Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.06.2017, Az. 3 B 42/16

3. Senat | REWIS RS 2017, 9908

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Gegenstand

Gleichwertigkeit einer in Russland abgeschlossenen Zahnarztausbildung


Leitsatz

Die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HeilBerG NW für die berufliche Fortbildung zuständige Zahnärztekammer ist eine Stelle im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 5 ZHG zur formellen Anerkennung der in ihrem Zuständigkeitsbereich durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten.

Gründe

I

1

Die 1962 in [X.] geborene Klägerin begehrt die Erteilung der [X.] als Zahnärztin. Sie absolvierte von 1982 bis 1987 ein Studium der Stomatologie (Zahnmedizin) am staatlichen [X.]/[X.], das sie im Juli 1987 mit Erhalt des Diploms als Ärztin für Stomatologie abschloss. Im [X.] an eine einjährige Internatur an der [X.] in [X.]/[X.] erhielt sie die Qualifikation "Zahnarzt-Therapeut". Ab August 1988 arbeitete die Klägerin als angestellte Zahnärztin in [X.]. Von April 1994 bis Juni 1997 war sie dort als selbstständige Zahnärztin mit eigener Praxis tätig. Nach ihrer Einbürgerung in [X.] im September 2007 arbeitete die Klägerin von Mai 2008 bis April 2009 als Zahnärztin in einer Zahnarztpraxis in [X.]. Hierfür war ihr eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde nach § 13 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (im Folgenden: [X.]) erteilt worden. Im Juli 2009 beantragte sie die Erteilung der zahnärztlichen [X.]. Die [X.]ezirksregierung [X.] stellte mit [X.]escheid vom 3. September 2013 fest, dass der Ausbildungsstand der Klägerin in verschiedenen Fächern (Werkstoffkunde, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, zahnärztliche Prothetik, Embryologie, Röntgenologie) wesentliche Unterschiede gegenüber der zahnärztlichen Ausbildung in [X.] aufweise und daher nicht gleichwertig sei. Zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten müsse sie eine Prüfung ablegen, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung beziehe. Das Verwaltungsgericht hat diesen [X.]escheid mit Urteil vom 24. Februar 2015 hinsichtlich der Feststellung von Defiziten in den Fächern Embryologie, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Röntgenologie und Werkstoffkunde aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die [X.]erufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 11. Juli 2016 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und den [X.]eklagten unter vollständiger Aufhebung des [X.]escheides vom 3. September 2013 verpflichtet, der Klägerin die [X.] als Zahnärztin zu erteilen. Zur [X.]egründung heißt es im Wesentlichen: Der Ausbildungsstand der Klägerin sei gleichwertig im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Ein etwaig bestehendes ausbildungsrelevantes Defizit im Fach zahnärztliche Prothetik (Zahnersatzkunde) habe sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] durch [X.]erufspraxis und lebenslanges Lernen ausgeglichen. Die Klägerin habe glaubhaft erklärt, von November 1992 bis Juni 1997 in einem nicht unerheblichen Umfang auf dem Gebiet des Zahnersatzes tätig geworden zu sein. Darüber hinaus habe sie auch im [X.] eine entsprechende [X.]erufserfahrung erworben. Das ergebe sich aus den [X.]escheinigungen über ihre zahnärztliche Tätigkeit in der Praxis Dr. S. von Mai 2008 bis April 2009 und in der Praxis Dr. W., wo sie seit Februar 2016 als Zahnärztin beschäftigt sei. Zudem habe sie zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen im Fach Zahnersatz absolviert. Die dadurch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten seien bei der Gleichwertigkeitsprüfung als "lebenslanges Lernen" berücksichtigungsfähig.

II

2

Die [X.]eschwerde des [X.]eklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem [X.]erufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3

1. Die von dem [X.]eklagten aufgeworfene Frage,

ob die nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] einzureichenden [X.]escheinigungen über die von der betreffenden Person erworbene [X.]erufserfahrung in hinreichend substantiierter Weise erkennen lassen müssen, dass die festgestellten wesentlichen Unterschiede ganz oder teilweise durch Kenntnisse als inhaltlich ausgeglichen gelten können, oder ob die inhaltliche Gleichwertigkeit auch durch [X.]ekundungen des Antragstellers ausreichend substantiiert werden kann,

verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des angefochtenen Urteils dahingehend beantworten, dass zum Nachweis der nach § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 1 [X.] berücksichtigungsfähigen zahnärztlichen [X.]erufspraxis im Einzelfall auch auf entsprechende Erklärungen und [X.]ekundungen des Antragstellers abgestellt werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Antragsteller die erforderliche [X.]escheinigung über die von ihm erworbene [X.]erufserfahrung aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen, nicht oder nur schwer beschaffen kann.

4

a) Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] hat ein Antragsteller, der die [X.] auf Grund einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossenen Ausbildung für die Ausübung des zahnärztlichen [X.]erufs beantragt, eine amtlich beglaubigte Kopie der [X.]efähigungsnachweise oder des [X.], der zur Aufnahme des entsprechenden [X.]erufs berechtigt, sowie gegebenenfalls eine [X.]escheinigung über die erworbene [X.]erufserfahrung vorzulegen. Danach kann eine zahnärztliche [X.]erufspraxis bei der Prüfung des Ausgleichs von wesentlichen Unterschieden nach § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 1 [X.] regelmäßig nur dann berücksichtigt werden, wenn und soweit sie vom Antragsteller durch [X.]eibringung einer hinreichend aussagekräftigen [X.]escheinigung nachgewiesen ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. März 2014 - 8 L[X.] 73/13 - NdsV[X.]. 2014, 278 <281>). Das schließt nicht aus, dass der Antragsteller die bescheinigte [X.]erufserfahrung gegebenenfalls durch erläuternde Erklärungen und [X.]ekundungen weiter [X.] kann. Gegenteiliges lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. § 2 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] enthalten keine näheren Vorgaben zur [X.]eschaffenheit der [X.]escheinigung und zu den Anforderungen an die Nachweiserbringung.

5

b) Kann der Antragsteller die [X.]escheinigung aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen, nicht oder nur unter unzumutbarem Aufwand beibringen, darf er den Nachweis über die vorhandene [X.]erufspraxis mithilfe anderer [X.]eweismittel führen. Dies lässt sich aus der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 4 [X.] ableiten.

6

Weist die Ausbildung des Antragstellers wesentliche Unterschiede nach § 2 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.] gegenüber der Ausbildung nach diesem Gesetz und der [X.]sordnung für Zahnärzte auf, muss er nachweisen, dass er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die zur Ausübung des [X.]erufs des Zahnarztes erforderlich sind (§ 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 [X.]). Dieser Nachweis wird durch das Ablegen einer Prüfung erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht (§ 2 Abs. 3 Satz 3 [X.]). Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 [X.] ist diese Prüfung auch abzulegen, wenn die Prüfung des Antrags auf Erteilung der [X.] nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person des Antragstellers liegen, von diesem nicht vorgelegt werden können. Danach ist eine Kenntnisprüfung nicht schon dann erforderlich, wenn der Antragsteller eine einzelne der in § 2 Abs. 6 [X.] aufgeführten Unterlagen und [X.]escheinigungen aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht vorlegen kann. Hinzukommen muss vielmehr ein unangemessener Prüfungsaufwand. Verursacht das Fehlen einzelner Unterlagen hingegen keinen unzumutbaren Prüfungsmehraufwand, besteht kein Grund, dem Antragsteller zu verwehren, die erworbene [X.]erufserfahrung auf andere Weise als durch Vorlage einer [X.]escheinigung nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] nachzuweisen. Diese Auslegung gebieten auch die grundrechtlichen Gewährleistungen nach Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG und das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte [X.]. Ob ausgehend davon die [X.]eibringung der [X.]escheinigung entbehrlich und der Nachweis über die geltend gemachte [X.]erufspraxis anderweitig erbracht ist, unterliegt der Würdigung der Umstände des Einzelfalls und entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Klärung in einem Revisionsverfahren.

7

c) Hier hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, die Klägerin habe nachweislich und unbestritten seit November 1992 bis Juni 1997 ihren [X.]eruf als Zahnärztin ausgeübt. Es hat außerdem zugrunde gelegt, dass anders als bei Antragstellern, die als angestellte Zahnärzte tätig seien und für deren Tätigkeiten grundsätzlich qualifizierte [X.] erstellt werden könnten, im Falle selbstständiger beruflicher Tätigkeit entsprechende Unterlagen und [X.]escheinigungen häufig nicht verfügbar seien ([X.]). Des Weiteren hat es die Klägerin im Erörterungstermin am 21. Juni 2016 zu ihren beruflichen Tätigkeiten im Zeitraum November 1992 bis Juni 1997 befragt ([X.] vom 21. Juni 2016, [X.]. 431 f. d. GA) und dazu in dem angegriffenen Urteil ausgeführt, diese habe glaubhaft erklärt, dass der Anteil prothetischer Arbeiten einen nicht unerheblichen Umfang (15 Stunden pro Woche) ihrer zahnärztlichen Tätigkeit ausgemacht habe ([X.]/15). An diese Tatsachenfeststellung und -würdigung, die die [X.]eschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Der [X.]eklagte zeigt mit seinem [X.]eschwerdevorbringen nicht auf, welcher fallübergreifende Klärungsbedarf sich daraus ergeben soll.

8

2. Die [X.]eschwerde hält außerdem für klärungsbedürftig,

"ob lebenslanges Lernen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] mangels zuständiger Stelle in [X.] nicht anerkannt werden kann, oder ob das lebenslange Lernen anerkannt werden kann, wenn es durch Nachweise der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Heilberufsgesetz [X.] für Fortbildungen zuständigen Zahnärztekammer belegt wird".

9

Auch diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie ist mit Hilfe der anerkannten Regeln sachgerechter Auslegung ohne Weiteres dahingehend zu beantworten, dass [X.]escheinigungen über die Teilnahme an beruflichen Fortbildungen, die von den Zahnärztekammern nach dem Heilberufsgesetz des [X.] [X.] vom 9. Mai 2000 (GV. [X.]. [X.]; zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. April 2016, GV.[X.]. [X.]) - Heil[X.]erG NW - ausgestellt werden, ein geeigneter formeller Gültigkeitsnachweis im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 2 [X.] sind. Dementsprechend handelt es sich bei den Kenntnissen und Fähigkeiten, die durch den [X.]esuch solcher Fortbildungen erworben werden, um lebenslanges Lernen im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 2 [X.] und Art. 3 Abs. 1 [X.]uchst. l, Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von [X.]erufsqualifikationen (A[X.]. L 255 S. 22) i.d.F. der Richtlinie 2013/55/[X.] vom 20. November 2013 (A[X.]. L 354 S. 132), das bei der Prüfung des Ausgleichs wesentlicher Unterschiede berücksichtigt werden kann.

a) Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 2 [X.] können wesentliche Unterschiede ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die der Antragsteller durch lebenslanges Lernen erworben hat, sofern sie von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden. Diese Regelung dient der Umsetzung des durch die Richtlinie 2013/55/[X.] neu gefassten Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36/[X.] ([X.]. 18/6616 , [X.] ). Nach dessen Satz 2 "muss der Aufnahmemitgliedstaat, wenn er beabsichtigt, dem Antragsteller ... eine Eignungsprüfung aufzuerlegen, zunächst prüfen, ob die vom Antragsteller ... durch lebenslanges Lernen in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen, die hierfür von einer einschlägigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden, den wesentlichen Unterschied ... ganz oder teilweise ausgleichen können". Nach Art. 3 Abs. 1 [X.]uchst. l der Richtlinie 2005/36/[X.] umfasst der [X.]egriff des lebenslangen Lernens jegliche Aktivitäten der allgemeinen [X.]ildung, beruflichen [X.]ildung, nichtformalen [X.]ildung und des informellen Lernens während des gesamten Lebens, aus denen sich eine Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen ergibt und zu denen auch [X.]erufsethik gehören kann.

Zu den Aufgaben der Zahnärztekammer gehört nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 5 Heil[X.]erG NW unter anderem, die berufliche Fortbildung der Kammerangehörigen zu fördern und zu betreiben, um dazu beizutragen, dass die für die [X.]erufsausübung erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten der Kammerangehörigen für das gesamte [X.]erufsleben dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Praxis entsprechen. Hiernach ist nicht zweifelhaft, dass die Fortbildungsveranstaltungen der [X.], auf die das angegriffene Urteil neben weiteren Fortbildungen abstellt (vgl. [X.] und [X.] Heft 2 [X.]. 10 ff.), Aktivitäten des lebenslangen Lernens im Sinne der [X.]egriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 [X.]uchst. l der Richtlinie 2005/36/[X.] und § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 2 [X.] sind.

b) Der [X.]eklagte meint, es gebe in [X.] keine "zuständige Stelle" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 2 [X.] und verweist zur [X.]egründung auf das gemeinsame "Protokoll der Länder [X.], RP, TH und [X.] zu der Anhörung zum Referentenentwurf des [X.] zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/[X.] beim [X.] am 16.07.15 in [X.]". Darin heißt es, das [X.]ministerium für Gesundheit vertrete die Auffassung, in [X.] existiere keine einschlägige Stelle nach der Richtlinie, so dass Kenntnisse aus dem lebenslangen Lernen nicht als formell gültig anerkannt werden könnten. Eine aus der Richtlinie resultierende Pflicht zur Schaffung einer derartigen Stelle sehe das Ministerium nicht (vgl. S. 4 des Protokolls). Die zitierte Rechtsauffassung überzeugt nicht. Art. 14 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2005/36/[X.] dürfte vielmehr dahin auszulegen sein, dass er die Einrichtung einer "einschlägigen Stelle" in jedem Mitgliedstaat voraussetzt. Das Vorhandensein einer "einschlägigen Stelle" ist wesentliche Voraussetzung für die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 14 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/36/[X.]) gebotene Prüfung, ob die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen wesentliche Unterschiede in [X.]ezug auf die [X.] (Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2005/36/[X.]) ausgleichen und damit einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung entbehrlich machen. Antragstellern, die ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen in einem Mitgliedstaat erworben haben, der nicht über eine entsprechende Anerkennungsstelle verfügt, wäre die [X.]eibringung des verlangten Nachweises über die formelle Anerkennung der durch lebenslanges Lernen erworbenen Fort- und Weiterbildung verschlossen. Die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen wären bei der Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes durch den Aufnahmemitgliedstaat nicht berücksichtigungsfähig. Ein solches Ergebnis lässt sich nicht mit dem Zweck der Richtlinie 2005/36/[X.] vereinbaren, einheitliche Formalitäten und Verfahrensregeln für das System der gegenseitigen Anerkennung von beruflichen Qualifikationen zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgrund 30 und Art. 1 der Richtlinie 2005/36/[X.]). Es widerspricht zudem der hervorgehobenen [X.]edeutung, die die Richtlinie dem lebenslangen Lernen und insbesondere der beruflichen Fort- und Weiterbildung beimisst (vgl. Erwägungsgrund 39 und Art. 3 Abs. 1 [X.]uchst. l, Art. 14 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 [X.]uchst. b der Richtlinie 2005/36/[X.]; Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2013/55/[X.]).

c) Darüber hinaus ist die Annahme des [X.]eklagten, durch lebenslanges Lernen in [X.] erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten seien mangels zuständiger Anerkennungsstelle nicht berücksichtigungsfähig, auch nicht mit § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] in Einklang zu bringen. Aus dessen Wortlaut ergibt sich kein Hinweis, dass durch berufliche Fortbildung im [X.] erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten von vornherein nicht berücksichtigt werden können, weil eine zuständige Stelle für die formelle Anerkennung der Fortbildung in [X.] fehlt. Vielmehr ist nach § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 [X.] nicht entscheidend, in welchem Staat die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind. Danach schließt die Regelung im Inland absolvierte Fortbildungen nicht aus. Zudem ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass in [X.]ezug auf die bei einem Antragsteller vorhandene [X.]erufspraxis auch die in [X.] erworbene [X.]erufserfahrung zu berücksichtigen ist ([X.]VerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 33.07 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 109 Rn. 19 ). Für die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten kann nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] nichts anderes gelten. Es drängt sich deshalb auf, dass Stellen und Einrichtungen, die in [X.] für die berufliche Fort- und Weiterbildung von Zahnärzten gesetzlich zuständig sowie befugt sind, dafür entsprechende Nachweise und [X.]escheinigungen auszustellen, als "zuständige Stelle" im Sinne der Vorschrift für die formelle Anerkennung der in ihrem Zuständigkeitsbereich durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten anzusehen sind.

d) Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen wollte, dass eine einschlägige Anerkennungsstelle in [X.] bislang nicht existiert, ist dadurch eine [X.]erücksichtigung der in Rede stehenden Fortbildungsveranstaltungen als lebenslanges Lernen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 Alt. 2 [X.] nicht ausgeschlossen. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die fehlende Einrichtung einer solchen Stelle nicht zu Lasten der Klägerin wirkt. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits unter dem Gesichtspunkt einer nicht richtlinienkonformen Umsetzung des Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36/[X.] in nationales Recht ergibt. Jedenfalls ist eine Nichtanerkennung der von der Klägerin vorgelegten Nachweise der [X.] über den [X.]esuch von Fortbildungsveranstaltungen im Fach Zahnersatz mangels einer hierfür zuständigen Stelle nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auf dessen Gewährleistungen kann sich die Klägerin berufen, nachdem sie die [X.] Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erworben hat.

e) Von dem Erfordernis der formellen Anerkennung zu trennen ist die Prüfung, ob die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten geeignet sind, wesentliche Ausbildungsunterschiede ganz oder teilweise auszugleichen ([X.]. 18/6616 [X.]). Das hat das Oberverwaltungsgericht im Fall der Klägerin bejaht. Es hat darauf abgestellt, dass sie ein etwaig bestehendes ausbildungsrelevantes Defizit im Fach Zahnersatzkunde durch entsprechende [X.]erufserfahrung und den [X.]esuch einschlägiger Fortbildungsveranstaltungen ausgeglichen habe. Dass sich daraus ein fallübergreifender Klärungsbedarf ergibt, zeigt die [X.]eschwerde nicht auf. Der Senat weist aber zur Klarstellung darauf hin, dass [X.]escheinigungen über den [X.]esuch beruflicher Fortbildungsveranstaltungen differenziert zu bewerten sind. Der erfolgreichen Teilnahme an einem Lehrgang oder Fachseminar, bei denen ein inhaltlich und zeitlich umfangreiches Unterrichtsprogramm mit einer Prüfung abschließt, ist in der Regel mehr Gewicht beizumessen als dem [X.]esuch einer Fortbildung, die eine geringere Stundenzahl umfasst und keine Überprüfung der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten vorsieht (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Juli 2013 - 3 [X.] 64.12 - juris Rn. 4).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

3 B 42/16

06.06.2017

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 11. Juli 2016, Az: 13 A 897/15, Urteil

§ 2 Abs 2 S 5 ZHG, § 2 Abs 3 ZHG, § 2 Abs 6 S 1 Nr 2 ZHG, § 6 Abs 1 S 1 Nr 4 HeilBerG NW, Art 3 Abs 1 Buchst I EGRL 36/2005, Art 14 Abs 5 EGRL 36/2005

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.06.2017, Az. 3 B 42/16 (REWIS RS 2017, 9908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9908

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M 3 K 17.2186

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