Bundessozialgericht, Urteil vom 09.05.2012, Az. B 5 R 68/11 R

5. Senat | REWIS RS 2012, 6632

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rente wegen voller Erwerbsminderung - Analphabetismus - Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen - Benennungspflicht einer Verweisungstätigkeit


Leitsatz

Zeitlich uneingeschränkt leistungsfähigen Versicherten ist eine Verweisungstätigkeit unverändert nur dann zu benennen, wenn sich wenigstens zwei "ungewöhnliche" Leistungseinschränkungen "summieren".

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gewähren muss.

2

Die 1954 geborene Klägerin hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist auch in ihrer [X.] Muttersprache (primäre) Analphabetin, weil sie keine Zahlen kennt, nur minimale Buchstabenkenntnisse besitzt und deshalb selbst mit fremder Hilfe weder lesen noch schreiben kann. In [X.] arbeitete sie ab November 1987 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im September 2004 durchgehend als Reinigungskraft bei der Stadt B.

3

Sie leidet an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Erkrankung. Trotz dieser Krankheiten kann sie noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, [X.], Gas, Dampf, [X.], Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr. Der Analphabetismus der Klägerin beruht nicht auf einer gesundheitlichen Störung.

4

Ihren Antrag vom 21.6.2005 auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte ab, weil sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne (Bescheid vom 22.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des [X.] vom 10.12.2007).

5

Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem am 21.6.2005 eingetretenen Leistungsfall befristet bis zum 31.1.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen (Urteil vom 21.2.2011): Die Klägerin habe die allgemeine Wartezeit zurückgelegt, erfülle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und sei voll erwerbsgemindert. Denn ihr sei der Arbeitsmarkt unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen praktisch verschlossen. Zwar seien die qualitativen Leistungseinschränkungen nach der Rechtsprechung des 5. Senats des [X.], der sich der erkennende Senat anschließe, nicht ungewöhnlich und ließen für sich allein noch keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin in einem Betrieb einsetzbar sei. Gleichwohl seien keine beruflichen Tätigkeiten ersichtlich, die sie auf der Grundlage ihres Restleistungsvermögens und ihres muttersprachlichen Analphabetismus noch verrichten könne. Der Analphabetismus sei bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, zu berücksichtigen, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, die die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderten, aufgrund weiterer Leistungseinschränkungen und der Beschränkung des Restleistungsvermögens auf nur leichte Arbeiten nicht mehr zweifelsfrei offenstehe. Eine realistische Verwertung des Restleistungsvermögens im Erwerbsleben setze voraus, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entspreche, wodurch sichergestellt werde, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge. Eine konkrete Verweisungstätigkeit, die die Klägerin mit den verbliebenen Fähigkeiten noch verrichten könne, sei indes nicht ersichtlich. Die Tätigkeiten als Museumswärterin/Aufseherin, Küchenhilfe, Büglerin, Mitarbeiterin in einer Mangel, Warensortiererin in der Kunststoff- und Metallindustrie oder in der Papier- und Elektroindustrie, die die Beklagte benannt habe, könne die Klägerin teils aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, teils aufgrund des Analphabetismus nicht mehr ausüben.

6

Mit der Revision, die das [X.] zugelassen hat, rügt die Beklagte eine Verletzung von § 43 [X.]: Nach der Rechtsprechung des [X.] sei in der Regel davon auszugehen, dass Versicherte, die noch körperlich leichte Tätigkeiten - wenngleich mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten könnten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen erwerbstätig sein könnten. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei in dieser Situation nur zu benennen, wenn ausnahmsweise eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Das [X.] führe jedoch selbst nachvollziehbar aus, dass sämtliche Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ungewöhnlich seien und für sich allein keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen ließen, dass sie in einem Betrieb einsetzbar sei. Bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, müsse ihr Analphabetismus außer [X.] bleiben. Denn er beruhe nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder auf intellektuellen Defiziten, sondern darauf, dass sie keine Schule besucht und deshalb weder Lesen noch Schreiben erlernt habe. Ein solcher Analphabetismus sei als Bildungsdefizit und nicht als Erwerbsminderung auslösende Krankheit oder Behinderung zu werten. Soweit sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 10.12.2003 ([X.] RJ 64/02 R - [X.] 4-2600 § 44 [X.] 1) stütze, stehe diese Entscheidung nicht mit dem Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 ([X.] 2/95 - [X.], 24 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8) in Einklang. Danach sei es ausgeschlossen, "einen arbeitslosen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten" könne, "deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die [X.] zusätzlich" erschwerten. Analphabetismus sei jedoch nichts anderes als "mangelnde Ausbildung". Für die Überwindung des Analphabetismus seien nicht die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern die [X.], die Grundsicherungsträger sowie die Kommunen und Länder zuständig; das daraus resultierende Arbeitsmarktrisiko dürfe nicht auf die Rentenversicherungsträger verlagert werden. Soweit die Rechtsprechung schließlich zwischen Analphabetismus und mangelnden Deutschkenntnissen unterscheide, sei diese Differenzierung inkonsequent. Denn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (vgl Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 [X.] - [X.]E 68, 288 = [X.] 3-2200 § 1246 [X.] 11) müssten unzureichende Deutschkenntnisse bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit außer [X.] bleiben, weil dem Rentenversicherungsträger sonst ein von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfasstes Risiko aufgebürdet werde. Nichts anderes müsse für Analphabetismus gelten. Dass der Klägerin der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen ihres Analphabetismus erschwert sei, könne ebenso wenig wie der Umstand berücksichtigt werden, dass sie aufgrund mangelhafter [X.] Sprachkenntnisse nicht ausreichend kommunizieren könne.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2007 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor: Aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erfülle sie die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei ihr Analphabetismus zu berücksichtigen sei. Als primäre Analphabetin sei sie auf dem Arbeitsmarkt, unter Hinzutreten weiterer ungewöhnlicher Erschwernisse, schlichtweg nicht (mehr) vermittelbar und könne auch auf [X.] nicht (mehr) verwiesen werden. Selbst wenn man den primären Analphabetismus außer [X.] ließe, seien zumutbare Verweisungstätigkeiten weder ersichtlich noch von der [X.] benannt worden. Vor dem Hintergrund bestehender Fürsorgepflicht hätte die Beklagte durch Rehabilitations- bzw Förderungsmaßnahmen dem Analphabetismus entgegenwirken und hierdurch eine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt wiederherstellen müssen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht (§ 162 [X.]). Der [X.]lägerin steht kein Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung zu.

1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 43 Abs 2 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom [X.] ([X.] 754) in Betracht (§ 300 Abs 1 [X.]). Danach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 2 S 1 [X.] und 3) bis zur [X.]endung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 S 1 [X.] 1). [X.] erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen [X.]rankheit oder Behinderung auf nicht absehbare [X.] außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 S 2). [X.] ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3). Nach § 102 Abs 2 S 1 [X.] werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen auch die Rente wegen voller Erwerbsminderung zählt (§ 33 Abs 3 [X.] [X.]), auf [X.] geleistet. Die Befristung (§ 32 Abs 2 [X.]) erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 S 2 iVm § 101 Abs 1 [X.]) und kann wiederholt werden (§ 102 Abs 2 S 3 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 754).

2. Nach den Feststellungen des [X.], die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 [X.]), kann die [X.]lägerin körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden (arbeits)täglich, dh an fünf Tagen in der Woche, verrichten. Dieses zeitliche (quantitative) Leistungsvermögen schließt die Annahme einer "vollen Erwerbsminderung" gemäß § 43 Abs 3 Halbs 1 [X.] aber noch nicht aus. Vielmehr kommt es nach dieser Vorschrift iVm § 43 Abs 2 S 2 [X.] entscheidend darauf an, ob die [X.]lägerin "wegen [X.]rankheit oder Behinderung auf nicht absehbare [X.] außerstande" ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts … erwerbstätig zu sein". Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Die Rentenversicherungsträger und im Streitfall die [X.]e der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 20 Abs 1 S 1 SGB X, § 103 [X.]) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 21 Abs 1 S 2 [X.] SGB X, § 106 Abs 3 [X.] [X.]) zu ermitteln und festzustellen,

        

a)    

Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der [X.]rankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet,

        

b)    

Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den

        

c)    

[X.] ("wegen") zwischen a) und b).

a) Das [X.] hat bindend (§ 163 [X.]) festgestellt, dass die [X.]lägerin "an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und an einer depressiven Erkrankung leidet". Dabei handelt es sich - auch soweit psychische Leiden vorliegen (s dazu [X.], 189 = [X.] zu § 1246 [X.]; [X.] zu § 1254 aF [X.]) - um [X.]rankheiten iS von § 43 Abs 2 S 2 [X.], dh um regelwidrige [X.]örper- bzw Geisteszustände ([X.], 207 = [X.] [X.] zu § 45 [X.]), die geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit herabzusetzen ([X.], 255 = [X.] zu § 1246 [X.]). Den Analphabetismus oder dessen Ursachen hat das Berufungsgericht dagegen nicht als [X.]rankheit bezeichnet, sondern ausdrücklich ausgeführt, dass die komplette Lese- und Schreibinkompetenz "nicht auf einer gesundheitlichen Störung" beruht. Sie ist auch keine "Behinderung", weil dazu rentenversicherungsrechtlich nur (weiter die Begriffsbestimmung in § 2 Abs 1 SGB IX) krankheitsbedingte Störungen zählen ([X.], Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, [X.]; [X.], [X.] 2001, 192), deren Entwicklung - anders als bei einer [X.]rankheit (vgl dazu [X.], 114 = [X.] [X.]8 zu § 182 [X.]) - irreversibel abgeschlossen ist. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" kann aber durch Erlernen der Schriftsprache überwunden werden.

b) Das [X.] hat weiter bindend festgestellt, dass die [X.]lägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten kann. Auszuschließen sind Arbeiten mit [X.]nien, Hocken, häufigem Bücken, über [X.]opf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie [X.]älte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, [X.], Gas, Dampf, [X.], Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr.

c) Zwischen diesen Leistungseinschränkungen (Erwerbsminderung) und den [X.]rankheit(en) bzw Behinderung(en) muss ein [X.] bestehen ("wegen"). Die Leistungsminderung muss wesentlich (Theorie der wesentlichen Bedingung, vgl [X.], 291, 293 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.] 15) auf einer [X.]rankheit oder Behinderung (den versicherten Risiken) beruhen und nicht auf sonstigen Umständen wie Lebensalter, fehlenden Sprachkenntnissen (Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 [X.] - [X.] 3-2200 § 1246 [X.] f; [X.] [X.] 3-2200 § 1246 [X.] f; [X.] 2200 § 1246 [X.]) oder Arbeitsentwöhnung ([X.], 66). Aus den Darlegungen des [X.] zum [X.] geht hinreichend deutlich hervor, dass die beschriebenen Leistungseinschränkungen und Minderbelastbarkeiten aus den zuvor festgestellten Gesundheitsstörungen "resultieren". Außerdem hält das Berufungsgericht ausdrücklich fest, dass der Analphabetismus der [X.]lägerin "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruht", also gerade kein [X.] zwischen ihm und einer der festgestellten Erkrankungen vorliegt.

3. Steht das krankheits- bzw behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten [X.] die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein. Diese Frage ist hier zu verneinen. Die zitierte Formulierung verwendete der Gesetzgeber ursprünglich im Arbeitsförderungsrecht (§ 103 [X.], § 119 [X.], seit dem 1.4.2012: § 138 Abs 5 [X.]) und übertrug sie später auf das Recht der Renten wegen Erwerbsminderung. Mit dieser Übernahme griff er gleichzeitig die Rechtsprechung des [X.] auf, wonach dem Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vollschichtigem Leistungsvermögen praktisch verschlossen war, wenn er krankheitsbedingt keine "Erwerbstätigkeit unter den in Betrieben üblichen Bedingungen" mehr ausüben konnte (sog 1. [X.]atalog- und Seltenheitsfall, vgl dazu nur Senatsurteil vom [X.] - [X.] 2200 § 1246 [X.] und die Zusammenstellung der [X.]atalog- und Seltenheitsfälle in [X.], 24, 35 = [X.] 3-2600 § 44 [X.]). Die hierzu und zum Arbeitsförderungsrecht entwickelte Rechtsprechung ist auf die gesetzliche Neuformulierung übertragbar.

a) "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind ([X.], 16, 20). Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen ([X.] vom 19.10.2011 - [X.] R 78/09 R - Rd[X.]9, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] 4-2600 § 43 [X.] vorgesehen; zum Arbeitsförderungsrecht: [X.], 16, 20; 44, 164, 172 = [X.] 4100 § 134 [X.] 3; [X.] 46, 257, 259 = [X.] 4100 § 103 [X.] 17; [X.] [X.] 4100 § 103 [X.]3 S 55; [X.] vom 21.4.1993 - 11 [X.] - Die Beiträge 1994, 431). Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl ([X.] vom 19.10.2011, aaO, Rd[X.]9; [X.] 46, 257, 262, 264 = [X.] 4100 § 103 [X.] 17 S 40, 42; [X.] 2200 § 1247 [X.] 43 S 86 f; [X.] vom 21.4.1993, aaO, Die Beiträge 1994, 431). Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten (vgl BT-Drucks 14/4230, [X.]), für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem [X.] und [X.] Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen ([X.] vom 19.10.2011, aaO Rd[X.]7). Die [X.]lägerin kann nach den Feststellungen des [X.] an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Sieht man davon ab, dass ihr Nacht- und Wechselschichten krankheitsbedingt nicht mehr zugemutet werden dürfen, benötigt sie im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Sie hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Wer aber in einem Betrieb unter den dort üblicherweise herrschenden Bedingungen arbeiten kann, ist auch imstande, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein.

b) Soweit unter den Begriff der üblichen Bedingungen "auch tatsächliche Umstände" gefasst werden ([X.] vom 19.10.2011, aaO, Rd[X.]9), "wie [X.] die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an [X.]onzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz", handelt es sich ausschließlich um kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu. Wie der berufliche Werdegang der [X.]lägerin exemplarisch und stellvertretend für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen zeigt, zählen Lese- und Schreibkompetenzen keinesfalls zu den üblichen Grundbedingungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Andernfalls könnten primäre Analphabeten nie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden, wären schon vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (voll) erwerbsgemindert und könnten Rente wegen voller Erwerbsminderung erst erhalten, nachdem sie die Wartezeit von 20 Jahren zurückgelegt haben (§ 43 Abs 6 iVm § 50 Abs 2 [X.]).

4. Folglich kommt es entscheidend darauf an, ob die [X.]lägerin trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Diese Frage ist zu bejahen.

a) Um nachprüfbar zu machen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das [X.] bereits zum Parallelproblem im Recht der Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§§ 1246, 1247 [X.] bzw §§ 43, 44 [X.] in der bis zum 31.12.2000 geltenden Altfassung - aF) die Pflicht der Rentenversicherungsträger entwickelt, dem Versicherten zumindest eine zumutbare Tätigkeit (sog Verweisungstätigkeit) konkret zu benennen, die er mit seinem verbliebenen [X.] noch ausüben kann (sog Benennungsgebot), wenn eine Rente wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgelehnt werden sollte ([X.], 24, 31 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 24; [X.] 3-2200 § 1246 [X.]0 S 229; [X.] 2200 § 1246 [X.]2, 74, 98 und 104). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen ([X.], 24, 31 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 24; [X.] [X.] 2200 § 1246 [X.]2 S 229 und [X.]4 S 234; [X.] 3-2200 § 1246 [X.]0 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale genügte nicht ([X.] [X.] 3-2200 § 1246 [X.] 34 S 130 f mwN; [X.] vom 27.3.2007 - [X.] R 63/06 R - Juris Rd[X.] 30). Andererseits musste kein konkreter Arbeitsplatz bezeichnet werden ([X.] [X.] 2200 § 1246 [X.] 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen ([X.], 24, 35 = [X.] 3-2600 § 44 [X.]), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein ([X.]8, 207, 222 f = [X.] 3-2600 § 43 [X.] 13 S 34 f; [X.]e vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris Rd[X.]4, 33 und vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris Rd[X.] 18).

b) Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit entbehrlich, sofern der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte ([X.], 24, 31 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten ([X.] 19, 147, 149 f = [X.] [X.] 6 zu § 1247 [X.]; [X.] [X.] 2200 § 1247 [X.] S 12 f; [X.] 5850 § 2 [X.] 12 [X.]; [X.] 3-2200 § 1247 [X.] 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte im unteren Bereich ([X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.]1 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das [X.] dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie [X.] Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, [X.]leben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem [X.] für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte ([X.], 24, 31 ff = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 24 ff).

c) Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten tatsächlichen Vermutung bzw Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche [X.]zeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war ([X.], 24, 34 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 27; [X.] [X.] 2200 § 1246 [X.] 104 S 324 und [X.] 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts durch die sog [X.]atalog- und Seltenheitsfälle ist in diesem Zusammenhang bedeutsam (vgl die Zusammenstellung der [X.]atalog- und Seltenheitsfälle in [X.], 24, 35 = [X.] 3-2600 § 44 [X.]). Diese Maßstäbe haben auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit ([X.] [X.] 4-2600 § 43 [X.] Rd[X.] 18 und [X.] vom 19.10.2011 - [X.] R 78/09 R - Rd[X.]).

5. Für den Regelfall darf damit auch für die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 43 [X.] nF (iS einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung) davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der zumindest körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann, noch in der Lage ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen (s auch § 43 Abs 3 [X.] nF). Es ist mehrschrittig zu prüfen (vgl dazu [X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.]1 S 73 und Urteil vom 19.10.2011 - [X.] R 78/09 R - Rd[X.] 35):

a) Im ersten Schritt ist festzustellen, ob das [X.] dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie [X.] Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, [X.]leben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw ), die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. Es genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl [X.], 24, 31 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 24; Senatsurteile vom 24.2.1999 - [X.] 3-2600 § 44 [X.] 12 S 43; vom 11.5.1999 - [X.] 3-2600 § 43 [X.]1 S 73 f; vom 10.12.2003 - [X.] 4-2600 § 44 [X.] 1 Rd[X.]3; [X.] vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - [X.] 1998, 111 - Juris Rd[X.] 30; [X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 62 f; vom [X.] - [X.] [X.] R - Juris Rd[X.]4; vom 14.7.1999 - [X.] [X.] R - Juris Rd[X.] 32; sog "kleines Benennungsgebot": vgl [X.] in [X.], [X.] zum [X.], § 43 Rd[X.]8, Stand Oktober 2006; [X.] in [X.] [X.]omm, § 43 [X.] Rd[X.] 47, Stand April 2010; [X.], [X.] 1999, 509, 510; kritisch [X.]amprad in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 43 Rd[X.] 42, Stand März 2012; aA wohl [X.], Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, [X.]). Damit können "ernste Zweifel" an der beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

b) Lassen sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben und kommen deshalb "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen auf, stellt sich im zweiten Schritt die Rechtsfrage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteil vom 24.2.1999 - [X.] 3-2600 § 44 [X.] 12 S 44 sowie [X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 62 f und [X.]1 S 73 f sowie Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] - Juris Rd[X.]4). Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die schwierig zu konkretisieren ([X.] 81, 15, 19 = [X.] 3-2200 § 1247 [X.]3 S 69 sowie [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 60 f) und vernünftig zu handhaben sind ([X.], 24, 39 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 33 ). Da es für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, keinen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt, können auch für die tatrichterliche Begründung und die dazu nötigen Tatsachenfeststellungen keine allgemeingültigen Anforderungen aufgestellt werden ([X.] [X.] 4-2600 § 43 [X.] 9 Rd[X.]3). Auch der jeweilige [X.] richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das [X.] seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen ([X.] [X.] 4-2600 § 43 [X.] 9 Rd[X.]3; [X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 61). Wie sich der [X.] die jeweils erforderliche Tatsachenkenntnis verschafft, liegt in seinem Ermittlungsermessen (vgl § 103 [X.]). Angesichts des unzulänglichen Gesamtüberblicks über typische Anforderungen ungelernter Verrichtungen ist ihm dabei ein weiter Freiraum für Einschätzungen zuzugestehen. Gleichwohl muss aber aus rechtsstaatlichen Gründen ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung gesichert bleiben (zum Ganzen vgl [X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 60 ff und [X.] vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - [X.] 1998, 113 - Juris Rd[X.]5).

c) Erst wenn nach diesen Maßstäben eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (vgl [X.], 24, 39 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 33). Hierbei sind dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen, sondern es muss auch individuell geprüft werden, ob der Versicherte die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen kann. Außerdem ist dann zu beachten, dass auf Tätigkeiten nicht verwiesen werden darf, die auf dem Arbeitsmarkt nur in ganz geringer Zahl vorkommen ([X.]atalogfall [X.] 3), die an [X.] nicht vergeben werden ([X.]atalogfall [X.] 4) oder für [X.] unzugänglich sind, weil es sich um reine Schonarbeitsplätze ([X.]atalogfall [X.]) oder Aufstiegspositionen ([X.]atalogfall [X.] 6) handelt (vgl die Zusammenstellung der [X.]atalog- und Seltenheitsfälle in [X.], 24, 35 = [X.] 3-2600 § 44 [X.]). [X.]ann der Versicherte die Verweisungstätigkeit krankheits- oder behinderungsbedingt nicht mehr ausüben, oder kann er sich die fehlenden fachlichen oder überfachlichen [X.]ompetenzen nicht innerhalb von drei Monaten aneignen, so ist er auch dann (voll) erwerbsgemindert, wenn sein zeitliches (quantitatives) Leistungsvermögen uneingeschränkt erhalten ist.

6. Zu Recht hat das [X.] eine schwere spezifische Leistungsbehinderung verneint. Sie liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von [X.] versperrt ([X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 60; [X.], Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, [X.]; [X.], [X.] 1997, 415, 416 f). Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände (vgl [X.] [X.] 3- 2600 § 43 [X.] 17 S 61 ; [X.] [X.] 3- 2600 § 43 [X.] S 68 ; [X.] 81, 15, 19 = [X.] 3-2200 § 1247 [X.]3 S 69 ) - beispielsweise Einäugigkeit (Senatsurteile vom 12.5.1982 - 5b/5 [X.] - Juris Rd[X.] 8 und vom [X.] - [X.] 3-2200 § 1246 [X.]0 S 230; [X.] [X.] 2200 § 1246 [X.] 30, 90), Einarmigkeit (Senatsurteil vom [X.] - [X.] 3-2200 § 1246 [X.]0 S 230; [X.] [X.] 2200 § 1246 [X.] 30) und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit ([X.] [X.] 3-2200 § 1247 [X.] 8 S 19) sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen ([X.] [X.] 2200 § 1246 [X.] 104, 117; weitere Beispiele bei [X.], 24, 33 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 26 und bei [X.], [X.] 1997, 415, 416 f). Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu, weil er keine "Behinderung" ist (s Gliederungspunkt 2 a) und damit auch keine "Leistungsbehinderung" sein kann.

7. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch keine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vor, die es ausnahmsweise notwendig machen könnte, den Ausschluss eines Rechts auf Rente nicht lediglich abstrakt mit der Einsetzbarkeit der [X.]lägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu begründen, sondern hierfür die konkrete Benennung einer noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit zu fordern. Insofern kann vorliegend offen bleiben, ob es sich bei dem muttersprachlichen Analphabetismus der [X.]lägerin für sich um eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung in diesem Sinne handelt (vgl dazu Senatsurteile vom 10.12.2003 - [X.] RJ 64/02 R - [X.] 4-2600 § 44 [X.] 1 Rd[X.] 17 ff und vom 20.10.2004 - [X.] RJ 48/03 R - Juris Rd[X.] sowie [X.] vom 4.11.1998 - [X.] [X.] R - [X.] 3-2200 § 1246 [X.] 62 S 288). Nach der unverändert einschlägigen Verweisungsrechtsprechung des [X.] [X.] ([X.], 24 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8) begründet nämlich bei zeitlich uneingeschränkt leistungsfähigen Versicherten allein die "Summierung" - notwendig also eine Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen als tauglichen Summanden - die Benennungspflicht, nicht aber, wie das Berufungsgericht meint, bereits das Zusammentreffen einer - potenziell - ungewöhnlichen und einer oder mehrerer "gewöhnlicher" Leistungseinschränkungen. Durch die genannte Rechtsprechung des [X.]s und den ausdrücklichen Ausschluss einer Berücksichtigung der "jeweiligen Arbeitsmarktlage" in § 43 Abs 3 Halbs 2 [X.] ist auch bereits entschieden, dass weitere Fälle einer Benennungspflicht nicht in Betracht kommen. Im Hinblick auf die qualitativen Einschränkungen, die bei der [X.]lägerin zu beachten sind, hat das [X.] jedoch unangefochten festgestellt, dass diese sämtlich nicht ungewöhnlich sind. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die "vernünftige Handhabung" des unbestimmten Rechtsbegriffs der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gewährleistet nach der Rechtsprechung des Großen und des erkennenden Senats, dass abweichend vom Regelfall der abstrakten Betrachtungsweise die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit als unselbstständiger Zwischenschritt, nur aber auch immer dann erfolgen muss, wenn ernsthafte Zweifel unter anderem an der betrieblichen Einsetzbarkeit bestehen. Ob und ggf in welcher Intensität Zweifel aufkommen und ob in der Gesamtschau eine "Summierung" ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu bejahen ist, lässt sich nur anhand des konkreten Einzelfalls entscheiden, weil die denkbaren [X.]ombinationsmöglichkeiten der qualitativen Leistungseinschränkungen unüberschaubar sind und die Summanden je nach Schweregrad, Anzahl und Wechselwirkungen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Feste [X.] lassen sich nicht festlegen, zumal auch der Begriff "leichte Arbeiten", auf den sich die genannten Merkmale als Ausnahmen beziehen, erhebliche Unschärfen enthält, die es erforderlich machen, die im Einzelfall vorliegenden Leistungseinschränkungen insgesamt in ihrer konkreten Bedeutung für die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt zu bewerten ([X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 61). Nur so erscheint eine "vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe" gewährleistet, wie sie der [X.] des [X.] ([X.], 24, 39 = [X.] 3-2600 § 44 [X.] 8 S 33) vorausgesetzt hat. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten sind die bisherigen Entscheidungen des [X.] zum Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung nur als Einzelfallentscheidungen zu werten, die den Besonderheiten der jeweiligen Sachlage Rechnung zu tragen suchen. Auch wenn die Leistungseinschränkungen dort gleich oder vergleichbar formuliert sind, handelt es sich keinesfalls um identische Sachverhalte. Vielmehr liefern die jeweiligen Beurteilungen allenfalls Anhaltspunkte für weitere Entscheidungen; ihnen lassen sich jedoch keine generellen Abgrenzungskriterien entnehmen ([X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 61). Deshalb steht dem Tatrichter bei der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse ein weiter Freiraum für Einschätzungen zu (zum Ganzen vgl [X.] [X.] 3-2600 § 43 [X.] 17 S 60 f und [X.] vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - [X.] 1998, 113 - Juris Rd[X.]5). Denn die Begriffe der "Ungewöhnlichkeit" von Leistungseinschränkungen und ihre "Summierung" lassen sich nicht mit einem abschließenden [X.]atalog unabdingbarer Merkmale und Untermerkmale im Voraus definieren ([X.]lassen- oder Allgemeinbegriff), sondern nur einzelfallbezogen durch eine größere und unbestimmte Zahl von (charakteristischen) Merkmalen umschreiben (offener [X.] oder Ordnungsbegriff), wobei das eine oder andere Merkmal gänzlich fehlen oder je nach Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein kann. Ob an der Einsetzbarkeit eines individuellen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Zweifel bestehen und sich ggf überwinden lassen, ob Leistungseinschränkungen "ungewöhnlich" sind und wie sie sich nach Art, Umfang und Ausprägung wechselseitig beeinflussen ("summieren"), beurteilt sich anhand einer Vielzahl in Betracht kommender [X.]riterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch einen wertenden Ähnlichkeitsvergleich. Eine solche Würdigung des Einzelfalls nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vollzieht sich auf tatsächlichem Gebiet und obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Bei derartigen richterlichen [X.] gibt es keine logisch ableitbare einzig richtige Entscheidung, sondern einen Bereich, der sich letztlich der logischen Nachprüfbarkeit entzieht. [X.] argumentativ ist dieser (originäre) Wertungsakt nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob er auf einer zutreffenden und rechtlich verwertbaren Tatsachengrundlage beruht, ob die richtigen Wertungsmaßstäbe erkannt und angewandt wurden und ob er sich innerhalb eines gewissen Spielraums der Angemessenheit bzw des Vertretbaren bewegt ("vernünftige Handhabung"). Bei derartigen genuinen [X.] sind mehrere Entscheidungen gleichermaßen richtig, weil sich nach rein logischen Maßstäben nicht mehr entscheiden lässt, welche innerhalb eines Spielraums nach zutreffenden Maßstäben getroffene Entscheidung richtiger als die andere ist.

Das [X.] hat vorliegend Inhalt und Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs der ungewöhnlichen Leistungseinschränkung, wie sie sich hiernach ergeben, berücksichtigt und im Rahmen der ihm vorbehaltenen tatrichterlichen Bewertung die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen - mit Ausnahme des Analphabetismus der [X.]lägerin - als "gewöhnlich", also keine Benennungspflicht auslösend, eingestuft. Dabei hat es sich im Wesentlichen an der vom [X.] rezipierten beispielhaften Auflistung derartiger Einschränkungen orientiert. Insofern bedarf es auf [X.] der Feststellung tatsächlicher Umstände jeweils der Bewertung, ob mit einer festgestellten Leistungseinschränkung für sich und im Zusammenwirken mit gleichwertigen anderen gerade im konkreten Einzelfall die Gefahr verbunden ist, dass der Versicherte auf in Wahrheit nicht existierende Arbeitsmöglichkeiten verwiesen wird, deren Feststellung wiederum Aufgabe des [X.]s ist. Solange daher der Tatrichter - wie hier das [X.] - von einem rechtlich zutreffenden Verständnis der Benennungspflicht und ihrer Voraussetzungen ausgeht, handelt es sich um die Feststellung von [X.], an die das Revisionsgericht gemäß § 163 [X.] und in dessen Grenzen gebunden ist. Vorliegend ist daher rechtlich ohne konkreten Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil einer bestimmten Tätigkeit im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon auszugehen, dass die [X.]lägerin ihr [X.] noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten kann, also noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine (unbenannte) Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Damit scheidet auch ein Recht auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus (§ 43 Abs 1, § 240 Abs 1 [X.]).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 5 R 68/11 R

09.05.2012

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Detmold, 10. Dezember 2007, Az: S 19 (11) R 8/06, Urteil

§ 43 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 6 vom 19.02.2002, § 43 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 6 vom 19.02.2002, § 43 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 6 vom 19.02.2002, § 43 Abs 2 S 2 SGB 6 vom 19.02.2002, § 43 Abs 3 SGB 6, § 102 Abs 2 SGB 6 vom 19.02.2002

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.05.2012, Az. B 5 R 68/11 R (REWIS RS 2012, 6632)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6632

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 78/09 R (Bundessozialgericht)

Rente wegen Erwerbsminderung - Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen - schwere spezifische Leistungsbehinderung - Verweisung - allgemeiner …


B 13 R 7/18 R (Bundessozialgericht)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung - Summierung gewöhnlicher Leistungseinschränkungen mit besonderer Addierungs- …


B 13 R 135/11 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz - ohne hinreichende Begründung unterlassene Beweiserhebung - …


B 13 R 40/12 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Amtsermittlungspflicht - Rente wegen Erwerbsminderung - Verweisungstätigkeit - verschlossener Arbeitsmarkt


B 13 R 107/12 B (Bundessozialgericht)

Rente wegen Erwerbsminderung - Verweisungstätigkeit - verschlossener Arbeitsmarkt - Benennungspflicht - Arbeitsunfähigkeit


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.