermittlungen wurde bekannt, dass [X.] am 19.8.2004 verstorben ist. Mit Schreiben vom 19.9.2007 teilte die Stadt- und Kreissparkasse L. mit, dass über das Guthaben auf dem Konto der [X.]n ausschließlich mittels Barabhebungen verfügt worden, neben der [X.]n alleiniger Verfügungsberechtigter ihr [X.] bzw [X.] gewesen und das Konto nicht umgeschrieben sowie keine neuen Kontoinhaber eingetragen worden seien. Nach Einholung weiterer Auskünfte machte die Beklagte gegenüber der Stadt- und Kreissparkasse L. mit Schreiben vom 14.2.2008 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 156 354,85 Euro geltend. Nachdem sich das Kreditinstitut auf § 118 Abs 3 S 3 [X.] berufen hatte, wandte sich die Beklagte an die Klägerin. Im Rahmen ihrer Anhörung zu der beabsichtigten Geltendmachung eines gegen sie gerichteten Erstattungsanspruchs in Höhe von 155 871,65 Euro teilte die Klägerin mit, von dem Konto, auf das Rentenleistungen gezahlt worden seien, weder Kenntnis gehabt zu haben noch über dieses verfügungsberechtigt gewesen zu sein. Sie selbst habe keine Rentenzahlungen in Empfang genommen und auch nicht über diese verfügt. Zudem erlaube ihre wirtschaftliche Situation keine Rückzahlung.

3

Mit Bescheid vom 25.9.2009 forderte die Beklagte die Klägerin als Erbin des verstorbenen [X.] auf, die Rentenüberzahlungen in Höhe von 155 871,65 Euro zu erstatten. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das [X.] unter Festsetzung des Streitwerts auf 155 871,65 Euro den Bescheid vom 25.9.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufgehoben. Das [X.] hat mit Urteil vom 30.10.2012 in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung festgestellt, dass ein Streitwert nicht festzusetzen sei, und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

5

Die Beklagte könne den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht auf § 118 Abs 4 [X.] [X.] stützen, weil die Klägerin über die nach dem Tod der [X.]n von der Beklagten zu Unrecht geleisteten Rentenzahlungen weder verfügt noch diese in Empfang genommen habe. Ebenso wenig rechtfertige sich ein Anspruch aus § 118 Abs 4 [X.] [X.] iVm §§ 1922, 1967 BGB. Die Regelungen würden durch die spezielle Norm des § 118 Abs 4 [X.] [X.] verdrängt. Die Qualität dieser Vorschrift als § 118 Abs 4 [X.] [X.] iVm §§ 1922, 1967 BGB verdrängende Spezialregelung ergebe sich aus dem in den Gesetzesmaterialien hinreichend zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Dieser habe sich bewusst dafür entschieden, die Erben, soweit sie nicht Verfügende oder Empfänger iS des § 118 Abs 4 [X.] [X.] seien, nicht der verschärften Haftung zu unterstellen und die Bösgläubigkeit des Empfängers oder [X.] nicht über die Erbenhaftung weiterzuleiten. Die Auffassung der Beklagten, nach der § 118 Abs 4 [X.] [X.] nur für die Erben des Berechtigten, nicht aber "für die Erben eines beliebigen verfügenden [X.]" gelte, führe zu dem Ergebnis, dass von der unrechtmäßigen Verfügung und Empfangnahme noch weiter entfernte Personen wegen der Erbenhaftung (nach §§ 1922, 1967 BGB) schärfer hafteten als der näherstehende Erbe des Berechtigten, der sich in seiner Person auf Vertrauensschutz berufen könne. Dies sei weder unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte zu rechtfertigen noch mit dem vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierungsschutz zu vereinbaren.

6

Ein Anspruch nach § 118 Abs 4 [X.] [X.] iVm § 50 Abs 2 [X.] komme nicht in Betracht, weil sich die Klägerin für die rückwirkende Erstattung auf Vertrauensschutz berufen könne und die Beklagte keinerlei Ermessenserwägungen angestellt habe.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 118 Abs 4 [X.] und [X.] [X.] iVm §§ 1922, 1967 BGB. Die Klägerin sei als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs 1 BGB) erstattungspflichtig. Zu diesen gehöre der gegen ihren verstorbenen Ehemann gerichtete öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs 4 [X.] [X.] als Erblasserschuld, der mangels entgegenstehender Vorschriften in entsprechender Anwendung der genannten Normen des BGB beim Erbgang auf die Klägerin übergegangen sei. Auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes komme es daher nicht an. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen werde § 118 Abs 4 [X.] [X.] nicht durch § 118 Abs 4 [X.] [X.] im Sinne einer Spezialregelung verdrängt. Insoweit sei zunächst auf das Urteil des 13. Senats des BSG vom 10.7.2012 ([X.] R 105/11 R - [X.] 4-2600 § 118 [X.]) zu verweisen, nach dem die Ansprüche gegen Empfänger/Verfügende gemäß § 118 Abs 4 [X.] [X.] und gegen Erben nach § 118 Abs 4 [X.] [X.] prinzipiell gleichrangig und eigenständig seien. Der Anspruch gemäß [X.] könne aber der allgemeinere Tatbestand sein, wenn der Erbe iS des [X.] verfügt bzw den Rentenbetrag in Empfang genommen habe. In diesem Fall sei für den Rentenversicherungsträger die Inanspruchnahme nach Abs 4 [X.] zweckmäßiger, weil der Vertrauensschutz über §§ 45 ff [X.] keine Anwendung finde, sondern die verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung greife. Letzteres treffe auf den verstorbenen [X.] der [X.]n [X.] zu. Dieser Anspruch sei - wie bereits dargelegt - auf die Klägerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen. Die Ausführungen des [X.] zur angeblichen Spezialität des § 118 Abs 4 [X.] [X.] gingen daher fehl. Im Übrigen erfasse der Begriff der Erben in dieser Vorschrift nur die Erben des Berechtigten und nicht auch die Erben des [X.] bzw Empfängers. Dies ergebe sich daraus, dass § 118 Abs 4 [X.] die Rückforderung gegenüber diesen Personengruppen - den [X.], den Empfängern und den Erben - regele.

8

Sollte sie, die Beklagte, nicht berechtigt gewesen sein, ihren gegen die Klägerin gerichteten Anspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, wäre aus den aufgezeigten Gründen ihrer - zulässigen und statthaften - Eventualwiderklage stattzugeben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Oktober 2012 und das Urteil des [X.] vom 15. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

        

hilfsweise,

        

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 155 871,65 Euro zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Zu Recht haben SG und [X.] entschieden, dass der Beklagten ein gegen die Klägerin gerichteter Anspruch auf Erstattung überzahlter Rentenbeträge in Höhe von 155 871,65 Euro nicht zusteht. Ein derartiger Anspruch ergibt sich weder aus § 118 [X.] [X.] [X.] bzw § 118 [X.] [X.] [X.] iVm § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] noch aus § 118 [X.] [X.] [X.] iVm § 50 [X.].

1. Der Entscheidung zugrunde zu legen ist § 118 [X.] [X.] [X.] in der zum [X.]punkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom [X.] geltenden Fassung (des mit Wirkung vom [X.] in [X.] getretenen Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten [X.] Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.6.2002 - [X.]). Wird ein belastender Verwaltungsakt - wie der hier zu prüfende Erstattungsbescheid der Beklagten - mit der Anfechtungsklage angegriffen, ist für die rechtliche Beurteilung grundsätzlich der [X.]punkt seines Erlasses (ggf - wie hier - des Widerspruchsbescheids) maßgeblich (vgl zB [X.], 223, 225 = [X.]-1300 § 48 [X.]; BSG [X.]-1500 § 54 [X.]; BSG [X.]-2600 § 118 [X.]; [X.]-2600 § 118 [X.] Rd[X.]).

§ 118 [X.] [X.] [X.] in der hier anwendbaren Fassung enthält folgende Regelung: Soweit Geldleistungen für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrags verpflichtet.

a) In der Person der Klägerin ist ein Erstattungsanspruch schon deshalb nicht entstanden, weil diese nach den mit der Revision nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) weder Empfängerin noch Verfügende iS des § 118 [X.] [X.] [X.] ist.

b) Die Klägerin ist auch nicht als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns [X.] zur Erstattung der überzahlten Rentenbeträge gemäß § 118 [X.] [X.] [X.] iVm § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] verpflichtet.

aa) Zwar ist der Erstattungsanspruch nach § 118 [X.] [X.] [X.] in der Person des [X.] entstanden.

Die Voraussetzungen der Norm sind in seiner Person erfüllt. Mit den Rentenzahlungen für die [X.] vom 1.11.1991 bis (jedenfalls) [X.] sind für die [X.] nach dem Tod der [X.] [X.] am 29.10.1991 Geldleistungen erbracht worden. Diese sind zu Unrecht erfolgt, weil nach § 102 [X.] 5 [X.] ein Anspruch auf Zahlung der Rente nur bis zum Ende des Kalendermonats besteht, in dem der Berechtigte gestorben ist, hier also bis zum [X.] Die Überweisung der Rente für November 1991 bis März 2007 widerspricht infolgedessen dem Gesetz. Die Bindungswirkung der Rentenbewilligung vermag die Zahlungen nicht zu rechtfertigen, weil sich der diesbezügliche Verwaltungsakt mit dem Tod der [X.] auch ohne Aufhebungsbescheid auf andere Weise gemäß § 39 [X.] 2 [X.] erledigt hat (vgl zB [X.], 16, 20 = [X.]-1300 § 50 [X.] f; BSG [X.]-2600 § 118 [X.]; [X.]-2600 § 118 [X.] RdNr 15, [X.] RdNr 13 und [X.] RdNr 20). Der verstorbene [X.] war auch [X.] iS des § 118 [X.] [X.] [X.]. Er war über das Konto der [X.] [X.] verfügungsberechtigt und hat bankübliche Zahlungsgeschäfte in Form von Barabhebungen zu Lasten des Kontos vorgenommen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass das auf dem Konto vorhandene Guthaben aus Rentenzahlungen herrührte, sodass der verstorbene [X.] über den den erbrachten Geldleistungen "entsprechenden Betrag" verfügt hat.

bb) Der gegen den verstorbenen [X.] gemäß § 118 [X.] [X.] [X.] entstandene Erstattungsanspruch ist aber nicht auf die Klägerin als Erbin gemäß § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] übergegangen. Diese Vorschriften sind nicht anwendbar.

Nach § 1922 [X.] 1 [X.] geht zwar das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf den Erben über, sodass dieser nach § 1967 [X.] für Nachlassverbindlichkeiten, einschließlich der vom Erblasser herrührenden Schulden haftet. Inwieweit öffentlich-rechtliche Forderungen und Verbindlichkeiten in den Nachlass fallen, bestimmt sich aber nicht nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, sondern nach dem öffentlichen Recht, dem die jeweiligen Forderungen und Verbindlichkeiten angehören ([X.] Urteil vom [X.] - Juris RdNr 15; BVerwGE 16, 68, 69). Nur soweit ausdrückliche Vorschriften bzw anderweitige gesetzliche Regelungen fehlen, kann der Rechtsgedanke der §§ 1922, 1967 ff [X.] auf öffentlich-rechtliche Ansprüche und Verbindlichkeiten entsprechend angewendet werden ([X.] aaO; BVerwGE 21, 302, 303; Weidlich in [X.], [X.], 73. Aufl 2014, § 1922 RdNr 40 und § 1967 Rd[X.]). Dies ist hier nicht der Fall.

Eine anderweitige § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] verdrängende gesetzliche Vorschrift stellt § 118 [X.] [X.] [X.] in der hier maßgeblichen Fassung von [X.] (des mit Wirkung zum [X.] in [X.] getretenen Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - [X.]l I 554) dar, nach dem ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 [X.] unberührt bleibt. Die nunmehr in [X.] enthaltende Regelung ist seit ihrer Einführung als [X.] des neuen [X.] zum 1.1.1996 durch Art 1 Nr 20 des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 15.12.1995 ([X.]l I 1824) unverändert geblieben.

§ 118 [X.] [X.] [X.] normiert in den Fällen einer Zahlung von Renten über den Tod des Berechtigten hinaus eine eigene Regelung für die Haftung der Erben, die diesen Personenkreis bewusst nicht der verschärften Haftung des [X.] unterwirft, sondern zu seinen Gunsten die Anwendung der Vertrauensschutzregelungen des [X.] vorsieht (vgl Beschlussempfehlung des [X.] vom 29.11.1995, BT-Drucks 13/3150 [X.]2 zu [X.]). Dieses gesetzgeberische Anliegen würde unterlaufen, wenn der Anspruch nach [X.] eine Nachlassverbindlichkeit wäre, für die der Erbe, ohne die Möglichkeit Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend zu machen, nach § 1967 [X.] einzustehen hätte.

Der Begriff der Erben iS von § 118 [X.] [X.] [X.] umfasst entgegen der Ansicht der Beklagten auch die Erben des [X.].

Hierfür sprechen zum einen der Wortlaut des § 118 [X.] [X.] [X.], der allgemein auf "die Erben" und nicht lediglich auf die Erben des Berechtigten abstellt, als auch der sich aus den Materialien ergebende Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Regelung ist in § 118 [X.] [X.] eingefügt worden, um klarzustellen, "dass Rückforderungsansprüche gegen die Erben, die nicht über die Rentenzahlung verfügt haben und deshalb nicht nach Satz 1 haften, nach den allgemeinen Regeln des [X.] geltend gemacht werden können" (BT-Drucks 13/3150, [X.]2 zu [X.]). Die Ergänzung des [X.] diente mithin zum einen dazu, die Personen aufzuzeigen, die neben den in [X.] genannten ebenfalls als potentiell Anspruchsverpflichtete in Betracht kommen. Dies sind nicht nur die (nicht verfügenden) Erben des Berechtigten, sondern ebenso die Erben des [X.]. Sie können gleichermaßen kraft Erbfalls die überzahlten Rentenbeträge erlangt haben und wären in diesem Fall gleichermaßen potentiell Anspruchsverpflichtete. Zum anderen wollte der Gesetzgeber die nicht über die Rentenzahlung verfügenden Erben privilegieren, indem er zu ihren Gunsten im Gegensatz zu den nach [X.] Haftenden die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregelungen des [X.] vorgesehen hat. Dieser Privilegierungsgrund trifft sowohl auf die nicht verfügenden Erben des Berechtigten als auch die Erben des [X.] zu.

Für einen weiten, ebenso die Erben des [X.] erfassenden, Erbenbegriff spricht schließlich das Gebot der verfassungskonformen Auslegung, nach dem von mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige den Vorrang hat, bei der die Rechtsnorm mit der Verfassung in Einklang steht (vgl zB [X.] 48, 40, 45; 110, 226, 267; 112, 164, 182 f; 124, 25, 39; [X.], 192 Rd[X.]4 = [X.]-2500 § 37 [X.] Rd[X.]1).

Ein nur die Erben des Berechtigten erfassender Erbenbegriff iS des [X.] hätte - wie bereits oben dargelegt - zum Ergebnis, dass diese einer milderen Haftung ausgesetzt wären als die Erben des [X.].

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 [X.] 1 GG gebietet indes, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln und ist verletzt, wenn gesetzliche Bestimmungen, die verschiedene Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl [X.] 102, 41, 54 = [X.]-3100 § 84a [X.] [X.]8 - stRspr). Zwischen den genannten Gruppen von Erben bestehen jedoch keine Unterschiede, die eine unterschiedliche Haftung rechtfertigen könnten.

Die Privilegierung der Erben durch eine nur eingeschränkte Haftung nach [X.] in Verbindung mit den Vorschriften des [X.] hat ihren Grund darin, dass diese nicht über die Rentenzahlung verfügt haben (vgl BT-Drucks 13/3150 [X.]2). Dieser Tatbestand trifft gleichermaßen auf die (nicht verfügenden) Erben des Berechtigten als auch auf die Erben des [X.] zu. Beide Personengruppen haben keinen "Zugriff" auf die Rentenüberzahlung bzw den ihr entsprechenden Betrag genommen.

Dem hier vertretenen Ergebnis, dass ein gegen den [X.] gerichteter Anspruch gemäß § 118 [X.] [X.] [X.] mangels Anwendbarkeit der § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] keine Nachlassverbindlichkeit im Sinne letzterer Norm ist, steht § 57 [X.] 2 [X.] nicht entgegen. Dieser ordnet keine Haftung der Erben nach den Vorschriften des [X.] für Verbindlichkeiten des Erblassers nach den [X.] an, sondern bestimmt lediglich, dass die Einstandspflicht des Sonderrechtsnachfolgers die Haftung des Erben entfallen lässt (vgl nur [X.]/ [X.]/Buschmann/[X.], Handbuch der [X.], § 57 [X.] RdNr 22 - Stand 8/10). Abgesehen davon ginge § 118 [X.] [X.] [X.] in seinem Anwendungsbereich allgemeinen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor.

Schließlich widerspricht die Entscheidung des erkennenden Senats nicht dem Urteil des 13. Senats vom 10.7.2012 ([X.] R 105/11 R - [X.]-2600 § 118 [X.]), nach dem § 118 [X.] [X.] und [X.] [X.] [X.] in der vorliegend maßgeblichen Fassung eigenständige und voneinander unabhängige Anspruchsgrundlagen seien, sodass Erben gleichrangig neben Empfängern bzw [X.] in Anspruch genommen werden könnten (aaO Rd[X.]1). Der erkennende Senat hat in dem hiesigen Verfahren nicht über eine etwaige Rangfolge in der Haftung zwischen den genannten Personenkreisen entschieden, sondern darüber befunden, dass der Begriff der "Erben" in § 118 [X.] [X.] [X.] auch die Erben des (verstorbenen) [X.] erfasst. Darüber hinaus hat der 13. Senat im Urteil vom 10.7.2012 (aaO Rd[X.]8) die Auffassung vertreten, dass die Erstattungsansprüche von § 118 [X.] [X.] und [X.] letzter S [X.] iVm § 50 [X.] in einem Verhältnis von Spezialität stehen könnten, wenn Empfänger und/oder Verfügende zugleich Erben seien und die Voraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen erfüllten. Die Erbenhaftung sei in einem solchen Fall der allgemeinere Tatbestand, weil [X.] [X.] zusätzlich spezielle Merkmale (Empfänger/Verfügende) aufweise, die zur Erbenstellung hinzutreten könnten. Über eine derartige Fallkonstellation hat der erkennende Senat nicht entschieden. Die Klägerin des hiesigen Verfahrens ist nur Erbin und nicht gleichzeitig auch Verfügende und/oder Empfängerin. Dementsprechend stellte sich nicht die Frage eines Vorrangverhältnisses zwischen § 118 [X.] [X.] und [X.] [X.] [X.], sondern zwischen § 118 [X.] [X.] [X.] iVm § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] und § 118 [X.] [X.] [X.]. Schließlich führt der 13. Senat in der genannten Entscheidung (aaO [X.]) im Zusammenhang mit einem gegen den Erben gerichteten Erstattungsanspruch nach § 118 [X.] [X.] [X.] aus, dass mangels entgegenstehender Vorschriften öffentlich-rechtliche Ansprüche und Verpflichtungen in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1967 [X.] beim Erbgang grundsätzlich auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergingen. Die Entscheidung betrifft aber einen gegen die (Mit-)Erbin der [X.] gerichteten Erstattungsanspruch, sodass sich der 13. Senat nicht zum Verhältnis des § 118 [X.] [X.] iVm § 1922 [X.] 1, § 1967 [X.] und [X.] [X.] [X.] geäußert hat.

2. Der Beklagten steht schließlich auch kein Anspruch gegen die Klägerin aus § 118 [X.] [X.] [X.] iVm § 50 [X.] zu.

a) Zwar war die Beklagte berechtigt, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt gemäß § 50 [X.] 3 [X.] [X.] gegen die Klägerin als Erbin iS von § 118 [X.] [X.] [X.] geltend zu machen. Denn § 118 [X.] [X.] begründet ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Leistungsträger und den in der Vorschrift genannten Personen (BSG [X.]-2600 § 118 Nr 2 [X.]2; vgl auch [X.]-2600 § 118 [X.] RdNr 20).

b) Dem gegen die Klägerin gerichteten Erstattungsanspruch steht auch nicht der vorrangig geltend zu machende Rücküberweisungsanspruch gegen das Geldinstitut nach § 118 [X.] 3 S 2 [X.] entgegen. Ob dieses gegenüber den in § 118 [X.] [X.] [X.] genannten Empfängern und [X.] bestehende prozessuale und materielle Vorrangverhältnis ([X.]-2600 § 118 [X.] RdNr 21 mwN) auch gegenüber den Erben iS von § 118 [X.] [X.] [X.] gilt, bedarf keiner Entscheidung. Gemäß § 118 [X.] 3 [X.] [X.] besteht eine Verpflichtung zur Rücküberweisung jedenfalls dann nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Danach scheidet eine Verpflichtung der Stadt- und Kreissparkasse L. zur Rückzahlung des hier streitigen Betrags aus. Bei Eingang des [X.] der Beklagten war über die den Rentenzahlungen entsprechenden Beträge bis auf ein Guthaben von 65 640,57 Euro, die das Geldinstitut an die Beklagte zurückgezahlt hat, bereits anderweitig durch den Stiefsohn der [X.] [X.] verfügt.

c) Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs liegen jedoch nicht vor.

Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 50 [X.] 2 [X.] [X.] sind Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten.

Zwar sind die Rentenzahlungen nach dem Tod der [X.] am 29.10.1991 im [X.]raum November 1991 bis März 2007 ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erfolgt, weil sich der Rentenbewilligungsbescheid mit dem Tod der Berechtigten auf andere Weise iS von § 39 [X.] 2 [X.] erledigt hat, und die Leistungen mit § 102 [X.] 5 [X.] nicht in Einklang standen (vgl dazu [X.]). [X.] werden können Leistungen nach § 50 [X.] aber nur von demjenigen, der sie zu Unrecht erhalten hat (BSG [X.] 1300 § 50 Nr 16 [X.]0). Nach den Feststellungen des [X.] hat die Klägerin jedoch von den Rentenzahlungen nichts erhalten.

Über den Hilfsantrag der Beklagten war nicht zu entscheiden. Die [X.] iS von § 100 [X.] (vgl hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 100 RdNr 2) hat die Beklagte nur für den Fall erhoben, dass der Senat eine Berechtigung der Beklagten verneint, gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt tätig zu werden. Dies ist nach den obigen Ausführungen nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung richtet sich entgegen der Auffassung des [X.] nach § 197a [X.] 1 [X.] Teils 3 [X.] in Verbindung mit den Vorschriften der VwGO, hier § 154 [X.] 1 und 2 VwGO. Weder die Klägerin noch die Beklagte gehören zu den in § 183 [X.] genannten Personen. Die Klägerin ist insbesondere nicht Sonderrechtsnachfolgerin der verstorbenen [X.] [X.] iS von § 56 [X.], sondern Rechtsnachfolgerin des ebenfalls verstorbenen [X.] der Berechtigten [X.] Zudem streiten die Beteiligten nicht über fällige Ansprüche der Berechtigten, sondern über einen Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers.

Aus diesem Grund ist gemäß § 197a [X.] 1 [X.] Halbs 1 [X.] iVm § 63 [X.] 2 [X.], § 52 [X.] 1 und 3, § 47 [X.] 1 [X.] GKG auch ein Streitwert, und zwar in Höhe von 155 871,65 Euro festzusetzen.

Meta

B 5 R 25/13 R

03.04.2014

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Leipzig, 15. März 2011, Az: S 24 R 1233/10, Urteil

§ 57 Abs 2 SGB 1, § 102 Abs 5 SGB 6, § 118 Abs 3 SGB 6, § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 vom 21.06.2002, § 118 Abs 4 S 4 SGB 6 vom 20.04.2007, § 39 Abs 2 SGB 10, § 50 Abs 2 SGB 10, § 1922 Abs 1 BGB, § 1967 BGB, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.04.2014, Az. B 5 R 25/13 R (REWIS RS 2014, 6544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6544

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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