Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2020, Az. II R 1/18

2. Senat | REWIS RS 2020, 3380

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Gegenstand

Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks


Leitsatz

1. Bodenrichtwerte sind für die Bestimmung des Bodenwerts geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Sind für ein Anliegergrundstück ein Straßen- und ein Platzwert anwendbar, ist im Rahmen einer Einzelbewertung zu entscheiden, in welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- und dem Platzwert zuzuordnen ist.

2. Die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmowertV richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Für Bewertungsstichtage bis 30.06.2010 sind die Vorschriften der WertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die Anwendung der Verordnungen nicht von Bedeutung.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22.11.2017 - 3 K 3208/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe des am 01.06.2009 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem 1/3-Miteigentumsanteil an dem Grundstück [X.] in D. Das Grundstück ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) mit einem Altbau von 1908 bebaut. Dieser besteht aus einem Vorderhaus, einem Seitenflügel und einem [X.] und umfasst insgesamt drei Gewerbeeinheiten sowie 18 Wohneinheiten. Der [X.] beträgt 87%. Der Gewerbeanteil (Nutzfläche) umfasst 13 % und der Gewerbemietanteil (nach Marktanpassung der Wohnungsmieten) 56 %.

2

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.] für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 01.06.2009 (Todestag des Erblassers als [X.] und Steuerstichtag) vom 15.02.2013 (Feststellungsbescheid) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) einen nach der standardisierten Methode gemäß §§ 176 bis 197 des Bewertungsgesetzes ([X.]) berechneten Grundbesitzwert in Höhe von 4.867.500 € fest, wobei er einen Bodenrichtwert in Höhe von 5.500 €/qm und einen [X.] in Höhe von 5,50 % annahm.

3

Im Einspruchsverfahren gegen den Feststellungsbescheid reichte der Kläger ein Verkehrswertgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken vom 27.03.2013 (zuletzt ergänzt am 30.09.2015) ein, um nach § 198 [X.] einen niedrigeren gemeinen Wert für das Grundstück in Höhe von 1.850.000 € nachzuweisen. Das Gutachten zitierte teilweise die Vorschriften der [X.] ([X.]) vom 06.12.1988 ([X.], S. 2209) und teilweise die Bestimmungen der Immobilienwertermittlungsverordnung (Immo[X.]) vom 19.05.2010 ([X.], 639). Den Bodenwert leitete es von einem Bodenrichtwert ab, der von dem örtlichen Gutachterausschuss für eine andere Zone als der für die [X.] einschlägigen Zone ermittelt wurde. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 05.08.2014). Das eingereichte Gutachten hielten zunächst das [X.] und später auch der Kläger nicht für plausibel.

4

Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem [X.] reichte der Kläger zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein neues Gutachten vom 25.07.2017 (zusätzlich einer ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.2017) eines anderen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein, der auch Mitglied des örtlichen Gutachterausschusses war. Dieses Gutachten ermittelte einen Verkehrswert des Grundstücks zum 01.06.2009 in Höhe von 1.900.000 €. Der Gutachter führte in diesem Gutachten u.a. aus, es sei in Anlehnung an die §§ 192 bis 198 des Baugesetzbuchs (BauGB) i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom [X.] ([X.], 2414) in Verbindung mit den Vorschriften der Immo[X.] erstellt worden. Das Grundstück habe eine Größe von 885 qm. Es besitze eine 15,10 m lange Straßenfront und sei ca. 58 m tief. Die Grundfläche des Vorderhauses mit Seitenflügel betrage ca. 274 qm. Diejenige des [X.] umfasse ca. 190 qm. Die Grundfläche der Bebauungen betrage insgesamt 474,75 qm. Die Geschossfläche umfasse 1 899 qm. Die realisierte Geschossflächenzahl ([X.]) betrage 2,15. Das tiefe Grundstück liege nur straßenseitig in einer im Flächennutzungsplan dargestellten [X.] "[X.]" mit einer typischen [X.] von 4,5. Bei einer "[X.]"–Zone handle es sich um gemischte Bauflächen mit vorwiegendem Kerngebietscharakter und hoher Nutzungsintensität und -dichte. Die Nutzungsart des Grundstücks entspreche der für den weiteren Straßenverlauf dargestellten "[X.]. Bei gemischten Bauflächen "[X.]" handle es sich um eine Mischung unterschiedlicher Funktionen (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Wohnen) mit einer mittleren Nutzungsintensität und -dichte. Für das Mischgebiet "[X.]" sei in der Bodenrichtwertzone 1166 ein Bodenrichtwert in Höhe von 900 €/qm und eine [X.] von 3,0 ausgewiesen worden.

5

Der Bodenwert für das zu begutachtende Grundstück sei von dem für das Mischgebiet "[X.]" festgestellten Bodenrichtwert in Höhe von 900 €/qm abzuleiten. In der für die [X.] einschlägigen [X.] sei vom örtlichen Gutachterausschuss zum 01.01.2009 ein Bodenrichtwert in Höhe von 500 €/qm bei einer wertrelevanten [X.] von 2,0 ausgewiesen worden. In der Bodenrichtwertkarte werde für die [X.] straßenseitig für ein Mischgebiet "[X.]" ein Bodenrichtwert in Höhe von 5.500 €/qm bei einer wertrelevanten [X.] von 4,5 ausgewiesen. Der mit 5.500 €/qm hinterlegte Grundstücksstreifen umfasse jedoch nur die [X.]. Die Bebauung im [X.] liege im Bereich des Wohngebiets. Aufgrund der Tatsache, dass nur 13 % der Wohn-/Nutzfläche gewerblich genutzt würden und 87 % Wohnfläche vorliege, sei deshalb für das Grundstück der Charakter der "[X.]"-Fläche maßgebend. Begünstigend wirke die bevorzugte Lage in der [X.]. [X.] wirke die Grundstückstiefe mit einer reinen Wohnnutzung im Seitenflügel und [X.]. Mit einer [X.] von 2,15 sei eine geringere als die für das "[X.]"-Gebiet typische [X.] von 3,0 realisiert worden. Eine Ergänzungsbebauung erscheine aber kaum genehmigungsfähig. Der nach der --gemäß den Empfehlungen des örtlichen Gutachterausschusses-- durchgeführten [X.]-Anpassung ermittelte Bodenwert betrage ca. 698 €/qm und der angepasste Bodenwert für das Grundstück daher rund 618.000 €. Für den [X.] würden die am 25.04.2012 beschlossenen und am 25.05.2012 veröffentlichten ([X.], S. 793) Liegenschaftszinssätze 2012 für [X.] und [X.] mit einem gewerblichen Anteil bis 70 % (Liegenschaftszinssätze 2012) verwendet. Der für 2009 maßgebliche [X.] betrage nach Berücksichtigung der realisierten [X.] und des gewerblichen Mietanteils 5,6 %.

6

Die Klage vor dem [X.] wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das [X.] führte im Wesentlichen aus, auch das im Klageverfahren eingereichte Gutachten sei nicht geeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen. Die Erstellung des Gutachtens müsse sich an den Vorschriften des BauGB und der Immo[X.] orientieren. Im Streitfall sei die Immo[X.], die am 01.07.2010 in [X.] getreten sei, und nicht die zuvor gültige [X.] maßgebend. Für die Beurteilung, welche Vorschriften Anwendung fänden, komme es auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung und nicht den [X.] an. Das im Klageverfahren vorgelegte Gutachten aus dem [X.] verletze die Vorgaben der Immo[X.]. Es sei insbesondere bei der Ableitung des [X.] aus dem Bodenrichtwert und im Rahmen der Ertragswertermittlung des Gebäudes bei der Herleitung des [X.]es nicht plausibel. Die Lücken könnten nicht vollständig durch das Gericht geschlossen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2018, 436 veröffentlicht.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 198 [X.], §§ 194 ff. BauGB, § 15 Abs. 1 Sätze 3 und 4 und § 16 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 Immo[X.] geltend.

8

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Feststellungsbescheid vom 15.02.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.08.2014 dahingehend zu ändern, dass ein Grundbesitzwert in Höhe von 1.900.000 € festgestellt wird.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass für die Wertermittlung des Grundstücks auf den Stichtag 01.06.2009 die Vorgaben der [X.] zu beachten sind.

1. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] sind gesondert festzustellen (§ 179 der Abgabenordnung) [X.] (§§ 138, 157 [X.]), wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für die wirtschaftlichen Einheiten des [X.] sind nach § 157 Abs. 3 Satz 1 [X.] die [X.] unter Anwendung der §§ 176 bis 198 [X.] zu ermitteln. [X.] des § 181 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.] werden nach § 182 Abs. 3 Nr. 1 [X.] im Ertragswertverfahren (§§ 184 bis 188 [X.]) bewertet. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 [X.] ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen (§ 198 Satz 1 [X.]). Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften (§ 198 Satz 2 [X.]). Der Steuerpflichtige trägt insoweit die [X.] (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 24.10.2017 - II R 40/15, [X.], 80, [X.], 21, Rz 11, m.w.N., zu der für die Bewertung von Grundbesitz bis 31.12.2008 geltenden, entsprechenden Vorschrift des § 138 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

2. Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die [X.] i.V.m. den [X.] i.d.F. der Bekanntmachung vom 01.03.2006 ([X.] 2006 Nr. 108a, berichtigt durch Nr. 121) und die [X.], die die [X.] ab dem 01.07.2010 abgelöst hat, zu beachten. Die zeitliche Anwendbarkeit der auf § 199 Abs. 1 BauGB beruhenden Rechtsverordnungen richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in [X.] waren. Die [X.] war bis zum 30.06.2010 in [X.] und wurde am 01.07.2010 durch die [X.] abgelöst (vgl. § 24 [X.]). Deshalb sind für [X.] bis 30.06.2010 die Vorschriften der [X.] und für [X.] ab 01.07.2010 die Vorschriften der [X.] anwendbar (vgl. [X.] in [X.], 80, [X.], 21, Rz 14). Die in der [X.] klar geregelten Zeitpunkte des Außer-[X.]-Tretens der [X.] und des In-[X.]-Tretens der [X.] sind für die Beteiligten eindeutig und machen den zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Rechtsverordnung vorhersehbar und bestimmbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der [X.] und der [X.] nicht von Bedeutung (a.[X.] in [X.][X.], § 198 [X.] Rz 60 f.). Würde man auf Letzteren abstellen, könnten bei einer Gutachtenerstellung für [X.] bis 30.06.2010 entweder die [X.] --solange das Gutachten bis zu diesem Datum erstellt wurde-- oder alternativ die [X.] --falls das Gutachten ab dem 01.07.2010 erstellt wurde--, und somit unterschiedliche Regelungen zu beachten sein. Dies würde einer vorhersehbaren und rechtssicheren Wertermittlung widersprechen.

3. Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat angenommen, dass sich die zeitliche Anwendbarkeit der [X.] nach dem Zeitpunkt der Gutachtenerstellung richte und deshalb im Streitfall aufgrund der Erstellung des im [X.]-Verfahren eingereichten Gutachtens im Jahr 2017 für die Bewertung des Grundstücks auf den Bewertungsstichtag 01.06.2009 die Vorschriften der [X.] anzuwenden, jedoch nicht beachtet worden seien. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das im [X.]-Verfahren beigebrachte Gutachten ist in einer Vielzahl seiner Ausführungen (Grundstücksgröße, Grundstückslage, Art der Nutzung usw.) plausibel, kann jedoch in seiner derzeitigen Fassung wegen der Ermittlung des [X.] unter Heranziehung eines von dem örtlichen Gutachterausschuss für einen anderen Straßenabschnitt ermittelten Bodenrichtwerts und wegen der Beachtung der --auf den Bewertungsstichtag 01.06.2009 nicht anwendbaren-- [X.] bei der Ermittlung der von dem Gutachter herangezogenen Liegenschaftszinssätze 2012 nicht als Nachweis für den von dem Kläger für zutreffend gehaltenen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks dienen. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen, um dem Kläger die Gelegenheit zu geben, das im [X.]-Verfahren eingereichte Gutachten nachzubessern (vgl. [X.]-Urteil vom 03.12.2008 - II R 19/08, [X.]E 224, 268, [X.], 403, unter II.3.).

5. Für den zweiten Rechtsgang wird aus Gründen der [X.] auf Folgendes hingewiesen:

a) Werden für die Ermittlung des [X.] des Grundstücks im Gutachten mehrere durch den örtlichen Gutachterausschuss veröffentlichte [X.] herangezogen, ist von diesen für das Grundstück ermittelten [X.]n auszugehen. Einseitig herangezogen kann weder --wie das [X.] meint-- nur der für die Straßenseite der [X.] ermittelte Wert (5.500 €/qm bei [X.] von 4,5) noch --wie in der derzeitigen Fassung des beim [X.] eingereichten Gutachtens geschehen-- der für einen anderen Straßenabschnitt der [X.] (Mischgebiet "[X.]") und eine andere Bodenrichtwertzone (1166) ermittelte Bodenrichtwert (900 €/qm bei [X.] von 3,0).

aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind zur Ermittlung des Verkehrswerts das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Wert der baulichen Anlagen, insbesondere der Gebäude, getrennt von dem Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags nach den §§ 16 bis 19 [X.] zu ermitteln (§ 15 Abs. 1 [X.]). Der Bodenwert ist in der Regel im Vergleichswertverfahren (§§ 13 und 14 [X.]) zu ermitteln. Bei Anwendung des [X.] sind Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale (§§ 4 und 5 [X.]) mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen ([X.]). Finden sich in dem Gebiet, in dem das Grundstück gelegen ist, nicht genügend Kaufpreise, können auch [X.] aus vergleichbaren Gebieten herangezogen werden (§ 13 Abs. 1 [X.]). Zur Ermittlung des [X.] können neben oder anstelle von Preisen für [X.] auch geeignete [X.] herangezogen werden. [X.] sind geeignet, wenn sie entsprechend den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklungszustand gegliedert und nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Erschließungszustand und jeweils vorherrschender Grundstücksgestalt hinreichend bestimmt sind (§ 13 Abs. 2 [X.]). [X.] sind überdies geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Dann kann davon ausgegangen werden, dass das Grundstück nach seinen tatsächlichen Eigenschaften und rechtlichen Gegebenheiten, aufgrund gleicher Struktur und Lage im Zeitpunkt der [X.]rmittlung ein annähernd gleiches Preisniveau aufweist wie die Grundstücke, deren Lagewert für die Bestimmung des Bodenrichtwerts in dieser Zone herangezogen wurde (vgl. Vorwort zu den [X.]n 01.01.2012, Geschäftsstelle des [X.] --Vorwort-- unter 1. Begriffsbestimmung).

bb) Im Streitfall sind grundsätzlich zwei [X.] für die Ableitung des [X.] geeignet. Da das betreffende Grundstück teils an der Straßenseite der [X.] liegt und teils von dort in die Tiefe verläuft, ist zum einen der für die [X.] ermittelte Bodenrichtwert von 5.500 €/qm und einer [X.] von 4,5 einschlägig. Dieser gilt nur für den Teil des Grundstücks, der direkt an der [X.] liegt ([X.]). Nach dem Vorwort (unter 1. Begriffsbestimmungen, 7. Absatz) werden Straßenzüge mit vorhandenen [X.]en symbolhaft als Band dargestellt. Ein Rückschluss aus Breite bzw. Durchmesser der Symbole auf eine allgemein zu unterstellende Grundstückstiefe ist fachlich unzulässig. Zum anderen ist der für die Adresse des Grundstücks unter der [X.]. 2106 ermittelte Bodenrichtwert von 500 €/qm und einer [X.] von 2,0 (Platzwert) anwendbar. In welchem Umfang das [X.] jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist, ist im Rahmen einer Einzelbewertung (vgl. § 194 BauGB) zu entscheiden.

b) Die Herleitung des [X.]es in dem im [X.]-Verfahren beigebrachten Gutachten ist unzutreffend. Auszugehen ist im Streitfall von dem gesetzlichen [X.] in Höhe von 5,5 %.

aa) Hinsichtlich der für die steuerrechtliche Bewertung maßgebenden Liegenschaftszinssätze bestimmt § 188 Abs. 2 Satz 1 [X.], dass die von den Gutachterausschüssen i.S. der §§ 192 ff. BauGB ermittelten örtlichen Liegenschaftszinssätze anzuwenden sind. Die Anwendung von Liegenschaftszinssätzen für die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaftsteuer setzt weiter voraus, dass sie für den Bewertungsstichtag (§ 11 des [X.]) ermittelt werden. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss kommt es für ihre zeitliche Anwendung hingegen nicht an. Sind zum Zeitpunkt der Feststellung des [X.] für Zwecke der Erbschaftsteuer den Finanzbehörden keine geeigneten Liegenschaftszinssätze mitgeteilt worden --etwa weil die durch den Gutachterausschuss berechneten und den Finanzbehörden übermittelten Liegenschaftszinssätze nicht den [X.], sind die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 [X.] heranzuziehen ([X.]-Urteil vom 18.09.2019 - II R 13/16, [X.]E 266, 51, Rz 20 f.).

bb) Nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] ist für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, ein [X.] von 5,5 % anwendbar. Im Streitfall beträgt danach der [X.] 5,5 %, da sich der gewerbliche Anteil (Nutzfläche) des Grundstücks auf 13 % beläuft. Von dem örtlichen Gutachterausschuss stehen für den Bewertungsstichtag 01.06.2009 keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung. Die Liegenschaftszinssätze 2012 sind nicht für eine Wertermittlung zum 01.06.2009 anzuwenden. Zwar wurden ihrer Ermittlung Kaufverträge aus den Jahren 2007 bis 2011 mit unterschiedlichen Liegenschaftszinssätzen für 2007 und 2011 einerseits sowie 2008 bis 2010 andererseits zu Grunde gelegt. Bei der Ableitung der Liegenschaftszinssätze 2012 orientierte sich der Gutachterausschuss jedoch an den Vorgaben der [X.] (vgl. Vorbemerkung zu den [X.], [X.], S. 793; vgl. [X.] in [X.]E 266, 51, Rz 2). Für die Ermittlung zum Stichtag 01.06.2009 sind jedoch die Vorgaben der bis 30.06.2010 gültigen [X.] maßgebend.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 1/18

16.09.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 22. November 2017, Az: 3 K 3208/14, Urteil

§§ 194ff BauGB, § 194 BauGB, § 198 BewG 1991, § 7 Abs 1 S 1 WertV, §§ 13ff WertV, § 13 WertV, ImmoWertV, § 157 Abs 3 S 1 BewG 1991, § 11 ErbStG, § 188 Abs 2 S 2 Nr 2 BewG 1991, § 199 Abs 1 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2020, Az. II R 1/18 (REWIS RS 2020, 3380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3380

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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