Bundessozialgericht, Urteil vom 22.08.2013, Az. B 14 AS 75/12 R

14. Senat | REWIS RS 2013, 3284

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistung - Arbeitsgelegenheit - Wertersatz für geleistete Arbeit - öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch - Vermögensverschiebung - ohne Rechtsgrund - Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung bzw Rechtswidrigkeit der Zuweisung - keine zusätzliche Arbeit - kein allgemeiner Vorrang des Primärrechtsschutzes - Verletzung von Nebenpflichten und Obliegenheiten - kein Hinweis auf fehlende Zusätzlichkeit - Anspruchsbegrenzung


Leitsatz

Wenn es auch keinen allgemeinen Grundsatz des Primärrechtsschutzes für das gesamte öffentliche Recht gibt, so bestehen in öffentlich-rechtlichen Sozialrechtsverhältnissen zwischen dem Empfänger von Leistungen und den Leistungsträgern zumindest Nebenpflichten und Obliegenheiten, deren Verletzung zu Rechtsnachteilen führen kann.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 5. September 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung.

2

Die 1962 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von dem Rechtsvorgänger des beklagten [X.] laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]). Unter dem 31.10.2008 erstellte der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung, die von der Klägerin am 7.11.2008 unterschrieben wurde. Danach sollte sie zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt und zur Auffrischung von Kenntnissen und Abbau von Defiziten eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung wahrnehmen. Als Tätigkeit war "[X.]" vorgesehen, als Tätigkeitsort "[X.]" und als zeitlicher Umfang 35 Stunden pro Woche mit einer täglichen Arbeitszeit von sieben Stunden "inklusive Qualifizierungsanteil". Die Mehraufwandsentschädigung pro Stunde wurde auf 1,20 Euro festgesetzt. Ebenfalls vom 31.10.2008 datiert ein Schriftstück, das mit "Zuweisung in eine Beschäftigung nach § 16 Abs 3 [X.] U 65" überschrieben war. In diesem Schriftstück, das im Briefkopf eine interne Abteilung des Beklagten auswies, waren ua neben dem Namen der Klägerin und ihrem Geburtsdatum die Einsatzstelle ([X.]), die tägliche Beschäftigungszeit von sieben Stunden (inklusive Qualifizierungsanteil) sowie die [X.] von 1,20 Euro aufgenommen. Zusätzlich wurde festgeschrieben, dass die Zuweisung ab dem 3.11.2008 erfolge und voraussichtlich am [X.] enden werde. Darüber hinaus wurde Erstattung der Kosten für die Anfahrt zur Maßnahme in Höhe einer Monatsfahrkarte von 43,50 Euro gewährt. Auf einer zweiten Seite wurden noch weitere Einzelheiten wie zB Urlaubsanspruch oder Verhalten bei Erkrankung festgelegt und eine Einverständniserklärung zur Datenübermittlung angefügt. Diese Seite trägt ebenfalls die Unterschrift der Klägerin. Die Klägerin nahm am 3.11.2008 ihre Tätigkeit bei [X.] auf und arbeitete dort bis zum Ende der Maßnahme am [X.]. Der in der Zuweisung ausgewiesene Qualifizierungsanteil wurde von dem Bildungsträger [X.] übernommen.

3

Mit einem am [X.] bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben legte die Klägerin gegen die "Zuweisung vom 31.10.2008" Widerspruch ein. Die durchgeführte Förderung habe keinen Bezug zu einer früheren oder möglichen zukünftigen Arbeit gehabt. Dies habe sie leider zu spät bemerkt. Erkannt habe sie aber am Ende der Beschäftigung, dass ihre Zuweisung zu [X.] ausschließlich dazu gedient habe, dieser Einrichtung zu einer kostengünstigen bzw kostenfreien Arbeitskraft zu verhelfen. Mit Widerspruchsbescheid vom [X.] verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig, da es sich bei der Zuweisung nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

4

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht ([X.]) hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer leistungsgerechten Arbeitsvergütung begehrt und den Gesamtbetrag für drei Monate, ausgehend von dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst unter Abzug erhaltener Sozialleistungen mit insgesamt 3717,76 Euro beziffert. Das [X.] hat mit Urteil vom 23.2.2010 die Klage abgewiesen. Diese sei zwar als reine Leistungsklage statthaft, sie sei aber unbegründet, weil die Voraussetzungen für den allein in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht gegeben seien.

5

Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts vom 5.9.2012). Entgegen der Auffassung des [X.] sei die vorliegende Klage nicht lediglich als Leistungsklage aufzufassen, sondern - soweit die Rechtswidrigkeit der Zuweisung vom 31.10.2008 geltend gemacht werde - als Anfechtungsklage. Zutreffend sei dagegen das Klagebegehren, einen Wertersatz im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu erhalten, im Wege der reinen Leistungsklage geltend gemacht worden. Es liege insoweit eine Klagehäufung vor.

6

Die Klage auf Wertersatz sei in der Sache nicht begründet. Zwar habe das [X.] (B[X.]) zwischenzeitlich entschieden, dass ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht komme, wenn vom Hilfebedürftigen nach Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung Arbeiten geleistet worden seien, die sich als [X.] erweisen. Vorliegend spreche einiges dafür, dass es an der gesetzlichen Voraussetzung der Zusätzlichkeit der Beschäftigung gefehlt habe, dies könne aber offenbleiben. Gleiches gelte auch für die Frage, in welcher Höhe Wertersatz für die ggf [X.] erlangte Arbeitsleistung von dem Beklagten zu leisten wäre. Der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch scheitere jedenfalls daran, dass die Klägerin die Zuweisung in die Arbeitsgelegenheit zunächst hingenommen und gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Maßnahme erst einige [X.] nach deren Beendigung in Anspruch genommen habe. Der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes finde im gesamten öffentlichen Recht Anwendung und lasse dem Betroffenen keine Wahlmöglichkeit, entweder einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Hoheitseingriff mit den zur Verfügung stehenden [X.] abzuwehren oder aber diesen freiwillig zu dulden und dafür einen Ersatz zu liquidieren. Es könne dabei offenbleiben, ob § 839 Abs 3 [X.] (BGB), der hinsichtlich der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs ein Verschulden des Betroffenen voraussetze, in der vorliegenden Konstellation entsprechend anwendbar sei. Jedenfalls sei ein Verschulden der Klägerin zu bejahen, denn es wäre ausreichend gewesen, wenn sie dem Beklagten gegenüber zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie mit der Zuweisung nicht mehr einverstanden sei. Zwar entfalle der Ersatzanspruch nur, soweit die schuldhafte Nichteinlegung des Rechtsbehelfs für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden sei. Für die durch den Qualifizierungsanteil unterbrochene Einführungsphase lasse sich aber in Ermangelung nennenswerter Arbeitsleistung ein bezifferbarer Erstattungsanspruch nicht feststellen. Könne die Leistungsklage nach alledem keinen Erfolg haben, sei für die isolierte Anfechtungsklage gegen den [X.], dessen Geltungszeitraum längst abgelaufen sei, das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen.

7

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision. Die Klägerin ist der Ansicht, die Ablehnung des [X.] durch das L[X.] beruhe auf unzutreffenden Annahmen im Hinblick auf die Möglichkeit, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Es habe zum damaligen [X.]punkt keine realistischen Rechtsschutzmöglichkeiten für sie gegeben, da in der [X.] 2008/2009 schon streitig gewesen sei, ob es sich bei einer Zuweisung um einen Verwaltungsakt handele oder nicht. Der Beklagte selbst sei in seinem Widerspruchsbescheid davon ausgegangen, dass kein Verwaltungsakt vorliege. Es habe deshalb von der Klägerin nicht erwartet werden können, dass sie Widerspruch einlege. Insbesondere sei ein etwaiger Widerspruch nicht "umgehend" einzulegen gewesen, da der [X.] vom 31.10.2008 datiere, die Tätigkeit jedoch erst am 3.11.2008 begonnen habe. Soweit das L[X.] die Auffassung vertrete, die Rechtswidrigkeit hätte auch schon sehr viel früher als am Ende der Beschäftigung erkannt werden können, so sei nicht ersichtlich, wann dies gewesen sein solle. Was den vom L[X.] angesprochenen Eilrechtsschutz betreffe, so sei nicht erkennbar, welchen Eilrechtsschutz sie hätte erfolgreich in Anspruch nehmen können.

8

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 5. September 2012 und des [X.] vom 23. Februar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr 3717,76 Euro nebst Prozesszinsen zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Eingliederungsmaßnahme sei inhaltlich mit der Klägerin abgesprochen gewesen, von dieser freiwillig abgeschlossen und nicht gekündigt worden. Da die Klägerin zu keinem [X.]punkt darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie mit der Art der Durchführung der Maßnahme nicht einverstanden gewesen sei, habe keine Möglichkeit bestanden, im Rahmen der laufenden Maßnahme noch eingreifen zu können.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.]lägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Mangels ausreichender Feststellungen des [X.] konnte nicht abschließend über den von der [X.]lägerin in der Sache begehrten [X.] für geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit entschieden werden.

1. Die Leistungsklage der [X.]lägerin auf [X.] ist unabhängig von der Zulässigkeit ihrer Anfechtungsklage gegen den "Bescheid des [X.] vom 31.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.]" zulässig, weil es sich um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG handelt ([X.] vom 13.4.2011 - [X.]4 [X.]/10 R - [X.], 116 = [X.]-4200 § 16 [X.], Rd[X.]3). Angesichts dessen sind weitere Ermittlungen des Senats zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage untunlich, weil diese Entscheidung von der Frage abhängt, ob das Schriftstück vom 31.10.2008 überhaupt ein Verwaltungsakt ist - wie die [X.]lägerin behauptet, der Beklagte aber in seinem Widerspruchsbescheid verneint und das [X.] offengelassen hat - und in welchem Verhältnis das Schriftstück zur Eingliederungsvereinbarung steht, die von Seiten des [X.] am 31.10.2008 und von der [X.]lägerin am 7.11.2008 unterschrieben wurde. Die Würdigung beider Schriftstücke ist seitens des [X.] ohnehin im Rahmen seiner weiteren Ermittlungen notwendig.

2. Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren auf [X.] kommt allein ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht, der als aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts abgeleitetes Rechtsinstitut voraussetzt, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden oder eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung stattgefunden hat, und ein Recht auf Herausgabe des [X.] verschafft ([X.] vom 13.4.2011 - [X.]4 [X.]/10 R - [X.], 116 = [X.]-4200 § 16 [X.], Rd[X.]3; [X.] vom 27.8.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.], 70 = [X.]-4200 § 16 [X.]).

Es mangelt insoweit bereits an den zur endgültigen Überprüfung des Anspruchs notwendigen bindenden Feststellungen hinsichtlich der Arbeitsleistung der [X.]lägerin. Das [X.] hat zwar in den Raum gestellt, dass nur ein Teil der von der [X.]lägerin geleisteten Arbeit eine wirtschaftlich verwertbare Leistung darstellen könne, weil sie über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt habe und sie sich erst wieder an eine regelmäßige Arbeitstätigkeit habe gewöhnen und zugleich erproben müssen, ob sie den sich daraus ergebenden Belastungen gewachsen sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass ein Teil der Arbeitszeit auf die Qualifizierungsmaßnahmen durch die [X.] entfallen sei. Aus diesen Überlegungen zieht das [X.] jedoch keine Schlussfolgerungen. Da auch nur ein Teil der geleisteten Arbeit sich als wertschöpfende, fremdnützige Tätigkeit mit Vermögensverschiebung zu Gunsten des [X.] darstellen kann (vgl [X.] vom 13.4.2011 - [X.]4 [X.]/10 R - [X.], 116 = [X.]-4200 § 16 [X.], Rd[X.]6 ff), hätten die verschiedenen Teile der Tätigkeit der [X.]lägerin ausdrücklich nach Art und Umfang bezeichnet werden müssen.

3. Entscheidend ist aber letztlich, dass nicht abschließend entschieden werden kann, ob die mögliche Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Insofern konnte insbesondere nicht offenbleiben, ob die Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 Satz 2 [X.] (in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung des Fortentwicklungsgesetzes vom [X.], [X.] 1706) bzw nach § 16d Satz 2 [X.] in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917) eine "zusätzliche" Arbeit war. Wird das Merkmal der Zusätzlichkeit verneint, hat dies zur Folge, dass der ursprüngliche Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit - entweder die Eingliederungsvereinbarung oder ein entsprechender Verwaltungsakt - von Anfang an nicht vorlag oder im Laufe der Tätigkeit entfallen sein könnte. Um dies beurteilen zu können, sind jedoch zunächst Feststellungen dahingehend zu treffen, welches Verwaltungshandeln ursprünglich den Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit der [X.]lägerin dargestellt hat.

a) Vorliegend kommt als Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit in erster Linie die Eingliederungsvereinbarung vom 31.10.2008/7.11.2008 in Betracht. Der Senat hat zwar in einem weiteren Urteil vom 13.4.2011 ([X.]4 [X.]01/10 R - [X.]-1200 § 16 [X.] Rd[X.]6 f) ausgesprochen, dass es sich bei einer auf einer Eingliederungsvereinbarung beruhenden Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit regelmäßig um einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]) handele, da dort außerhalb des weit gesteckten Rahmens für die Abfassung von [X.] der konkrete Inhalt der Arbeitsgelegenheit bestimmt werde (vgl auch Voelzke in [X.]/[X.], [X.], Stand 7/2012, § 16b Rd[X.]0). Im vorliegenden Fall ist jedoch eine [X.]onkretisierung der Arbeitsgelegenheit bereits in der Eingliederungsvereinbarung selbst erfolgt. Sie regelt alle wesentlichen Einzelheiten der Arbeitsgelegenheit; die [X.]lägerin hat unterschrieben und damit eingewilligt, dass sie als Organisationskraft bei [X.] mit einem zeitlichen Umfang von 35 Stunden und einer zeitlichen Verteilung von sieben Stunden pro Tag bei einer Mehraufwandsentschädigung von 1,20 Euro pro Stunde arbeiten wird, wobei das individuell verfolgte [X.] in der Vermittlung von [X.]enntnissen lag. Nur wenn in einer Eingliederungsvereinbarung keine solchen konkreten Festlegungen hinsichtlich der Arbeitsgelegenheit vorgenommen werden, bedarf es dieser Festlegungen "im Nachgang" und können diese insoweit auch durch einseitige Regelung des Trägers erfolgen ([X.] aaO).

b) Ob das ebenfalls auf den 31.10.2008 datierende Schriftstück des [X.] einen Verwaltungsakt darstellt, in dem die konkreten Einzelheiten der Zuweisung grundlegend geregelt werden, oder ob es sich insofern um eine ergänzende Vereinbarung zwischen dem [X.] und der [X.]lägerin handelt, wäre unter dem vorgenannten Gesichtspunkt, dass eine konkretisierende Eingliederungsvereinbarung als Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit ausreicht, ebenfalls zu prüfen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass nach Aktenlage das Schriftstück vom 31.10.2008 aus zwei Seiten besteht und die [X.]lägerin die letzte Seite unterschrieben hat, was für eine ergänzende Vereinbarung zu der Eingliederungsvereinbarung vom selben Tage spricht, zumal in dem Schriftstück dieselben Einzelheiten wie in der Eingliederungsvereinbarung aufgeführt sind und lediglich die [X.] (vom 3.11.2008 bis 31.1.2009) sowie die [X.]osten für die Anfahrt zur Maßnahme ergänzend aufgeführt werden.

Andererseits ist das Schriftstück vom 31.10.2008 als "Zuweisung in eine Beschäftigung nach § 16 Abs 3 [X.] U 65" überschrieben, was auf einen Verwaltungsakt hindeuten könnte. Allerdings ist das Schriftstück nach dem Briefkopf an eine interne Geschäftsstelle des [X.] gerichtet, was jedenfalls von der äußeren Gestaltung her gegen einen an die [X.]lägerin adressierten Verwaltungsakt spricht. Dass die Rechtsnatur von Zuweisungen zu Arbeitsgelegenheiten unterschiedlich sein kann und nicht ausnahmslos Verwaltungsakte iS des § 31 Satz 1 [X.] zugrunde zu legen sind, entspricht auch der Rechtsprechung des 4. Senats des [X.] ([X.] vom 27.8.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.], 70 = [X.]-4200 § 16 [X.]). Danach ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen, ob eine Regelung iS des § 31 [X.] vorliegt, wobei der [X.] maßgeblich ist.

c) [X.]ommt das [X.] nach den vorgenannten Maßgaben zu dem Ergebnis, dass das Schriftstück vom 31.10.2008 einen Verwaltungsakt darstellt, so ist dessen Wirksamkeit zu überprüfen unter dem Blickwinkel, dass die [X.]lägerin dieses von ihr als Verwaltungsakt qualifizierte Schriftstück unter Berufung auf die mangelnde Zusätzlichkeit der Tätigkeit angefochten hat. Wird dagegen die Eingliederungsvereinbarung als maßgeblicher Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit zugrunde gelegt, ist deren Nichtigkeit nach § 58 Abs 2 [X.] [X.] zu prüfen, weil bei mangelnder Zusätzlichkeit in der Vereinbarung eine nach § 55 [X.] unzulässige Gegenleistung versprochen wurde. In beiden Fällen entfällt nach positiver Prüfung der Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit, weshalb es bei der erneuten Entscheidung des [X.] maßgeblich auf die [X.]lärung der Frage der Zusätzlichkeit der Arbeitsgelegenheit ankommen wird.

4. Ein Anspruch auf [X.] scheitert nicht von vornherein deshalb, weil die [X.]lägerin die Arbeiten zunächst widerspruchslos ausgeführt hat.

a) Ob einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch überhaupt der Rechtsgedanke des § 814 [X.] ([X.]enntnis der Nichtschuld) entgegenstehen kann ([X.] vom 13.4.2011 - [X.]4 [X.]/10 R - [X.], 116 = [X.]-4200 § 16 [X.], Rd[X.] 21 mwN), kann auch in diesem Verfahren offen bleiben, weil die [X.]lägerin nach den Feststellungen des [X.] die Zuweisung zunächst hingenommen hat und erst ab einem bestimmten, nicht näher festgestellten Zeitpunkt Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Arbeit hatte. Zweifel beinhalten aber keine [X.]enntnis von einer Nichtschuld.

b) Ein vorliegend durchgreifender allgemeiner "Vorrang des Primärrechtsschutzes" ist nicht zu erkennen. Zur Begründung eines solchen von ihm angenommenen "im gesamten öffentlichen Recht" Geltung beanspruchenden Grundsatzes, der über die spezialgesetzliche Regelung in § 839 Abs 3 [X.] hinaus geht, hat das [X.] sich insbesondere auf die Entscheidung des 1. Senats des [X.] ([X.]) vom 15.7.1981 (1 [X.] - [X.]E 58, 300: "Nassauskiesung") bezogen, in der aber kein derartiger allgemeiner Grundsatz begründet wird, sondern ausgehend von der konkreten Fallgestaltung und dem Fehlen einer gesetzlichen Entschädigungsregelung bei einem rechtswidrigen Eingriff und dem Unterlassen der grundgesetzlich zulässigen und möglichen [X.]lage gegen den Eingriffsakt ein Entschädigungsanspruch verneint wird ([X.], aaO, Juris-Rd[X.]4 f; ähnlich: [X.], Beschluss der [X.] des 2. Senats vom 4.9.2008 - 2 BvR 1720/03 - Juris-Rd[X.]1). In den anderen vom [X.] angeführten sowie weiteren Entscheidungen wird ebenfalls kein allgemeiner Grundsatz des Primärrechtsschutzes hergeleitet, sondern nur angesprochen und sein Eingreifen jeweils verneint (vgl [X.] vom 15.12.2009 - [X.] [X.]/[X.] - [X.], 100 = [X.]-1100 Art 104a [X.], Rd[X.]6 f: Abstellen auf die Besonderheiten von Art 84 Abs 4 und Art 104a Abs 5 GG; BVerwG Beschluss vom 22.5.2003 - 6 B 25/03 - Juris-Rd[X.]: keine Annahme eines allgemeinen Grundsatzes, sondern Bewertung der [X.] von Rechtsschutz als Mitverschulden gemäß § 62 VwVfG, § 254 [X.]; [X.] Urteil vom 13.7.1995 - [X.]/94 - [X.]Z 130, 332, Juris-Rd[X.]; [X.] Urteil vom 21.10.1999 - [X.] - [X.]Z 143, 18, Juris-Rd[X.] 30: Verneinung der Anwendung eines Vorrangs des Primärrechtsschutzes, aber Hinweis auf ein Mitverschulden des [X.] und seine Schadensminderungspflicht). In der vom [X.] angeführten Literatur wird ebenfalls kein solcher allgemein geltender Grundsatz aufgestellt, sondern die [X.] als eine Ausprägung des Mitverschuldens angesehen (Papier in [X.] [X.]ommentar zum [X.], 6. Aufl 2013, § 839 Rd[X.] 329).

Gegen einen solchen allgemeinen Grundsatz spricht entscheidend die [X.]onzeption des sozialgerichtlichen Verwaltungsverfahrens, das, wie insbesondere § 44 [X.] zeigt, weniger auf die formelle Rechtswahrnehmung, sondern stärker auf die materielle Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit ausgerichtet ist. Bestätigt wird dies durch die allgemeinen Vorschriften im [X.] ([X.]), wie § 2 Abs 2 Halbs 2 [X.], nach dem sicherzustellen ist, dass die [X.] Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, §§ 13 bis 15 [X.] über Aufklärung, Beratung, Auskunft, einschließlich dem aus ihnen abgeleiteten Herstellungsanspruch, § 17 [X.] über die Ausführung von Sozialleistungen.

c) Wenn es auch keinen allgemeinen Grundsatz des Primärrechtsschutzes für das gesamte öffentliche Recht gibt, so bestehen dessen ungeachtet in öffentlich-rechtlichen ([X.] wie zwischen der [X.]lägerin als [X.]-Leistungsempfängerin und dem beklagten Jobcenter Nebenpflichten und Obliegenheiten (vgl zur Unterscheidung nur: [X.] in [X.], 72. Aufl 2013, vor § 241 Rd[X.]3; zum [X.]: Vogelgesang in [X.]/[X.], [X.], Stand: 6/2013, [X.] § 21 Rd[X.] 30), deren Verletzung zu Rechtsnachteilen führen kann.

Eine [X.]odifikation solcher Pflichten und Obliegenheiten enthalten § 21 Abs 2 [X.] und §§ 60 ff [X.] über die "Mitwirkungspflichten" der Beteiligten, ohne dass diese beanspruchen, insofern abschließend zu sein. Dass aus dem [X.], entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl allgemein nur [X.] vom 19.3.1992 - 7 [X.] - [X.]E 70, 186 = [X.] 3-1200 § 53 [X.], Juris-Rd[X.] 23: Schadensersatzpflicht; ähnlich: [X.] vom [X.] - [X.]2 [X.]R 10/99 R - [X.] 3-2400 § 28h [X.]1, Juris-Rd[X.]8 ff; [X.] vom 25.3.1999 - B 9 V 11/98 R - [X.] 3-3100 § 10 [X.], Juris-Rd[X.] 22; [X.] vom 17.12.2009 - B 3 [X.]R 13/08 R - [X.], 157 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 36 ff; zum Herstellungsanspruch als Folge einer Verletzung von Nebenpflichten: [X.] vom 18.12.1975 - 12 RJ 88/75 - [X.]E 41, 126 = [X.] 7610 § 242 [X.]; [X.] vom [X.] - 1 RA 31/85 - [X.]E 60, 158 = [X.] 1300 § 44 [X.] 23; [X.] vom 29.8.2012 - [X.]2 R 7/10 R - [X.]-2600 § 2 [X.]6; speziell zu Pflichten der Leistungsberechtigten: [X.] vom [X.] - 5 RJ 63/70 - [X.]E 34, 124 = [X.] [X.] 25 zu § 29 RVO, Juris-Rd[X.]8 f; [X.] vom 10.11.1977 - 3 R[X.] 44/75 - [X.]E 45, 119 = [X.] 2200 § 1542 [X.], Juris-Rd[X.]8 ff; vgl auch BVerwG Urteil vom 13.4.1984 - 4 C 31/81; BVerwG Beschluss vom 20.1.2010 - 9 B 31/09; vgl zu Nebenpflichten bei öffentlich-rechtlichen Verträgen: [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 61 Rd[X.]4 ff; [X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, Rd[X.]a, 4c; vgl allgemein zu Nebenpflichten in öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen: [X.] in [X.]/[X.], Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2008, § 9 Rd[X.] 30 ff). Als typische Folge einer solchen Pflichtverletzung kann es zu einem Herstellungsanspruch kommen ([X.] aaO). Andere Folgen können Schadensersatzansprüche oder, insbesondere bei der Verletzung von Obliegenheiten, die Begrenzung eigener Ansprüche sein, sodass im Ergebnis kein grundlegender Unterschied zu den Entscheidungen des [X.] und [X.] besteht (BVerwG Beschluss vom 22.5.2003 - 6 B 25/03 - Juris-Rd[X.]; [X.] Urteil vom 13.7.1995 - [X.]/94 - [X.]Z 130, 332, Juris-Rd[X.]; [X.] Urteil vom 21.10.1999 - [X.] - [X.]Z 143, 18, Juris-Rd[X.] 30).

Übertragen auf das zwischen der [X.]lägerin und dem [X.] als Träger von Leistungen nach dem [X.] bestehende Sozialrechtsverhältnis bedeutet dies: Dem Anspruch der [X.]lägerin auf [X.] kann entgegenstehen, dass sie ihre Obliegenheit aus dem sozialrechtlichen [X.] gegenüber dem beklagten Jobcenter verletzt hat, dieses auf mögliche rechtswidrige Umstände hinzuweisen und die Möglichkeit zur Abhilfe zu geben, wenn aus dem [X.] weitere Ansprüche abgeleitet werden sollen. Auf die Entscheidung, ob der Rechtsgrund für ihr Tätigwerden die Eingliederungsvereinbarung vom 31.10.2008/7.11.2008 oder ein in dem Schriftstück vom 31.10.2008 verlautbarter Verwaltungsakt ist, kommt es insofern nicht an (vgl zur Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag: [X.] vom 14.2.2013 - [X.]4 [X.]95/11 R - [X.]-4200 § 15 [X.] 2). Ein solcher Hinweis ist einem Leistungsbezieher auch regelmäßig zumutbar (vgl [X.] in [X.]/[X.], Verwaltungsverfahrensgesetz, aaO, § 9 Rd[X.] 36) und entspricht - wenn auch nicht direkt - den Obliegenheiten aus § 60 Abs 1 Satz 1 [X.] und 2 [X.], Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und ebensolche Änderungen mitzuteilen. Unterlässt er diesen Hinweis, besteht ab dem [X.]ennenkönnen auch kein Anspruch auf [X.] mehr, vielmehr ist eine Anspruchsbegrenzung ab dem Zeitpunkt anzunehmen, ab dem auch aus der [X.] bestanden hätte, den [X.] auf die Fehlerhaftigkeit der Zuweisung hinzuweisen ("hier läuft etwas schief").

Wann dieser Zeitpunkt für die Anspruchsbegrenzung eintritt, hängt von dem konkreten Einzelfall ab und hat sowohl die Erkenntnismöglichkeiten des [X.] als auch die Art der Arbeitsgelegenheit zu berücksichtigen. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass nicht ab dem ersten Tag der Arbeitsgelegenheit die Hinweispflicht bestand, aber angesichts der Tatsache, dass die [X.]lägerin nach den Feststellungen des [X.] über den gesamten [X.] hinweg gleichmäßig mit den Tätigkeiten "Disposition, Telefonzentrale, Geräterücknahme" beschäftigt war, jedenfalls vor Ende der Maßnahme, zumal sie in deren Verlauf, wenn auch - so die [X.]lägerin - leider zu spät, die fehlende Zusätzlichkeit erkannt habe. Insoweit sind ebenfalls weitere Feststellungen des [X.] notwendig.

Schließlich wird das [X.] über die [X.]osten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 75/12 R

22.08.2013

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Bremen, 23. Februar 2010, Az: S 26 AS 1196/09, Urteil

§ 16 Abs 3 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 16d S 2 SGB 2 vom 21.12.2008, § 21 Abs 2 SGB 10, § 31 S 1 SGB 10, § 55 SGB 10, § 58 Abs 2 Nr 4 SGB 10, § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 1, § 60 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 1, § 814 BGB, § 839 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.08.2013, Az. B 14 AS 75/12 R (REWIS RS 2013, 3284)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3284

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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