Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.03.2023, Az. X ZR 16/21

10. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2136

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 5. Senats ([X.]) des [X.] vom 12. November 2020 abgeändert.

Das [X.] Patent 2 310 179 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche die nachfolgende Fassung erhalten:

1. [X.] (20), das mindestens zwei Komponententeile (17, 18) aufweist, die jeweils durch eine Naht (21) verbunden sind, wobei das [X.] aufweist:

ein erstes spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (17) mit einer zugehörigen ersten Verbindungsfläche entlang einer ersten Kante und

ein zweites spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (18) mit einer zugehörigen zweiten Verbindungsfläche,

wobei die Naht (21) durch die erste Verbindungsfläche und die zweite Verbindungsfläche während des [X.] zum Verbinden des [X.] (17) und des [X.] (18) ausgebildet ist, um das [X.] (20) zu definieren,

ein querverlaufender Querschnitt der Naht mindestens eine Stufe und mindestens eine Kontaktfläche zwischen einer äußeren und einer inneren Fläche des [X.] aufweist,

der querverlaufende Querschnitt der Naht eine erste Stufe aufweist, die an die äußere Fläche des [X.] angrenzt,

das erste Komponententeil (17) transparent ist und das zweite Komponententeil (18) undurchsichtig ist,

das [X.] (20) abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt (96) verbunden ist, um ein Spendergehäuse auszubilden, und

der hintere Spenderabschnitt (96) eingerichtet ist, an einer vertikalen Wand montiert zu sein,

wobei das erste Komponententeil (17) ein M[X.] ist und das zweite Komponententeil (18) ein [X.] ist,

sowohl das erste als auch das zweite Komponententeil eine vordere Fläche und eine erste und eine zweite Seitenfläche aufweisen, die jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte freie Seitenkante aufweisen,

und sich die Naht von der abgewandten freien Seitenkante (22), die zu der ersten Seitenfläche gehört, über zumindest einen Teil einer vorderen Fläche des [X.] zu der abgewandten freien Seitenkante (23) erstreckt, die zu der zweiten Seitenfläche gehört,

und im Bereich der Naht eine führende Kante des [X.] derart angeordnet ist, dass sie das erste Komponententeil zum Verdecken der Naht überlappt.

2. [X.] nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sich jede Kontaktfläche entlang der Länge der Naht (21; 33; 43a) erstreckt.

3. [X.] nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kontaktfläche eine Querausdehnung von bis zu 5-mal der Dicke mindestens eines Komponententeils (17, 18; 31, 32; 41a, 42a) angrenzend an die Naht (21; 33; 43a) aufweist.

4. [X.] nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Kontaktfläche eine Querausdehnung zwischen 3- bis 5-mal die Dicke mindestens eines Komponententeils (17, 18; 31, 32; 41a, 42a) angrenzend an die Naht (21; 33; 43a) aufweist.

5. [X.] nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Stufe (44) eine erste Kontaktfläche in rechten [X.] zu der äußeren Fläche des [X.] und eine angrenzende zweite Kontaktfläche aufweist, die sich in Richtung der ersten Kante erstreckt.

6. [X.] nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der querverlaufende Querschnitt der Naht (21; 33; 43a) eine zweite Stufe (46) aufweist, die an die innere Fläche des [X.] angrenzt.

7. [X.] nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die erste und die zweite Stufe (44, 46) eine Höhe aufweisen, die gleich oder weniger als die Hälfte der Dicke mindestens eines Komponententeils angrenzend an die Naht ist, wobei die Stufen durch die zweite Kontaktfläche verbunden sind.

8. [X.] nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das erhöhte [X.] mindestens eine zusätzliche Stufe (45) aufweist.

9. [X.] nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass jede zusätzliche Stufe eine Höhe von 0,05 bis 1 mm aufweist.

10. [X.] nach einem der Ansprüche 8-9, dadurch gekennzeichnet, dass die mindestens eine zusätzliche Stufe (45) in einem querverlaufenden Querschnitt eine Höhe aufweist, die gleich oder geringer als die Höhe der ersten Stufe (44) ist.

11. [X.] nach einem der Ansprüche 8-10, dadurch gekennzeichnet, dass die zusätzlichen Stufen (45) eine Höhe zwischen 1/20 und 1/3 der Dicke des mindestens einen Komponententeils angrenzend an die Naht aufweisen.

12. [X.] nach einem der Ansprüche 8-11, dadurch gekennzeichnet, dass in der Querrichtung jede angrenzende Stufe durch einen Abstand getrennt ist, der gleich oder größer als die Höhe der kleineren der Stufen ist.

13. [X.] nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das erhöhte [X.] mindestens einen Vorsprung entlang der Länge der Naht (21; 33; 43a) aufweist.

14. [X.] nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass das erhöhte [X.] mindestens einen flachen Vorsprung aufweist, der sich in rechten [X.] zu der zweiten Kontaktfläche entlang der Länge der Naht erstreckt.

15.[X.] nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass das erhöhte [X.] mehrere, einzelne Vorsprünge entlang der Länge der Naht aufweist.

16. [X.] nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das erhöhte [X.] mindestens einen Grat entlang der Länge der Naht aufweist.

17. [X.] nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass der mindestens eine Grat einen V-förmigen Querschnitt aufweist.

18. [X.] nach einem der Ansprüche 13-17, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens der eine Vorsprung oder Grat eine Höhe bis zu der Hälfte der Dicke der zweiten Kontaktfläche aufweist.

19. [X.] nach einem der Ansprüche 1-18, dadurch gekennzeichnet, dass die Dicke des [X.] (17; 31; 41a) eingerichtet ist, graduell in einer Querrichtung in Richtung der Naht (21; 33; 43a) anzusteigen.

20. [X.] nach einem der Ansprüche 1-19, dadurch gekennzeichnet, dass die maximale Dicke der Naht 1,5 Mal die Dicke des [X.] angrenzend an die Naht ist.

21. [X.] nach einem der Ansprüche 1-20, dadurch gekennzeichnet, dass ein vorderes Ende des [X.] (17; 31; 41a) in der Querrichtung der Naht eingerichtet ist, sich über die Kontaktfläche zwischen einer äußeren und einer inneren Fläche (47, 48) des [X.] (20) hinaus zu erstrecken.

22. [X.] nach Anspruch 21, dadurch gekennzeichnet, dass das vordere Ende des [X.] (17; 31; 41a) eine Lippe aufweist, die sich in Richtung einer inneren Fläche des [X.] (18; 32; 42a) erstreckt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 2 310 179 (Streitpatents), das am 14. Mai 2009 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 16. Mai 2008 angemeldet worden ist und ein im [X.] hergestelltes Spenderteil betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den 22 weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.]:

Dispenser part comprising at least two component parts (17, 18; 31, 32; 41 a, 42a; 91, 92; 101, 102; 111, 112a, 112b) each joined by a seam (21; 33; 43a), [X.] (20; 90; 100; 110) comprising a first injection moulded plastic component part (17; 31; 41a) with an [X.]; a second injection moulded plastic component part (18; 32; 42a) having an [X.]; [X.] surface and said second mating surface during injection moulding for joining said first component part (17; 31; 41a) and said second component part (18; 32; 42a) to define the dispenser part (20), wherein a transverse cross section of the seam (21; 33; 43a) comprises at least one step (44, 45, 46) and at least one contact surface intermediate an [X.] an [X.] (47, 48) of the dispenser part (20), characterised in [X.] (21; 33; 43a) comprises a first step (44) adjacent the outer surface of the dispenser part (20), wherein the first component part (17; 31; 41a; 91; 101; 111) is transparent and the second component part (18; 32; 42a; 92; 102; 112a, 112b) is opaque, wherein the dispenser part is detachably joined to a rear dispenser section (96, 106, 116), in order to form a dispenser housing (97, 107, 117) and wherein the rear dispenser section (96, 106, 116) is arranged to be mounted on a vertical surface.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem Hauptantrag und elf Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in den Fassungen ihres erstinstanzlichen [X.] und ihrer erstinstanzlichen Hilfsanträge 1 bis 7 verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte das Streitpatent noch verteidigt.

6

I. [X.] betrifft ein im [X.] hergestelltes Spenderteil.

7

1. Nach den Ausführungen in der [X.]chrift kann es aus unterschiedlichen Gründen wünschenswert sein, ein Spenderteil vorzusehen, bei dem zumindest die Außenfläche, die Schale oder ein vergleichbarer [X.]eil aus zwei ähnlichen oder unterschiedlichen Kunststoffen gefertigt ist. So sei denkbar, einen Abschnitt des [X.] transparent zu gestalten, um die Kontrolle des Füllstands des im Spender enthaltenen Verbrauchsguts zu erleichtern. Ein zweiter Abschnitt könne opak gestaltet sein, um einen Ausgabemechanismus zu verbergen und dem Spender ein ästhetisch ansprechendes Aussehen zu geben (Abs. 2).

8

Für die Herstellung eines solchen [X.] werde üblicherweise die erste Komponente durch Spritzguss in einer ersten Form angefertigt. Anschließend werde sie in eine zweite Form umgesetzt und dort mit einer sodann gespritzten weiteren Komponente verbunden. Hierbei könne es zu einem Verzug zumindest der ersten Komponente und der Naht kommen, insbesondere in oder nahe den Bereichen der Seitenkanten. Die Komponenten würden in der Regel durchgehend (end-to-end) miteinander verbunden; selbst mit lokalen Verstärkungen könne es der Verbindungsnaht an ausreichender Stabilität fehlen, um den zu erwartenden Kräften standzuhalten (Abs. 3).

9

2. [X.] betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Spenderteil bereitzustellen, das geringen Verzug aufweist und an der Naht von hoher Festigkeit ist.

3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ein Spenderteil vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben; die abweichende Gliederung im erstinstanzlichen Urteil ist in eckigen Klammern wiedergegeben):

1. [X.] (20) weist mindestens ein erstes und ein zweites spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (17, 18) auf [1; 1.1].

2. [X.] (17, 18)

a) weisen jeweils auf:

(1) eine [X.] entlang einer Kante [1.2, 1.3],

(2) eine vordere Fläche [1.11],

(3) eine erste und eine zweite Seitenfläche, die jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte freie Seitenkante aufweisen [1.11];

b) sind durch eine Naht (21) verbunden [1.1.1],

(1) die durch die erste [X.] und die zweite [X.] während des [X.] zum Verbinden des [X.] (17) und des [X.] (18) ausgebildet ist, um das Spenderteil (20) zu definieren [1.4];

(2) die sich von der abgewandten freien Seitenkante (22), die zu der ersten Seitenfläche gehört, über zumindest einen [X.]eil einer vorderen Fläche des [X.] zu der abgewandten freien Seitenkante (23) erstreckt, die zu der zweiten Seitenfläche gehört [1.12];

(3) wobei ein querverlaufender Querschnitt der Naht mindestens eine Stufe und mindestens eine Kontaktfläche zwischen einer äußeren und inneren Fläche des [X.] aufweist und die erste Stufe an die äußere Fläche des [X.] angrenzt [1.5; 1.6];

(4) und im Bereich der Naht eine führende Kante des [X.] derart angeordnet ist, dass sie das erste Komponententeil zum Verdecken der Naht überlappt [1.13].

c) Das erste Komponententeil (17) ist transparent und das zweite Komponententeil (18) undurchsichtig [1.7].

d) Das erste Komponententeil (17) ist ein M[X.] und das zweite Komponententeil (18) ein [X.] [1.10].

3. [X.] ist abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt (96) verbunden, um ein Spendergehäuse auszubilden [1.8].

4. Der hintere Spenderabschnitt (96) ist eingerichtet, an einer vertikalen Wand montiert zu sein [1.9].

4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.

a) Wie der [X.] bereits im Zusammenhang mit dem denselben [X.] wie das Streitpatent in Anspruch nehmenden [X.] Patent 2 313 243 ausgeführt und näher begründet hat, muss ein Spenderteil im Sinne von Merkmal 1 ein Bauteil sein, das die Struktur des [X.] maßgeblich prägt; Entsprechendes gilt für ein Komponententeil im Sinne von Merkmal 2 ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2021 - [X.], Rn. 12 ff.).

Für das Streitpatent, dessen Beschreibung in weiten [X.]eilen mit derjenigen des genannten Patents übereinstimmt und das in Patentanspruch 1 insoweit dieselben Begriffe verwendet, gilt nichts Anderes.

b) Ebenso gelten die Ausführungen des [X.]s zum [X.] Patent 2 313 243 hinsichtlich der Form der beiden zum Spenderteil gehörenden [X.] für das Streitpatent entsprechend. Danach sind die [X.] als dreidimensionale Form ausgebildet, deren Grundriss im Wesentlichen die Form eines U mit gegebenenfalls mehr oder weniger abgeschrägten Schenkeln aufweist ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2021 - [X.], Rn. 20 ff.).

[X.] unterscheidet sich in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung insoweit nicht von dem damals zu beurteilenden Patent. Nach [X.] 2 a weisen die beiden [X.] des [X.] ebenfalls eine [X.], eine vordere Fläche sowie eine erste und zweite Seitenfläche auf. Die in Merkmal 2 a (3) des [X.] normierte zusätzliche Anforderung, dass die erste und zweite Seitenfläche der [X.] jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte freie Seitenkante aufweisen müssen, verdeutlicht zusätzlich, dass der Grundriss keine geschlossene Form aufweisen darf, sondern im Wesentlichen U-förmig sein muss.

c) Gewisse Abweichungen im Vergleich zu dem früher zu beurteilenden Patent gibt es hinsichtlich des Verlaufs der Naht, die die beiden [X.] miteinander verbindet.

aa) Auch Merkmal 2 b (2) des [X.] ist allerdings dahin auszulegen, dass die Naht, die die beiden [X.] verbindet, korrespondierend mit dem U-förmigen Grundriss der [X.] einen Anfang- und einen Endpunkt haben muss, also nicht umlaufend sein darf (dazu [X.], Urteil vom 7. Dezember 2021 - [X.], Rn. 36 ff.).

Ein Ausführungsbeispiel, das diesen Anforderungen genügt, ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 13 dargestellt.

Abbildung

bb) Anders als nach dem früher zu beurteilenden Patent genügt es jedoch nicht, wenn die Naht zwischen zwei Seitenkanten der Seitenflächen des [X.] verläuft. Nach Merkmal 2 b (2) des [X.] muss sie vielmehr zwischen den beiden abgewandten freien Seitenkanten der beiden Seitenflächen verlaufen.

Diese Formulierung knüpft an das bereits erwähnte Merkmal 2 a (3) an, das für beide [X.] je eine erste und zweite Seitenfläche mit einer von der vorderen Fläche abgewandten freien Seitenkante vorsieht. Angesichts der übereinstimmenden Formulierungen in den Merkmalen 2 a (3) und 2 b (2) sind es diese Seitenkanten der beiden Seitenflächen der [X.], die den Anfangs- und den Endpunkt der Naht bilden müssen.

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich allerdings auch aus diesen Vorgaben, dass die freien Seitenkanten der beiden [X.] zugleich freie Seitenkanten des [X.] sein müssen.

Dies folgt schon aus der Anforderung, dass es sich um freie, also nicht an andere Bauteile angrenzende Kanten handeln muss, und wird bestätigt durch Merkmal 2 b (1), wonach die beiden [X.] durch die Naht verbunden sind, um das Spenderteil zu definieren.

(2) Patentanspruch 1 des [X.] weicht jedoch insoweit von den Vorgaben des früher zu beurteilenden Patents ab, als er die beiden Kanten, zwischen denen die Naht verlaufen muss, näher eingrenzt.

Nach dem [X.] Patent 2 313 243 genügt es, wenn die Naht zwischen den Seitenkanten der ersten und zweiten Seitenfläche des [X.] verläuft. Nach Merkmal 2 b (2) muss sie über zumindest einen [X.]eil der vorderen Fläche des [X.] und zwischen den abgewandten freien Seitenkanten verlaufen. In Anbetracht der übereinstimmenden Formulierungen in den Merkmalen 2 a (3) und 2 b (2) sind darunter die freien Seitenkanten der [X.] zu verstehen, die von der vorderen Fläche der [X.] abgewandt sind, also in Richtung des hinteren Spenderabschnitts zeigen. Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung, die die Eigenschaft "abgewandt" auf die vordere Fläche der [X.] beziehen (edge facing away from the front surface, Abs. 33) und diese so definierte Kante von freien Kanten im Allgemeinen (free edge, Abs. 34) unterscheiden.

(3) Hieraus folgt, dass Merkmal 2 b (2) bei dem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 14 dargestellten Ausführungsbeispiel nicht verwirklicht ist.

Abbildung

Auch bei diesem Ausführungsbeispiel ist die Naht zwar nicht umlaufend. Sie verläuft aber nicht zwischen den beiden freien, von der vorderen Fläche abgewandten Seitenkanten, sondern zwischen zwei freien Seitenkanten an der Unterseite des [X.].

d) Hinsichtlich der Ausgestaltung der Naht sieht Merkmal 2 b (3) - insoweit ohne Entsprechung in dem früher zu beurteilenden Patent - vor, dass mindestens eine Stufe und mindestens eine Kontaktfläche zwischen der Oberfläche und der Innenfläche des [X.] vorhanden sein müssen.

Unter einer Stufe in diesem Sinn ist ein Absatz in der [X.] in Querrichtung zur Kante eines Komponententeils zu verstehen, der eine im Verhältnis zu der Oberfläche und der Innenfläche des [X.] senkrechte (erste) Kontaktfläche und eine sich zur ersten Kante hin erstreckende und parallel zu der Oberfläche und der Innenfläche des [X.] verlaufende zweite Kontaktfläche bildet (Abs. 11, 12 und 38, 39). Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, stellt die zweite Kontaktfläche die Kontaktfläche im Sinne von Merkmal 2 b (3) dar.

Die weiteren, in der Beschreibung erläuterten Möglichkeiten, die Naht in Querrichtung zwischen der Ober- und Innenfläche der Komponenten durch unterschiedliche Geometrien zu konfigurieren (Abs. 17-23 und 68-70), haben in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden.

e) Die Auswahl der eingesetzten Kunststoffe ist durch das zusätzlich eingefügte Merkmal 2 d auf [X.] und ABS beschränkt. [X.] ist transparent, ABS undurchsichtig, wie dies das bereits in der erteilten Fassung enthaltene Merkmal 2 c vorsieht.

Ob, wie das Patentgericht angenommen hat, auch ein transluzentes Material als transparent im Sinne von Merkmal 2 c anzusehen ist, kann dahinstehen. Auf diese Frage kommt es für die Entscheidung über den Rechtsbestand des [X.] nicht an.

f) Entsprechendes gilt für die Frage, ob Patentanspruch 1 eine Reihenfolge impliziert, in der die [X.] des Spenders zu spritzen sind.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe nicht auf erfinderischer [X.]ätigkeit. Er sei dem Fachmann, einem Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau bzw. Kunststofftechnik mit Fachhochschul- oder vergleichbarem Abschluss und mehrjähriger Berufserfahrung in der Produktentwicklung von Aufnahmebehältern, der in der Formgebung von Kunststoffen bewandert sei und einen Fachmann der Spritztechnik hinzuziehe, ausgehend von der internationalen Patentanmeldung 2006/054965 ([X.]) durch Kombination mit der internationalen Patentanmeldung 99/18835 ([X.]) und seinem Fachwissen nahegelegt.

[X.] offenbare einen Spender zur Ausgabe von als Rolle bereitgestellten [X.] mit den Merkmalen 1, 2 a (1) und 2 b (1). Ebenfalls offenbart seien die Merkmale 3 und 4. Merkmal 2 c sei teilweise offenbart. Nicht offenbart seien die Merkmale 2 a (2), 2 a (3), 2 b (2), 2 b (3), 2 b (4) und 2 d und die von Patentanspruch 1 implizierte Reihenfolge des [X.]. Diese Merkmale seien dem Fachmann indessen durch die Kombination der [X.] mit [X.] und seinem Fachwissen nahegelegt oder stellten einfache Maßnahmen dar, die eine Patentfähigkeit nicht begründen könnten.

[X.] offenbare einen dem Spender der [X.] ähnlichen Spender für Handtuchrollen mit [X.]. Der Fachmann, der ausgehend von [X.] ein Spendergehäuse sowohl technisch als auch in Bezug auf das Design weiterentwickeln wolle, sehe in der in [X.] offenbarten Ausgestaltung Vorteile, die er für die Gestaltung der Abdeckung des in [X.] gezeigten Gehäuses nutzen könne. Er habe Anlass, die Fenstergeometrie der in den Figuren 25 und 26 der [X.] gezeigten Ausführungsvarianten für den oberen [X.]eil der Abdeckung des [X.] der [X.] zu übernehmen und auf dessen gesamten Seitenbereich auszuweiten, weil sich dadurch auch bei der [X.] aufgrund des derart vergrößerten Einsichtsbereichs eine verbesserte Sicht auf den Füllstand ergebe und eine ansprechendere Gestaltung realisieren lasse. Dabei behalte der Fachmann die Grundkonstruktion des Papierspenders der [X.] mit dem Spendergehäuse und der Abdeckung im Übrigen bei und belasse den unteren [X.]eil der Abdeckung mit Ausgabeeinheit, Scharnieren und Sensor in einer opaken Ausführung, um diesen Bereich zu verdecken. Bei der Übertragung der Fenstergeometrie der [X.] auf die Abdeckung des Spenders der [X.] verlaufe die Naht wie in Merkmal 2 b (2) vorgesehen. Im Übrigen ergebe sich der Nahtverlauf zwischen den beiden Kunststoffkomponenten aus funktionalen und designgeprägten Aspekten, so dass allein die Definition des Nahtverlaufs, wenn nicht technisch relevante Schwierigkeiten zu überwinden seien, nicht auf erfinderischer [X.]ätigkeit beruhe.

Die in Merkmal 2 b (3) vorgesehene Stufenverbindung sei dem Fachmann aufgrund seines in dem vorgelegten Auszug aus dem Handbuch Spritzgießen von [X.] und [X.] ([X.], 2. Aufl. 2004, Bild 6.86, S. 515 und Bild 6.88, [X.], [X.]) dokumentierten Fachwissens nahegelegt.

Die nach Merkmal 2 b (4) vorgesehene Verdeckung der Naht stelle eine einfache fachliche Maßnahme dar, um die durch eine oder mehrere Stufen schräg verlaufende Naht optisch ansprechend mit dem Anschein einer scharfen [X.]rennlinie zu gestalten.

Die in Patentanspruch 1 für das Spritzgießen implizierte Reihenfolge beruhe, da nur zwei technische Möglichkeiten zur Auswahl stünden und die beiden Komponenten ähnliche Schmelztemperaturen aufwiesen, ebenfalls nicht auf erfinderischer [X.]ätigkeit.

Die Auswahl der Kunststoffkomponenten entsprechend Merkmal 2 d stelle eine einfache handwerkliche Maßnahme dar und sei dem Fachmann durch sein in dem Werk von [X.] (Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften, 5. Aufl. 1998, [X.]) dokumentiertes Fachwissen nahegelegt.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung weder durch [X.] noch durch eine Kombination der [X.] mit [X.] oder Fachwissen nahegelegt.

1. Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass [X.] den mit dem Hauptantrag verteidigten Gegenstand nicht vollständig offenbart.

a) [X.] offenbart einen Spender für Papierrollen.

Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 in perspektivischer Darstellung und in Figur 2 in einer Seitenansicht dargestellt.

Abbildung

Abbildung

Der Spender (1) umfasst einen Körper (3) und eine Abdeckung (2).

Der Körper (3) besteht aus einem hinteren Abschnitt mit oberen und unteren Flächen, Seitenflächen und einer hinteren [X.] (10). Er kann eine im Spender unterzubringende Papierrolle zumindest teilweise aufnehmen und ist für eine Montage in einer Nische oder an einer Wand geeignet ([X.] 10-15; [X.] 20 bis [X.] 4).

Die Abdeckung (2) kann neben einer Ausgabeöffnung (5) und einem die Ausgabe eines Handtuchs anstoßenden Sensor (6) ein eingelassenes transparentes Sichtfenster (4) aufweisen ([X.] 18-19). In diesem Fall ist die Abdeckung über den Großteil ihrer Oberfläche entweder undurchsichtig oder transluzent gestaltet. In einer als bevorzugt geschilderten Ausführung wird sie zusammen mit dem Fenster im [X.] hergestellt, um das Fenster baulich besser in die Abdeckung einzufügen ([X.] 6-12).

Die Abdeckung (2) ist mit dem Körper (3) mittels einer ersten und zweiten Scharnierstruktur (8), beispielsweise in Form von Gelenkstiften, schwenkbar verbunden und kann deshalb zur Wartung oder zum Austausch der Papierrolle geöffnet werden ([X.] 17-22). Alternativ kommt jede andere Ausgestaltung in Betracht, die ein Verschwenken ermöglicht, zum Beispiel die Ausformung von Vorsprüngen am Körper (3), die in Öffnungen in der Abdeckung (2) greifen ([X.] 8-13). Im geschlossenen Zustand wird die Abdeckung mittels einer Verriegelungsstruktur (7) am Körper (3) gehalten ([X.] 22-24).

b) Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat und auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1, 2 a (1) und 2 a (2) sowie 2 b und 2 b (1) offenbart.

c) Wie der [X.] bereits im Zusammenhang mit dem früher zu beurteilenden Patent ausgeführt hat, sind auch die Merkmale 3 und 4 offenbart ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2021 - [X.], Rn. 59).

d) Nicht offenbart ist dagegen - wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat und auch die [X.] nicht in Zweifel zieht - Merkmal 2 a (3).

e) Ebenfalls nicht offenbart ist Merkmal 2 b (2).

Wie der [X.] ebenfalls bereits dargelegt hat, fehlt es an einer Offenbarung dieses Merkmals schon deshalb, weil die zwischen dem Fenster (4) und dem restlichen [X.]eil der Abdeckung (2) verlaufende Naht sich nicht bis zu einer freien Seitenkante des [X.] erstreckt ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2021 - [X.], Rn. 63 ff.). Sie erstreckt sich damit erst recht nicht zwischen zwei freien Seitenkanten, die von der vorderen Fläche abgewandt sind.

f) Wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat und die [X.] nicht in Zweifel zieht, sind auch die Merkmale 2 b (3), 2 b (4) und 2 d nicht offenbart.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war weder durch [X.] noch durch eine Kombination von [X.] und [X.] nahegelegt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Auswahl der Kunststoffe entsprechend Merkmal 2 d und die Abstufung der Naht entsprechend den Merkmalen 2 b (3) und 2 b (4) durch das allgemeine Fachwissen nahegelegt waren, wie dies das Patentgericht angenommen hat. Aus den beiden [X.] ergab sich jedenfalls nicht die Anregung, das Spenderteil entsprechend den Merkmalen 2 a (3) und 2 b (2) auszugestalten.

a) Wie bereits oben dargelegt wurde, offenbart [X.] Ausführungsformen mit einer Abdeckung (2) aus zwei unterschiedlichen, durch Spritzgießen verbundenen Komponenten nur in der Gestalt, dass ein Sichtfenster vom anderen [X.]eil der Abdeckung vollständig umgeben ist. Hieraus ergab sich keine Veranlassung, das Sichtfenster (4) so anzuordnen, dass seine Seitenkanten auf beiden Seitenflächen zugleich die Seitenkanten der Abdeckung (2) bilden.

b) Aus einer ergänzenden Heranziehung von [X.] ergaben sich insoweit keine weitergehenden Anregungen.

aa) [X.] offenbart einen Spender für Papierrollen mit [X.], die im Spender vertikal angebracht sind. Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.

Abbildung

Der Spender besteht im Wesentlichen aus einer Basis (44), einer Abdeckung (62), einer Klappe (66), einer Sicherungseinrichtung (52), einer Befestigungseinrichtung (58) und einer Verriegelung (82).

Die Basis (44) und die Abdeckung (62) bilden einen Hohlraum zur Aufnahme einer Papierrolle (42). Die beiden [X.]eile können durch Kleben, durch mechanische Befestigungsmittel oder durch Schweißen miteinander verbunden sein. Die Abdeckung (62) kann auch lose über der Basis (44) angebracht oder integral mit dieser ausgebildet sein ([X.] 20-32).

Beide [X.]eile können aus verschiedenen Kunststoffen gefertigt sein ([X.] 26-28). So kann die Abdeckung (62) aus einem halbtransparenten oder transluzenten Material hergestellt sein, um die Papierrolle und damit den Füllstand sehen und kontrollieren zu können. Alternativ ist auch eine Gestaltung möglich, bei der die Abdeckung (62) aus einem opaken Material besteht, das optional ein als Fenster dienendes transparentes Material umschließt ([X.] 32 bis [X.] 1-2; [X.] 4-8).

bb) Wie der [X.] bereits im Zusammenhang mit dem früher zu beurteilenden Patent ausgeführt und auch das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat, sind damit die Merkmale 2 a (3) und 2 b (2) nicht offenbart.

Die Abdeckung (62) der in [X.] offenbarten Vorrichtung entspricht dem Spenderteil im Sinne des [X.]. Für dieses Bauteil offenbart [X.] eine Ausführungsform mit zwei unterschiedlichen Materialien nur in der Gestalt, dass ein Fenster aus transparentem Material von einer Komponente aus opakem Material umschlossen wird. Dies entspricht der in [X.] offenbarten Gestaltung und offenbart die Merkmale 2 a (3) und 2 b (2) aus den bereits oben aufgezeigten Gründen nicht.

cc) Wie der [X.] ebenfalls bereits ausgeführt und näher begründet hat, ergab sich ausgehend von [X.] aus [X.] allenfalls die Anregung, die Abdeckung des in [X.] offenbarten Spenders vollständig halbtransparent oder transluzent auszugestalten, nicht aber eine zweiteilige Ausführung mit den Merkmalen 2 a (3) und 2 b (2).

IV. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 119 Abs. 1 [X.]).

1. Entgegen der Auffassung der [X.] sind die Merkmale 2 a (3) und 2 b (2) in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.

Wie bereits oben dargelegt wurde, sind diese Merkmale bei dem in Figur 13 dargestellten Ausführungsbeispiel verwirklicht. In den hierauf bezogenen Ausführungen in der Anmeldung, deren Inhalt mit der veröffentlichten Version [X.] 2009/138453) übereinstimmt, heißt es, die Naht (93) verlaufe von einer ersten Seitenkante (94) zu einer zweiten Seitenkante (95) des [X.] (90) (S. 29 [X.] 15 bis 17). Auch wenn darin nicht das Wort "freie Seitenkante" verwendet wird, ergibt sich daraus hinreichend deutlich, dass die Naht an einer solchen Kante beginnt und endet.

Ferner ist in der Anmeldung auch die Unterscheidung zwischen von der vorderen Fläche abgewandten Seitenkanten und freien Kanten im Allgemeinen offenbart. Die hierauf bezogenen Ausführungen in der [X.]chrift (Abs. 33, 34) finden sich identisch in der Anmeldung des [X.] wieder [X.] 2009/138453, [X.] 17-18 und [X.] 23).

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung war ausgehend von [X.] auch nicht durch die [X.] Patentanmeldung 1 181 884 ([X.]) nahegelegt.

a) Entgegen der Auffassung der Berufung sind die erst im Berufungsverfahren vorgelegte [X.] und das Vorbringen dazu nicht präkludiert.

aa) Die genannten [X.] unterliegen nicht der Zurückweisung gemäß § 117 [X.] sowie § 529 Abs. 1 Nr. 2 und § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin hatte keine Veranlassung, sie bereits in erster Instanz geltend zu machen.

Das Patentgericht hat in dem nach § 83 Abs. 1 [X.] erteilten Hinweis mitgeteilt, dass die Patentfähigkeit des [X.] aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden [X.] zu verneinen sein dürfte. Bei dieser Ausgangslage war die Klägerin in erster Instanz nicht gehalten, vorsorglich weitere [X.] anzuführen.

bb) Die [X.] sind auch nicht nach § 117 [X.] sowie § 530, § 521 Abs. 1 und § 296 ZPO präkludiert.

Die Klägerin hat die [X.] zwar erst nach Ablauf der ihr gesetzten Frist zur [X.] vorgebracht. Hierdurch wird die Entscheidung des Rechtsstreits aber nicht verzögert. Die Beklagte hatte ausreichend Zeit, um auf das Vorbringen einzugehen und der [X.] kann ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung über die Berufung entscheiden.

b) [X.] befasst sich mit der Aufgabe, einen Spender bereitzustellen, der eine hygienische Ausgabe von [X.], insbesondere von angefeuchtetem [X.]oilettenpapier ermöglicht und die [X.]üchlein vor in der Atmosphäre auftretenden Keimen bewahrt (Abs. 4).

Zur Lösung schlägt [X.] einen Spender mit einem Detektor vor, der einen elektrischen Antriebsmechanismus zur zeitgerechten portionsweisen Ausgabe der [X.] aktiviert.

Ein Ausführungsbeispiel ist in geschlossenem Zustand in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 und mit geöffnetem Gehäuseoberteil in Figur 2 dargestellt.

AbbildungAbbildung

Der Spender (100) besteht aus einem Oberteil (1) und einem Unterteil (4). Das Oberteil (1) weist ein zentrales Fenster (2) auf, hinter dem ein Näherungsdetektor für die bedarfsgerechte Ausgabe von Feuchttüchlein ([X.]) angeordnet ist. Das Vorhandensein eines zur Ausgabe bereiten [X.]üchleins lässt sich durch ein opakes [sic] Sichtfenster (3) erkennen (Abs. 31). Der Spender ist aus bekannten Materialien hergestellt, insbesondere aus Kunststoffen (Abs. 54).

c) Damit ist Merkmal 2 b (2) nicht offenbart.

Die Naht zwischen dem größeren [X.]eil des Oberteils (1) und dem Sichtfenster (3) verläuft zwar zwischen zwei freien Seitenkanten des Oberteils. Sie beginnt und endet aber an den nach unten weisenden Kanten und damit nicht an den Seitenkanten, die von der vorderen Fläche abgewandt sind. Diese Anordnung entspricht dem in Figur 14 der [X.]chrift dargestellten Ausführungsbeispiel des [X.], bei dem Merkmal 2 b (2) aus den bereits oben dargelegten Gründen ebenfalls nicht verwirklicht ist.

d) Ebenfalls nicht offenbart sind die Merkmale 2 b (1), 2 b (3), 2 b (4) und 2 d.

e) Merkmal 2 b (2) war ausgehend von [X.] durch [X.] auch nicht nahegelegt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es ausgehend von [X.] nahelag, den Verlauf der Naht so zu ändern, dass diese die beiden von der vorderen Fläche abgewandten Seitenkanten des Oberteils (1) miteinander verbindet. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, hätte jedenfalls kein Anlass bestanden, diese Ausgestaltung auf den in [X.] offenbarten Spender zu übertragen.

Wie die Berufung zu Recht geltend macht, hätte sich eine solche Übertragung allenfalls dann angeboten, wenn die in [X.] offenbarte Funktion des [X.] (3) auch im Zusammenhang mit [X.] relevant wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Sowohl in [X.] als auch in [X.] haben die offenbarten Fenster zwar die Funktion, die Verfügbarkeit von Papiertüchern erkennbar zu machen. Die in [X.] offenbarte Anordnung des [X.] brächte für die in [X.] offenbarte Vorrichtung aber keinen entscheidenden Vorteil. Eine Vergrößerung des in [X.] offenbarten Fensters könnte zwar den Benutzerkomfort in gewissem Umfang vergrößern und die ästhetische Ausgestaltung wesentlich beeinflussen. Eine Erstreckung des Fensters über die vordere Fläche des [X.] hinaus könnte hierzu jedoch nicht beitragen, weil die Sicht in diesem Bereich durch das nicht transparente, an der Wand befestigbare Basisteil des Spenders beeinträchtigt wäre.

3. Der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand war auch durch die von der Klägerin geltend gemachte Vorbenutzung eines Papierspenders des [X.] mit der Modellnummer 6973 ([X.] [X.], [X.] Ni9a-f, [X.]0 bis [X.]7) weder vorweggenommen noch nahegelegt. Deshalb kann offenbleiben, ob diese Vorbenutzung vor dem [X.] des [X.] offenkundig war.

a) Wie der [X.] bereits im Zusammenhang mit dem früher zu beurteilenden Patent ausgeführt und näher begründet hat, ergibt sich aus den vorgelegten Abbildungen, dass die Abdeckung des Spenders zwar ein transparentes Fenster aufweist, das sich an der Vorderseite und über deren Unterkante hinweg auch ein Stück weit in der Bodenfläche erstreckt, dieses Fenster aber allseitig von opakem Material umgeben ist.

b) Damit fehlt es schon deshalb an einer Offenbarung von Merkmal 2 b (2), weil die Naht zwischen den beiden Bereichen nicht an einer freien Kante endet.

c) Ausgehend von der geltend gemachten Vorbenutzung ergab sich auch im Lichte von [X.] nicht die Anregung, das Fenster so anzuordnen, dass Merkmal 2 b (2) verwirklicht ist.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob angesichts von [X.] Veranlassung bestand, das bei der Vorbenutzung vorhandene Fenster so zu verbreitern, dass es sich über die Vorderseite hinaus auch in die seitlichen Flächen hinein erstreckt. Jedenfalls bestand keine Veranlassung, von einer allseitigen Umrandung des Fensters abzusehen.

Die geltend gemachte Vorbenutzung zeigt, dass eine Erstreckung über mehrere Flächen auch dergestalt möglich ist, dass eine allseitige Umrandung verbleibt. Ein Abweichen von diesem Konzept zugunsten der in [X.] offenbarten Anordnung war schon deshalb nicht veranlasst, weil der untere [X.]eil der Abdeckung anders als in [X.] nicht vollständig frei steht, sondern an den Seiten mit dem an der Wand befestigbaren Basisteil verbunden ist.

4. Eine Ausgestaltung nach dem Streitpatent war auch ausgehend von [X.] nicht nahegelegt.

Aus fertigungstechnischer Sicht mag es keinen großen Unterschied machen, ob Anfang und Ende der Naht an einer nach unten zeigenden oder an einer von der Vorderseite abgewandten freien Seitenkante liegen. Ausgehend von der Funktion, die dem Fenster nach [X.] zukommt, war eine solche Modifikation jedoch nicht veranlasst.

Wie bereits oben dargelegt wurde, soll das Fenster nach [X.] es ermöglichen, ein bereit gestelltes [X.]üchlein zu erkennen. Hierzu genügt es, wenn das dem Benutzer zugewandte Ende des [X.]uchs von vorne und von der Seite zu erkennen ist. Die in [X.] offenbarte Ausgestaltung ermöglicht beides. Eine Verlängerung des Fensters bis an das rückwärtige Ende der Seitenwände wäre nicht mit erkennbarem Zusatznutzen verbunden. Dass eine solche Ausgestaltung technisch möglich wäre, vermag allein keine hinreichende Veranlassung zu begründen, sie auch in Erwägung zu ziehen und vorzunehmen.

V. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 [X.]).

[X.] erweist sich aus den oben dargelegten Gründen in dem noch verteidigten Umfang als rechtsbeständig.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] sowie § 92 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Beklagte hat einen [X.]eil der erstinstanzlichen Kosten zu tragen, weil sie ursprünglich die vollständige Abweisung der Klage beantragt hat und ihr zuletzt gestellter Hauptantrag zu einer erheblichen inhaltlichen Beschränkung des geschützten Gegenstands führt.

Die zweitinstanzlichen Kosten fallen hingegen in vollem Umfang der Klägerin zur Last, weil die Beklagte mit ihrem zweitinstanzlichen Hauptantrag erfolgreich war.

[X.]     

  

Hoffmann     

  

Deichfuß

  

Kober-Dehm     

  

Rombach     

  

Meta

X ZR 16/21

14.03.2023

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 12. November 2020, Az: 5 Ni 22/18 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.03.2023, Az. X ZR 16/21 (REWIS RS 2023, 2136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2136

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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