Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.12.2012, Az. B 13 R 361/12 B

13. Senat | REWIS RS 2012, 600

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Gegenstand

Kürzung der Entgeltpunkte - Fremdrentenrecht - Spätaussiedler - grundsätzliche Bedeutung - wiederholte erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde - Vorlagepflicht an den EuGH - Europarecht


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 7. August 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente ohne Kürzung der auf dem [X.] beruhenden Entgeltpunkte (EP) auf [X.] ihres Wertes (vgl § 22 Abs 4 [X.]) verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die von ihrem Prozessbevollmächtigten vorgelegte, durchaus umfangreiche, Begründung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 [X.] ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN).

5

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt vor:

        

"a) Es muss grundsätzlich geklärt werden, ob die Rentenanwartschaften, die sowohl auf Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz auf [X.] nach § 250 [X.] und auf Inlandsbeitragszeiten nach [X.] beruhen, die von einer Person in Anspruch genommen werden, welche als [X.] gegen ihren Willen ausserhalb der [X.] aufgrund von Verfolgung durch den Nationalsozialismus, Verschleppung, Vertreibung, Kriegsgefangenschaft oder Flucht bis zur ihrer Heimschaffung tätig sein musste und nach der Rückkehr/Einreise nach [X.] weiter Beiträge zur Sozialversicherung geleistet hat, soweit sie auf Auslandsbeiträgen beruhen, für einen Teil des betroffenen Personenkreises wesentlich verkürzt werden dürfen.

        

b) Des Weiteren muss dann die Frage geklärt werden, ob die Anwartschaften, die auf einer Versicherungsbiographie eines Menschen im oben definierten Sinne beruhen, Teil des [X.] der [X.] sind und ob sie, wenn sie Teil des [X.] sind, soweit es sich um Zeiten nach dem [X.] handelt, um den Faktor 0,6 verkürzt werden dürfen.

        

c) Es ist auch die im Sinne der vom [X.] offen gelassene Frage, ob derartige Zeiten (durch das Fremdrentengesetz begründete Rentenanwartschaften) dem Schutz des Art. 14 GG und dem Art. 1 des Zusatzprotokolls [X.]. 1 [X.] unterliegen zu klären."

6

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit konkrete Rechtsfragen im vorgenannten Sinne hinreichend bezeichnet hat. Jedenfalls hat sie deren Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass die Klägerin bzw ihr Prozessbevollmächtigter erkennen, dass das [X.] in seinem Senatsbeschluss vom [X.] ([X.]E 116, 96 = [X.] 4-5050 § 22 [X.]) die Regelung des § 22 Abs 4 [X.] grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet hat und lediglich für [X.]-Berechtigte, die vor dem [X.] nach [X.] gekommen sind und deren Rente nach dem 30.9.1996 beginnt, eine zusätzliche Übergangsregelung gefordert hat. Der Klägerin ist offenbar auch bewusst, dass sie die Voraussetzungen der daraufhin vom Gesetzgeber erlassenen Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 [X.] idF vom 20.4.2007 nicht erfüllt. Auch diese Bestimmung hat das [X.] - wie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannt ist - verfassungsrechtlich nicht beanstandet ([X.] vom 15.7.2010 - 1 BvR 1201/10 - [X.] 4-5050 § 22 [X.]; ebenso Senatsurteile vom 20.10.2010 - [X.] R 90/09 R - veröffentlicht in Juris und vom [X.] - [X.] 4-5050 § 22 [X.]; BSG vom 20.10.2009 - [X.] 4-5050 § 22 [X.]). Wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dennoch nach wie vor - wie schon die diversen früheren (erfolglosen) Nichtzulassungsbeschwerden zeigen (ua BSG vom [X.] R 218/11 B; Senatsbeschluss vom 19.4.2011 - [X.] R 323/10 B; Senatsbeschluss vom 19.4.2011 - [X.] 4-5050 § 22 [X.] 12; Senatsbeschluss vom 19.10.2011 - [X.] R 187/11 B; Senatsbeschluss vom 25.1.2012 - [X.] R 380/11 B) - der Auffassung ist, dass die Kürzung der EP für [X.]-Berechtigte nach § 22 Abs 4 [X.] zu Unrecht erfolgt sei, reicht es zur Darlegung der (erneuten) Klärungsbedürftigkeit nicht aus, [X.] die eigene Rechtsmeinung auszubreiten. Vielmehr ist zumindest eine substanzielle Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des [X.] und des BSG zu § 22 Abs 4 [X.] unter Kenntnisnahme des dortigen Inhalts (insbesondere zum angesprochenen Anwendungsbereich des Art 14 Abs 1 GG und zu Art 3 GG) erforderlich. Hieran fehlt es.

7

Zudem hat die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht aufgezeigt. Denn aus der Beschwerdebegründung erschließt sich nicht mit hinreichender Klarheit, inwieweit die von ihrem Prozessbevollmächtigten formulierten Fragen nach dem vom [X.] festgestellten Sachverhalt für das angestrebte Revisionsverfahren noch entscheidungserheblich sein könnten.

8

2. Soweit die Klägerin meint, das [X.] habe verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil es nicht geprüft habe, ob [X.] Normen einschlägig seien und ob die Sache dem "[X.]" vorzulegen sei, hat sie einen Verfahrensmangel nicht hinreichend aufgezeigt. Insbesondere hat sie einen Verstoß des [X.] durch die Nichtvorlage der Sache gegen Art 267 Abs 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) nicht ansatzweise schlüssig dargelegt (vgl zu den Anforderungen bereits BSG vom [X.]/12 B).

9

Wird eine Frage über die Auslegung der Verträge (Art 267 Abs 1 Buchst a [X.]) oder die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der [X.] (Art 267 Abs 1 Buchst b [X.]) in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht gemäß Art 267 Abs 3 [X.] zur Anrufung des Gerichtshofes der [X.] verpflichtet.

Die Klägerin hat bereits nicht dargetan, welche Fragen über die Auslegung bzw die Gültigkeit welcher Norm welchen [X.]srechts sich ausgehend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts in dem Verfahren vor dem [X.] gestellt hätten. Darüber hinaus hat sie nicht schlüssig aufgezeigt, warum Entscheidungen des [X.] nicht mit Rechtsmitteln innerstaatlichen Rechts angegriffen werden können. Die Anfechtung von Entscheidungen eines nationalen Gerichts mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts ist auch dann möglich, wenn die Anfechtung nur nach vorheriger Zulassungserklärung durch das oberste Gericht geprüft werden kann ([X.] vom [X.] - C-99/00 - "[X.]" - Juris Rd[X.] 16).

Dass die Klägerin die Entscheidung des [X.] für falsch hält, ist für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblich.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Meta

B 13 R 361/12 B

10.12.2012

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Karlsruhe, 18. November 2008, Az: S 8 R 2939/08

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 22 Abs 4 FRG, Art 6 § 4c Abs 2 FANG vom 20.04.2007, Art 14 Abs 1 GG, Art 3 GG, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.12.2012, Az. B 13 R 361/12 B (REWIS RS 2012, 600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 600

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Vorlagepflicht an den EuGH


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1 BvR 1201/10

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