Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.06.2020, Az. II B 46/19

2. Senat | REWIS RS 2020, 3502

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Gegenstand

Ermittlung des Bodenwerts durch Sachverständigengutachten - grundsätzliche Bedeutung


Leitsatz

NV: Es ist bereits geklärt, welche Voraussetzungen ein ordnungsgemäßes Sachverständigengutachten erfüllen muss und dass es der freien Beweiswürdigung des Finanzgerichts unterliegt, ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 3 K 3073/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

2

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O).

3

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht ([X.]) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 03.02.2020 - II B 28/19, [X.], 564, Rz 3, m.w.N.).

4

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall für keine der beiden formulierten Fragen erfüllt.

5

aa) Nach Auffassung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist zum einen die Rechtsfrage ungeklärt, ob "einem von der [X.] öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken zu folgen ist oder nicht".

6

bb) Diese Frage ist jedoch durch die Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt.

7

Danach ist ein Sachverständigengutachten regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks gemäß § 198 des Bewertungsgesetzes ([X.]) geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde ([X.]-Urteil vom 25.04.2018 - II R 47/15, [X.]E 262, 157, [X.], 144, Rz 21, m.w.N.). Nimmt der Sachverständige Abschläge vom Bodenwert vor, müssen sie objektivierbar und grundstücksbezogen begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe ([X.]-Urteil vom 11.09.2013 - II R 61/11, [X.]E 243, 376, [X.], 363, Rz 32, m.w.N.).

8

Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Der Gutachter muss aus den festgestellten Fakten seine Schlussfolgerungen ziehen und diese zusammen mit den von ihm für richtig erkannten Annahmen im Gutachten dokumentieren ([X.]-Urteil vom 24.10.2017 - II R 40/15, [X.]E 260, 80, [X.], 21, Rz 13, 21).

9

Ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des [X.] ([X.]-Urteile in [X.]E 243, 376, [X.], 363, Rz 32, und in [X.]E 262, 157, [X.], 144, Rz 21, jeweils m.w.N.).

cc) Zudem hält die Klägerin für ungeklärt, ob ein Gutachter bei der Bewertung eines Grundstücks vom "Status Quo oder unter Einbeziehung sämtlicher Eventualmöglichkeiten aus dem Baurecht (...) unter Einbeziehung von Ausnahmegenehmigungen, Ermessensentscheidungen und deren vorheriger Einschätzungen" auszugehen habe.

dd) Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob es sich hierbei um eine zulässige abstrakte Rechtsfrage handelt, ist zum einen bereits geklärt, dass die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. des Baugesetzbuches i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom [X.] ([X.], 2414) ergeben und daneben für [X.] ab 01.07.2010 die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19.05.2010 ([X.], 639) zu beachten ist ([X.]-Urteil in [X.]E 260, 80, [X.], 21, Rz 14).

Zum anderen ist diese Frage im Streitfall nicht klärungsfähig, da das [X.] das ihm vorliegende Sachverständigengutachten bereits deswegen zulässigerweise verworfen hat, weil es festgestellt hat, dass die darin getroffene Aussage zum Bodenrichtwert laut Gutachterausschuss falsch sei --was von der Klägerin nicht angegriffen wird-- und diese unzutreffende Grundlage nach Würdigung des [X.] auch nicht auf andere Weise nachvollziehbar hergeleitet wurde.

2. Soweit die Klägerin eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zum Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 06.09.2018 - 1 K 68/17 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2019, 503) beanstandet, liegt diese nicht vor.

a) Wie die Klägerin selbst zutreffend ausgeführt hat, betrafen die Aussagen des Niedersächsischen [X.] zum gerichtlichen Prüfungsumfang die Ermittlung von Vergleichspreisen und -faktoren durch die Gutachterausschüsse. Bei diesen Gremien sah das Gericht eine besondere Sach- und Fachkenntnis und aufgrund ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz gegenüber den Finanzgerichten (Urteil des Niedersächsischen [X.] in E[X.] 2019, 503, Rz 53).

b) Die Vorinstanz ist von diesen Rechtsgrundsätzen nicht abgewichen. Vielmehr hat das [X.] gerade die Vorgaben des [X.] umgesetzt, als es den Bodenwert durch den laut Gutachterausschuss zu ermittelnden Umrechnungskoeffizienten aus dem mitgeteilten Bodenrichtwert abgeleitet hat.

Aussagen zum gerichtlichen Prüfungsumfang hinsichtlich Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hat das Niedersächsische [X.] nicht getroffen.

3. Im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) kann dahin gestellt bleiben, ob insoweit die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügt, denn die Verfahrensmängel liegen nicht vor.

a) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) wegen Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 [X.]O) ist nicht gegeben.

aa) Die Verletzung der richterlichen Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 [X.]O bedeutet regelmäßig die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den Beteiligten das Recht, sich vor der Entscheidung des Gerichts zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage ausreichend äußern zu können. Das Gericht verletzt daher das Recht auf Gehör, wenn die Verfahrensbeteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gegründet ist, zu denen sie sich nicht geäußert haben und zu denen sich zu äußern sie nach dem vorherigen Verlauf des Verfahrens auch keine Veranlassung hatten. Art. 103 Abs. 1 GG schützt daher die Beteiligten davor, von neuen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten überfahren zu werden, die dem Rechtsstreit eine Wendung geben, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das [X.] aber nicht, den Beteiligten die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte anzudeuten und sie mit den Beteiligten umfassend zu erörtern. Das gilt erst recht im Verhältnis zu einem Beteiligten, der rechtskundig beraten ist (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 21.08.2014 - X B 159/13, [X.]/NV 2014, 1743, Rz 18, und vom [X.] - II B 35-37/18, [X.]E 265, 14, Rz 10, m.w.N.).

bb) Im Streitfall musste das [X.] die Klägerin --entgegen ihrer [X.] nicht im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung auf konkrete Zweifel am Gutachten hinweisen. Dennoch wurde dem Klägervertreter vor der mündlichen Verhandlung sogar ein Auszug aus dem Votum des Vorsitzenden als Berichterstatter mit einer alternativen Ermittlung des [X.] unter Heranziehung einer Geschossflächenzahl von 1,5 für das zu bewertende Grundstück und einer entsprechenden Probeberechnung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) übermittelt. Damit war klar ersichtlich, dass die Vorinstanz nach damaligem Stand nicht der Auffassung des Sachverständigen folgen wollte, sondern zu einem Bodenwert von 265 €/m² kam. Die rechtskundig beratene und vertretene Klägerin hatte daher ausreichend Gelegenheit, sich vor der Entscheidung des [X.] zu den relevanten Fragen zu äußern und hat dieses mit Schreiben vom [X.], dem eine Stellungnahme des Sachverständigen A beigefügt war, auch getan. Eines weiteren richterlichen Hinweises bedurfte es insoweit nicht.

cc) Im Übrigen stellt bei einem --wie der [X.] im Klageverfahren steuerlich beratenen und durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten das Unterlassen eines (nach seiner Ansicht notwendigen) Hinweises gemäß § 76 Abs. 2 [X.]O regelmäßig ohnehin keinen Verfahrensmangel dar (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 265, 14, Rz 13, m.w.N.).

b) Die Revision ist schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) zuzulassen.

aa) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Es muss zur Herbeiführung der [X.] alles aufklären, was aus seiner Sicht entscheidungserheblich ist, und hierfür alle verfügbaren Beweismittel ausnutzen. Ein Verfahrensmangel kann jedoch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten konnten und verzichtet haben (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Zu den verzichtbaren Mängeln gehört auch eine unterlassene Beweiserhebung ([X.]-Beschluss in [X.]E 265, 14, Rz 15).

bb) Im Streitfall wurden ausweislich des [X.] der mündlichen Verhandlung (zu dessen Beweiskraft vgl. § 94 [X.]O i.V.m. § 165 ZPO) keine Beweisanträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt oder seitens der Klägerin auf diese oder andere Aufklärungsmaßnahmen hingewirkt. Unerheblich ist insofern, dass der Klägervertreter mit Schreiben vom [X.] vor der mündlichen Verhandlung "zum Nachweis des niedrigeren Werts des Grundstücks" Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hatte. Der an der mündlichen Verhandlung teilnehmende Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht geäußert, sondern [X.] zur Sache verhandelt. Damit hat die Klägerin ihr [X.] bereits durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO).

Abgesehen davon ist der Nachweis i.S. des § 198 [X.] grundsätzlich nur erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann, denn damit soll letztlich ein eindeutiges Bewertungsergebnis bei vertretbarem Verwaltungsaufwand erzielt werden (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 262, 157, [X.], 144, Rz 21, 24). Eines weiteren Sachverständigengutachtens (zumal vom gleichen Sachverständigen) zur Beurteilung eines Sachverständigengutachtens bedarf es somit grundsätzlich nicht (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 243, 376, [X.], 363, Rz 31).

cc) Nach den gleichen Grundsätzen hat die Klägerin ihr [X.] verloren, soweit sie sinngemäß geltend macht, das Gericht habe pflichtwidrig eine Vielzahl baurechtlicher Fragen nicht aufgeklärt. Im Übrigen hat die Klägerin diesbezüglich schon nicht dargelegt, welche konkreten, entscheidungserheblichen Tatsachen die Vorinstanz nicht ermittelt habe (vgl. [X.]-Beschluss vom 11.12.2019 - II B 67/18, [X.], 360, Rz 17).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

5. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

Meta

II B 46/19

12.06.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 24. April 2019, Az: 3 K 3073/16, Urteil

§ 198 BewG 1991, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 76 Abs 2 FGO, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.06.2020, Az. II B 46/19 (REWIS RS 2020, 3502)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3502

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