Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.08.2015, Az. B 4 AS 17/15 B

4. Senat | REWIS RS 2015, 7034

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zulässigkeit der Berufung - Wert des Beschwerdegegenstandes - Klagebegehren - Feststellungsantrag - Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.] vom 15. Januar 2015 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren die Feststellung begehrt, dass es sich bei der von ihr verrichteten Tätigkeit als Näherin bei der [X.] um ein Arbeitsverhältnis gehandelt und dieses über den [X.] bis zum 3.6.2008 fortgedauert habe, hilfsweise, dass die Maßnahme zwischen den Beteiligten durch die Beendigungserklärung der [X.] nicht beendet worden sei, sondern bis zum 3.6.2008 fortgedauert habe.

2

Die Bewilligung einer Eingliederungsleistung in Gestalt einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 [X.], die für die [X.] vom [X.] bis 3.6.2008 durchgeführt werden sollte, wurde mit Wirkung zum [X.] unter Hinweis auf eine längere Erkrankung der Klägerin aufgehoben. Nach Verweisung der von der Klägerin hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht an das [X.] hat dieses die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.3.2013). Der Vorsitzende des beim [X.] für die Berufung der Klägerin hiergegen zuständigen Senats hat sie durch Schreiben vom 30.12.2014 darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, der Rechtsstreit sei auf die Geltendmachung einer Mehraufwandsentschädigung für 41 Arbeitstage gerichtet. Der [X.] betrage daher 314,88 Euro und erreiche nicht den nach § 144 Abs 1 [X.] für eine statthafte Berufung erforderlichen Wert von 750 Euro. In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Niederschrift erklärt, dass sie trotz dieses Hinweises an dem ursprünglichen Begehren festhalte. Das [X.] hat die Berufung alsdann durch Beschluss vom 15.1.2015 wegen der fehlenden [X.] als unzulässig verworfen.

3

Ihre Beschwerde hat die Klägerin mit dem verfahrensfehlerhaften Erlass eines Prozessurteils an Stelle eines [X.] durch das [X.] begründet (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]). Der [X.] übersteige den Betrag von 750 Euro. Die Klägerin habe mit ihren Haupt- und Hilfsanträgen die Feststellung des [X.] eines Arbeitsverhältnisses begehrt. Das Begehren sei daher nicht auf eine bestimmte Leistungspflicht gerichtet, sondern die beantragte Feststellung solle lediglich Grundlage für eine spätere Zahlung sein. Es unterfalle daher nicht der Grenze des § 144 Abs 1 [X.]. Unabhängig davon sei der [X.] jedoch ohnehin höher, da die Klägerin nicht nur die Mehraufwandsentschädigung ab Kündigung der Eingliederungsvereinbarung sondern auch für die [X.] der Erkrankung begehrt habe.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] Erfolg (§ 160a Abs 5 [X.]).

5

Wie die Klägerin formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) und zutreffend gerügt hat, ist das Urteil des [X.] verfahrensfehlerhaft zustande gekommen (vgl § 160 Abs 2 [X.] [X.]). Das [X.] hat ein Prozessurteil an Stelle eines [X.] erlassen, weil es den [X.] im Berufungsverfahren verkannt hat. Unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung der Rechtslage ist ausgehend von dem von der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren formulierten Begehren dieses in der Hauptsache auf die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses auch für die [X.] vom 8.4. bis 3.6.2008 gerichtet. Der sich daraus ergebende [X.] übersteigt die Grenze von 750 Euro des § 144 Abs 1 [X.].

6

Der Wert des [X.] ist danach zu bestimmen, was das [X.] versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen zum [X.]punkt der Einlegung der Berufung weiter verfolgt wird ([X.] [X.] [X.]/11 B - juris Rd[X.] 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 144 Rd[X.] 14). Bei einem Feststellungsantrag muss das Gericht den Wert ermitteln ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rd[X.] 15b; [X.] in [X.], LPK-[X.], 4. Aufl, § 144 Rd[X.] 10). Soweit es sich um eine der Leistungsklage gleichwertige Feststellungsklage handelt, bemisst sich der Streitwert nach dem Betrag, den der Kläger letztlich erstrebt ([X.] vom 5.10.1999 - B 6 [X.] R - juris Rd[X.] 6).

7

Das [X.] hat vorliegend angenommen, die Klägerin begehre mit ihrer Klage die Gewährung einer Mehraufwandsentschädigung für den [X.]raum vom 8.4. bis 3.6.2008. Dem hat sie jedoch ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung widersprochen, indem sie den Antrag auf Feststellung des [X.] eines Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten hat. Daher kann Ausgangspunkt der Wertbestimmung nur dieser Antrag sein, also der "Wert" des - nach Ansicht der Klägerin - bis zum [X.]. Zu dessen Bestimmung genügt eine überschlägige Berechnung bzw Schätzung unter Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 144 Rd[X.] 14; [X.] in [X.], LPK-[X.], 4. Aufl, § 144 Rd[X.] 10; Jungeblut in [X.], § 144 Rd[X.] 22). Gemäß § 202 [X.], § 3 ZPO ist der Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen, das unter Zuhilfenahme aller Anhaltspunkte und Erkenntnisquellen auszuüben ist.

8

Der materielle Gegenwert des Klagebegehrens der Klägerin kann sich hier insoweit nur in dem Entgelt widerspiegeln, das aus der Behauptung resultiert, es habe sich um ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der [X.] gehandelt. Dann wäre jedoch Grundlage der Wertbemessung nicht die Mehraufwandsentschädigung, wie vom [X.] angenommen, sondern das ihr zu zahlende Arbeitsentgelt. Dabei ist davon auszugehen, dass dieses die Grenze von 750 Euro für den streitigen [X.]raum übersteigt, denn es wäre insoweit auf das ortsübliche Entgelt abzustellen und dieses mit den 41 verbleibenden Arbeitstagen und den von der Klägerin angegebenen 37,4 [X.] zu multiplizieren. Zwar mangelt es insoweit an Tatsachenfeststellungen des [X.]. Selbst bei Zugrundelegung eines extrem niedrigen Stundenlohns ergibt sich jedoch ein Wert, der den des § 144 [X.] deutlich übersteigt.

9

Ob man auch zu diesem Ergebnis gelangte, wenn die materiell-rechtlich grundlegenden Entscheidungen des [X.] bedacht würden, dass die Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts gemäß § 16 Abs 3 S 2 Halbs 2 SGB II aF begründeten (vgl [X.] vom 13.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]E 108, 116 = [X.]-4200 § 16 [X.] und - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 16 [X.]; vom 13.11.2008 - [X.] [X.]/07 R - [X.]E 102, 73 = [X.]-4200 § 16 [X.] und [X.] vom 26.9.2007 - 5 AZR 857/06 - [X.], 1422 = AP [X.] zu § 16 SGB II; vgl auch [X.] vom 27.8.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]E 109, 70 = [X.]-4200 § 16 [X.], [X.]-1300 § 31 [X.], Rd[X.] 17) kann angesichts dessen, dass für die [X.] der Berufung einzig auf das Berufungsbegehren abzustellen ist, dahinstehen. Insoweit käme allerdings, fehlte es bei der Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung - wie hier von der Klägerin vorgebracht - am Merkmal der "Zusätzlichkeit", ein Anspruch auf Wertersatz auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs durch den Träger der Grundsicherung wegen rechtsgrundlos erbrachter Arbeitsleistung in Betracht. Der Wertersatz ist arbeitstäglich danach zu bestimmen, was sonst hätte aufgewendet werden müssen, um die Arbeitsleistung zu erhalten, und welche Aufwendungen des Trägers dem gegenüberstanden ([X.], Urteil vom 13.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]E 108, 116 = [X.]-4200 § 16 [X.]).

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliegen, steht es im Ermessen des erkennenden Senats, nach § 160a Abs 5 [X.] zu verfahren. Im Rahmen dieser Ermessensausübung ist der Senat nicht daran gebunden, dass die Klägerin nur die Zulassung der Revision und nicht oder ggf hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz beantragt hat. Der Senat verweist den Rechtsstreit maßgeblich aus prozessökonomischen Gründen an das [X.] zurück.

Meta

B 4 AS 17/15 B

05.08.2015

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 15. Januar 2015, Az: L 5 AS 590/13, Beschluss

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 3 Halbs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.08.2015, Az. B 4 AS 17/15 B (REWIS RS 2015, 7034)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7034

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