Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.06.2022, Az. 35 W (pat) 401/21

35. Senat | REWIS RS 2022, 5025

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Gegenstand

Gebrauchsmusterbeschwerdesache - "Durch Zweikomponenten-Spritzgießen hergestellte äußere Schale eines Spenders" – Zurückverweisung an das Deutsche Patent und Markenamt – Rechtschutzinteresse nach Ablauf der Schutzdauer – paralleler Verletzungsrechtsstreit - unzulässige Erweiterung – im Beschwerdeverfahren eingeführter Stand der Technik – aufwändige Prüfung der Sach- und Rechtslage nach der Einführung von neuen Entgegenhaltungen im Beschwerdeverfahren


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2009 019 160

hat der 35. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie [X.] Dr.-Ing. [X.] und Dr. Deibele

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen, soweit die Gebrauchsmusterabteilung des [X.] im angefochtenen Beschluss v. 6. Oktober 2020 die Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters 20 2009 019 160 in dem Umfang festgestellt hat, in welchem es über die [X.] 1-18 nach Neuem Hilfsantrag 1 v. 22. Juni 2022 hinausgegangen ist.

2. Im Übrigen wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des [X.] v. 6. Oktober 2020 aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die [X.]eteiligten streiten über die Wirksamkeit des Gebrauchsmusters 20 2009 019 160 (i. F.: [X.]).

2

Das am 31. März 2017 beantragte [X.] ist aus der [X.] 5788 mit dem Anmeldetag 14. Mai 2009 abgezweigt worden (i. F.: [X.]) und beansprucht, abgeleitet aus der [X.], die [X.] Priorität 16. Mai 2008, [X.]-3. Es ist am 2. Mai 2017 mit den [X.]n 1 - 18 und der [X.]ezeichnung „Durch Zweikomponenten-Spritzgießen hergestellte äußere Schale eines Spenders“ eingetragen worden. Es ist nach Ablauf der Schutzdauer erloschen, aber auch Gegenstand eines am [X.] anhängigen [X.], der mit [X.]lick auf das vorliegende Verfahren derzeit ausgesetzt ist.

3

Die [X.] hat zur Erteilung eines europäischen Patents geführt. Die dagegen erhobene Nichtigkeitsklage ist, nachdem sie in der ersten Instanz erfolgreich war, in der [X.]erufungsinstanz vom [X.] abgewiesen worden.

4

Die dem [X.] zugrundeliegende Erfindung betrifft Spender, umfassend eine äußere Schale (bezeichnet als „Spenderteil“), die mindestens zwei Komponenten umfasst, welche aus einer Reihe von Kunststoffmaterialien ausgewählt sind und entlang einer [X.] verbunden sind, die sich von einer ersten Seitenkante zu einer zweiten Seitenkante des Spenderteils erstreckt (vgl. Abs. 0001 der Gebrauchsmusterschrift, [X.].). Gemäß der [X.]eschreibung wird bei der Herstellung von herkömmlichen Spenderteilen die erste Komponente in der Regel in einer ersten Form spritzgegossen und in eine zweite Form überführt, um dorthin von einer anschließend eingespritzten Komponente gefolgt zu werden. Dabei könnten Probleme mit einem Verzug mindestens der ersten Komponente sowie der [X.] auftreten und es könne der [X.] an ausreichender Festigkeit fehlen (vgl. Abs. 0002, 0003 [X.].). Die Aufgabe der Erfindung sei daher die [X.]ereitstellung eines verbesserten Spenderteils und eines Verfahrens zu seiner Herstellung, um die obigen Probleme hinsichtlich des Verzugs des Spenderteils und der Festigkeit der [X.] zu lösen (Abs. 0004 [X.].).

5

Der von der Antragstellerin mit Schriftsatz v. 4. September 2018 eingereichte ursprüngliche Löschungsantrag war gegen das [X.] in vollem gerichtet. Als Löschungsgründe hat die Antragstellerin fehlende Schutzfähigkeit und unzulässige Erweiterung geltend gemacht. [X.]ezüglich der fehlenden Schutzfähigkeit beanstandet die Antragstellerin fehlende Neuheit und fehlenden erfinderischen Schritt sowie auch fehlende Ausführbarkeit. Zum Stand der Technik hat die Antragstellerin diverse [X.], sowohl Druckschriften, als auch Fachveröffentlichungen in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt. Zudem sei, ausgehend von der aus Sicht der Antragstellerin gebotenen Auslegung des [X.]s, der Gegenstand des [X.] 1 und weiterer [X.] nicht ursprungsoffenbart.

6

Der Löschungsantrag ist der Antragsgegnerin am 19. September 2018 zugestellt worden. Sie hat dem Antrag mit Schriftsatz v. 17. Oktober 2018, eingegangen am selben Tag, widersprochen und den Widerspruch mit Schriftsatz v. 21. Dezember 2018 begründet. Ausgehend von ihrem Verständnis der Ursprungsoffenbarung und einer daraus resultierenden Auslegung des [X.]s sei der Gegenstand des [X.]s ursprungsoffenbart und ausführbar. Er sei auch neu und vom Stand der Technik nicht nahegelegt.

7

Nach weiteren gewechselten Schriftsätzen und einem Hinweis der Gebrauchsmusterabteilung v. 3. Juni 2019 wegen des zwischenzeitlichen Erlöschens des [X.]s hat die Antragstellerin mit Schriftsatz v. 25. Juni 2019 ihren Antrag von Löschung auf Feststellung der Unwirksamkeit des [X.]s in vollem Umfang umgestellt, wobei sie zum erforderlichen Feststellungsinteresse auf den parallelen Verletzungsrechtsstreit vor dem [X.] verweist.

8

Nach weiteren gewechselten Schriftsätzen hat die Gebrauchsmusterabteilung den [X.]eteiligten mit Zwischenbescheid v. 4. Mai 2020 als vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass der Feststellungsantrag voraussichtlich Erfolg haben werde, da ein Merkmal des [X.] 1 so, wie in der eingetragenen Fassung beansprucht, nicht ursprungsoffenbart gewesen sei und der Gegenstand des [X.]s nicht ausführbar sei.

9

Die [X.]eteiligten haben ihre gegensätzlichen Auffassungen mit weiteren Schriftsätzen weiter vertieft, bevor am 6. Oktober 2020 die mündliche Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung stattfand. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung geänderte [X.] als [X.] - 4 eingereicht. Die Antragstellerin hat die Feststellung der Unwirksamkeit des [X.]s in vollem Umfang beantragt. Die Antragsgegnerin hat als Hauptantrag das [X.] in der eingetragenen Fassung und hilfsweise im Umfang der vorgenannten [X.] - 4 verteidigt.

Mit in der mündlichen Verhandlung v. 6. Oktober 2020 verkündetem [X.]eschluss hat die Gebrauchsmusterabteilung festgestellt, dass das [X.] von Anfang an unwirksam gewesen sei, und die Kosten des Feststellungsverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.

Die Gebrauchsmusterabteilung hat diesen [X.]eschluss im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Feststellungsantrag sei wegen des parallelen [X.] zulässig.

Der Gegenstand des [X.] 1 nach Hauptantrag (eingetragene Fassung) sei nicht schutzfähig. Das dort beschriebene [X.] „freie Kanten“ sei nicht ursprungsoffenbart und bei der Schutzfähigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Davon ausgehend sei die Entgegenhaltung [X.] ([X.]/ 02 361 [X.]) neuheitsschädlich. Die Fassungen des [X.] 1 nach den Hilfsanträgen 1 - 3 wiesen denselben [X.]smangel auf, wobei ihr Gegenstand ebenfalls nicht neu sei bzw. nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Der Gegenstand des [X.] 1 nach Hilfsantrag 4 sei unzulässig erweitert.

Der [X.]eschluss ist der Antragstellerin am 10. November 2020 und der Antragsgegnerin am 13. November 2020 zugestellt worden.

Gegen diesen [X.]eschluss richtet sich die [X.]eschwerde der Antragsgegnerin vom 30. November 2020, eingegangen am selben Tag, die sie mit Schriftsatz v. 20. Juni 2021, eingegangen am 20. Juli 2021, begründet hat. Sie verteidigt das [X.] an erster Stelle weiterhin in der eingetragenen Fassung und hilfsweise im Umfang der mit der [X.]eschwerdebegründung eingereichten, auf den 20. Juli 2021 datierten [X.] - 3. Aus ihrer Sicht ist das [X.] „freie Kanten“ ursprungsoffenbart, so dass die [X.] nach Hauptantrag und [X.] zulässig seien. Ihr Gegenstand sei vom Stand der Technik zudem weder neuheitsschädlich vorweggenommen, noch nahegelegt.

Zu dem von der Antragstellerin als weiterer Stand der Technik in der [X.]eschwerdeinstanz eingeführte „[X.]“, zu welchem die Antragstellerin einen als [X.] bezeichneten Katalog vorgelegt hat, beanstandet die Antragsgegnerin, dass die Vorveröffentlichung des Katalogs [X.] und eine relevante, insbesondere im Inland stattgefundene Vorbenutzung dieses Spenders nicht festgestellt werden könne. Insbesondere sei bei dem Katalog [X.] eher von einem internen, nicht der Öffentlichkeit zugänglichen Dokument auszugehen, wobei die Antragstellerin die öffentliche Zugänglichkeit nachzuweisen habe. Der „[X.]“ bzw. die Entgegenhaltung [X.] legten auch in Kombination mit dem weiteren Stand der Technik, insbes. mit der [X.], den Gegenstand des [X.]s nicht nahe. Auch das Design gemäß der weiteren, im [X.]eschwerdeverfahren als Stand der Technik von der Antragstellerin eingeführten [X.] stelle die Schutzfähigkeit des Gegenstands des [X.]s gemäß Hauptantrag und [X.] nicht in Frage. Unzulässige Erweiterung liege nicht vor, auch nicht in [X.]ezug auf Schutzanspruch 11, dessen Zulässigkeit der Senat in einem vorbereitenden Hinweis vom 11. Mai 2022 in Zweifel gezogen hatte.

Zur Stellungnahme auf die weiteren, von der Antragstellerin mit Schriftsatz v. 15. Juni 2022 eingeführten [X.] hat die Antragsgegnerin die Einräumung einer Schriftsatzfrist beantragt. Ferner hat sie in der mündlichen Verhandlung v. 22. Juni 2022 eine nochmals geänderte Anspruchsfassung als [X.] eingereicht, die sie als ebenfalls zulässig und deren Gegenstand sie ebenfalls als schutzfähig erachtet.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,

den [X.]eschluss der Gebrauchsmusterabteilung des [X.] v. 6. Oktober 2020 aufzuheben und den gegen das [X.] 20 2009 019 160 gerichteten Feststellungsantrag zurückzuweisen,

hilfsweise in der folgenden Reihenfolge: Neuer Hilfsantrag 1 v. 22. Juni 2022, [X.], 2, 3 v. 20. Juni 2021, den Feststellungsantrag im Umfang der [X.] nach einem dieser Hilfsanträge zurückzuweisen.

Die Antragstellerin stellt den Antrag,

die [X.]eschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beanstandet weiterhin unzulässige Erweiterung bezüglich der eingetragenen [X.] und der [X.] nach den [X.]. Der Gegenstand des eingetragenen [X.] 1 sei zudem nicht neu gegenüber dem Stand der Technik, insbes. der [X.] ([X.]/ 02 361 [X.]). Der Gegenstand des [X.] sei ebenfalls nicht neu, und zwar gegenüber der [X.] [X.] 99/18 835 [X.]). Jedenfalls fehle es in Zusammenschau der [X.] [X.]) mit der [X.] an einem erfinderischen Schritt. Auch die Gegenstände der [X.] und 3 seien vom Stand der Technik nahegelegt.

Ferner stelle der mit Schriftsatz der Antragstellerin v. 25. Februar 2022 in das Verfahren eingeführte „[X.]“ bzw. der dazu vorgelegte Katalog [X.] einen relevanten Stand der Technik dar, dessen öffentliche Zugänglichkeit die Antragstellerin auch hinreichend substantiiert dargelegt habe. Der Gegenstand des [X.]s sei insbesondere in einer Zusammenschau der [X.] mit dem Produkt „[X.]“ nahegelegt. Ferner lege das [X.] 390 396, in das [X.]eschwerdeverfahren eingeführt als [X.], in Kombination mit der [X.] den Gegenstand des [X.]s ebenfalls nahe.

Ferner hat die Antragstellerin mit Schriftsatz v. 15. Juni 2022 weitere neue [X.] ins Verfahren eingeführt, und zwar zum einen das [X.] „[X.]“ des Herstellers [X.], das lt. einer als [X.] vorgelegten Preisliste aus den Jahren 2006 und 2007 von der [X.] in [X.] vertrieben worden sei; da die Antragstellerin drei gebrauchte Exemplare eines „[X.]“-Gehäuses über e-bay-kleinanzeigen.de von einer Privatperson in [X.] erworben habe, sei dieses auch in [X.] der Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Dieses [X.] habe alle Merkmale des [X.]s vorweggenommen. Zum anderen beruft sich die Antragstellerin auf das [X.] „[X.]estDry“ des Herstellers [X.], auf welches sich eine Produktbeschreibung aus dem [X.] beziehe und welches die Eigenschaften von „[X.]“ aufweise und daher ebenfalls der Schutzfähigkeit des [X.]s entgegenstehe. Dass das „[X.] auch in [X.] vertrieben worden sei, folge daraus, dass die Fa. [X.] in [X.] einen Vertriebspartner bzw. ein Tochterunternehmen habe. Des Weiteren hält die Antragstellerin auch das [X.] „[X.]Roll“ des Herstellers [X.] für relevant. Hierzu verweist die Antragstellerin auf eine Montageanleitung aus dem [X.] und ein Gebrauchtexemplar mit Herstellungsdatum Mai 2007, das ebenfalls sämtliche Merkmale des [X.]s vorweggenommen habe. Schließlich beruft sich die Antragstellerin auch auf das Design [X.], das Design [X.] und die [X.] 884 [X.] als der Schutzfähigkeit des [X.]s aus ihrer Sicht entgegenstehenden Stand der Technik.

In das Verfahren sind die nachfolgend genannten [X.] bzw. Dokumente eingeführt worden:

[X.]: [X.]/ 02 361 [X.]

[X.]: WO 2006/ 054 965 [X.]

[X.]: WO 99/18 835 [X.]

D4: [X.] 2007/0114246 [X.]

[X.]: [X.]-133029

[X.]-EN: [X.] Übersetzung von [X.]

[X.]-[X.]: [X.] von [X.]

D6: [X.] 00 378 U1

D7: [X.]/05945

[X.]: WO 2009/138456 [X.]

GKS2: Anspruch 1 der [X.] vom 15. März 2010

[X.]: Mitteilung vom 30. August 2010 zur „preliminary examination“

[X.]: [X.] (Patentschrift Stammpatent)

GKS5: [X.] vom 20. August 2015

GKS6: [X.] im parallelen Verletzungsprozess

[X.]: Schriftliche Stellungnahme des [X.] im parallelen Patentverfahren

[X.]: Schriftliche Stellungnahme des [X.] im parallelen Patentverfahren

[X.]: Auszug aus [X.], [X.], 26. Ausgabe

[X.]1: „[X.] polymers offer diversity for processors“ aus [X.] 2005

[X.]2: Auszug aus dem Lehrbuch „Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften“ von [X.], 5. Auflage, 1998

[X.]3: [X.] 7 275 672 [X.]2

[X.]4: Auszug aus der „[X.]", [X.], 2007, Seite 42

[X.]5: [X.] – 16 aus parallelem Patent-[X.]

[X.]6: Urteil des 5. [X.] v. 15. Oktober 2019 im parallelem Patent-[X.]

[X.]7: Hinweis des 5. [X.] v. 15. Oktober 2019 im parallelem Patent-[X.]

[X.]8: Auszug aus [X.], Handbuch Spritzgießen, 2. Auflage

T1: [X.] 3,543,338

T2: WO 01/28744 [X.]

T3: [X.] 34 46 020 [X.]

T4: [X.] 4,874,645

T5: [X.] 2 024 082

T6: [X.] 2007-130914

[X.]: [X.]. Abstract von T6

T7: WO 2005/0688152 [X.]

T8: [X.] 57-46811

T8-A: [X.]. Abstract von T8

[X.]9: Urteil des 5. [X.] v. 11. November 2020

[X.]: [X.]erufungsurteil des [X.] v. 7. Dezember 2021 betr. das Stammpatent

[X.]: Katalog mit [X.] [X.]“ mit handschriftl. Anmerkungen

[X.]a: Katalog mit [X.] [X.]“ ohne handschriftl. Anmerkungen

GKS22: Aufnahmen eines [X.]s „[X.]“

GKS23: Garantieschein zu [X.] nach GKS 22

GKS24: [X.]roschüre „[X.]“-[X.] aus 2002

GKS25: [X.]roschüre „[X.]“-[X.] aus 2003

GKS26: Auszug aus [X.] [X.], [X.] [X.] 30. Ausgabe

[X.]: [X.] 390 396

[X.]: Preisliste der [X.] betr. „[X.]est Paper“-Spender

[X.]: Fotos des „[X.]“-[X.]s

[X.]0: Fotos des „[X.]“-[X.]s(Querschnittsfläche)

[X.]1: Produktbeschreibung „[X.]

[X.]2: Montageanleitung „[X.]Roll“-[X.]

[X.]3: Fotos eines Gebrauchtexemplars eines „[X.]Roll“-[X.]s

GKS24: Design [X.]

[X.]5: [X.] D449 475 S

[X.]6: [X.] 884 [X.]

Der Senat hat den [X.]eteiligten mit gerichtlichem Schreiben v. 11. Mai 2022 und v. 20. Juni 2022 Hinweise zu erörterungsbedürftigen Punkten und zur Möglichkeit einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen [X.]eschluss der Gebrauchsmusterabteilung, die Schriftsätze der [X.]eteiligten und den weiteren Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht unter Zahlung der [X.]eschwerdegebühr erhobene [X.]eschwerde der Antragsgegnerin ist teilweise unbegründet, nämlich insoweit, als sie das [X.] in der eingetragenen Fassung verteidigt. Im Übrigen ist der angefochtene [X.]eschluss jedoch aufzuheben und die Sache ist zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

1. Die Antragsgegnerin hat dem ursprünglichen Löschungsantrag wirksam, insbesondere fristgemäß widersprochen, so dass das Löschungsverfahren mit inhaltlicher Prüfung der von der Antragstellerin geltend gemachten Löschungsgründe durchzuführen war (§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]).

2. Die Antragstellerin hat aufgrund des zwischen den [X.]eteiligten vor dem [X.] anhängigen und das [X.] betreffenden [X.] das für die Fortführung des Löschungsverfahrens nach Erlöschen des [X.]s als Feststellungsverfahren erforderliche Rechtsschutzinteresse.

3. Der Gegenstand des [X.] 11 in der eingetragenen Fassung, in welcher die Antragsgegnerin das [X.] als Hauptantrag verteidigt, ist unzulässig erweitert (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 [X.]).

a. Für die [X.]eurteilung, ob der Gegenstand eines abgezweigten Gebrauchsmusters unzulässig erweitert ist, ist der [X.] der [X.] maßgebend, aus der das [X.] abgezweigt wurde.

Denn nach der Rechtsprechung des [X.], vgl. Urt. vom 13. Mai 2003, [X.], [X.], 867 - Momentanpol I, steht eine Erweiterung einer abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung gegenüber der ursprünglichen Patentanmeldung der Wirksamkeit der Abzweigung nicht entgegen. Der [X.] hat hierzu auch ausgeführt, dass er sich der Auffassung, dass eine solche Erweiterung die Abzweigung insgesamt unwirksam mache, nicht anschließen könne, sowie, dass sich § 4 Abs. 5 Satz 2 [X.] nicht nur auf die Fälle einer Erweiterung eines Gebrauchsmusters gegenüber der ursprünglichen Gebrauchsmusteranmeldung beziehe, sondern auch für den Fall von Änderungen der abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung gegenüber der ursprünglichen Patentanmeldung die sachlich angemessene Regelung darstelle und der Gebrauchsmusterinhaber aus derartigen Erweiterungen keine Rechte herleiten könne. Gegenstand der vorgenannten Entscheidung war zwar ein Verletzungsrechtsstreit. Sie ist allerdings für das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren dahingehend relevant, dass in solchen Fällen § 15 Abs. 1 Nr. 3 [X.] als gleichsam „spiegelbildlicher“ Tatbestand für das Löschungsverfahren und damit als möglicher Löschungsgrund für Erweiterungen eines abgezweigten Gebrauchsmusters gegenüber der Abzweigungsanmeldung heranzuziehen ist, zumal Abzweigung die Inanspruchnahme des Anmeldetags der Vor- bzw. [X.] (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]) bedeutet; dann muss auch die Ursprungsoffenbarung der [X.], die zu diesem Anmeldetag eingereicht wurde, die für das Gebrauchsmuster maßgebende sein. Ferner hat der [X.] in der Entscheidung „Feuchtigkeitsabsorptionsbehälter“ ([X.], 1243, [X.]. 17) – ohne weitere [X.]egründung, sondern nahezu selbstverständlich – die Voranmeldung, aus der das dortige Gebrauchsmuster abgezweigt worden war, als maßgebliche Ursprungsoffenbarung erachtet. Für diese Auffassung spricht im Übrigen auch die Kommentierung bei [X.]usse/Keukenschrijver, 9. Aufl., § 5 [X.], Rn 12 und § 15 [X.], Rn. 16.

b. Der auf den eingetragenen Schutzanspruch 1 rückbezogene Schutzanspruch 11 lautet wie folgt:

„11. Spender nach einem der vorstehenden Ansprüche, ferner umfassend ein hinteres Teil (96; 106; 116; 126), wobei die äußere Schale (20, 90, 100, 110, 120) und das hintere Teil (96; 106; 116; 126) lösbar miteinander verbunden sind.“

c. Diese Ausgestaltung ist lediglich für die in den [X.]uren 13 bis 15 dargestellten Ausführungsbeispiele der [X.] ursprünglich offenbart ([X.], [X.], [X.] 21 – 23, [X.], [X.] 5 – 7, 20 – 22). Zu [X.]ur 13 heißt es ([X.], [X.], [X.] 21 – 23): „[X.] is detachably joined to a rear dispenser section 96, in order to form a dispenser housing 97.“ Die in den [X.]uren 13 bis 15 dargestellten Spender sind für einen Stapel Papierhandtücher ([X.], [X.], [X.] 24 – 27, [X.], [X.] 23 – 26) oder eine Rolle Papier ([X.], [X.], [X.] 8 – 11) vorgesehen.

Der eingetragene Schutzanspruch 11 ist aber nicht auf Spender für einen Stapel Papierhandtücher oder eine Rolle Papier beschränkt.

Gemäß [X.] können die Spender für Rollen oder Stapel aus Papier oder anderen Wischmaterialien oder für Waschsubstanzen, wie etwa flüssige Handcreme, Seife oder andere Reinigungsmittel, vorgesehen sein ([X.], [X.], [X.] 9 – 11).

Die Angabe zum in [X.]ur 13 dargestellten Ausführungsbeispiel, dass die Spender für einen Stapel Papiertücher oder Ähnliches vorgesehen sind ([X.], [X.], [X.] 24 – 27), lässt nicht den Schluss zu, dass der Spender auch für andere Wischmaterialien oder für Waschsubstanzen, wie etwa flüssige Handcreme, Seife oder andere Reinigungsmittel, geeignet ist. Gegen einen solchen Schluss sprechen die Angaben zu den in den [X.]uren 14 und 15 dargestellten Ausführungsbeispielen, dass diese Spender für eine Rolle Papier oder Ähnliches ([X.], [X.], [X.] 8 – 11) bzw. für einen Stapel Papiertücher oder Ähnliches ([X.], [X.], [X.] 23 – 26) vorgesehen sind.

Der [X.]egriff „Ähnliches“ bezieht sich somit auf einen Stapel Papiertücher oder eine Rolle Papier und bedeutet damit ähnlich wie ein Stapel Papiertücher oder eine Rolle Papier. Vom [X.]egriff „Ähnliches“ sind dagegen Wischmaterialien oder Waschsubstanzen, wie etwa flüssige Handcreme, Seife oder andere Reinigungsmittel, nicht umfasst.

Die [X.] offenbart auch ein Ausführungsbeispiel eines Seifenspenders, dem jedoch keine Hinweise auf ein hinteres Teil und eine lösbare Verbindung zu entnehmen sind ([X.], [X.], [X.] 15 – 24).

Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine lösbare Verbindung der äußere Schale und dem hinteren Teil für Spender für einen Stapel Papiertücher oder eine Rolle Papier, aber nicht für jedweden Spender gemäß Schutzanspruch 11 in der [X.] ursprünglich offenbart ist.

d. Da die Antragsgegnerin die eingetragene Fassung des [X.]s als Ganzes im Sinne eines einheitlichen [X.] verteidigt hat, fallen damit auch die weiteren, eingetragenen Schutzansprüche (vgl. [X.] GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II).

4. Die Anspruchsfassung nach [X.] v. 22. Juni 2022 ist hingegen zulässig; ihr Gegenstand ist auch in ausführbarer Weise offenbart. Zudem ist dieser Gegenstand durch den in das erstinstanzliche Löschungsverfahren eingeführten Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen, noch nahegelegt.

a. Die Anspruchsfassung nach [X.] umfasst den unabhängigen Schutzanspruch 1 und die auf diesen unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Schutzansprüche 2 – 18.

Schutzanspruch 1, der mit dem eingetragenen Schutzanspruch 1 übereinstimmt, lautet – mit einer den [X.]eteiligten übergebenen Merkmalsgliederung – wie folgt:

[X.] „Spender, umfassend: eine äußere Schale (20, 90, 100, 110, 120),

[X.] wobei die äußere Schale umfasst:

[X.].1 ein erstes spritzgegossenes Komponententeil (18; 32; 42a; 42b; [X.]; 42d; 92; 102; 112a, 112b; 121a) aus Kunststoff mit einer ersten [X.];

[X.].2 und ein zweites spritzgegossenes Komponententeil (17; 31; 41a; [X.]; 41c; [X.]; 51; 61; 71; 91; 101; 111; 121b) aus Kunststoff mit einer zweiten [X.];

M1.3 wobei das erste Komponententeil und das zweite Komponententeil durch Fügen der ersten [X.] und der zweiten [X.] während des [X.] entlang einer [X.] (21; 43a; 43b; 43c; [X.]; 93; 103; 113a, 113b; 123a, 123b) miteinander verbunden sind,

[X.] wobei das erste und zweite Komponententeil jeweils eine Stirnfläche sowie eine erste und eine zweite Seitenfläche aufweisen,

[X.] wobei die ersten und zweiten Seitenflächen jeweils eine von der Stirnfläche abgewandte freie Kante (22, 23; 81, 82; 94, 95; 104, 105; 114, 115; 124a, 124b; 125a, 125b) aufweisen,

[X.] wobei sich die [X.] (21; 43a; 43b; 43c; [X.]; 93; 103; 113a, 113b; 123a, 123b) von den freien Kanten der ersten Seitenflächen zu den freien Kanten der zweiten Seitenflächen erstreckt.“

Es schließen sich die [X.] 2 – 10 an, zu deren Wortlaut auf die [X.]. verwiesen wird.

Schutzanspruch 11 in der Fassung nach [X.] lautet wie folgt (Änderungen gegenüber der eingetragenen Fassung optisch hervorgehoben):

„11. Spender nach einem der vorstehenden Ansprüche, ferner umfassend ein hinteres Teil (96; 106; 116; 126), wobei die äußere Schale (20, 90, 100, 110, 120) und das hintere Teil (96; 106; 116; 126) lösbar miteinander verbunden sind, wobei der Spender für einen Stapel von Papiertüchern oder eine Papierrolle vorgesehen ist.“

Es schließen sich die weiteren [X.] 12 – 18 an, zu deren Wortlaut ebenfalls auf die [X.]. verwiesen wird.

b. Als maßgeblicher Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des [X.]s und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Hochschulabsolvent für Kunststofftechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung spritzgegossener Erzeugnisse anzusehen.

c. Der Fachmann legt den Merkmalen des [X.] 1, soweit sie der Auslegung bedürfen, folgendes Verständnis zu Grunde.

[X.]ei einer äußeren Schale (Merkmal [X.], [X.]), einer äußeren Abdeckung oder einem Teil davon handelt es sich um ein Strukturteil eines Spenders, auch als „Spenderteil“ bezeichnet (Abs. [0007], [0008] [X.].).

Zur [X.]ildung eines [X.]s ist das Spenderteil mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden, der an einer vertikalen Fläche, wie etwa einer Wand, montiert wird (Abs. [0095] bis [0097], [X.]. 13 bis 15 [X.].).

Die äußere Schale umfasst zwei [X.] (Merkmale [X.].1, [X.].2), die entlang einer [X.] beim Spritzgießen miteinander verbunden sind (Merkmal M1.3). Der [X.]egriff „Komponententeil“ wird verwendet, um jede spritzgegossene Komponente zu bezeichnen, die mit einem oder mehreren zusätzlichen [X.]n unter [X.]ildung eines Spenderteils verbunden ist (Abs. [0007], [0008] [X.].). Die [X.]egriffe „Komponententeil“ in Abs. [0008] und „Teil“ in den Abs. [0009], [0010] [X.]. werden synonym verwendet.

Die beiden [X.] weisen eine Stirnfläche und zwei Seitenflächen auf. Dass eine solche Stirnfläche an der Vorderseite des Spenders liegt, folgt aus Abs. [0003] [X.]. Die Seitenflächen stehen winklig von der Stirnfläche ab und weisen eine Kante auf, die von der Stirnfläche abgewandt ist.

Die Antragsgegnerin hat zur Veranschaulichung der [X.]egrifflichkeiten die von ihr kolorierte und mit [X.]ezeichnungen versehene [X.]ur 13 des [X.]s eingereicht.

Abbildung

Zum [X.]egriff „Kante“:

Gemäß Abs. [0010] [X.]. werden eine erste Kante des ersten Teils und eine eingespritzte zweite Kante des zweiten Teils während des zweiten Spritzgießschritts unter [X.]ildung der [X.] verbunden. Jede erste Kante des ersten Teils wird so geformt, dass sie mindestens eine Stufe in einer Querrichtung zu der ersten Kante bildet. Die Stufe wird vorzugsweise entlang jeder ersten Kante von der ersten zur zweiten Seitenkante des ersten Komponententeils geformt. Eine solche erste Kante liegt folglich an der [X.] der [X.] (grün hervorgehoben), wie sie im Querschnitt in den [X.]uren 3, 4a bis 4d, 5 dargestellt sind.

Abbildung

Zum [X.]egriff „Seitenkante“:

Seitenkanten beziehen sich auf die äußere Schale bzw. das Spenderteil (Abs. [0001], [0008], [0041] [X.].) aber auch auf ein Komponententeil (Abs. [0010], [0041], [0091] [X.].). [X.]ei den [X.]uren 13 bis 15 sind zweifellos die Seitenkanten 94, 95, 104, 105, 114, 115 des Spenderteils gemeint (Abs. [0095] – [0097] [X.].).

[X.]ei der oben in [X.]ur 13 dargestellten Ausführungsform sind das erste Komponententeil 91 und das zweite [X.] durch eine [X.] 93 verbunden, die sich von einer ersten Seitenkante 94 zu einer zweiten Seitenkante 95 des [X.] erstreckt (Abs. [0095] [X.].).

[X.]ei der in [X.]ur 14 dargestellten Ausführungsform sind das erste [X.] und das zweite Komponententeil 102 durch eine [X.] 103 verbunden, die sich von einer ersten Seitenkante 104 zu einer zweiten Seitenkante 105 erstreckt, welche sich entlang eines unteren [X.]egrenzungsabschnitts des Spenderteils 100 befindet (Abs. [0096] [X.].).

Abbildung

Zum [X.]egriff „freie Kante“:

Nach den Abs. [0015], [0018] und [0020] [X.]. sollen abgestufte Abschnitte bzw. mit Vorsprüngen oder Stegen versehenen Abschnitte mit [X.]n Abschnitten der [X.], wie etwa Ecken, übereinstimmen. Mit dem [X.]egriff „nicht planare Abschnitte“ sind also Ecken gemeint, die sich auf Grund der sich von einer ersten Seitenkante an einer ersten Seitenwand des Spenderteils, über mindestens einen Teil der Stirnfläche und zu einer zweiten Seitenkante an einer zweiten Seitenwand des Spenderteils erstreckenden [X.] ergeben (Abs. [0030] [X.].).

Das Spenderteil umfasst zwei oder mehr spritzgegossene Komponenten, die mittels einer durchgängigen [X.] verbunden sind, welche sich von einer Seite des Spenderteils zu einer anderen erstreckt. Jedes Komponententeil weist eine Stirnfläche auf sowie eine erste und eine zweite Seitenfläche, die jeweils eine von der Stirnfläche abgewandte Kante aufweisen. Die resultierende [X.] erstreckt sich von der Kante, die der ersten Seitenfläche zugeordnet ist, zu der Kante des Spenderteils, die der zweiten Seitenfläche zugeordnet ist. In diesem Fall sind die erste [X.] und die zweite [X.] im Allgemeinen nicht-planar (Abs. [0034] [X.].). [X.]ur 11 zeigt ein Komponententeil 41a mit einer abgestuften Kante 80 mit einer Reihe einzelner Stufen 44, 45, 46, die sich von einer Seitenkante 81 bis zu einer Seitenkante 82 erstreckt.

Eine Kante, die der ersten oder zweiten Seitenfläche zugeordnet ist, ist eine Seitenkante 81, 82 ([X.]. 11 [X.].). Davon unterscheidet sich die grün gekennzeichnete, abgestufte Kante 80 ([X.]. 11 [X.].), die an einer [X.] ([X.]. 5 [X.].) vorhanden ist und deren Herstellung in Abs. [0010] [X.]. beschrieben ist.

Abbildung

In Abs. [0035] [X.]. ist ausgeführt, um eine [X.] [X.] zu erzeugen, die zwei Komponenten von einer ersten freien Kante zu einer zweiten freien Kante verbindet, sollte das Spenderteil unter Verwendung von Materialien spritzgegossen werden, die für diesen Zweck geeignete Eigenschaften besitzen. Die [X.] sollte nicht an ihren freien Kanten oder entlang [X.] [X.]ereiche zu reißen (Abs. [0037] [X.].).

Abbildung

Der oben in [X.]ur 10 blau eingekreiste Abschnitt [X.] ist als Eckabschnitt (Abs. [0090], [X.]. 10 [X.].) bezeichnet und entspricht gemäß der [X.]eschreibung in den Abs. [0015], [0018], [0020] einem [X.]n [X.]ereich. An dem Eckabschnitt [X.] und dem weiteren blau eingekreisten Eckabschnitt als [X.] [X.]ereiche soll gemäß Abs. [0037] die [X.] nicht reißen.

Gemäß Abs. [0090] ist ein freier Seitenkantenabschnitt [X.] definiert. Der erstreckt sich lediglich innerhalb des rot eingekreisten [X.]ereichs in [X.]. 10, auf den die [X.]ezugslinie für [X.] zeigt. An der Seitenkante bzw. Kante der Seitenfläche endet beim fertigen Spenderteil auch die [X.], die gemäß Abs. [0037] nicht an ihren freien Kanten reißen soll. [X.] ist aber nicht nur der Abschnitt [X.], sondern die Seitenkante insgesamt, da die Seitenkante dort ausläuft bzw. endet. Damit entspricht die gesamte Seitenkante bei [X.]ezugszeichen [X.] einer ersten freien Kante gemäß Abs. [0035], von der aus die [X.] sich über den blau eingekreisten Eckabschnitt [X.] und den weiteren blau eingekreisten Eckabschnitt bis zur zweiten freien Kante bzw. Seitenkante erstreckt.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die freien Kanten gemäß den Abs. [0035] und [0037] nicht die Kante des ersten Komponententeils und die Kante des zweiten Komponententeils darstellen, entlang der (vgl. grün gekennzeichnete, abgestufte Kante 80 in [X.]ur 11) zusammengefügt wird, sondern eben die freien Kanten der Seitenflächen bzw. Seitenkanten. Dafür spricht auch der in Abs. [0003] [X.]. beschriebene Nachteil beim Stand der Technik, dass ein Verzug der [X.] auftreten könne, insbesondere in oder nahe den [X.]ereichen der Seitenkanten.

Die zeichnerische Darstellung in [X.]ur 2 führt demgegenüber nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich nur um eine schematische Darstellung eines [X.]. Das Spenderteil 20 besteht aus den beiden [X.], 18, die entlang einer [X.] 21 verbunden sind, die von einer Seitenkante 22 zu einer zweiten Seitenkante 23 des [X.] verläuft (Abs. [0072] [X.].). Dies stimmt mit der [X.]eschreibung der anderen Ausführungsbeispiele überein und deutet darauf hin, dass die [X.] an den beiden Seitenkanten 22, 23 endet.

Das in [X.]ur 14 gezeigte [X.]eispiel eines Spenders umfasst ein von einem transparenten ersten [X.] und einem opaken zweiten Komponententeil 102 gebildetes Spenderteil 100. Das erste [X.] und das zweite Komponententeil 102 sind durch eine [X.] 103 verbunden, die sich von einer ersten Seitenkante 104 zu einer zweiten Seitenkante 105 erstreckt, welche sich entlang eines unteren [X.]egrenzungsabschnitts des Spenderteils 100 befindet (Abs. [0096] [X.].).

d. Eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem [X.] der [X.] liegt nicht vor.

aa. Der [X.]egriff „äußere Schale“ gemäß den Merkmalen [X.] und [X.] des [X.] 1 lässt sich aus der Ursprungsoffenbarung „outer shell“ herleiten ([X.], [X.], [X.] 27 – 29).

[X.]ei der Verwendung des Plurals der Kanten der ersten Seitenflächen bzw. zweiten Seitenflächen im Merkmal [X.] handelt es sich nicht um eine unzulässige Erweiterung bzw. Zwischenverallgemeinerung. Nachdem die äußere Schale (das Spenderteil) ein erstes und ein zweites Komponententeil umfasst (Merkmale [X.], [X.].1, [X.].2), die jeweils eine erste und eine zweite Seitenfläche (Merkmal [X.]) mit jeweils einer freien Kante ([X.]) aufweisen, erstreckt sich die [X.] von der freien Kante der ersten Seitenfläche des ersten Komponententeils und der freien Kante der ersten Seitenfläche des zweiten Komponententeils zu der freien Kante der zweiten Seitenfläche des ersten Komponententeils und der freien Kante der zweiten Seitenfläche des zweiten Komponententeils. Oder im Wortlaut des Merkmals [X.] formuliert erstreckt sich die [X.] von den freien Kanten der ersten Seitenflächen [der beiden [X.]] zu den freien Kanten der zweiten Seitenflächen [der beiden [X.]]. Dies ergibt sich bei Zusammenschau der Abs. [0010], [0072] und [0091] [X.]. ohne Weiteres.

Unter [X.]erücksichtigung der obigen Ausführungen zum fachmännischen Verständnisses des [X.]egriffs „freie Kante“ als freie Kante einer Seitenfläche bzw. freie Seitenkante liegt eine unzulässige Erweiterung bzgl. der in den Merkmalen [X.] und [X.] beanspruchten „freien Kante“ nicht vor.

bb. Der zulässige Schutzanspruch 2 in der Fassung nach [X.], die der eingetragenen Fassung entspricht, lautet:

„2. Spender nach Anspruch 1, bei dem die Stirnflächen des ersten (18; 32; 42a; 42b; [X.]; 42d; 92; 102; 112a, 112b; 121a) und zweiten Komponententeils (17; 31; 41a; [X.]; 41c; [X.]; 51; 61; 71; 91; 101; 111; 121b) entlang der [X.] (21; 43a; 43b; 43c; [X.]; 93; 103; 113a, 113b; 123a, 123b) fluchten.“

In der [X.] ([X.], [X.]1, [X.] 12 – 14) ist dazu offenbart: „[X.].“). Im [X.] lautet die entsprechende [X.] (Abs. [0079], [X.].): „Die Stirnflächen der jeweiligen verbundenen [X.] fluchten entlang der [X.] vollständig miteinander.“

Der [X.]egriff „vollständig“ („completely“) findet im Schutzanspruch 2 keinen Niederschlag und ist ohnehin redundant. Aus fachmännischer Sicht folgt aus Schutzanspruch 2, dass die Stirnflächen der [X.] jeweils als Ganzes entlang der [X.] fluchten. Würde nur ein teilweises Fluchten vorliegen, wäre dies explizit erwähnt.

Die [X.] muss dabei auch nicht einer geraden Linie folgen, es kann auch eine gekrümmte, gewellte oder unregelmäßig geformte Linie sein ([X.], [X.], [X.] 26 – 28; [X.]. Abs. [0114]).

cc. [X.]eim Schutzanspruch 11 in der Fassung nach [X.] liegt gegenüber der eingetragenen Fassung infolge der Aufnahme des Merkmals „wobei der Spender für einen Stapel von Papiertüchern oder eine Papierrolle vorgesehen ist“ eine unzulässige Erweiterung nicht mehr vor.

dd. Der zulässige Schutzanspruch 14 in der Fassung nach [X.], die der eingetragenen Fassung entspricht, lautet:

„14. Spender nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem das erste (18; 32; 42a; 42b; [X.]; 42d; 92; 102; 112a, 112b; 121a) und das zweite (17; 31; 41a; [X.]; 41c; [X.]; 51; 61; 71; 91; 101; 111; 121b) Komponententeil jeweils eine vordere Kante aufweisen, an die sich die [X.] (21; 43a; 43b; 43c; [X.]; 93; 103; 113a, 113b; 123a, 123b) anschließt, wobei die vorderen Kanten nicht linear sind.“

Die Merkmale des [X.] 14 finden ihre Stütze in der [X.] ([X.], [X.], [X.] 16 – 19): „In this context, the longitudinal direction of the seam is defined as the direction of the front edge of the respective component part where they are joined by the seam, or the general direction of the front edge should the edge be non-linear.“ Im [X.] (Abs. [0012] [X.].) heißt es dazu: „In diesem Zusammenhang ist die Längsrichtung der [X.] als die Richtung der vorderen Kante des jeweiligen Komponententeils definiert, an die sich die [X.] anschließt, oder als die allgemeine Richtung der vorderen Kante, falls die Kante nichtlinear sein sollte.“

ee. Der zulässige Schutzanspruch 16 in der Fassung nach [X.], die der eingetragenen Fassung entspricht, lautet:

„16. Spender nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die [X.] (21; 43a; 43b; 43c; [X.]; 93; 103; 113a, 113b; 123a, 123b) Stoßeinwirkung von mindestens 10 Joule, vorzugsweise jedoch 15 Joule, standhält ohne entlang der ersten und zweiten [X.] zu reißen.“

Zur [X.] der Merkmale des [X.] 16 sind folgende Passagen der [X.] [X.] heranzuziehen:

[X.], [X.] 7 - 10: „[X.], in [X.] extends from a first side edge at a first side wall of the dispenser part, across at least part of the front surface, and to a second side edge at a second side wall of the dispenser part.“

[X.], [X.] 5 -10: „[X.] an [X.], but [X.] 15 Joule without cracking at its free edges or along non-planar areas.

Die entsprechenden Passagen lauten im [X.] [X.].:

Abs. [0030]: „Die erste [X.] und die zweite [X.] sind im Allgemeinen nicht-planar, indem sich die [X.] von einer ersten Seitenkante an einer ersten Seitenwand des Spenderteils, über mindestens einen Teil der Stirnfläche und zu einer zweiten Seitenkante an einer zweiten Seitenwand des Spenderteils erstreckt.“

Abs. [0037]: „Die [X.] sollte imstande sein, einer Stoßeinwirkung von mindestens 10 Joule, vorzugsweise jedoch 15 Joule, standzuhalten, ohne an ihren freien Kanten oder entlang [X.] [X.]ereiche zu reißen.“

Die Merkmale des [X.] 16 sind damit in der [X.] ([X.], [X.], [X.] 5 - 10) offenbart, wobei die Formulierung „non-planar areas“ in zulässiger Weise durch „erste und zweite [X.]“ ersetzt wurde, da es sich dabei um [X.] [X.]ereich handelt ([X.], [X.], [X.] 7 - 10).

ff. Der zulässige Schutzanspruch 17 in der Fassung nach [X.], die der eingetragenen Fassung entspricht, lautet:

„17. Spender nach Anspruch 15 oder 16, wobei die Stoßeinwirkung durch ein 13 kg schweres Gewicht erfolgt, das an einem Schwenkarm mit einer Länge von 0,75 m befestigt ist, wobei der Teil des Gewichts, der eingerichtet ist, um auf der Stirnfläche der äußeren Schale aufzutreffen, einer flachen rechteckigen Fläche von 63 cm² (7 × 9 cm) entspricht, wobei der Schwenkarm über einen [X.]ogen aus einer vertikalen in eine horizontale Position geschwenkt und gelöst wird, um die Aufprallenergie bereitzustellen.“

Zur [X.] ist folgende Passage der [X.] ([X.], [X.], [X.] 14 – 21) heranzuziehen: „[X.], the test used a 13 kg weight attached to an [X.] had an [X.], corresponding to a flat rectangular area of about 63 cm

Die entsprechende Passage lautet im [X.] (Abs. [0109] [X.].): „Gemäß einem [X.]eispiel verwendete der Versuch ein 13 kg schweres Gewicht, das an einem Arm mit einer Länge von 0,75 m befestigt war. Der Teil des Gewichts, der eingerichtet war, um auf einer Stirnfläche des Spenderteils aufzutreffen, besaß eine der durchschnittlichen Fläche einer Faust eines männlichen Erwachsenen entsprechende Fläche, welche einer flachen rechteckigen Fläche von etwa 63 cm

Der Aufnahme des beispielhaft angegebenen [X.] von etwa 34° bedarf es nicht, da der Winkel so gewählt und eingestellt werden kann, dass er eine wiederholbare gewünschte Aufprallenergie ergibt.

e. Die Lehre der Schutzansprüche 1 und 18 ist ausführbar.

aa. Aus dem unter Abschnitt [X.]. zum Merkmal [X.] beschriebenen Verständnis heraus, ist die Ausführbarkeit dieses Merkmals zu bejahen.

bb. Zur [X.]estimmung der Festigkeit der äußeren Schale gemäß Schutzanspruch 18 kennt der Fachmann verschiedene Tests, mit welchen die Festigkeit und [X.]elastung messbar sind. Das Gebrauchsmuster offenbart in Abs. [0101] [X.]iegeversuche nach [X.] 178:2001, die der Fachmann nacharbeiten kann und durch welche der Fachmann direkt zu den in Tabelle 1 angegebenen Werten, wie der [X.], kommt.

f. Der Gegenstand des [X.] 1 nach [X.] ist gegenüber dem Stand der Technik im erstinstanzlichen Verfahren neu.

aa. Druckschrift [X.] betrifft einen Spender mit einem ersten Komponententeil 50 und einem zweiten Komponententeil 54. Die [X.] sind spritzgegossen und an ihren jeweiligen Fügeflächen während des Spritzgießens miteinander verbunden worden ([X.], [X.], [X.] 7 – 15, [X.]. 1).

Abbildung

[X.], Ausschnitt der [X.]. 1 [X.], modifizierter Ausschnitt der [X.]. 1

Die Kanten [X.] und [X.] sind keine freien Kanten im Sinne des [X.]s, da sie umlaufend und nicht endend ausgebildet sind. Damit offenbart [X.] zumindest Merkmal [X.] nicht.

bb. Die Druckschrift [X.] betrifft einen Spender für saugfähige [X.]ögen in Rollenform, vorzugsweise Papiertücher ([X.], [X.], [X.] 7 - 9).

Der Spender 1 umfasst ein Gehäuseteil 3 und eine opake Abdeckung 2 mit einem transparenten Fenster 4. [X.] und das Fenster 4 bestehen aus Kunststoff und sind mittels eines zweistufigen [X.] hergestellt ([X.], [X.], [X.] 2, 3, 18, 19, [X.], [X.] 6 - 12, Anspr. 3 - 5). [X.] ist damit ein erstes Komponententeil und das Fenster 4 ist ein zweites transparentes Komponententeil im Sinne des [X.]s. Die Merkmale [X.], [X.], [X.].1 und [X.].2 sind damit offenbart. Die beim Spritzgießen an den [X.]n der beiden [X.] 2, 4 entstehende [X.] liest der Fachmann ohne Weiteres mit (Merkmal M1.3).

Abbildung

Das erste opake Komponententeil 2 weist eine Stirnfläche sowie eine erste rechte Seitenfläche mit einer von der Stirnfläche abgewandten freien Kante ([X.]. 1) und eine zweite linke Seitenfläche mit einer von der Stirnfläche abgewandten freien Kante ([X.]. 2) auf. Dagegen weist das zweite transparente Komponententeil 4 eine Stirnfläche und nur eine Seitenfläche auf, die sich von der Stirnfläche gebogen nach oben in Richtung [X.] erstreckt und nicht über eine von der Stirnfläche abgewandte freie Kante verfügt ([X.]. 1). Eine zweite Seitenfläche fehlt gänzlich (Merkmale [X.] und [X.]), so dass sich die [X.] auch nicht von (freien) Kanten der ersten Seitenflächen zu (freien) Kanten der zweiten Seitenflächen gemäß Merkmal 1.6 erstrecken kann.

cc. Die Druckschrift [X.] betrifft Spender ([X.], [X.] 8).

In der Ausführungsform nach den [X.]uren 1 bis 16 weist der Spender 40 eine [X.]asis 44 und eine Abdeckung 62 auf ([X.], [X.], [X.] 20 - [X.], [X.] 2, [X.]. 1, 4). Die Abdeckung 62 aus Kunststoff entspricht der äußeren Schale (oder Abdeckung) gemäß [X.] (Abs. [0007], [0008] [X.].), während die [X.]asis 44 zur [X.]efestigung an einer Wand dem hinteren Spenderabschnitt gemäß [X.] entspricht (Abs. [0095] - [0097], [X.]. 13 - 15 [X.].). Damit kann der Antragstellerin bereits dahingehend nicht gefolgt werden, dass es sich bei der Abdeckung 62 um ein erstes Komponententeil und bei der [X.]asis 44 um ein zweites Komponententeil gemäß [X.] handelt, so dass es auf deren Verbindung im Ergebnis nicht mehr ankommt.

Abbildung

[X.], Ausschnitt aus [X.]. 1 (links) und [X.]. 4 (rechts)

In der Ausführungsform gemäß den [X.]uren 17 bis 26 umfasst der Spender 200 eine Abdeckung 230 und eine [X.]asis 214 ([X.], [X.]3, [X.] 28 - [X.]4, [X.] 8, [X.]. 17). [X.]30 und die [X.]asis 214 entsprechen der Abdeckung 62 bzw. der [X.]asis 44 der Ausführungsform nach den [X.]uren 1 bis 16. [X.]ur 26 zeigt einen Spender mit alternativen Ausgestaltungen der Sicherungsmittel und der Tür ([X.], [X.]7, [X.] 5).

Die Abdeckung 62, 230 besteht aus teilweise transparentem oder transluzentem Material. Alternativ kann sie aus opakem Material bestehen, das optional ein als Fenster dienendes transparentes Material umschließt ([X.], [X.]. [X.] 32 - [X.], [X.] 2, [X.]4, [X.] 4 - 8).

Abbildung

[X.], Ausschnitt aus [X.]. 17 (links) und Ausschnitt aus [X.]. 26 (rechts)

In der letztgenannten Ausgestaltung weist die Abdeckung zwar ein erstes Komponententeil (opakes Material) und ein zweites Komponententeil (Fenster aus transparentem Material) auf, aber es ist nicht offenbart, dass eine erste und eine zweite Seitenfläche mit von der Stirnfläche abgewandten freien Kanten vorhanden ist, und sich eine [X.] von den freien Kanten der ersten Seitenflächen zu den freien Kanten der zweiten Seitenflächen erstreckt (Merkmale [X.], [X.]).

dd. Druckschrift [X.] betrifft ein aus [X.] geformtes Erzeugnis mit integrierten aus [X.] geformten [X.]n in unterschiedlichen Farben, etwa beispielsweise ein Außengehäuse eines Tastentelefons, und ein Verfahren zur Herstellung desselben ([X.]-[X.], [X.], [X.] 8 – 10). [X.]ei dem Erzeugnis, das auch als konventionelles Gehäuse bezeichnet ist ([X.]-[X.], [X.], [X.] 11), handelt es sich nicht um einen Spender gemäß Merkmal [X.].

ee. Die weiteren in das erstinstanzliche Löschungsverfahren eingeführten Druckschriften und Dokumente liegen weiter ab. Die Antragstellerin hat weder geltend gemacht, noch ist für den Senat ersichtlich, dass diese Druckschriften und Dokumente den Gegenstand des [X.] 1 vorwegnehmen.

g. Der Gegenstand des [X.] 1 nach [X.] beruht gegenüber dem Stand der Technik im erstinstanzlichen Verfahren auch auf einem erfinderischen Schritt.

aa. Eine Zusammenschau von [X.] und [X.] führt nicht zum Gegenstand des [X.] 1.

Das Gehäuseteil 3 gemäß [X.] entspricht funktional der [X.]asis 44, 214 gemäß [X.], während die Abdeckung 2 gemäß [X.] funktional der Abdeckung 62, 230 gemäß [X.] entspricht.

Nachdem in [X.] bereits die Abdeckung 2 opak und deren Fenster 4 transparent ausgebildet sind, besteht für den Fachmann kein Anlass aus der [X.] die opake Abdeckung 62, 230 mit dem optionalen Fenster aus transparentem Material zu übernehmen.

Um die Überprüfung des Füllstands zu verbessern, hätte der Fachmann aber Anlass, die transluzente Abdeckung 62, 230 gemäß [X.] auch bei [X.] vorsehen. Im Ergebnis würde die äußere Schale entgegen den Merkmalen [X.].2, M1.3 nur noch ein einziges Komponententeil umfassen, das transluzent ausgebildet ist.

Die Antragstellerin teilt diese Auffassung, zu der auch der [X.] gekommen ist ([X.]), nicht. Damit würde sich aus ihrer Sicht der Fachmann von dem Prinzip in [X.] und [X.] lösen, einen Teil der äußeren Fläche opak zu halten, um so die Ausgabeöffnung und die innenliegende Mechanik des [X.]s zu verbergen. Die Antragstellerin meint, der Fachmann würde die Abdeckung 62, 230 aus [X.] mit der Abdeckung 4 aus [X.] nicht gleichsetzen, sondern auch den unteren opaken Teil 324 ([X.], [X.]. 26) als Vorbild zu Gestaltung der äußeren Schale des Spenders aus [X.] verwenden.

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden, denn der opake Teil 324 ist [X.]estandteil der [X.]asis 214 und nicht der Abdeckung 230.

Wenn der Fachmann die Ausgabeöffnung und die innenliegende Mechanik des [X.]s verbergen möchte, greift er auf die opake Abdeckung 2 mit dem transparenten Fenster 4 gemäß [X.] oder die opake Abdeckung 62, 230, die ein als Fenster dienendes transparentes Material umschließt, gemäß [X.] zurück. Der Fachmann wird dann das transparente Fenster in der Größe variieren, um die Überprüfung des Füllstands zu verbessern. Nachdem aber in [X.] das transparente Fenster 4 von der Abdeckung 2 umgeben ist und in [X.] explizit erwähnt ist, dass die opake Abdeckung 62, 230 das optional als Fenster dienende transparente Material umschließt ([X.], [X.], [X.] 1, 2, [X.]4, [X.] 6 - 8), liegt es dem Fachmann gerade nicht nahe, diese Umschließung aufzulösen, so dass das transparente Fenster eine Stirnfläche sowie eine erste und eine zweite Seitenfläche mit jeweils einer von der Stirnfläche abgewandten freien Kante aufweist (Merkmale [X.], [X.]).

bb. In Druckschrift [X.] ist beschrieben, die Verbindungsfläche eines Komponententeils 7 gestuft auszubilden und ein zweites Komponententeil 8 durch Spritzgießen an diese gestufte Verbindungsfläche anzubinden ([X.]-[X.] [X.], [X.] 1 - 5). [X.]ur 7 zeigt ein Ausführungsbeispiel und [X.]ur 8 eine Querschnittsansicht entlang der in [X.]ur 7 eingezeichneten Linie 9.

Abbildung

[X.], [X.]. 7 (links) und Ausschnitt der [X.]. 8 (rechts)

Zwischen den beiden [X.]n 7, 8 verläuft eine beim Spritzgießen gebildete [X.] von der Seitenkante einer Seitenfläche zur Seitenkante einer benachbarten Fläche.

Daraus folgt, dass die Möglichkeit, zwei Kunststoffteile mit einer solchen [X.] zu verbinden, im Stand der Technik bekannt war und dass auch schon Ausgestaltungen zur Verfügung standen, die eine hinreichende Stabilität der [X.] gewährleisten.

Ausgehend davon hat der [X.]undesgerichtshof im parallelen [X.] ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2021 - [X.], Rn. 107, 108) ausgeführt, […] selbst unter der Annahme, dass entsprechende Möglichkeiten auch für das Gehäuse eines [X.]s zur Verfügung standen, ergibt sich daraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Anregung, den in [X.] offenbarten [X.] entsprechend auszugestalten. Eine bestimmte technische Ausgestaltung ist nicht schon deshalb naheliegend, weil sie technisch möglich ist. Eine weitergehende Anregung, die in [X.] offenbarte Möglichkeit für einen [X.] nach dem Vorbild von [X.] zu nutzen, ergibt sich weder aus [X.] noch aus [X.].

Die Ausführungen des [X.] sind auf das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren übertragbar, da die Druckschriften [X.] und [X.] im parallelen [X.] den Druckschriften [X.] bzw. [X.] im hiesigen Verfahren entsprechen.

cc. Die weiteren Druckschriften im erstinstanzlichen Verfahren legen den Gegenstand des [X.] 1 weder für sich noch in Zusammenschau nahe.

5. Es ist jedoch möglich, dass der von der Antragstellerin im [X.]eschwerdeverfahren eingeführte Stand der Technik die Wirksamkeit des [X.]s im Umfang der Anspruchsfassung nach [X.] in Frage stellt.

a. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die [X.] [X.]) – siehe dort [X.] [X.] 2 und [X.]. 1 zu den Merkmalen [X.], [X.]: [X.] [X.] 6-12 zu den Merkmalen [X.].1, [X.].2, 1.3: [X.] [X.] 6-12 - in Zusammenschau mit dem als [X.]/[X.]a vorgelegten Katalog – s. dort zu den Merkmalen [X.], [X.], [X.]: [X.] und [X.] -, der grundsätzlich geeignet sein kann, eine schriftliche [X.]eschreibung i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] darzustellen, den Gegenstand des [X.] 1 nach [X.] nahegelegt haben könnte.

b. Ebenso erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das von der Antragstellerin mit Schriftsatz v. 15. Juni 2022 in das [X.]eschwerdeverfahren eingeführte, über das [X.] Online-Verkaufsportal https://www.ebay-kleinanzeigen.de erworbene Gebrauchtexemplar eines [X.] [X.] [X.]gehäuses (vgl. [X.] [X.], 2, 8, 9 zu den Merkmalen [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]; [X.]0, [X.], 4, 5 zu den Merkmalen [X.].1, [X.].2, M1.3) den Gegenstand des [X.] 1 nach [X.] vorwegnehmen könnte.

c. Andererseits erscheint fraglich, ob die Antragstellerin die öffentliche Zugänglichkeit der erst in das [X.]eschwerdeverfahren eingeführten [X.] ([X.]/[X.]a) und den in diesem Zusammenhang behaupteten Vorbenutzungen hinreichend substantiiert vorgetragen hat. So erscheint fraglich, ob der bloße Verweis auf ein Druckdatum bezüglich [X.]/[X.]a einen konkreten Vortrag, wann, wo und in welcher Weise dieser Katalog der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ersetzt. Zwar ist anerkannt, dass ein Druck- oder [X.]opyrightvermerk prima facie im Einzelfall als Nachweis für das Inverkehrbringen des betr. [X.] in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem betr. Druckvermerk in [X.]etracht kommen kann. Es geht aber dabei um Geeignetheit einer Tatsache als Prima-Facie-[X.]eweis für eine [X.], was aber voraussetzen dürfte, dass die [X.] (hier: Öffentliche Zugänglichkeit eines Katalogs) als solche erst einmal konkret vorgetragen ist, zumal es auch der Lebenserfahrung entspricht, dass Druckwerke vor ihrer Zugänglichmachung gegenüber der Öffentlichkeit im Entwurf dem Auftraggeber zuerst zur [X.]gabe vorgelegt werden und auch derartige Entwürfe bereits einen Druckvermerk aufweisen können, wenn der Auftragnehmer mit rascher [X.]gabe rechnet.

Auch hinsichtlich der weiteren, mit Schriftsatz v. 15. Juni 2022 von der Antragstellerin ins Verfahren eingeführten [X.], sei es in Form schriftlicher [X.]eschreibungen wie [X.]roschüren, Produktbeschreibungen, Montageanleitungen, sei es in Form von in [X.] erfolgten Vorbenutzungen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.]), erscheint fraglich, ob die Antragsgegnerin die öffentliche Zugänglichkeit bzw. die Offenkundigkeit der [X.]enutzung im Geltungsbereich des [X.] bereits hinreichend substantiiert vorgetragen hat.

6. Entscheidungsreif ist die [X.]eschwerde daher nur insoweit, als die Antragsgegnerin das [X.] in der eingetragenen Fassung verteidigt, da hinsichtlich dieser Fassung der Löschungsgrund des § 15 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu bejahen ist (s.o. Ziff. 3.). Im Übrigen ist es angesichts der o.g. Sachlage angemessen, den angefochtenen [X.]eschluss aufzuheben und zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§§ 18 Abs. 2 Satz 1 [X.], 79 Abs. 3 Nr. 3 [X.]).

Nach den o.g. Ausführungen sind die in der [X.]eschwerdeinstanz neu ins Verfahren eingeführten [X.] zumindest potentiell entscheidungserheblich für die Wirksamkeit des [X.]s im Umfang der [X.] nach [X.] (vgl. [X.]usse, [X.], 9. Aufl., § 19, Rn. 69). Es handelt sich zudem um völlig andersartige [X.] als die vornehmlich druckschriftlichen [X.], die Gegenstand des erstinstanzlichen [X.] waren, so dass die Situation vergleichbar ist mit der Einreichung eines neuen Löschungs- bzw. Feststellungsantrags. Eine Zurückweisung dieses neuen Sachvortrags als verspätet kommt mit [X.]lick auf das gebrauchsmusterrechtliche Löschungsverfahren, in welchem die Zulässigkeit und die Schutzfähigkeit von [X.] erstmals materiell geprüft werden, nicht in [X.]etracht. Zudem sind in Zusammenhang mit den neu eingeführten [X.] komplexe, weitere Fragen zu klären, nämlich:

- Ist die öffentliche Zugänglichkeit bzw. die Offenkundigkeit einer Vorbenutzung von schriftlichen [X.]eschreibungen substantiiert vorgetragen, wenn ja, ist sie unbestritten, falls bestritten, welche [X.]eweismittel sind benannt?

- Ist – vorausgesetzt die öffentliche Zugänglichkeit ist substantiiert vorgetragen - ggf. welche neue Entgegenhaltung hinsichtlich des Gegenstands des Neuen [X.] neuheitsschädlich?

- Ist keine der neuen [X.] neuheitsschädlich, welche stellt den ggf. nächstliegenden Stand der Technik dar?

- Welche der neuen [X.] ist in Zusammenschau mit welcher weiteren Entgegenhaltung geeignet, das Vorliegen eines erfinderischen Schritts beim Gegenstand des [X.]s nach [X.] in Frage zu stellen?

Sollte sich der Gegenstand des [X.]s nach [X.] nicht als schutzfähig erweisen, so stellen sich die vorgenannten Fragen auch zu den [X.] nach den weiteren [X.].

Es kommt hinzu, dass – wie bereits ausgeführt – zur Klärung dieser Fragen weiterer Sachvortag beider [X.]eteiligter erforderlich erscheint. Zwar ist die [X.]eschwerdeinstanz auch Tatsacheninstanz. Allerdings ist der Senat als [X.]eschwerdeinstanz im Wesentlichen für die Überprüfung angefochtener Entscheidungen zuständig; es ist grundsätzlich nicht seine vorrangige Aufgabe, die erstmalige Prüfungspflicht der Gebrauchsmusterabteilung des [X.] im Rahmen des gebrauchsmusterrechtlichen [X.] an deren Stelle zu erfüllen. Um zu einer abschließenden Entscheidung zu kommen, sind weitere, aufwändige Prüfungen der Sach- und Rechtslage, wie sie sich nach Einführung der neuen [X.] in der [X.]eschwerdeinstanz darstellt, erforderlich. In diesem Zusammenhang ist auch die Durchführung einer [X.]eweisaufnahme möglich. Hiermit ist auch ein entsprechender Zeitaufwand verbunden. Eine abschließende Entscheidung des [X.] würde andererseits zum Verlust einer Instanz führen. [X.]elange der Öffentlichkeit sind hingegen weniger betroffen, da das [X.] erloschen ist. Auch unter [X.]erücksichtigung des zwischen den [X.]eteiligten derzeit anhängigen, aber ausgesetzten [X.] entspricht es unter Abwägung der vorgenannten Fallumstände dem bei der Frage der Zurückverweisung anzuwendenden pflichtgemäßen Ermessen (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 79, Rn. 17, 18), die Sache hinsichtlich des noch nicht entscheidungsreifen Neuen [X.], aber auch der weiteren Hilfsanträge der Antragsgegnerin, die sie auch zum Gegenstand ihres in der mündlichen Verhandlung v. 22. Juni 2022 gestellten [X.] gemacht hat, an das [X.] zur weiteren Prüfung und Entscheidung zurückzuverweisen.

7. [X.] beruht auf §§ 18 Abs. 2 Satz 2 [X.], 84 Abs. 2 [X.], 92, 97 ZPO. [X.]illigkeitsgründe, die eine andere Kostenentscheidung erfordern würden, sind nicht gegeben.

Meta

35 W (pat) 401/21

22.06.2022

Bundespatentgericht 35. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 18 Abs 2 S 1 GebrMG, § 79 Abs 3 Nr 3 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.06.2022, Az. 35 W (pat) 401/21 (REWIS RS 2022, 5025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5025

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