Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. B 8 SO 13/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 2979

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - gemischte Bedarfsgemeinschaft mit Leistungsempfänger nach SGB 2 - Vermögenseinsatz - nicht selbst bewohnte Eigentumswohnung - Verwertbarkeit auch bei gemeinsamer Verfügungsbefugnis der Ehegatten - Vermögensfreibeträge


Leitsatz

1. Bei der Gewährung von Sozialhilfe an Mitglieder einer gemischten Bedarfsgemeinschaft ist über den kleinen Barbetrag hinaus im Wege des gesetzlichen Härtefalls ein gemeinsamer Vermögensfreibetrag geschützt, der sich aus dem für den Sozialhilfebezieher maßgeblichen Barbetragsanteil und dem für den Bezieher von Leistungen nach dem SGB 2 nach den dort geltenden Vorschriften bemessenen Freibetragsanteil errechnet.

2. Für die Vermögensverwertbarkeit aus rechtlicher Sicht genügt es, dass die Eheleute gemeinsam über den Vermögensgegenstand verfügen können.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 14. April 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) für die [X.] vom 12.7.2008 bis 31.12.2009.

2

Die am 12.7.1943 geborene Klägerin lebte im streitbefangenen [X.]raum mit ihrem 1945 geborenen erwerbsfähigen Ehemann in einer Mietwohnung in [X.] Sie bezieht seit dem 1.8.2008 eine Altersrente. Ihr Ehemann erhielt im streitbefangenen [X.]raum [X.] ([X.]) nach dem [X.] ([X.]). Zum Vermögen der Eheleute gehörte und gehört (nach den Feststellungen des [X.] <[X.]>) eine gemeinsame Eigentumswohnung in der [X.] ([X.]). Die Beklagte lehnte den am 8.7.2008 gestellten Antrag auf Grundsicherungsleistungen ab, weil die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus ihrem Vermögen bestreiten könne (Bescheid vom 16.7.2008; Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom [X.]).

3

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <[X.]> vom [X.]; Urteil des [X.] vom 14.4.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, der Miteigentumsanteil der Klägerin stehe der Gewährung von Grundsicherungsleistungen entgegen. Die Wohnung sei weder Schonvermögen, noch bedeute ihre Verwertung eine Härte; hieran ändere auch nichts, dass die Klägerin mit [X.] in einer sog "gemischten Bedarfsgemeinschaft" lebe und für diesen im [X.] höhere Freibeträge maßgeblich seien, die den Gesamtwert der gemeinsamen Wohnung überstiegen. Ihr insoweit einsetzbares eigenes Vermögen (Wert des Miteigentumsanteils von 5512,30 Euro bei einem Gesamtwert der Wohnung in Höhe von 11 024,60 Euro) könne der Hilfebedürftigkeit Monat für Monat entgegengehalten werden. Es könne deshalb offen bleiben, ob das Vermögen des Ehemanns verwertbar und eine angegebene Forderung (in Höhe von ca 10 000 Euro gegen eine [X.] Investmentfirma) realisierbar sei.

4

Mit ihrer [X.]evision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 90 Abs 1 und [X.] - ([X.]). Anlass zur Verwertung der Immobilie habe nicht bestanden, solange sie noch im Leistungsbezug nach dem [X.] gestanden habe. Erst nach dem Ausscheiden aus diesem wegen des Bezugs der Altersrente werde sie zur Verwertung der Wohnung aufgrund der geringeren Freibeträge des [X.] im Vergleich zu denen des [X.] gezwungen. Dies stelle eine Härte dar, weil die für den im [X.] stehenden Ehemann maßgeblichen Vermögensfreibeträge - unabhängig davon, wem das Vermögen zustehe - im [X.]ahmen der Bedarfsgemeinschaft höher seien. Zudem könne sie über ihr Vermögen nicht verfügen, weil der Miteigentumsanteil ohne Zustimmung des Ehemanns nicht verwertet werden könne. Zumindest hätten ihr nach § 91 [X.] darlehensweise Leistungen bewilligt werden müssen.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] und den Gerichtsbescheid des [X.] sowie den Bescheid vom 16.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die [X.] vom 12.7.2008 bis 31.12.2009 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die [X.]evision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]lägerin ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Es fehlen ausreichende Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) für ein abschließendes Urteil.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 16.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]), vor dessen Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 [X.] idF, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 - erhalten hat, iVm § 9 Gesetz zur Ausführung des [X.] vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534). Gegen den Bescheid wendet sich die [X.]lägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]), wobei Leistungen nur für die [X.] vom 12.7.2008 bis 31.12.2009 verlangt werden, hilfsweise für den Fall der Darlehensgewährung mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 iVm § 56 [X.]).

Richtige Beklagte ist nach den vom [X.] angewandten landesrechtlichen Vorschriften in der bindenden Auslegung durch das Berufungsgericht (§ 202 [X.] iVm § 560 Zivilprozessordnung) die Stadt R Nach dessen Ausführungen handelt es sich bei der Heranziehung der Beklagten durch den Landkreis gemäß § 99 Abs 1 [X.] iVm der vorliegenden landesrechtlichen Regelung um eine "Delegation". Es kann dahinstehen, ob das [X.] damit die richtige Bezeichnung gewählt hat, weil keine eigene, neue Zuständigkeit der Beklagten begründet wurde, sondern nur eine Heranziehung im Sinne eines Auftragsverhältnisses eigener Art vorliegt (dazu nur Söhngen in jurisPraxis[X.]ommentar -[X.], § 99 [X.] Rd[X.] 13 mwN zur Rechtsprechung des Senats). Jedenfalls handelte die Beklagte in eigenem Namen, sodass sie der richtige [X.]lagegegner (nicht, wie das [X.] formuliert hat, "passivlegitimiert") ist (vgl zum Auftragsverhältnis das Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 21/08 R - Rd[X.] 11).

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere war der [X.], auch wenn er den Widerspruchsbescheid erlassen hat, nicht nach § 75 Abs 2 1. Alt [X.] (echte notwendige Beiladung) zum Verfahren beizuladen, weil er nicht Dritter im Sinne der gesetzlichen Regelung ist (Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 21/08 R - Rd[X.] 11; [X.], Urteil vom 22.11.2011 - [X.] AS 138/10 R -, [X.] 4-4200 § 21 [X.]; vgl auch Söhngen in jurisP[X.]-[X.], § 99 [X.] Rd[X.] 8). Eine Abweichung iS des § 41 Abs 2 [X.] gegenüber der Entscheidung des 4. Senats vom 22.11.2011 stellt die vorliegende Entscheidung indes nicht dar, weil dieser seine Rechtsprechung inzwischen - wenn auch ohne ausdrückliche [X.]enntlichmachung - aufgegeben hat (BSG, Urteil vom 16.2.2012 - [X.] [X.]/11 R - Rd[X.] 20; Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/11 R -, [X.] 4-4200 § 12 [X.] Rd[X.] 13) und offenbar - allerdings ohne jede Begründung - einen Fall der unechten notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt [X.] (mögliche Leistungspflicht eines anderen Leistungsträgers) annehmen will. Auch die Voraussetzungen dieser Regelung sind indes nicht erfüllt, weil der Landkreis nach der bindenden Auslegung des Landesrechts durch das [X.] die Leistungen gerade nicht selbst zu erbringen hat. Eine Anfrage beim 4. Senat gemäß § 41 Abs 3 [X.], ob er seine diesbezügliche Rechtsprechung aufgibt, war auch in diesem Punkt nicht erforderlich, weil die Entscheidung des 4. Senats nicht auf dieser Rechtsansicht beruht (vgl zu dieser Voraussetzung nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 41 Rd[X.] 10 mwN); denn die fehlende unechte notwendige Beiladung muss im Revisionsverfahren gerügt werden ([X.], aaO, § 75 Rd[X.] 13b mwN), was vorliegend nicht geschehen ist.

Ob die [X.]lägerin einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hat, kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht entschieden werden. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nach § 19 Abs 2 iVm § 41 Abs 1 und 2 [X.] (hier in der Fassung, die die §§ 19, 41 [X.] durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - [X.] 554 - erhalten haben) auf Antrag ua älteren Personen zu leisten, die - wie die [X.]lägerin - die Altersgrenze erreicht haben und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und § 90 [X.] bestreiten können. Dabei sind gemäß § 43 Abs 1 [X.] (hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 - [X.] 818 - erhalten hat) Einkommen und Vermögen ua des nicht getrennt lebenden Ehegatten, die dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigen, zu berücksichtigen. Nach § 44 Abs 1 [X.] (hier in der ursprünglichen Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) ist jedenfalls der [X.]raum ab 12.7.2008 bis 31.7.2009 von einem möglichen Anspruch umfasst.

Nach § 90 Abs 1 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) ist das gesamte verwertbare Vermögen der [X.]lägerin und ihres Ehemanns einzusetzen. Ausgehend von seiner Rechtsansicht zur Härteregelung des § 90 Abs 3 Satz 1 [X.] - die der Senat nicht teilt - hat das [X.] folgerichtig keine Feststellungen zum Einkommen der [X.]lägerin und ihres Ehemanns und zum Vermögen insgesamt getroffen, sondern nur auf die im gemeinsamen Eigentum der beiden stehende Immobilie in der [X.] abgestellt. Dabei kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht den Wert der Immobilie in tatsächlicher Hinsicht für den Senat verbindlich mit 11 024,60 Euro angegeben oder nicht lediglich - ausgehend von den Angaben der [X.]lägerin - einen Wert der Immobilie in Höhe von mindestens diesem Betrag angenommen hat. Denn legt man, falls kein zu berücksichtigendes Einkommen vorhanden gewesen sein sollte, diesen Vermögensgegenstand als einzigen Vermögenswert zugrunde, wäre der genaue Wert dieser Immobilie ohnedies noch zu ermitteln, weil vorliegend ein weitaus höherer Vermögenswert über § 90 Abs 3 Satz 1 [X.] (Härtefallregelung) geschützt ist.

Der [X.] muss allerdings über das Vermögen verfügen dürfen und in angemessener [X.] verfügen können (vgl nur: [X.], 131 ff Rd[X.] = [X.] 4-3500 § 90 [X.] 3). Vorliegend ist das [X.] ohne genauere Feststellungen rechtlich von einer tatsächlichen Verwertbarkeit des Miteigentumsanteils der [X.]lägerin an der Wohnung in der [X.] ausgegangen und hat dafür einen Vermögenswert von 5512,30 Euro angenommen, ohne dass klar wird, welche Verwertungsart es dieser Beurteilung zugrunde legt (Verkauf des Miteigentumsanteils oder Beleihung). Die Ausführung, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in absehbarer [X.] kein [X.]äufer zu finden sein werde, ersetzt nicht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen.

Ohne rechtliche Bedeutung sind indes die Ausführungen der [X.]lägerin zur angeblich fehlenden rechtlichen Verwertbarkeit, weil sie über ihren Miteigentumsanteil nicht ohne die Zustimmung ihres Ehemanns verfügen könne. Das normative [X.]onzept des § 19 Abs 1 iVm § 43 Abs 1 [X.] lässt einen solchen Einwand nicht zu. Die bezeichneten Normen bestimmen vielmehr ausdrücklich, dass auch das alleinige Vermögen des Ehepartners bei der Gewährung von Sozialhilfe zu berücksichtigen ist, sodass sogar die [X.]onstellation erfasst wird, in der von vornherein eine Verfügungsbefugnis des um Sozialhilfe [X.] fehlt; diesem [X.]onzept würde es zuwiderlaufen, wenn der um Sozialhilfe [X.] einwenden könnte, über das Vermögen überhaupt nicht verfügen zu können. Folgerichtig muss es für eine rechtliche Verfügbarkeit im Sinne des [X.] genügen, wenn bzw dass beide Eheleute gemeinsam über einen Vermögensgegenstand oder das gesamte Vermögen verfügen können. Der Gesetzgeber geht mithin typisierend davon aus, dass im Rahmen einer [X.] nach § 19 Abs 1 bis 3 [X.] die Personen einander auch tatsächlich die entsprechenden Unterstützungsleistungen erbringen. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, welche Rechtsfolge sich ergäbe, wenn Unterstützungsleistungen entgegen der gesetzgeberischen Annahme tatsächlich nicht erbracht würden; der Vortrag der [X.]lägerin bezieht sich ausschließlich auf das rechtliche Nicht-alleine-Verfügen-[X.]önnen. Ob deshalb in "Notfällen" § 19 Abs 5 [X.] (sog unechte Sozialhilfe gegen Ersatz der Aufwendungen) Anwendung findet, kann dahinstehen.

Zu Recht hat jedoch das [X.] angenommen, dass es sich bei der Eigentumswohnung in der [X.] nicht um Schonvermögen iS des § 90 Abs 2 [X.] 8 [X.] handelt. Danach darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz und von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in § 19 Abs 1 bis 3 [X.] genannten Personen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Geschützt ist insoweit nur die Wohnung zur Erfüllung des "[X.]" als räumlicher Lebensmittelpunkt, um dem Hilfebedürftigen das "Dach über dem [X.]opf zu erhalten" (BVerwG [X.] 436.0 § 120 [X.] [X.] 11; vgl auch [X.] 49, 30, 31 = [X.] 4220 § 6 [X.] 3 S 2 f; [X.] 84, 48, 51 = [X.] 3-4220 § 6 [X.] 7 S 23). Diesen engen Wohnbezug weist die Immobilie in der [X.] nicht auf, die von der [X.]lägerin und ihrem Ehemann nach den insoweit bindenden tatsächlichen Ausführungen des [X.] nur für zwei bis drei Monate im Jahr als Urlaubsdomizil genutzt wird.

Eine Privilegierung des gesamten Vermögens kommt vorliegend ebenso wenig nach § 90 Abs 2 [X.] 9 [X.] in Betracht. Danach darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte. Dieser Norm unterfallen nicht nur unmittelbar Geldbeträge und Geldwerte im engen Sinn, sondern mittelbar auch Vermögensgegenstände, wenn der Erlös nicht den maßgeblichen Freibetrag übersteigt bzw übersteigen würde (BVerwGE 106, 105 ff; [X.] in jurisP[X.]-[X.], § 90 [X.] Rd[X.] 91 mwN).

Die genaue Höhe der geschützten Beträge bestimmt sich nach § 96 Abs 2 [X.] iVm § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 [X.] 9 [X.]. Die Verordnung gilt in vollem Umfang auch für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. [X.]apitel des [X.]; denn § 41 Abs 1 Satz 1 [X.] verweist ausdrücklich auf § 90 [X.], der seinerseits durch die Verordnung konkretisiert wird. Es ist deshalb unschädlich, dass § 1 Abs 1 [X.] 1 Buchst a und [X.] 2 der Durchführungsverordnung im Wortlaut nur auf Leistungen nach dem 3. [X.]apitel des [X.] abstellen ([X.], aaO, Rd[X.] 85; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 90 Rd[X.] 80, Stand August 2011; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 [X.] zu § 90 Abs 2 [X.] 9 [X.] Rd[X.] 12). § 1 der Durchführungsverordnung schützt jedoch (lediglich) einen gemeinsamen Vermögensgesamtwert der [X.]lägerin und ihres Ehemanns (vgl nur: [X.], aaO, Rd[X.] 86; [X.], aaO, Rd[X.] 9) in Höhe von 3214 Euro, weil sowohl die [X.]lägerin als auch ihr Ehemann das 60. Lebensjahr vollendet haben. Dass der Ehemann der [X.]lägerin als Erwerbsfähiger dem Leistungssystem des [X.] unterworfen ist, dort höhere Freibeträge normiert sind und wegen des Ausschlusses der [X.]lägerin von Leistungen nach dem [X.] (§ 7 Abs 4 [X.]) eine sog gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt (vgl hierzu [X.] 108, 241 ff Rd[X.] 13 = [X.] 4-3500 § 82 [X.] 8), ändert hieran nichts. Im Rahmen gemischter Bedarfsgemeinschaften ist die Berechnung der Leistung für jede einzelne Person nach den Vorschriften des für ihn geltenden Gesetzes durchzuführen; Besonderheiten der gemischten Bedarfsgemeinschaft, die sich aus dem Regelungskonzept des [X.] ergeben, ist mit Hilfe der Härteregelung Rechnung zu tragen ([X.], aaO, Rd[X.] 20 und 24).

Ein solcher Härtefall liegt hier vor, weil nach § 12 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 iVm § 65 Abs 5 [X.] ein höherer gemeinsamer Freibetrag (vgl dazu [X.] 103, 153 ff Rd[X.] = [X.] 4-4200 § 12 [X.] 13) gilt, und zwar für jede Person der Bedarfsgemeinschaft ein Grundfreibetrag von 520 Euro pro Lebensjahr bis zu einem Höchstfreibetrag pro Person in Höhe von 33 800 Euro. Es ist nicht darüber zu entscheiden, welcher gemeinsame Freibetrag im Rahmen des [X.] gelten würde; maßgeblich ist allein die Beurteilung der Härte iS des § 90 Abs 3 [X.] für den Ehemann der [X.]lägerin. Hierfür ist ausschlaggebend, dass er, auch wenn die [X.]lägerin wegen § 7 Abs 4 [X.] dem Leistungssystem des [X.] unterworfen ist, gleichwohl mit der [X.]lägerin im Falle seiner Bedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft bildet (vgl BSG [X.] 4-4200 § 9 [X.] 5 Rd[X.] 40 mwN); selbst bei fehlender Bedürftigkeit nach Maßgabe des [X.] müssen die ihm zugestandenen Freibeträge des [X.] auch im Rahmen der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 [X.] Berücksichtigung finden. Ob der Ehemann der [X.]lägerin zu Recht [X.] bezieht, ist deshalb ohne Bedeutung. Zwar geht von den Bescheiden über die Bewilligung von [X.] für die vom [X.] vorzunehmende Prüfung im Rahmen des [X.] keinerlei Bindungswirkung aus; es genügt jedoch für die Entscheidung über die Härtefallregelung des § 90 Abs 3 [X.], dass der Ehemann der [X.]lägerin als Erwerbsfähiger dem System des [X.] unterfällt und ihm das verbleiben muss, was ihm im Sinne des [X.] nicht genommen werden dürfte.

Unter diesem Gesichtspunkt wäre es für den Ehemann der [X.]lägerin auch dann eine Härte, wenn er Vermögen einsetzen müsste, das ihm zwar selbst nicht gehört, jedoch nach der normativen Regelung der Bedarfsgemeinschaft als solcher unabhängig davon zugeordnet wird, wer Eigentümer des jeweiligen Gegenstandes ist, wie dies für den Grundfreibetrag pro vollendetem Lebensjahr für jeden der Ehepartner der Fall ist ([X.] 103, 153 ff Rd[X.] = [X.] 4-4200 § 12 [X.] 13). Gleiches gilt für § 12 Abs 2 Satz 1 [X.] 4 [X.], wonach vom Vermögen zusätzlich abzusetzen sind ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen. Insoweit greifen die Regelungen des § 12 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 und die des § 65 Abs 5 [X.] sogar in besonderer Weise aus [X.] auf die Vorschriften zum Arbeitslosenhilferecht zurück (BT-Drucks 15/1516, [X.] zu § 65 und [X.] zu § 12); sie dienen der zusätzlichen privaten Absicherung der Altersvorsorge (BT-Drucks 16/1410, [X.] zu § 12) und sollen durch höhere Freibeträge als im Sozialhilferecht stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen (BT-Drucks 15/1516, [X.]). Diese gesetzgeberische Entscheidung darf im Rahmen gemischter Bedarfsgemeinschaften nicht konterkariert werden. Solange alle Mitglieder einer gemischten Bedarfsgemeinschaft bzw einer bei Bedürftigkeit anzunehmenden Bedarfsgemeinschaft dem System des [X.] unterworfen sind, müssen für die dem [X.] unterworfene Person die für diese günstigeren Regelungen respektiert werden. Bei Wechsel nur einer Person in das System des [X.] bedarf diese gesetzgeberische Grundentscheidung indes einer [X.]orrektur. Für die aus dem System des [X.] ausscheidende Person sind die auf sie bezogenen Freibetragsanteile nicht mehr zu rechtfertigen. Das [X.] sieht für Erwerbsunfähige bzw ältere Menschen gegenüber dem [X.] einen weitaus geringeren Freibetrag in Form des sog "kleinen Barbetrags" vor, der lediglich die Wahrung eines gewissen wirtschaftlichen Bewegungsspielraums gewährleisten soll. Beiden [X.]onzepten, das des [X.] und das des [X.], ist jedoch gemeinsam, dass es unerheblich ist, wer im Einzelnen Inhaber des Vermögens ist (siehe oben). Für die bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene [X.]lägerin kann sich der auf sie bezogene Freibetragsanteil nur noch in Höhe der Regelung des [X.] (2600 Euro) errechnen, während der auf ihren Ehemann bezogene Freibetragsanteil sich nach den Vorschriften des [X.] bemisst (750 Euro pro Lebensjahr bis zu einem Höchstwert von 33 800 Euro).

Vorbehaltlich einer genaueren Feststellung des [X.] zum gesamten verwertbaren Vermögen der Eheleute, zu dem ggf auch die von der [X.]lägerin angegebene Forderung gegen die [X.] Investmentgesellschaft gehört, dürfte der dem Ehemann der [X.]lägerin verbleibende "Freibetrag" unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen so hoch sein, dass Vermögen jedenfalls der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen an die [X.]lägerin nicht entgegensteht. Indes käme es dann auf die Einkommensverhältnisse der [X.]lägerin und ihres Ehemanns an, zu denen das [X.] keinerlei Feststellungen getroffen hat, und zwar weder zur Höhe der der [X.]lägerin gezahlten Rente noch zum Einkommen des Ehemanns der [X.]lägerin, das dieser offenbar neben dem [X.] bezieht; das [X.] selbst ist in entsprechender Anwendung des § 82 Abs 1 Satz 1 [X.] kein anrechenbares Einkommen ([X.] 108, 241 ff = [X.] 4-3500 § 82 [X.] 8). Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 8 SO 13/11 R

20.09.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Reutlingen, 29. April 2010, Az: S 2 SO 1079/09, Gerichtsbescheid

§ 19 Abs 2 SGB 12 vom 20.04.2007, § 41 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 20.04.2007, § 43 Abs 1 Halbs 1 SGB 12 vom 21.03.2005, § 90 Abs 1 SGB 12, § 90 Abs 2 Nr 8 SGB 12, § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12, § 90 Abs 3 S 1 SGB 12, § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a BSHG§88Abs2DV 1988, § 1 Abs 1 Nr 2 BSHG§88Abs2DV 1988, § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 vom 20.04.2007, § 65 Abs 5 SGB 2 vom 20.07.2006

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. B 8 SO 13/11 R (REWIS RS 2012, 2979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2979

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