Bundespatentgericht, Urteil vom 11.11.2020, Az. 5 Ni 2/19 (EP)

5. Senat | REWIS RS 2020, 296

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Durch Zweikomponenten-Spritzgießen hergestellter Spenderteil (europäisches Patent)" – zur Frage der Patentfähigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 310 180

([X.] 2009 036 189)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2020 durch [X.], die Richterin [X.] sowie [X.], [X.]. [X.] und Dipl.-Ing. Brunn

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 2 310 180 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in der [X.] erteilten [X.] Patents 2 310 180 (Streitpatent), das am 14. Mai 2009 angemeldet worden ist und die Priorität der [X.] Anmeldung vom 16. Mai 2008 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung: "T[X.]-COMPONENT INJECTION MOULDED DISPENSER PART" (Durch Zweikomponenten-Spritzgießen hergestellter Spenderteil) und wird beim [X.] unter dem Aktenzeichen [X.] 2009 036 189.9 geführt. Es umfasst 14 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

2

Patentanspruch 1, auf den sich die Ansprüche 2 bis 14 direkt oder indirekt zurückbeziehen, lautet in der erteilten Fassung nach der Streitpatentschrift (EP 2 310 180 B1):

Abbildung

3

In der [X.] Übersetzung nach der Streitpatentschrift lautet Patentanspruch 1:

Abbildung

4

Wegen der [X.] wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

5

Mit ihrer Nichtigkeitsklage vom 16. Januar 2019 macht die Klägerin geltend, das Streitpatent sei in vollem Umfang für nichtig zu erklären, da der Gegenstand der Patentansprüche nicht neu sei. Jedenfalls habe sich der Gegenstand des Streitpatents aber für den Fachmann am [X.] naheliegend aus dem Stand der Technik ergeben und weise damit keine erfinderische Tätigkeit auf. Anspruch 1 und damit auch den davon abhängigen Ansprüchen des Streitpatents stehe im Übrigen auch die mangelnde Ausführbarkeit seiner Lehre entgegen.

6

Ihren Vortrag zur fehlenden Patentfähigkeit stützt die Klägerin u.a. auf folgende Dokumente:

7

N4 [X.] 2006/054965 A2

8

N6 [X.]-133029 A

9

N6-EN [X.] Übersetzung der [X.]-133029 A

N6-DE Deutsche Übersetzung der [X.]-133029 A

[X.] [X.] "Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften", 5. Aufl. 1998 (Auszug)

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 hat die Klägerin als weiteren Nachweis für die mangelnde Patentfähigkeit von Anspruch 1 eine offenkundige Vorbenutzung in Form eines Papierspenders der Firma [X.], Modell "[X.]", mit der Modellnummer 6973-000 geltend gemacht und hierzu die Anlagen [X.] bis [X.] vorgelegt. Auch der weitere Spender "cleanteam" nehme alle Merkmale des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg; hierzu hat die Klägerin die Anlagen [X.] bis [X.] vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent EP 2 310 180 ([X.] 2009 036 189) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise nach Maßgabe eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht als Anlagen zum Schriftsatz vom 21.08.2020 ([X.] d.A.),

weiter hilfsweise nach Maßgabe eines der [X.] oder 5, eingereicht als Anlagen zum Schriftsatz vom 03.11.2020 ([X.]. 378/397 d.A.).

Patentanspruch 1 der Fassung nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass das Wort "Festigkeit" durch das Wort "Schlagfestigkeit" ersetzt wurde.

Patentanspruch 1 der Fassung nach Hilfsantrag 2 enthält gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 am Ende das zusätzliche Merkmal "..., wobei das erste Komponententeil (17; 31; 41a) aus opakem ABS-Kunststoff ist und das zweite Komponententeil (18; 32; 42a) aus durchsichtigem MABS-Kunststoff ist."

Patentanspruch 1 der Fassung nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von der Fassung nach Hilfsantrag 2 dadurch, dass zu Beginn des Kennzeichens folgende Änderung vorgenommen wurde:

"dass sich ein Randabschnitt (44b, 44c, [X.]) an dem Spenderteil zweiten Komponententeil über eine Querausdehnung der Naht (43b; 43c; [X.]) derart hinaus erstreckt, dass .....".

Wegen der Fassung der [X.] und 5 wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 3. November 2020 Bezug genommen.

Die Klägerin hält die Nichtigkeitsklage auch gegenüber der Verteidigung des Streitpatents mit den [X.] aufrecht. Bezüglich der [X.] und 5 vom 3. November 2020 regt sie an, diese als verspätet zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen.

Die Lehre des Streitpatent sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, sein Gegenstand in der erteilten Fassung patentfähig. Jedenfalls in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen, die sämtlich zuzulassen seien, habe das Streitpatent daher Bestand.

Der Senat hat die Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] vom 16. Juli 2020 auf die Gesichtspunkte hingewiesen, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze mit sämtlichen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist zulässig und begründet, da das Streitpatent in der erteilten Fassung mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären ist. Das Streitpatent kann auch in keiner der Fassungen der [X.], 2 und 3 Bestand haben, denn sein jeweiliger Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig. Die [X.] und 5 hat der Senat nach § 83 Abs. 4 [X.] zurückgewiesen.

[X.]

1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft [X.] eines Spenders, beispielsweise für Papiertücher oder einer Papierrolle, die mindestens zwei Kunststoffkomponenten umfassen, die entlang einer Naht verbunden sind (Absätze [0001] und [0008] der [X.] 310 180 B1).

Bei vielen Arten von derartigen Spendergehäusen ist es gemäß den Ausführungen der [X.] wünschenswert, die Außenfläche des Gehäuses aus ähnlichen oder unterschiedlichen Kunststoffmaterialien aufzubauen, die jedoch unterschiedliche optische Eigenschaften aufweisen. So sei es beispielsweise möglich, einen Abschnitt transparent zu gestalten, um eine Kontrolle des Füllstandes zu erleichtern, während ein anderer Abschnitt opak vorgesehen sei, um einen Dosiermechanismus zu verbergen und dem Spender gleichfalls ein ästhetisch ansprechendes Aussehen zu verleihen (Absatz [0002]). Aus dem Stand der Technik bekannt sei ferner die Herstellung eines solchen [X.]s, wonach eine erste Kunststoff-Komponente in einer ersten Form spritzgegossen werde und anschließend auf eine zweite Form übertragen werde. Dort werde dann das Teil mit einer zweiten Kunststoff-Komponente – durch Anspritzen – verbunden (Absatz [0003]).

Probleme könne es jedoch bei einem so hergestellten [X.] in Bezug auf die Festigkeit der Naht geben, wenn das [X.] im Gebrauch hohen Belastungen ausgesetzt sei. Üblicherweise seien die [X.] durchgehend miteinander verbunden ("[X.]", [0003]), so dass die Nahtstellen, insbesondere im Bereich der Seitenkanten, selbst bei lokalen Verstärkungen nicht ausreichend stabil seien. Eine zu schwache Naht könne somit dazu führen, dass eine Komponente entlang mindestens eines Teils der Vorderfläche breche, so dass das [X.] ausgetauscht werden müsse (dto.).

2. Als Zielsetzung sieht dabei das Streitpatent, ein verbessertes [X.] und Verfahren zu seiner Herstellung bereitzustellen, um das Problem im Zusammenhang mit der Verformung des [X.]s und der Festigkeit der Naht zu lösen (Absatz [0006]).

3. Bei dem einschlägigen Fachmann handelt es sich um einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau bzw. Kunststofftechnik mit Fachhochschul- oder entsprechendem Abschluss, der mehrere Jahre Berufserfahrung in der Produktentwicklung von Aufnahmebehältern aufweist. Dieser Fachmann kennt sich dabei auch gut in der Formgebung von Kunststoffen aus, zieht darüber hinaus jedoch einen Fachmann der Spritztechnik hinzu. Dieser hat auch Erfahrung im Bereich der Werkstoffprüfung von Kunststoffen.

I[X.] Zur erteilten Fassung (Hauptantrag)

1. Zur Lösung der genannten Aufgabe schlägt der übersetzte Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung nach Merkmalen gegliedert Folgendes vor:

1. [X.] (20),

1.1 das [X.] weist mindestens zwei [X.] (17, 18) auf,

1.1.1 die jeweils durch eine Naht (21) verbunden sind,

1.2 das [X.] weist ein erstes spritzgegossenes [X.] (17) mit einer dazugehörigen ersten [X.] und

1.3 ein zweites spritzgegossenes [X.] (18) mit einer dazugehörigen zweiten [X.] auf,

1.4 die Naht ist durch die erste [X.] und die zweite [X.] während eines [X.] zum Verbinden des ersten Komponententeils (17) und des [X.] (18) ausgebildet, um das [X.] (20) zu definieren,

1.5 wobei sich ein Randabschnitt (44b, 44c, [X.]) des [X.]s über eine Querausdehnung der Naht (43b; 43c; [X.]) hinaus erstreckt, so dass die sich ergebende Naht eine Schlagfestigkeit aufweist, die gleich oder höher als die Festigkeit von zumindest einem der ersten und zweiten gegossenen Kunststoff-[X.] ist, die an die Naht angrenzend liegen.

2. Der Senat legt Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zugrunde:

Die Merkmalsgliederung enthält in den folgenden Punkten Korrekturen gegenüber der Übersetzung in der [X.]:

a) …einer dazugehörigen ersten/zweiten [X.]… (anstatt: …einer damit verbundenen ersten/zweiten Paarungsfläche…; Merkmale 1.2 und 1.3)

b) …des [X.]s über eine Querdehnung der Naht hinaus erstreckt, so dass… (anstatt: …eines [X.]s an einer Querdehnung der Naht derart erstreckt, dass…; Merkmal 1.5)

c) … die gleich oder höher als die Festigkeit von zumindest einem der ersten und zweiten gegossenen Kunststoff-[X.]n ist… (anstatt: … die gleich der Festigkeit oder höher als die Festigkeit des zumindest einen und zweiten gegossenen [X.]s ist…; Merkmal 1.5)

Darüber hinaus ist in Merkmal 1.4 "die Naht" als Rückbezug auf die bereits in Merkmal 1.1.1 definierte Naht formuliert worden (anstatt: "eine" Naht, wie es bereits in der [X.] Originalfassung heißt), da eine Unterscheidung lediglich aufgrund von Bezugszeichen (auch) im EPÜ nicht zulässig ist. Gleiches gilt entsprechend auch im Hinblick auf den bereits zuvor unter b) genannten Bezug "des [X.]s" (anstatt: eines [X.]s), da der Rückbezug auf das [X.] gemäß Merkmal 1 gerichtet sein muss. Die Gliederung beinhaltet lediglich Bezugszeichen von jeweils einem entsprechenden Ausführungsbeispiel.

Der auf ein [X.] bzw. auf ein Teil eines Spendergehäuses gerichtete Gegenstand nach Anspruch 1 besteht aus mindestens zwei [X.]n bzw. Kunststoffkomponenten, die aus spritzgegossenen Kunststoffmaterialien hergestellt sind. Diese [X.] sind jeweils mit einer Nahtstelle miteinander verbunden, die durch die entsprechenden zwei [X.]n gebildet werden. Dabei wird die Verbindung sowie die Naht durch das [X.] erzeugt (Merkmale 1. bis 1.4).

 Abbildung

Spendergehäuse gemäß Figur 2 der [X.] mit [X.]n (17) und (18) und Naht (21)

Der Begriff "Naht" im Rahmen der Fügung zweier Kunststoffkomponenten im [X.] durch An- oder Umspritzen der jeweiligen Stoßstellen impliziert an sich grundsätzlich eine stoffschlüssige Verbindung dieser beiden Komponenten. Mit dem Begriff "Naht" ist vorliegend jedoch nicht ausschließlich eine (fachmännisch möglicherweise erwartete) reine stoffschlüssige Schweißverbindung gemeint, weil unter dem Begriff "[X.]" nach der Definition in Absatz [0009] ausdrücklich jegliche Verbindung verstanden werden soll, die zu einer geeigneten derartigen Verbindung führt ("…used as a general term defining any [X.] or joint suitable for joining two component parts comprising plastic material into a single dispenser part."). Damit können prinzipiell weitere "Verbindungsarten", beispielsweise durch [X.] oder Formschluss – zumindest anteilig – ebenfalls mit umfasst sein.

Der als Randabschnitt oder Kantenabschnitt zu übersetzende Begriff "edge portion" (44b, 44c, [X.]) in Merkmal 1.5 stellt gewissermaßen eine "Verdickung" der Naht dar, der Randabschnitt erstreckt sich über die Querausdehnung der Naht hinaus und überlappt damit die Naht in Bezug auf ihre "ursprüngliche" Querausdehnung. Als Synonym für den Begriff "edge portion" sind in der

Abbildung

Randabschnitt (44b, 44c, [X.]) in Form einer [X.]/Überlappung gemäß einigen Ausführungsbeispielen

Beschreibung auch die Begriffe "lip" ([X.]) sowie "[X.]" (Überlappung) verwendet ("Figures [X.]-4D show a [X.] with an [X.], [X.] an edge portion or a lip 44b, 44c, [X.] on one dispenser part extends past the transverse extension of the [X.]", [0068]). Gemäß den Ausführungsbeispielen der Figuren [X.] bis 4D (bzw. 4b bis 4d) überlappen die [X.]n der einen Kunststoff-Teilkomponente die entsprechend andere Teilkomponente auf der Rückseite der Naht ("[X.] 44b, 44c, [X.] partially [X.]s the rear surface on the opposite dispenser part to reinforce the [X.]", dto.). Entsprechende Überlappungen der Naht in Form von [X.]n sind auch in den Figuren [X.] und 12C gezeigt und beschrieben ("A leading edge of the first component part 41b, [X.] 44b, 44c arranged to [X.] the second component part 42b, [X.] in order to reinforce and hide the [X.] 43b, 43c, [0079]). Damit soll die Naht durch eine Verdickung in Form einer [X.] auf der Rückseite des [X.]s verstärkt werden. Zielsetzung ist hierbei insbesondere eine Erhöhung der Schlagfestigkeit des [X.]s ("…in order to…improve the impact strength of a dispenser part…" [0068]).

Die Begriffe "edge portion" bzw. "lip" oder "[X.]" (44b, 44c, [X.]) unterscheiden sich somit grundsätzlich von dem Begriff "step" (Stufe), der in der Beschreibung sowie den entsprechenden Figuren jeweils mit den Bezugszeichen (44, 45, 46; 54, 56; 64, 66; 74, 76) versehen ist. Als eine "Stufe" ist konkret ein Absatz anzusehen, der aus einem zur äußeren bzw. inneren Oberfläche des [X.]s vertikalen und horizontalen Kontakt-Flächenanteil der sich ergebenden Naht besteht, wie es in der Beschreibung definiert ist ("[X.] an inner or an [X.], and a second contact surface extending towards the first edge. [X.], the second contact surface is arranged to extend between the inner and outer surfaces both in the transverse and the longitudinal direction of the [X.]", [0013]).

Der Begriff "impact strength” stellt fachgemäß eher eine "Schlagzähigkeit" als eine Schlagfestigkeit dar, da gemäß der Beschreibung damit eine Energie gemeint ist, die erforderlich ist, um eine Probe zu brechen ("The impact strength can be defined as the energy required to fracture a specimen subjected to shock loading, as in an impact test", [0027]). Derartige standardisierte Testverfahren ermitteln typischerweise eine spezifische Schlagenergie (Schlagzähigkeitswerte: Energie/Fläche bzw. Arbeit/Fläche) und werden in (Kerb-) Schlagbiegeversuchen ermittelt, während Festigkeiten durch Spannungswerte (Kraft/Fläche) charakterisiert sind. Allerdings sollen gemäß der Beschreibung des Streitpatents unter dem Begriff "impact strength” alle vergleichbaren Verfahren subsumiert werden ("Alternative terms are impact energy, impact value, impact resistance and energy absorption", dto.), so dass der Fachmann hierunter jegliche Art von Stoß- bzw. Schlagbelastung versteht. Gemäß Merkmal 1.5 soll die Schlag(biege)festigkeit bzw. Schlagzähigkeit der Naht dabei mindestens gleich groß sein wie die von zumindest einem der beiden [X.], die an die Naht angrenzen.

Da in der [X.] lediglich systematische [X.] an Proben mit verschiedenen "Nahtgeometrien" im Vergleich zu "Referenzproben" (stumpfe Naht) und auch Proben ohne eine Naht herangezogen und in tabellarischer Form (Absätze [0087] bis [0092] mit Tabelle 1) miteinander verglichen werden, zieht der Fachmann zur Abschätzung des Ortes der zu erwartenden Schädigung bzw. Versagens gemäß Merkmal 1.5 grundsätzlich auch entsprechende [X.] in Betracht.

Der Fachmann für [X.], der im Zuge der Qualitätssicherung neu konstruierter Kunststoffteile oder bei kontinuierlicher Fertigung regelmäßig mit der Werkstoffprüfung in Berührung kommt, kennt die gängigen Biege- und Schlagbiegeversuche im Bereich der Kunststofftechnik. Er kennt dabei auch die Übereinstimmungen sowie die Unterschiede dieser Prüfverfahren. Während bei [X.]n zur Ermittlung der Biegefestigkeit [X.] in Bezug zu einem Flächenanteil der Querschnittsfläche gesetzt wird (N/mm² bzw. MPa), wird bei einem Versuch der Schlag(biege)festigkeit bzw. Schlagzähigkeit ein spezifischer Energiewert (kJ/m²) ermittelt. Der Energiewert lässt sich dabei in einfacher Weise durch einen Pendelschlagversuch ermitteln (z.B. [X.] nach [X.] EN [X.]), indem bei gemessener Auslenkung (Höhe) der Schlagmasse vor dem Schlag diese Größe mit der beispielsweise über einen Schleppzeiger ermittelten Auslenkhöhe nach dem Schlag in Relation gesetzt wird. Die Differenz der beiden potentiellen Energien ist der Energiewert, der für den Bruch der Probe benötigt wurde und stellt somit in dieser Hinsicht eine separate Messgröße für den Probenbruch dar.

Dieser Versuch der Schlagbiegefestigkeit bzw. –zähigkeit ist jedoch – bei den hier in Betracht zu ziehenden "Hartkunststoffen", deren Verformungsverhalten im Wesentlichen im linear-elastischen Bereich stattfindet – im Prinzip nichts anderes als ein Biegeversuch, der bei gleichem Material, gleicher Proben- sowie gleicher Belastungsgeometrie und sonstigen vergleichbaren äußeren Bedingungen (insbesondere Temperatur) sich lediglich von der [X.] unterscheidet. Daher korreliert der Fachmann bei vergleichenden Versuchen von Proben, die sich beispielsweise lediglich in der [X.] unterscheiden, dass eine ermittelte qualitative "Reihenfolge" der Biegefestigkeit dieser Proben gleichfalls auch für den Schlagbiegeversuch (Schlagbiegefestigkeit) gilt. Genau dies wird offensichtlich auch seitens der Patentschrift so gesehen, da dort lediglich die Ergebnisse systematischer [X.] mit einigen unterschiedlichen "Nahtgeometrien" dargestellt sind (Absätze [0087] bis [0092] mit Tabelle 1) und nicht entsprechende Ergebnisse von standardisierten Schlagbiegeversuchen. Der lediglich an einem fertigen [X.] durchgeführte Schlagzähigkeitstest mit einer Masse von 13 kg und einer Belastungsfläche von 63 cm² ([0093] und [0094]) mit einem dementsprechend komplexen Spannungsfeld ist jedenfalls für vergleichende Untersuchungen nicht herangezogen worden und im Grunde dafür auch nicht geeignet.

3. Patentfähigkeit

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung erweist sich als nicht patentfähig, da seine Lehre jedenfalls für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ). Deshalb ist der auf fehlende Patentfähigkeit gerichtete Nichtigkeitsangriff nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ begründet. Ob der von der Klägerin ebenfalls geführte [X.] Erfolg gehabt hätte, kann daher dahingestellt bleiben.

Als geeigneter Ausgangspunkt des Standes der Technik ist die Druckschrift [X.] (WO 2006/054965 [X.]) heranzuziehen, die ein [X.] eines Spenders gemäß dem Oberbegriff des Gegenstands nach Anspruch 1 offenbart.

Als Gegenstand offenbart die [X.] vorzugsweise einen Spender zur Ausgabe von rollenförmig untergebrachten [X.] (Beschreibungseinleitung). Gemäß dem in den Figuren 1 bis 5 gezeigten und in der Beschreibung ab Seite 5 beschriebenen Ausführungsbeispiel weist der Spender als wesentliche Gehäuseelemente einen Grundkörper (body portion 3) und eine Abdeckung (cover 2) auf, wobei diese ein [X.] des Spenders darstellt. Dieses [X.] (2) weist – neben weiteren Funktionselementen wie Ausgabeöffnung (dispensing opening 5), [X.] (lock 7) und Drehgelenk (pivot pin 8) – auch ein Sichtfenster (transparent [X.]) auf. Das [X.] (2) besteht aus einem opaken oder transluzenten Material, während das Sichtfenster (4) transparent ausgeführt sein soll (Seite 7, Zeilen 6 ff.).

 Abbildung

 Ausführungsbeispiel der [X.]

Die Herstellung der Abdeckung im Verbund mit dem Sichtfenster erfolgt bevorzugt durch ein Spritzgießen von Kunststoff mit zweifachem Einspritzen ("…and it is preferred that the cover 2 with its [X.] be formed by two-shot injection molding…") und stellt somit ein [X.] dar. Damit soll insbesondere ein guter Verbund beider Materialien erreicht werden ("…to enhance the structural integrity of the [X.] within the cover 2", dto.). Ein derartiger Verbund zweier spritzgegossener Kunststoff-[X.] ist demzufolge auch durch eine Naht mit den beiden zugehörigen [X.]n ausgebildet, wie dies in den Merkmalen 1.2 und 1.4 formuliert ist. Damit ist ein [X.] mit zumindest zwei Kunststoff-[X.]n mit einer Naht entsprechend den Merkmalen 1 bis 1.4 aus der [X.] bekannt.

Das Merkmal 1.5 ist aus [X.] nicht bekannt. Die im [X.] hergestellte Naht ist nicht näher beschrieben und auch in den Figuren nur von vorne sichtbar und somit in ihrer Querausdehnung nicht gezeigt, so dass eine Verdickung der Naht durch Ausbildung einer [X.] bzw. eines entsprechenden Randabschnitts nicht offenbart ist.

Bei der Ausbildung der Geometrie der durch das [X.] herzustellenden Fügeverbindung bzw. Naht beim [X.] der [X.] orientiert sich der Fachmann – da er die Ausgestaltung der Querausdehnung der Naht der [X.] nicht offenbart sieht – im Wesentlichen an den Konstruktionserfordernissen des Produkts "[X.]" sowie an seinem Fachwissen in Bezug auf die Ausgestaltung der Naht beim Anspritzen zweier Kunststoffkomponenten. Das Produkt des [X.]s wird zumeist im öffentlichen Raum eingesetzt und erfordert hierbei – neben einer geeigneten und sicheren Funktionalität – einerseits ein ansprechendes Design sowie andererseits eine ausreichende Stabilität, die zweifelsohne auch starken mechanischen Beanspruchungen standhalten muss. Dabei zieht der Fachmann bei der konstruktiven Ausgestaltung der Naht bereits grundsätzlich in Betracht, dass diese keine Schwachstelle des [X.]s bzw. des Gehäuses insgesamt darstellt. Insbesondere der auch hier angesprochene Fachmann der Spritztechnik kennt diese immanente Anforderung an Fügestellen der im [X.] hergestellten Bauteile und kennt darüber hinaus eine Vielzahl von derartigen Anwendungen. Dementsprechend kennt der Fachmann der [X.] auch exemplarisch die Druckschrift [X.] ([X.]-133029 A, [X.]-DE deutsche Übersetzung der [X.]), bei der eine durch ein Zweikomponenten-Spritzgießen hergestellte Naht eines allgemeinen "Erzeugnisses" ausdrücklich eine hohe Biegefestigkeit aufweisen soll.

Die Druckschrift [X.]/[X.]-DE offenbart ein aus Kunststoff geformtes Erzeugnis mit zwei (Farb-) Komponenten und einem dazugehörigen Verfahren (Bezeichnung der [X.]/[X.]-DE sowie Beschreibungseinleitung). Als Erzeugnis wird "beispielsweise ein Außengehäuse eines Tastentelefons" genannt (Seite 2, Zeilen 8 – 10 der [X.]-DE). Die beiden Gehäuse-Komponenten werden über eine Fügefläche spritztechnisch mittels zweier getrennter Einspritzungen miteinander verbunden, so dass ein [X.] vorliegt. Dies ist zweifelsohne in der [X.]-DE mit Bezug auf die Figur 4 offenbart (Seite 3, Zeilen 18 – 25). Gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figuren 7 bis 11 erfolgt die Verbindung der beiden Farbkomponenten über eine Naht, deren [X.] zwei Stufen aufweist (Seite 5, ab Zeile 7 der [X.]-DE). Die spritztechnische Anbindung der zweiten Teilkomponente erfolgt dabei über die "untere" der beiden Stufen der ersten Teilkomponente, die von der "äußeren" Fläche des [X.] entfernt ist (Figuren 7 bis 11). Diese im Ausführungsbeispiel dargestellte Anbindung der beiden Komponenten weist einen "dicken, vorstehenden Streifen" (12) auf, der als Randabschnitt im Sinne des Streitpatents bezeichnet werden kann und sich über die Querausdehnung der Naht hinaus erstreckt. Die Naht soll dabei durch diese Nahtausführung "…eine hohe Biegefestigkeit…" ergeben (Seite 6, Zeilen 10 ff.).

Darüber hinaus ist eine alternative überlappende Schweißverbindung einer derartigen Fügestelle in einer Ausführungsform gemäß den Figuren 2 und 3 offenbart, die eine einfache Überlappungs-Schweißverbindung ("Überlappstoß") zeigt. Die Schweißung erfolgt in diesem Fall allerdings im Ultraschall-Schweißverfahren. Auch hier ist die bemerkenswerte Stärke der Verbindung hervorgehoben (Seite 3, Zeilen 10 f.), eine Ultraschall-Schweißung wird jedoch aus optischen und ökonomischen Gründen verworfen, da die Bildung von Graten dem ästhetischen Erscheinungsbild nicht genügt und darüber hinaus auch aus Kostengründen nachteilig ist (Seite 3, Absatz 2). Der Fachmann zieht jedoch diese einfache Überlappungsverbindung für das [X.] gerade auch deswegen in Erwägung, weil sich hiermit diese Verbindung ohne Schwierigkeiten realisieren lässt und eine ästhetische Beeinträchtigung durch Grate gerade nicht vorliegt. Beide [X.] – [X.] und 2-K-Spritzgießen – sind im Übrigen Schweißverfahren, bei denen jeweils eine "größere" Fügefläche aufschmelzbar ist und somit eine flächenmäßige Begrenzung der Schweißverbindung auf Linien- oder Punktbereiche, im Gegensatz zum Schweißen mit punktförmiger Energiezufuhr, nicht vorliegt. Insofern zieht der Fachmann eine Stoß- bzw. Nahtgestaltung für [X.] auch ohne Weiteres für eine Anspritzverschweißung bei einem 2-K-Spritzgießen in Betracht.

Da der Fachmann für den Anwendungsfall des [X.]s eine außenliegende Nut gemäß dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 7 bis 11 bei einem [X.] aus [X.] bzw. Hygienegründen sowie hinsichtlich einer leichteren Reinigung der Spender nicht vorsieht – wie dies im Übrigen auch die Beklagte so gesehen hat – zieht der Fachmann hingegen die Schweißverbindung entsprechend der Figur 2 bzw. 3 für das 2-K-Spritzgießen in Betracht. Bei dieser Lösung sind für den Fachmann die beiden auf Seite 3, Absatz 2 für das [X.] genannten Nachteile der Gratbildung und des hohen Energieverbrauchs beseitigt und er sieht darüber hinaus keinerlei Schwierigkeiten, diese Naht spritztechnisch auszuführen. Eine derartige, dem Fachmann bereits durch sein Fachwissen und aufgrund seiner spritztechnischen Erfahrung grundlegend bekannte Schweißverbindung durch Überlappen der Stoßstelle auf der der Sichtseite gegenüberliegenden Innenseite gewährleistet ihm eine optisch ansprechende Stoßverbindung mit einer im Wesentlichen spaltfreien Oberfläche auf der Sichtseite und darüber hinaus eine Verbindung mit ausreichend hoher Festigkeit.

Die Festigkeit einer sich überlappenden Naht gemäß der Geometrie nach den Figuren 2 und 3 der [X.]/[X.]-DE kann vom Fachmann auch gemäß einfachster Grundlagen der Festigkeitslehre abgeschätzt werden. Als maßgebliche Belastungsart ist eine Biege- bzw. Schlagbiegebelastung anzusehen – wie dies auch das Streitpatent herangezogen hat – bei der beispielsweise Druck auf die Fläche neben oder auch auf die Naht ausgeübt wird. In Bezug auf eine Referenzprobe in Form eines Biegebalkens mit rechteckigem Querschnitt gemäß dem Beispiel der Figur 3 der [X.]/[X.]-DE weist eine Probe im Bereich der Naht eine in etwa doppelte Dicke im Vergleich zu den Bereichen neben der Naht auf. Da das [X.] in Bezug auf seine Höhe (entsprechend der Dicke der Probe) quadratisch zunimmt, reduziert sich die maximale Spannungsbelastung im Bereich der Naht mit "doppelter Dicke" gemäß dieser vereinfachten, überschlägigen Betrachtung auf ein Viertel im Vergleich zu den Bereichen neben der Naht (Voraussetzung linear-elastischer Bereich). Auch wenn die linear-elastische Verformung bei geeigneten Thermoplasten höherer Festigkeiten ("[X.]") über den gesamten Verformungsverlauf im [X.] zum Teil nicht ganz durchgehend gilt, so wird eine derart ausgebildete Naht sowohl bei einem [X.] wie auch bei einem Schlagzähigkeitsversuch aufgrund der wesentlich herabgesetzten Spannungsbelastung erwartbar nicht im Bereich der Naht versagen, auch wenn die eigentliche [X.] einer von einem Fachmann gewählten kompatiblen Werkstoffpaarung von erster und zweiter Kunststoffkomponente gegenüber einer nahtlosen Vergleichsprobe gleicher Dicke etwas herabgesetzt sein sollte.

Die seitens der Beklagten gegenüber der Biegefestigkeit hervorgehobene besondere und spezifische Bedeutung der Schlag(biege)festigkeit bzw. Schlagzähigkeit in Bezug auf die Ausbildung der Naht ist aus fachmännischer Sicht nicht gegeben. Hierzu wird insbesondere auf die Auslegung des Begriffs Schlag(biege)festigkeit bzw. Schlagzähigkeit und der Bezug zur entsprechenden Biegefestigkeit unter I[X.] 2. verwiesen.

Demnach unterscheidet sich der Versuch der Schlag(biege)festigkeit bzw. -zähigkeit bei gleichem Material, gleicher Probengeometrie sowie gleicher Belastungsgeometrie und sonstigen vergleichbaren äußeren Bedingungen (insbesondere Temperatur) lediglich in der [X.] von einem entsprechenden Biegeversuch. Die Variation dieses einen Parameters lässt jedoch im vorliegenden Fall beim Einsatz von "Hartkunstoffen" mit weitgehend linear-elastischem [X.] keine andere Einschätzung der Schlag(biege)festigkeit auf den Ort des Versagens im Bereich der Naht erwarten als die Betrachtung in Bezug auf die Biegefestigkeit. Insofern entnimmt der Fachmann sowohl der Aussage der [X.]/[X.]-DE in Bezug auf eine ausreichende Biegefestigkeit der Naht gemäß der Figur 2 bzw. 3 ("…die Stärke der Verbindung ist bemerkenswert…", Seite 3, Absatz 2) als auch der vorstehend dargelegten überschlägigen Abschätzung der Biegefestigkeit der Naht mit "doppelter Dicke", dass auch die Schlagfestigkeit der Naht höher ist als in den Bereichen neben der Naht. Damit ist jedoch das Merkmal 1.5 sowie demzufolge auch der Gegenstand nach Anspruch 1 in der erteilten Fassung insgesamt für den Fachmann nahegelegt.

II[X.] Zu den Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den [X.] 1 bis 3 erweisen sich ebenfalls als nicht patentfähig, da ihre Lehre für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt war.

1. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 umfassen jeweils den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3. Nachdem letzterer – wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag 3 zeigen – nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sind auch die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 nicht patentfähig.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 umfasst alle Merkmale 1. bis 1.4 des Gegenstands nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und wird zudem durch die folgenden geänderten (1.5‘, 1,5‘‘) bzw. neu hinzugekommenen (1.6) Merkmale der entsprechenden [X.] bis 3 ergänzt (Kennzeichnung Änderungen durch Unterstrich bzw. Durchstrich):

1.5‘ wobei sich ein Randabschnitt (44b, 44c, [X.]) des [X.]s über eine Querausdehnung der Naht (43b; 43c; [X.]) hinaus erstreckt, so dass die sich ergebende Naht eine Schlagfestigkeit aufweist, die gleich oder höher als die Schlagfestigkeit von zumindest einem der ersten und zweiten gegossenen Kunststoffteilkomponenten ist, die an die Naht angrenzend liegen. ([X.])

1.6 wobei das erste Komponententeil (17; 31; 41a) aus opakem ABS-Kunststoff ist und das zweite Komponententeil (18; 32; 42a) aus durchsichtigem [X.]-Kunststoff ist. ([X.])

1.5‘‘ wobei sich ein Randabschnitt (44b, 44c, [X.]) des [X.]s an dem zweiten Komponententeil über eine Querausdehnung der Naht (43b; 43c; [X.]) hinaus erstreckt, so dass die sich ergebende Naht eine Schlagfestigkeit aufweist, die gleich oder höher als die Schlagfestigkeit von zumindest einem der ersten und zweiten gegossenen Kunststoffteilkomponenten ist, die an die Naht angrenzend liegen. ([X.])

2. Wie bereits bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt ist, beruht das [X.] mit den dort beanspruchten Merkmalen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit; auf die entsprechenden vorstehenden Ausführungen unter I[X.] 3. wird verwiesen. Aber auch die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hinzugekommenen bzw. geänderten Merkmale 1.5‘, 1.6 und 1.5‘‘ können die erfinderische Tätigkeit nicht begründen, weil sie für einen Fachmann – auch in Verbindung mit den übrigen Merkmalen – nahegelegt sind.

In Merkmal 1.5‘ wird der Begriff "Festigkeit" durch den der "Schlagfestigkeit" ersetzt und soll gemäß der Beklagten lediglich "klarstellen" (Eingabe der Beklagten vom 21. August 2020, Seite 20 unten), dass beim Vergleich der Festigkeiten der Naht mit den Bereichen angrenzend zur Naht jeweils die "Schlagfestigkeit" gemeint ist. Da gemäß dem Verständnis des Fachmanns dieser Vergleich sich zweifellos auf die gleiche Belastungsart bezieht (s. Auslegung unter I[X.] 2.), ergibt sich kein anderer Sachverhalt im Vergleich zum Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Eine Beschränkung liegt somit in dieser Hinsicht nicht vor.

Das Merkmal 1.6 ist für den Fachmann nahegelegt, da die Materialauswahl für ein [X.] in Form einer vorderen Abdeckung eines [X.]s der [X.] in Bezug auf ABS und [X.] zum Fachwissen des hier angesprochenen Fachmanns gehört und auch die Reihenfolge der beiden hintereinander gespritzten Kunststoffkomponenten die erfinderische Tätigkeit nicht erbringen kann.

Die Auswahl der Kunststoffkomponenten gemäß dem Merkmal 1.6 stellt eine für den Fachmann einfache, handwerkliche Maßnahme dar, zu der es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte. Ein auf dem Gebiet der Entwicklung von Kunststoffbehältern tätiger Fachmann, der im vorliegenden Fall einen Fachmann des [X.]s heranzieht, kennt dabei alle die für diese Anwendung in Frage kommenden Kunststoffmaterialien. Die Druckschrift [X.] benennt keine spezifischen Kunststoffe für die beiden [X.] der Abdeckung ("plastic", Patentanspruch 3) und überlässt somit dem Fachmann deren Auswahl.

Für die Materialwahl eines Gehäuses eines (Papier-) Rollenspenders, der auch in öffentlichen Räumen zum Einsatz kommt, bietet sich als Material für eine opake Kunststoffkomponente ein ABS-Kunststoff an, da dieser für optisch ansprechende und mechanisch belastete Anwendungen besonders geeignet ist. [X.] lassen sich umfangreich einfärben sowie bedrucken und weisen zudem eine verhältnismäßig hohe Festigkeit und Schlagzähigkeit auf; sie sind somit für den gedachten Einsatz eines öffentlich genutzten Papierhandtuchspenders sehr gut geeignet.

Sofern der Fachmann, ausgehend von der [X.], das Fenster mit einem [X.] mit dem opaken [X.] verbinden möchte, so wählt er für die (teil-) transparente Komponente ein Material aus, das einerseits unproblematisch und optisch ebenfalls ansprechend ausformbar ist, andererseits jedoch dem ABS-Kunststoff auch vergleichbare, insbesondere thermische Eigenschaften aufweist. Denn für das Anspritzen zweier Komponenten ist von besonderer Bedeutung, dass der thermische Ausdehnungskoeffizient der transparenten Komponente in etwa dem der opaken entspricht, damit die Abkühlungseigenspannungen der durch Anspritzen verbundenen Komponenten möglichst gering bleiben. Dabei drängt sich bei der Verwendung von ABS als opaker Komponente der Einsatz von [X.] als weitere Komponente geradezu auf, da dieser Werkstoff die transparente Komponente der [X.] darstellt und somit annähernd den gleichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten wie der ABS-Kunststoff aufweist, sowie zudem auch für den Einsatz als Spendergehäuse bekannt ist. Als Beleg für dieses Fachwissen sei auf das Dokument [X.] ([X.]) verwiesen; in diesem grundlegenden Kunststoff-Fachbuch ist als ein Anwendungsbeispiel für das [X.]-Material explizit der Einsatz als Sanitärpapierspender genannt (Seite 410 unter "Anwendungsbeispiele"). Zudem ist auch beschrieben, dass dieser Werkstoff als "glasklares, naturfarbenes Granulat sowie in vielen transparenten und gedeckten Einfärbungen lieferbar" sei (Seite 406 unter "Sortiment und Lieferform"). Somit kennt der Fachmann für Spritzguss diesen Werkstoff als Einsatz auch ganz speziell als (teil-) transparente Komponente für diese Anwendung. Im Übrigen ergibt sich auch bei (umgekehrter) Auswahl der für den Einsatz als [X.] bekannten transparenten Komponente [X.] damit auch die Wahl des [X.] als opake Kunststoffkomponente. Eine erfinderische Tätigkeit ist durch die Verwendung einer Kombination von ABS- und [X.]-Kunststoffen für einen Papierrollenspender damit nicht gegeben.

Die "Umkehrung" der Reihenfolge des [X.] als erster und transparenter als zweiter Kunststoffkomponente gegenüber den Varianten der Ausführungsbeispiele gemäß den Figuren ist ebenfalls nicht erfinderisch. Es gibt prinzipiell lediglich zwei "Reihenfolgen", um die opake und die (teil-) transparente Komponente spritztechnisch miteinander zu verbinden, so dass die Auswahl einer von zwei technisch möglichen Varianten – insbesondere bei ähnlichen Schmelztemperaturen beider Komponenten – keine erfinderische Tätigkeit darstellt. Die Reihenfolge bestimmt sich im Übrigen vielmehr im Wesentlichen hinsichtlich einer einfacher zu realisierenden Werkzeugkonstruktion, die von der jeweiligen Bauteilgeometrie des [X.]s abhängt. Zudem ist in der [X.] nicht dargelegt, wieso gerade die Umkehrung der Reihenfolge der gespritzten Komponenten gegenüber der Beschreibung hinsichtlich der Ausführungsbeispiele gemäß den Figuren [X.] bis 4D sowie [X.] und 12C eine erfinderische Tätigkeit darstellen soll, da dort gerade durch eine opake Vorderkante eine vorteilhafte Überdeckung der Naht sowie der verbundenen transparenten Komponente dargelegt ist, wie es auch bereits in der Ausführungsform ohne Randabschnitt gemäß Figur [X.] formuliert ist ("[X.] 42a is arranged to [X.] the first component part 41a in order to hide the [X.] 43a", [0064]). Eine entsprechende Formulierung ist auch in den jeweiligen Beschreibungspassagen der Ausführungsbeispiele mit den jeweiligen Randabschnitten vorhanden ([0065], [0066], [0067] und [0079]). Die Umkehrung der [X.] demgegenüber in der nun beanspruchten Weise ist lediglich allgemein in den Absätzen [0032] und [0073] offenbart und enthält keine vorteilhafte Begründung. Die Ausführung lediglich einer zweiten technischen Variante, die zudem noch nachteilig erscheint, stellt keine erfinderische Tätigkeit dar.

Auch das Merkmal 1.5‘‘, das den Randabschnitt bzw. die [X.] nun als Überlappung an dem zweiten – und damit an dem als zweite Komponente gespritzten – transparenten [X.]-[X.] überlappend anliegend formuliert, kann die Patentfähigkeit des Gegenstands nicht begründen. Auch für die Überlappung gibt es grundsätzlich zwei Lösungsvarianten, wonach sich der Randabschnitt entweder über die Querausdehnung der Naht der transparenten oder der opaken Kunststoffkomponente erstreckt. Zudem steht auch diese [X.], wonach sich dieser über eine Querausdehnung der Naht über das zweite und damit transparente Komponententeil hinaus erstreckt, im Widerspruch zu den Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren [X.] bis 4D sowie [X.] und 12C, bei denen jeweils die erste Komponente transparent und die zweite opak ist ("Figure [X.] shows a transparent first component part 41 b and an opaque second component part 42b", [0065] exemplarisch für das Ausführungsbeispiel [X.]). Somit gilt das Entsprechende wie das im vorstehenden Absatz zu Merkmal 1.6 Gesagte. Das Merkmal 1.5‘‘ ist somit ebenfalls für den Fachmann nahegelegt.

Nachdem alle zusätzlichen, hinzugekommenen Merkmale des Gegenstands nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lediglich fachübliche Maßnahmen darstellen, die dem hier angesprochenen Fachmann geläufig sind bzw. naheliegen, ist auch der Gegenstand nach Hilfsantrag 3 mit der Gesamtheit seiner Merkmale aus der Zusammenschau der [X.] mit der [X.]/[X.]-DE für den hier angesprochenen Fachmann nahegelegt.

IV. Zu den Fassungen nach den Hilfsanträgen 4 und 5

Der Senat hat von seinem in § 83 Abs. 4 [X.] eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch gemacht, die mit Schriftsatz vom 3. November 2020 eingereichten Fassungen der [X.] und 5 zurückzuweisen.

Zurecht rügt die Klägerin, dass diese Hilfsanträge, die nach Ablauf der im Hinweis genannten Fristen eingereicht worden waren, als verspätet anzusehen sind. Sie definieren die Flächen der [X.] und des Spenders sowie den Lauf der Naht (Hilfsantrag 4), wobei Hilfsantrag 5 zusätzlich das Ende der Naht beschreibt. Ebenso wie die [X.] bis 3 hätten diese bereits als Reaktion auf den Hinweis vom 16. Juli 2020 formuliert werden können, der sowohl die Ausführbarkeit der Lehre bezüglich Merkmal 1.5 als auch das Beruhen des Patentanspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit problematisiert hatte.

Die mit den [X.] 4 und 5 neu eingeführten Merkmale, insbesondere auch das Ende der Naht, stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den früheren [X.] oder der bis dato erfolgten Diskussion zwischen den Parteien, so dass der Klägerin hierzu die Möglichkeit einer Recherche im Stand der Technik eingeräumt werden muss. Dies hätte eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht.

Soweit die Beklagte vorträgt, die weiteren Hilfsanträge seien eine Antwort auf den späten Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 30. September 2020 gewesen, wäre sie dennoch in der Lage gewesen, zeitnäher hierauf zu reagieren. Die Zustellung des gegnerischen Schriftsatzes am 6. Oktober 2020 rechtfertigt die Vorlage der Hilfsanträge erst acht Tage vor der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht.

Die späte Vorlage der [X.] und 5 hat die Beklagte, die im Hinweis über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden war, zudem nicht genügend entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Nr. 2 und 3 [X.]).

V.

Im Ergebnis hat daher das Streitpatent mangels Patentfähigkeit ausgehend von der Druckschrift [X.] in keiner der Fassungen, mit denen die Beklagte es zulässigerweise verteidigt, Bestand. Vor diesem Hintergrund bedarf daher weder der weitere [X.] der fehlenden Ausführbarkeit einer Entscheidung noch die von der Klägerin behaupteten offenkundige Vorbenutzungen des Gegenstands des Streitpatents.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

5 Ni 2/19 (EP)

11.11.2020

Bundespatentgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

nachgehend BGH, 14. März 2023, Az: X ZR 17/21, Urteil

Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG, Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk, Art 56 EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 11.11.2020, Az. 5 Ni 2/19 (EP) (REWIS RS 2020, 296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 296


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 Ni 2/19 (EP)

Bundespatentgericht, 5 Ni 2/19 (EP), 11.11.2020.


Az. X ZR 17/21

Bundesgerichtshof, X ZR 17/21, 14.03.2023.


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