Bundessozialgericht, Urteil vom 25.04.2013, Az. B 8 SO 16/11 R

8. Senat | REWIS RS 2013, 6248

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - notwendige Beiladung - ernsthafte Möglichkeit eines anderen Leistungspflichtigen - Sozialhilfe - Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege - sachliche Zuständigkeit - Auslegung des Landesrechts - örtliche Zuständigkeit - ambulant betreutes Wohnen iS von § 98 Abs 5 SGB 12 - Weitergeltung der Regelungen des BSHG für vor dem 1.1.2005 begonnene Leistungsfälle)


Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, soweit die Entscheidung den Anspruch des [X.] gegen den Beklagten betrifft.

Tatbestand

1

[X.] ist (nur noch) die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 391 676,91 Euro für Leistungen der Hilfe zur Pflege (386 745,54 Euro) und der Eingliederungshilfe (4931,37 Euro) nach dem [X.] - ([X.]), die der klagende [X.] in der [X.] vom [X.] bis [X.] an [X.] ([X.]) erbracht hat.

2

Der 1967 geborene erwerbsunfähige [X.] leidet an einer neuromuskulären [X.]uskeldystrophie vom Typ Duchenne. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung von 100 durch das zuständige Versorgungsamt und die [X.] mit besonderem Härtefall durch die Pflegekasse festgestellt worden; seit Februar 1999 bezieht er vom [X.] eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bis Anfang 1987 wohnte er in der [X.]tadt [X.] und verzog im [X.]ärz 1987 in die [X.]tadt H, danach zum [X.] nach [X.] (im [X.]). Von April 1987 bis einschließlich August 2003 erhielt er von der [X.]tadt [X.] (der früheren Beklagten zu 2) im Rahmen der Hilfe zur häuslichen Pflege nach dem [X.] (B[X.]HG) Pflegegeld; außerdem wurden die Kosten des Zimmers für eine Betreuungsperson (Assistenzzimmer) und für eine besondere Pflegekraft ([X.]) übernommen sowie Hilfe zur Teilhabe am Leben in der [X.]) bis maximal 100 Euro monatlich (zuletzt Bescheid vom [X.]) gewährt. Ab 1.9.2003 wurden die Leistungen durch den Kläger erbracht, der ab 1.1.2003 auch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Grundsicherungsgesetz zahlte.

3

[X.]egen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zog [X.] am [X.] (wieder) nach [X.] Einen (an ihn weitergeleiteten) Antrag auf Fortzahlung der bisher erbrachten Leistungen lehnte die [X.]tadt [X.] unter Hinweis auf die Regelung des § 98 Abs 5 [X.] ab, wonach bei ambulant betreuten [X.]ohnmöglichkeiten der Träger der [X.]ozialhilfe (für alle Leistungen) örtlich zuständig sei (und bleibe), der vor Eintritt in diese [X.]ohnform zuletzt zuständig gewesen sei oder gewesen wäre. Nachdem sich auch der Kläger und der [X.] [X.]estfalen-Lippe nicht für zuständig hielten, gewährte schließlich der Kläger die beantragten Leistungen, weil er im Rahmen eines Eilverfahrens vor dem [X.]ozialgericht ([X.]G) H verpflichtet worden war, vorläufig Leistungen im bisherigen Umfang über den [X.] hinaus bis zur Klärung der Zuständigkeit, längstens bis [X.], zu gewähren. Im Hinblick auf die weiterhin umstrittene Zuständigkeit erbrachte er Leistungen auch in der [X.] danach bis [X.]. Am [X.] und erneut im Oktober 2007 machte er jedoch gegenüber der [X.]tadt [X.] einen Erstattungsanspruch geltend, den diese nach Bezifferung der [X.]ozialhilfeaufwendungen für die [X.]onate [X.]ai bis August 2007 (47 446,31 Euro) ablehnte.

4

Die am 14.2.2008 gegen den (jetzt noch allein) beklagten Kreis [X.] erhobene und am 15.9.2008 auf die [X.]tadt [X.] (frühere Beklagte zu 2) erweiterte Klage ist erfolgreich gewesen. Das [X.]G hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger die Kosten der Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 386 775,54 Euro sowie die Kosten der Eingliederungshilfe in Höhe von insgesamt 4931,37 Euro für die [X.] vom [X.] bis [X.] jeweils zuzüglich Zinsen zu erstatten; die [X.]tadt [X.] ist verurteilt worden, dem Kläger die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von insgesamt 9188,44 Euro für die [X.] vom [X.] bis [X.] zuzüglich Zinsen zu erstatten (Urteil des [X.]G vom 5.11.2009). Die sachliche Zuständigkeit richte sich nach Landesrecht. Danach seien der Beklagte für Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe und die [X.]tadt [X.] als "Delegationsbehörde" für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sachlich zuständig. Die hiergegen eingelegten Berufungen des Beklagten sowie der [X.]tadt [X.] waren nur hinsichtlich der Verurteilungen zur Zahlung von Zinsen erfolgreich; im Übrigen hat das [X.] (L[X.]G) Baden-[X.]ürttemberg die Berufungen zurückgewiesen (Urteil des L[X.]G vom 4.5.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.]G - auf die Gründe des Urteils des [X.]G verweisend - ausgeführt, die Erstattungsansprüche ergäben sich aus § 2 Abs 3 iVm § 102 Zehntes Buch [X.]ozialgesetzbuch - [X.]ozialverwaltungsverfahren und [X.]ozialdatenschutz - ([X.]GB X), weil der Kläger nach einem [X.]echsel der Zuständigkeit vorläufig die Leistungen habe erbringen müssen. Nach dem Umzug des [X.] ergebe sich die örtliche Zuständigkeit aus der allgemeinen Regelung des § 98 Abs 1 [X.], die auf den tatsächlichen Aufenthalt - hier [X.] bzw bei Grundsicherungsleistungen auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstelle. § 98 Abs 5 [X.] finde keine Anwendung, weil betreutes [X.]ohnen im [X.]inne dieser Vorschrift eine konzeptionelle Verknüpfung von [X.]ohnung und ambulanter Betreuung voraussetze.

5

[X.]it seiner Revision - die [X.]tadt [X.] hat die zunächst ebenfalls eingelegte Revision zurückgenommen - rügt der Beklagte eine Verletzung des § 97 Abs 2 [X.] iVm § 2 Landesausführungsgesetz zum [X.] für das Land Nordrhein-[X.]estfalen - NR[X.] - (AG-[X.]) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 816) iVm § 2 Abs 1 [X.] Ausführungsverordnung zum [X.] für das Land NR[X.] (AV-[X.]) vom 16.12.2004 (GVBl 817) sowie des § 98 Abs 5 [X.] und macht Verfahrensfehler geltend. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handele es sich bei den Leistungen, die [X.] erhalten habe, um Leistungen in Form ambulant betreuter [X.]ohnmöglichkeiten, für die der Kläger nach § 98 Abs 5 [X.] zuständig sei; eine konzeptionelle Verknüpfung von [X.]ohnung und ambulanter Betreuung sei nicht erforderlich. [X.]elbst wenn die Ansicht des L[X.]G zur örtlichen Zuständigkeit zuträfe, richte sich ein etwaiger Erstattungsanspruch gleichwohl gegen den [X.] [X.]estfalen-Lippe, weil dieser nach § 2 Abs 1 [X.] AV-[X.] zuständig sei. Der von den Vorinstanzen angenommene Gleichlauf örtlicher und sachlicher Zuständigkeit bestehe schon deshalb nicht, weil § 2 Abs 1 [X.] AV-[X.] andere Begrifflichkeiten verwende. Der [X.] [X.]estfalen-Lippe sei deshalb auch notwendig beizuladen gewesen; dabei wäre offenbar geworden, dass sich der "Kläger" ursprünglich zunächst an den [X.] gewandt und diesem gegenüber den "vermeintlichen Erstattungsanspruch" geltend gemacht habe. Diese Forderung habe der [X.] allein mangels örtlicher Zuständigkeit zurückgewiesen und den Antrag an den nach seiner Auffassung gemäß § 1 [X.] zur Ausführung des [X.] zuständigen überörtlichen Träger, den Kommunalverband für Jugend und [X.]oziales Baden-[X.]ürttemberg, weitergeleitet, der als "zweitangegangener" Träger nach § 14 [X.]ozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter [X.]enschen - ([X.]GB IX) zuständig geworden sei.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des L[X.]G und des [X.]G abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidung des L[X.]G für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.]n ist im [X.]inne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 [X.]atz 2 [X.]ozialgerichtsgesetz <[X.]>), weil das Verfahren an einem von dem [X.]n gerügten Verfahrensmangel (fehlende Beiladung des [X.]) leidet und tatsächliche Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) für eine abschließende Entscheidung fehlen.

Das [X.] hätte den [X.] als möglichen anderen Leistungsverpflichteten gemäß § 75 Abs 2 [X.]atz 1 2. Alt [X.] (unechte notwendige Beiladung) beiladen müssen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte beizuladen, wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der [X.]ozialhilfe oder in Angelegenheiten des [X.] Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass es für das [X.] als erkennendes Gericht bereits feststeht, dass der [X.] nicht leistungspflichtig ist; vielmehr genügt die ernsthafte [X.]öglichkeit eines anderen Leistungsverpflichteten ([X.], 242 ff, Rd[X.] 11 = [X.]-4200 § 20 [X.] 1; [X.] § 75 [X.] 74 [X.] 92; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 75 Rd[X.] 12). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm ("in Betracht kommt") als auch aus dem [X.]inn der Regelung. Die Frage der Notwendigkeit der Beiladung eines anderen Leistungsträgers kann nicht von der umfassenden Prüfung der Begründetheit der Klage abhängig gemacht und auf diese Weise durch das entscheidende Gericht für das Rechtsmittelgericht präjudiziert werden. Die Beiladung verfolgt nämlich (auch) das Ziel, rechtzeitig eine umfassende Klärung überhaupt erst herbeizuführen ([X.], aaO, Rd[X.] 12a).

Vorliegend besteht nach den vom [X.] selbst verwerteten [X.]achverhalt unter Berücksichtigung des maßgebenden Landesrechts die ernsthafte [X.]öglichkeit, dass der [X.] an [X.]telle des [X.]n erstattungspflichtig ist. Die Ausführungen des [X.] sind insoweit teilweise nicht nachvollziehbar, teilweise widersprüchlich. [X.]o wird schon nicht deutlich, weshalb die [X.]tadt [X.] einen beim Kläger gestellten Antrag auf Fortgewährung der bisher erbrachten Leistungen für die [X.] abgelehnt haben soll (Bescheid vom 26.3.2007), gegen den nicht der um Hilfe nachsuchende [X.], sondern der Kläger selbst am 16.4.2007 Widerspruch eingelegt haben soll. Dem Urteil des [X.] ist jedenfalls zu entnehmen, dass nicht nur der [X.] und die [X.]tadt [X.] angegangen worden sind, sondern auch der [X.]. Demgemäß hat das [X.] festgestellt, dass der Kläger "in einem an den [X.] gerichteten [X.]chreiben" auf § 98 Abs 1 [X.] verwiesen habe, weil es sich bei dem [X.] um Hilfe zur Pflege handele. Das [X.] hat andererseits aber trotz Ablehnung der Voraussetzungen des § 98 Abs 5 [X.] den [X.] nicht in seine Überlegungen, geschweige denn ins Verfahren, einbezogen. Dies hätte umso näher gelegen, als neben Grundsicherungsleistungen sowohl Pflegeleistungen als auch Eingliederungshilfeleistungen betroffen waren, für die - legt man die Rechtsauffassung des [X.] zugrunde, dass § 98 Abs 5 [X.] keine Anwendung findet - nach dem Landesrecht in NRW (AV-[X.]) unterschiedliche Leistungsträger - auch der [X.] - als sachlich zuständige [X.]ozialhilfeträger - von der Heranziehung anderer Behörden einmal abgesehen - in Betracht kommen können, ohne dass das [X.] dies geprüft hat.

Ohnehin sind die Ausführungen zum Landesrecht nicht nachvollziehbar und beziehen sich nur auf die Zuständigkeit für Leistungen des [X.]. Das [X.] hat das Landesrecht außerdem keiner erkennbaren (eigenen) Prüfung unterzogen, sondern sich den Gründen des Urteils des [X.] angeschlossen. Dieses ging zwar von der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen [X.]ozialhilfeträgers unter Hinweis auf § 2 Abs 1 [X.] 2 AV-[X.] aus für alle Leistungen der Eingliederungshilfen nach § 54 [X.] für behinderte [X.]enschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern. Es hat dann aber - ohne schlüssige Begründung - den Tatbestand des § 2 Abs 1 [X.] 2 AV-[X.] offensichtlich mit einem - vom [X.] verneinten - [X.] gleichgesetzt.

[X.]chließlich könnte eine Zuständigkeit des [X.]es Westfalen-Lippe zumindest für die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form einer Kfz-Hilfe nach § 2 Abs 2 [X.] 4 AV-[X.] gegeben sein; diese Zuständigkeitsregelung haben weder [X.] noch [X.] geprüft oder ausgelegt. Angesichts dieser gesamten Umstände, der Widersprüche und der unvollständigen bzw unterlassenen Auslegung des Landesrechts durfte das [X.] eine mögliche Verpflichtung des [X.]s zur Leistung nicht von vornherein ausschließen und hätte ihn nach § 75 Abs 2 2. Alt [X.] beiladen müssen, um eine abschließende Klärung herbeizuführen.

Auf welche Anspruchsgrundlage ein eventueller Erstattungsanspruch gestützt werden kann, bedarf weiterer, unterschiedlicher Feststellungen - insbesondere zum genauen Verfahrensablauf bei Geltendmachung der Ansprüche durch [X.] im Hinblick auf § 14 [X.]B IX -, sodass eine genauere Auseinandersetzung mit den einzelnen, denkbaren Anspruchsnormen untunlich ist. Insoweit hat der [X.]enat auch davon abgesehen, die endgültigen Ermittlungen zur Antragstellung und zur Zuständigkeit und die notwendige Beiladung des [X.]s selbst vorzunehmen (§ 170 Abs 2 [X.]atz 2 [X.]), weil sie die Auslegung von Landesrecht erfordert hätte, um den (örtlich) und sachlich zuständigen Leistungsträger zu bestimmen. Deshalb kann offen bleiben, ob der [X.]enat an die Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts (§ 162 [X.]) durch das [X.] überhaupt gebunden ist (vgl § 202 [X.] iVm § 560 Zivilprozessordnung; dazu allgemein [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 162 Rd[X.] 7 ff mwN), wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts den gerügten Verfahrensfehler einer unterlassenen notwendigen echten Beiladung betreffen.

Zwar ist eine Beiladung im Revisionsverfahren mit Zustimmung des [X.] möglich (§ 168 [X.]atz 2 [X.]). Die Beiladung selbst kann jedoch dem [X.] überlassen werden, wenn auch ohne den verfahrensrechtlichen [X.]angel der unterbliebenen Beiladung der Rechtsstreit - wie hier - aus anderen Gründen ohnedies zurückverwiesen werden müsste (vgl: [X.], 242 ff Rd[X.] 17 = [X.]-4200 § 20 [X.] 1; B[X.]E 103, 39 ff Rd[X.] 14 = [X.]-2800 § 10 [X.] 1). Den Feststellungen des [X.] kann ua nicht die korrekte (rechtmäßige) Höhe des Erstattungsanspruchs entnommen werden (vgl dazu B[X.]E 109, 56 ff Rd[X.] 10 = [X.]-3500 § 98 [X.] 1). Vor einer Beiladung ist der [X.]enat indes gehindert, über die von der Revision aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen für das [X.] bindend (§ 170 Abs 5 [X.]) zu entscheiden, weil anderenfalls das rechtliche Gehör (§ 62 [X.]; Art 103 Abs 1 Grundgesetz, Art 6 Abs 1 Europäische [X.]enschenrechtskonvention) des [X.] verletzt würde (vgl: [X.], 242 ff Rd[X.] 17 = [X.]-4200 § 20 [X.] 1; B[X.]E 103, 39 ff Rd[X.] 14 = [X.]-2800 § 10 [X.] 1).

Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass ein Erstattungsanspruch jedenfalls nicht daran scheitert, dass der Kläger nach § 98 Abs 5 [X.] für die erbrachten Leistungen ohnehin zuständig wäre. Nach § 98 Abs 5 [X.]atz 1 [X.] bleibt für Leistungen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten der Träger der [X.]ozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war. Hierzu hat der [X.]enat hat bereits entschieden, dass Leistungen ambulant betreuter Wohnformen entgegen der Auffassung des [X.] keine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnungsgewährung und (ambulanter) Betreuung voraussetzen (B[X.]E 109, 56 ff = [X.]-3500 § 98 [X.] 1). Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen hat in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen zu erfolgen. [X.]inn der Betreuungsleistungen beim [X.] ist nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der [X.]elbstständigkeit und [X.]elbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung (B[X.], aaO, Rd[X.] 15). Ob bei [X.] diese Voraussetzungen vorliegen, wofür vieles spricht, mag das [X.] entscheiden.

§ 98 Abs 5 [X.]atz 1 [X.] findet jedoch nach seinem [X.]atz 2 selbst dann keine Anwendung, wenn - wie der [X.] meint - [X.] Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten vor und nach seinem Umzug nach [X.] erhalten hat; danach bleiben vor Inkrafttreten des [X.] begründete Zuständigkeiten unberührt. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass in Fällen eines vor dem 1.1.2005 eingetretenen und fortbestehenden Leistungsfalls des [X.]s die vor dem 1.1.2005 geltenden Regelungen des B[X.]HG über die örtliche Zuständigkeit weitergelten (B[X.], aaO, Rd[X.] 18). Dies bedeutet für "Altfälle", dass beim Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen [X.]ozialhilfeträgers § 97 Abs 1 B[X.]HG zur Anwendung kommt. [X.]o dürfte der Fall hier liegen, weil eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung wohl bereits lange vor dem 1.1.2005 erforderlich war und sich auch in der Folgezeit an der Leistungsart an sich (nach dem Umzug nach [X.]) nichts geändert hat. Der Einwand des [X.]n, der Gesundheitszustand des [X.] habe sich nach dem 1.1.2005 verschlechtert, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Bereits [X.] hat die Pflegekasse die Pflegestufe 3 mit besonderem Härtefall festgestellt. Dementsprechend hat der Kläger zuletzt durch Bescheid vom [X.] die Kosten für besondere Pflegekräfte ([X.]) und sogar die Kosten für ein Assistenzzimmer übernommen. Diese Leistungen entsprechen den ab 1.1.2005 und im streitbefangenen [X.]raum übernommenen Leistungen. [X.]elbst wenn sich der Pflegeaufwand im Laufe der [X.] erhöht haben sollte, änderte dies nichts daran, dass derselbe Bedarfsfall wohl bereits lange vor dem 1.1.2005 eingetreten war. Eine Anwendung des § 2 Abs 3 [X.]B X - wie vom [X.] angenommen - dürfte jedoch ausscheiden, weil die Regelung des § 97 Abs 1 B[X.]HG bzw § 98 Abs 1 [X.] über die Zuständigkeit bei Weitererbringung der Leistung außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs spezieller sind.

Ob darüber hinaus der vom [X.]n gerügte Aufklärungsmangel vorliegt, kann dahinstehen, weil das Verfahren ohnedies zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen wird. Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden und dabei wegen der erforderlichen Einheitlichkeit der Kostenentscheidung die Revisionsrücknahme des früheren [X.]n zu 2 zu berücksichtigen haben.

Meta

B 8 SO 16/11 R

25.04.2013

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Heilbronn, 5. November 2009, Az: S 13 SO 494/08, Urteil

§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG, § 53 SGB 12, §§ 53ff SGB 12, § 61 SGB 12, §§ 61ff SGB 12, § 98 Abs 5 S 1 SGB 12, § 98 Abs 5 S 2 SGB 12, § 97 Abs 1 BSHG, § 2 SGB12AGAV NW

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.04.2013, Az. B 8 SO 16/11 R (REWIS RS 2013, 6248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6248

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