Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.01.2019, Az. 1 C 16/18

1. Senat | REWIS RS 2019, 11788

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Gegenstand

Unterbrechung der Dublin III-Überstellungsfrist durch behördliche Aussetzung der Vollziehung


Leitsatz

1. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) wird durch eine vor ihrem Ablauf verfügte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (§ 80 Abs. 4 VwGO) jedenfalls dann unterbrochen, wenn diese aus sachlich vertretbaren Erwägungen erfolgt ist.

2. Eine sachlich gerechtfertigte behördliche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung darf auch dann erfolgen, wenn eine erste gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung nicht zur Gewährung aufschiebender Wirkung geführt hat, über den Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung aber noch nicht endgültig entschieden ist.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben mauretanischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig, die Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen, die Anordnung der Abschiebung in die [X.] und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 12 Monate.

2

Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 21. März 2017 in das [X.] ein und beantragte am 30. März 2017 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Eurodac-Abgleich ergab, dass er zuvor bereits in der [X.] einen Asylantrag gestellt hatte. Auf ein entsprechendes Ersuchen des [X.] der [X.] ([X.]) erklärte das [X.] für Fremdenwesen und Asyl der [X.] mit Schreiben vom 6. April 2017 seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme des [X.]. Daraufhin lehnte das [X.] mit Bescheid vom 9. Juni 2017 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung in die [X.] an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate (Ziffer 4).

3

Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 28. Juni 2017 einen fristgerecht gestellten Antrag des [X.] auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.

4

Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger fristgerecht Verfassungsbeschwerde beim [X.] und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug er vor, der Erlass des Beschlusses vom 28. Juni 2017 durch [X.] auf Zeit verletze seine Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das [X.] bat das [X.] zu bestätigen, dass bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine Abschiebung des [X.] erfolgen werde. Das [X.] gab eine entsprechende Erklärung ab und setzte mit Bescheid vom 17. August 2017 die Vollziehung der Abschiebungsanordnung aus dem Bescheid vom 9. Juni 2017 bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO aus.

5

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 6. Februar 2018 den Bescheid des [X.]es vom 9. Juni 2017 aufgehoben. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Asylantrag sei zwischenzeitlich auf die [X.] übergegangen, weil durch die behördliche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO die Überstellungsfrist nicht erneut unterbrochen worden sei. Grundsätzlich könne zwar eine behördliche Aussetzungsentscheidung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO, Art. 27 Abs. 4 [X.] [X.] zur Unterbrechung der Überstellungsfristen führen. Dies erfordere aber Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, welche nicht vorgelegen hätten. Die Überstellungsfrist sei damit im Zeitpunkt des Urteils abgelaufen gewesen.

6

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an eine behördliche Aussetzungsentscheidung fehlerhaft zu eng bestimmt. Für eine Beschränkung der Vollzugsaussetzung auf diejenigen Fälle, in denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestünden, sei nichts [X.] erkennbar. Der Wortlaut von § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO lasse eine einengende Interpretation nicht zu. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO stelle ersichtlich einen Sonderfall dar. Nichts anderes folge aus dem Unionsrecht. Es sei nicht erkennbar, dass Art. 27 Abs. 4 [X.] [X.] allein dem Interesse des Drittstaatsangehörigen zu dienen bestimmt sei. Zwar verfolge das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren der [X.] [X.] auf der einen Seite das Ziel einer zügigen Bearbeitung von Asylanträgen. Auf der anderen Seite solle aber auch die [X.] verhindert werden. Der dem [X.]-System innewohnende Beschleunigungsgedanke verlange ebenfalls keine einengende Interpretation, weil die Verzögerung durch das rechtliche Vorgehen des [X.] verursacht worden sei.

7

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Behördliche [X.] hätten auf den Ablauf der Überstellungsfrist keinen Einfluss, weil Art. 27 Abs. 3 [X.] [X.] auf eine aufschiebende Wirkung abstelle, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe oder durch ein Gericht angeordnet werde. Das [X.] sei kein Gericht im vorgenannten Sinne. Zudem schließe § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] als vorrangige Spezialregelung die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 4 VwGO aus. § 34a Abs. 1 [X.] setze für den Erlass einer Abschiebungsanordnung voraus, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Komme die Behörde zu der Überzeugung, dass die Abschiebungsanordnung nicht vollzogen werden könne, sei diese aufzuheben.

8

Das [X.] hat am 26. Juni 2018 beschlossen, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird und sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung damit erledigt hat. Mit Bescheid vom 2. Juli 2018 hat das [X.] die Vollziehung der Abschiebungsanordnung aus dem Bescheid vom 9. Juni 2017 bis zur Beendigung des Revisionsverfahrens ausgesetzt.

9

Der Vertreter des [X.] beim [X.] hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Sprungrevision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet.

Die Rechtsauffassung des [X.], die behördliche Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides nach § 80 Abs. 4 VwGO habe die Überstellungsfrist nicht unterbrochen, sodass die [X.] zuständiger Mitgliedstaat geworden sei, verstößt gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 VwGO); hinsichtlich der [X.] erweist sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) (1.). Auch im Übrigen ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig (2.).

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind das Asylgesetz ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch das am 12. Dezember 2018 in [X.] getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 ([X.] [X.] 2250), die [X.]ordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 ([X.] [X.] 686), zuletzt geändert durch das am 1. November 2018 in [X.] getretene Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12. Juli 2018 ([X.] [X.] 1151) sowie die Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. [X.]) - [X.] -. Da es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das [X.] nach § 77 Abs. 1 [X.] regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in [X.] getretenen Änderungen zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

1. Die Klage ist, soweit sie sich gegen die [X.] in Ziffer 1 des Bescheides des [X.] richtet, als Anfechtungsklage statthaft ([X.], Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 [X.] 32.14 - [X.]E 153, 162 Rn. 13 f.) und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Das [X.] hat insoweit seine Entscheidung zu Recht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gestützt. Ein Asylantrag ist hiernach unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der [X.] oder aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der [X.] oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (1.1). Diese Zuständigkeit ist hier auch in der Folgezeit nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist (Art. 29 Abs. 2 [X.]) auf die [X.] übergegangen (1.2). Die originäre Zuständigkeitsbestimmung steht auch nicht mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] in Zweifel (1.3).

1.1 Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass - vorbehaltlich einer Prüfung nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] - für die Durchführung des Asylverfahrens die [X.] originär zuständig war, weil sich eine anderweitige vorrangige Zuständigkeit nach Kapitel III der [X.] (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.]) nicht bestimmen ließ und daher der Mitgliedstaat - hier die [X.] - zuständig war, in dem der Kläger seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.]). Die Beklagte hat die [X.] fristgerecht um Wiederaufnahme des [X.] ersucht (Art. 23 Abs. 2, 3 [X.]), diese hat das [X.] innerhalb der von Art. 25 Abs. 1 Satz 2 [X.] bestimmten Zweiwochenfrist angenommen.

1.2 Die Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich auf die Beklagte übergegangen. Zu einem hier allein in Betracht kommenden Zuständigkeitsübergang durch Ablauf der Überstellungsfristen des Art. 29 [X.] (1.2.1) ist es nicht gekommen, weil die mit der Annahme des [X.]s in [X.] gesetzte Frist jeweils vor ihrem Ablauf wirksam unterbrochen worden ist (1.2.2), und zwar entgegen der Rechtsauffassung des [X.] auch durch die behördliche Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) durch das [X.] (1.2.3).

1.2.1 In Fällen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats, in dem sich der Antragsteller aufhält, regelt Art. 29 [X.] die Modalitäten und Fristen der Überstellung. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] erfolgt die Überstellung, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des ([X.] durch einen anderen Mitgliedstaat (Alt. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 [X.] aufschiebende Wirkung hat (Alt. 2). Verzögert sich die Überstellung wegen eines Rechtsbehelfsverfahrens mit aufschiebender Wirkung, ist der zuständige Mitgliedstaat hierüber unverzüglich zu unterrichten (Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 der [X.] vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 343/2003 des [X.], der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist ). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nach Art. 29 Abs. 2 [X.] nicht mehr zur ([X.] verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über.

1.2.2 Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 [X.] ist hier die sechsmonatige Überstellungsfrist erstmals nach der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch die [X.] Behörden vom 6. April 2017 in [X.] gesetzt worden. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die so in [X.] gesetzte Überstellungsfrist durch den fristgemäß gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung vom 16. Juni 2017 - welcher [X.] Gesetzes ein Überstellungsverbot auslöst (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Satz 2 [X.]) - unterbrochen worden ist (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 [X.]), worüber das [X.] die [X.] Behörden auch informiert hat. Mit Ergehen der ablehnenden gerichtlichen Eilentscheidung vom 28. Juni 2017 wurde die sechsmonatige Überstellungsfrist erneut in Gang gesetzt (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 [X.] 15.15 - [X.] 451.902 [X.]. [X.] u. Asylrecht Nr. 83 Rn. 11 und Beschluss vom 27. April 2016 - 1 [X.] 22.15 - [X.] 451.902 [X.]. [X.] u. Asylrecht Nr. 81 Rn. 18 ff.). [X.] wird wegen des [X.] Gesetzes damit verbundenen, verfahrenssichernden Überstellungsverbots (§ 34a Abs. 2 [X.]; s.a. [X.], Urteil vom 19. Juni 2018 - [X.]-181/16 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2018:465] -) auch in solchen Fällen unterbrochen, in denen ein gerichtlicher Eilantrag im Ergebnis ohne Erfolg bleibt oder nicht beschieden wird (a.A. wohl [X.] [X.]hof, Entscheidung vom 14. Dezember 2017 - Ra 2015/20/0231-16 - und [X.], Urteil vom 19. November 2014 - [X.]/2013 -). Aus den Gründen seines Beschlusses vom 27. April 2016 - 1 [X.] 22.15 - ([X.] 451.902 [X.]. [X.] u. Asylrecht Nr. 81 Rn. 18 ff.) hält es der Senat in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] weiterhin für geklärt (s. nur [X.], Urteil vom 29. Januar 2009 - [X.]-19/08 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2009:41], [X.] - Rn. 40 ff., 44), dass auch in Fällen, in denen eine Überstellung [X.] Gesetzes oder [X.] wirksamer Einzelfallentscheidung lediglich zeitweise ausgeschlossen war, die Mitgliedstaaten über eine zusammenhängende Frist von sechs Monaten verfügen müssen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung sollen nutzen dürfen.

1.2.3 [X.], die mit dem Beschluss, mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des [X.] abgelehnt worden ist, neu in [X.] gesetzt worden ist, ist vor ihrem Ablauf wirksam durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO durch den Bescheid des [X.] vom 17. August 2017 erneut unterbrochen worden. Diese Unterbrechung, die den [X.] Behörden zudem auch mitgeteilt worden ist, dauerte im Zeitpunkt des Urteils des [X.] an und hinderte den - vom Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommenen - Übergang der Zuständigkeit auf die [X.].

a) Die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO durch die Behörde ist generell geeignet, die in Art. 29 Abs. 1 [X.] vorgesehene Überstellungsfrist zu unterbrechen ([X.], Urteil vom 13. September 2017 - [X.]-60/16 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:675], [X.] - Rn. 71; [X.], Urteil vom 9. August 2016 - 1 [X.] 6.16 - [X.]E 156, 9 Rn. 18). Nach Art. 27 Abs. 4 [X.] können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Diese unionsrechtlich vorgesehene Möglichkeit wird im nationalen Recht durch § 80 Abs. 4 VwGO eröffnet.

Nichts anderes folgt für die Unterbrechungswirkung daraus, dass Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] nicht auch auf Art. 27 Abs. 4 [X.] Bezug nimmt. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] ist allein entscheidend, dass ein Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 3 [X.] aufschiebende Wirkung hat und daher eine Überstellung nicht durchgeführt werden kann. Die in Art. 27 Abs. 4 [X.] den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, dass auch die zuständigen Behörden die Durchführung der Überstellungsentscheidung aussetzen können, erweitert lediglich die Fallgruppen, in denen einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 27 Abs. 3 [X.] zukommt. Art. 27 Abs. 4 [X.] verlöre im Übrigen in weitem Maße seine praktische Wirksamkeit, wenn die Regelung nicht angewendet werden könnte, ohne dass die Gefahr bestünde, dass die Überstellungsfrist abläuft und ein Zuständigkeitsübergang die Folge wäre ([X.], Urteil vom 13. September 2017 - [X.]-60/16 - Rn. 71).

b) Die Wirkung, die Überstellungsfrist neuerlich zu unterbrechen, entfällt bei der Aussetzungsentscheidung vom 17. August 2017 nicht deswegen, weil diese rechtswidrig wäre. Vielmehr hält sie sich in den Grenzen, die durch das nationale Recht und [X.] vorgegeben sind.

aa) Nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO haben die Behörden grundsätzlich die Befugnis, nach Ermessen die Vollziehung auszusetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist.

Regelungen des Asylgesetzes schließen eine behördliche Aussetzung nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht aus. § 34a [X.] ordnet allerdings an, dass u.a. in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die Abschiebung anzuordnen ist, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (Abs. 1), und enthält Sonderregelungen zu der Frist, die bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beachten ist, sowie zu einem Verbot der Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung (Abs. 2). Damit ist aber die behördliche Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO weder ausdrücklich noch der Sache nach ausgeschlossen. Namentlich können auch bei einer im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] rechtlich und tatsächlich möglichen Abschiebung Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, deren Vollziehung - etwa zur Sicherung der Effektivität gerichtlichen Rechtsschutzes - vorübergehend bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung auszusetzen. § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] gebietet in solchen Fällen - entgegen der Auffassung der [X.]eite - nicht, die Abschiebungsanordnung aufzuheben, was die endgültige gerichtliche Klärung gerade verhinderte. Denn selbst bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden [X.] oder [X.] ist das [X.] nicht verpflichtet, die Abschiebungsanordnung nach § 48 VwVfG aufzuheben; namentlich bei vorübergehenden [X.] kann es deren Vollziehung auch (vorläufig) aussetzen (s.a. [X.], [X.] vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 - [X.] 2014, 341). Auch aus weiteren Regelungen des Asylgesetzes ergibt sich kein bundesgesetzlicher Ausschluss des § 80 Abs. 4 VwGO im Asylverfahren; § 36 Abs. 4 [X.] etwa regelt allein den Maßstab für die gerichtliche Anordnung der Aussetzung der Abschiebung und schließt weitergehende behördliche [X.] nicht aus.

§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO beschränkt das behördliche Aussetzungsermessen für das Asylverfahren ebenfalls nicht. Hiernach "soll" die Aussetzung bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Dieser auf die (qualifizierte) Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bezogene Maßstab ist auf die Vollziehbarkeit sonstiger Verwaltungsakte weder unmittelbar noch - entgegen im Schrifttum teilweise vertretener Ansicht (s. etwa [X.], in: [X.]/[X.], [X.] VwGO, 47. Edition, Stand 1. Juli 2018, § 80 Rn. 126) - entsprechend anzuwenden (s. nur [X.], Beschluss vom 17. September 2001 - 4 VR 19.01 - [X.] 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 3 f.).

bb) [X.] setzt in Art. 27 Abs. 4 [X.] eine behördliche Aussetzung der Vollziehung voraus, steht also § 80 Abs. 4 VwGO gerade nicht entgegen. Es setzt aber dem nach nationalem Recht (§ 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO) eröffneten weiten Handlungsspielraum durch unionsrechtliche Vorgaben (vgl. insbesondere Art. 27 und 28 [X.]) gewisse Grenzen. Diese Beschränkungen ergeben sich daraus, dass die behördliche Aussetzungsentscheidung den Antragsteller nicht nur begünstigt, indem aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf der Grundlage der Abschiebungsanordnung zunächst nicht mehr erfolgen können, sondern mittelbar auch belastet, weil sie die Überstellungsfrist unterbricht und so dazu führen kann, dass ein vom Antragsteller möglicherweise erstrebter Zuständigkeitsübergang nicht erfolgt; zu berücksichtigen sind auch die Belange des zuständigen Mitgliedstaats.

Mindestvoraussetzung einer behördlichen Aussetzungsentscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO ist, dass der Antragsteller einen Rechtsbehelf gegen die Abschiebungsanordnung eingelegt hat (Art. 27 Abs. 4 und Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.]). Weitere Grenzen folgen aus dem von Art. 27 Abs. 3 und 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] angestrebten Ziel eines angemessenen Ausgleichs zwischen einerseits der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Ermöglichung einer raschen Bestimmung des für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats (vgl. Erwägungsgrund 5 zur [X.]) und andererseits dem Ziel zu verhindern, dass sich Asylbewerber durch Weiterwanderung den für die Prüfung ihres Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaat aussuchen (Verhinderung von Sekundärmigration) ([X.], Urteil vom 27. April 2016 - 1 [X.] 24.15 - [X.] 451.902 [X.]. [X.] u. Asylrecht Nr. 82 Rn. 13). Der Zuständigkeitsübergang nach Ablauf der Überstellungsfrist soll verhindern, dass Asylanträge monate- oder gar jahrelang nicht geprüft werden, zugleich soll das Ziel einer möglichst schnellen Prüfung nicht dazu führen, dass dem jeweiligen Mitgliedstaat keine zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung steht, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind ([X.], Urteil vom 29. Januar 2009 - [X.]-19/08 - Rn. 43 ff.) oder der Beschleunigungsgedanke zulasten eines effektiven Rechtsschutzes verwirklicht wird (vgl. § 27 Abs. 3 und 4 [X.]).

Eine behördliche Aussetzungsentscheidung darf hiernach auch unionsrechtlich jedenfalls dann ergehen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen (so bereits [X.], Urteil vom 9. August 2016 - 1 [X.] 6.16 - [X.]E 156, 9 Rn. 18); dann haben die Belange eines Antragstellers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes offenkundig Vorrang vor dem Beschleunigungsgedanken. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes (s.a. Art. 46 der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ) erlaubt eine behördliche Aussetzung aus sachlich vertretbaren Erwägungen, die nicht rechtlich zwingend sein müssen, auch unterhalb dieser Schwelle, wenn diese den Beschleunigungsgedanken und die Interessen des zuständigen Mitgliedstaats nicht willkürlich verkennen und auch sonst nicht missbräuchlich sind. Das vorliegende Verfahren gibt dabei keinen Anlass zur abschließenden Klärung dieser [X.] oder Missbrauchsschwelle; sie wird aber dann überschritten sein, wenn bei klarer Rechtslage und offenkundig eröffneter Überstellungsmöglichkeit die behördliche Aussetzungsentscheidung allein dazu dient, die Überstellungsfrist zu unterbrechen, weil sie aufgrund behördlicher Versäumnisse ansonsten nicht (mehr) gewahrt werden könnte.

cc) Die Aussetzungsentscheidung des [X.] vom 17. August 2017 ist nach diesen Grundsätzen beachtlich und hat die Überstellungsfrist neuerlich unterbrochen.

(1) Dem unionsrechtlichen Mindesterfordernis, dass der Kläger einen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 4 [X.] eingelegt hat, ist mit der am 16. Juni 2017 erhobenen und zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung weiterhin anhängigen Klage, die sich auch gegen die Abschiebungsanordnung richtet, entsprochen. Keine andere Beurteilung ergibt sich daraus, dass der Kläger auch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt hatte, der erfolglos geblieben ist. [X.] verbietet den Mitgliedstaaten jedenfalls nicht, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder Überstellungsmaßnahmen auch dann abzusehen, wenn zwar eine erste gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung nicht zur Gewährung aufschiebender Wirkung geführt hat, über den Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung aber noch nicht endgültig entschieden ist.

(2) Die Aussetzungsentscheidung des [X.] ist hier jedenfalls durch die von dem Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die auf Bitte des [X.] vom [X.] erteilte [X.] sachlich gerechtfertigt.

Die Verfassungsbeschwerde entfaltet als außerordentlicher Rechtsbehelf selbst keine aufschiebende Wirkung. Diese wird auch nicht schon durch eine formlose Bitte des [X.] bewirkt, zur [X.] bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde von [X.] abzusehen. Nicht zu vertiefen ist, welche Rechtsqualität einer solchen "Stillhaltebitte" des [X.] und einer entsprechenden behördlichen Erklärung zukommt, namentlich dann, wenn sie dem Antragsteller (und [X.]) nicht mitgeteilt wird. Diese - auf die Wahrung der Effektivität auch des nationalen Verfahrens der Verfassungsbeschwerde bezogenen - Vorgänge sind jedenfalls ein hinreichender, sachlich rechtfertigender Anlass für eine behördliche Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Der Beschluss des [X.], durch den der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt worden ist, entfaltet gegenüber einer behördlichen Aussetzungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO keine Sperrwirkung; dies gilt insbesondere dann, wenn diese gerichtliche Entscheidung ihrerseits Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde ist.

Die behördliche Aussetzungsentscheidung war hier schon deswegen sachlich geboten, frei von Willkür und nicht rechtsmissbräuchlich, weil sie die Berücksichtigung der Effektivität verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes sicherstellte, ohne eine endgültige Veränderung der Rechtslage durch einen Zuständigkeitsübergang infolge Ablaufs der Überstellungsfrist zu bewirken. Bereits nach nationalem Recht führen die Erhebung der Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nach Art. 27 Abs. 3 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist. Dazu bedurfte es der - hier auch erfolgten - behördlichen Aussetzungsentscheidung. Neben der Effektivierung des Rechtsschutzes des [X.] - erst mit der behördlichen Aussetzungsentscheidung stand für diesen fest, dass während des verfassungsgerichtlichen Verfahrens nicht mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu rechnen sei - dient die behördliche Aussetzungsanordnung auch der Klarstellung im Verhältnis zu dem zuständigen Mitgliedstaat, dass der [X.] der Überstellungsfrist (erneut) unterbrochen worden ist.

Dem Interesse des [X.] an einer zeitnahen Klärung der internationalen Zuständigkeit für die Sachentscheidung über seinen Asylantrag kommt dabei hier kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Mit der behördlichen Aussetzungsanordnung hat das [X.] der Sache nach (vorläufig) seinem Rechtsschutzbegehren, vor der endgültigen Klärung der internationalen Zuständigkeit nicht aus dem [X.] abgeschoben zu werden, entsprochen, welches er zunächst mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und nachfolgend mit der mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerde verfolgt hat. Das mögliche Ziel, damit auch einen Zuständigkeitsübergang zu erwirken, wäre weder nach nationalem noch nach [X.] schutzwürdig.

1.2.4 Nicht zu vertiefen ist, ob der Senat einen Ablauf der Überstellungsfrist während des Revisionsverfahrens berücksichtigen könnte, weil auch während des Revisionsverfahrens die Überstellungsfrist nicht abgelaufen ist. Das [X.] hatte die Überstellung lediglich bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgesetzt. Diese Aussetzung ist mit der Rücknahme der Verfassungsbeschwerde durch den Kläger gegenstandslos geworden, weil sie erkennbar zur Sicherung des durch Rücknahme beendeten verfassungsgerichtlichen Verfahrens ergangen ist. Die damit neu in [X.] gesetzte Überstellungsfrist ist indes vor ihrem Ablauf zur Sicherung des Revisionsverfahrens durch eine erneute Aussetzungsentscheidung des [X.] nach § 80 Abs. 4 VwGO unterbrochen worden. Auch diese Aussetzungsentscheidung genügt angesichts der im Revisionsverfahren zu klärenden Grundsatzfrage den nach nationalem und [X.] zu stellenden Anforderungen. Dies gilt umso mehr, als durch das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil des [X.] in der Hauptsache ungeachtet der von der Beklagten eingelegten Revision nunmehr selbst "ernstliche Zweifel" an der Abschiebungsanordnung begründet worden sind. Diese neue Verfahrenslage durfte das [X.] der Beklagten sachgerecht und willkürfrei zum Anlass der neuerlichen Aussetzung nehmen.

1.3 Das stattgebende Urteil zur Ablehnung des Asylantrags als unzulässig erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

1.3.1 Der Feststellung der anderweitigen internationalen Zuständigkeit der [X.] stand hier nicht entgegen, dass die Zuständigkeit wegen sog. systemischer Mängel (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] und [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.]-411/10 und [X.]-493/10 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:865], [X.] u.a. -; [X.] , Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M. S. S./Belgien und [X.] - NVwZ 2011, 413) auf die [X.] übergegangen wäre.

Der Senat kann dies ungeachtet dessen beurteilen, dass das Verwaltungsgericht zur abschiebungsrelevanten Lage in der [X.] keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] verlangt eine weitergehende Prüfung der internationalen Zuständigkeit nur und erst dann, wenn sich die Überstellung in den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat als unmöglich erweist, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der [X.]-Grundrechtecharta mit sich bringen. Nach dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.]-411/10 und [X.]-493/10 - Rn. 79 ff.) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylantragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat der [X.] den Vorschriften der [X.], der [X.]äischen Konvention für Menschenrechte und der [X.]harta der Grundrechte der [X.] entspricht (s.a. [X.], [X.] vom 14. Dezember 2017 - 2 BvR 1872/17 - [X.], 69 Rn. 19). An die Widerlegung dieser Vermutung sind hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass diesem im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. [X.], Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 <1040>). Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles, der Feststellungen des [X.] erfordert hätte, ist von den Beteiligten weder im Ausgangs- noch im Revisionsverfahren etwas vorgetragen worden noch hätten sich dem Verwaltungsgericht solche Erwägungen aufdrängen müssen. Umstände, welche die Vermutung für eine ordnungsgemäße Behandlung von Asylantragstellern in der [X.] auch nur ansatzweise substantiell erschüttern könnten, sind dem Senat nicht bekannt und ergeben sich namentlich nicht aus der veröffentlichten Rechtsprechung.

1.3.2 Die [X.] war auch nicht verpflichtet, von ihrem gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 [X.] bestehenden Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. [X.] kann dabei, ob ein Antragsteller sich im gerichtlichen Verfahren auf eine etwa fehlerhafte Betätigung des durch Art. 17 [X.] eingeräumten Ermessens berufen kann (nicht eindeutig insoweit [X.], Urteil vom 16. Februar 2017 - [X.]-578/16 [X.] [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:127] - Rn. 88). Jedenfalls sind vorliegend die Voraussetzungen für eine Reduktion des den nationalen Behörden in Art. 17 [X.] eingeräumten Ermessens zum Selbsteintritt wegen unangemessen langer Verfahrensdauer (vgl. [X.], Urteil vom 14. November 2013 - [X.]-4/11 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2013:740], [X.] - Rn. 35

2. Die Klage hat auch im Übrigen keinen Erfolg. Gründe für die Rechtswidrigkeit der Feststellung, dass [X.] nicht vorliegen (Ziffer 2 des Bescheides), der Abschiebungsanordnung (Ziffer 3 des Bescheides) und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4 des Bescheides) sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 [X.]. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

Meta

1 C 16/18

08.01.2019

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Greifswald, 6. Februar 2018, Az: 4 A 1340/17 As HGW, Urteil

§ 29 Abs 1 Nr 1 AsylVfG 1992, Art 17 Abs 1 EUV 604/2013, Art 23 Abs 3 EUV 604/2013, Art 23 Abs 2 EUV 604/2013, Art 27 Abs 4 EUV 604/2013, Art 27 Abs 3 EUV 604/2013, Art 29 Abs 2 EUV 604/2013, Art 29 Abs 1 EUV 604/2013, Art 3 Abs 2 UAbs 2 EUV 604/2013, Art 3 Abs 2 UAbs 1 EUV 604/2013, § 80 Abs 4 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.01.2019, Az. 1 C 16/18 (REWIS RS 2019, 11788)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11788

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