Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2008, Az. XI ZB 11/07

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 6163

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[X.] [X.] vom 15. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________

ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2 A Die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung nach Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist beträgt nicht zwei Wochen sondern nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat. Das Motiv des Gesetzgebers, der [X.] nach Gewährung von Prozesskostenhilfe ausreichend [X.] zur Begründung des Rechtsmittels einzuräumen, rechtfertigt es nicht, abweichend vom Wortlaut § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf andere Fälle einer Ver-säumung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels nicht an-zuwenden. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2008 - [X.] - OLG Frankfurt a.M.

LG Limburg - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] h.c. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Ellenberger, [X.] und [X.] am 15. Januar 2008 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Be-schluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2007 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist gewährt. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht [X.]. [X.]: 23.760,45 •
- 3 - Gründe: [X.] 1 Der Beklagte hat gegen das Urteil des [X.] vom 23. August 2006, zugestellt am 29. August 2006, am 18. September 2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungs-frist bis zum 29. November 2006 mit [X.] vom 24. November 2006, beim [X.] eingegangen am 5. Dezember 2006, begründet. Nachdem die Klägerin mit [X.] vom 20. Dezember 2006 auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, hat er am 17. Januar 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Seine Prozessbevollmächtigten I[X.] Instanz haben dazu unter [X.] einer eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt [X.]im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufungsbegründung sei am 24. November 2006 gefertigt, unterzeichnet, kuvertiert, frankiert und nachmittags in einen Briefkasten der Post geworfen worden. Nach den regelmäßigen Brieflaufzeiten sei mit einem Eingang der [X.] beim [X.] am folgenden Werktag, spätestens aber am 26. November 2006 zu rechnen gewesen. Die verzögerte Zu-stellung des Briefes mit der [X.] durch die [X.] erst am 5. Dezember 2006 hätten der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigten nicht zu vertreten. 2 Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wieder-einsetzung in den vorigen Stand und seine Berufung als unzulässig ver-3 - 4 - worfen, da die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beantragt und die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Ober-landesgericht eingegangen sei.
I[X.] 1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist zuläs-sig, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-dung des [X.] erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungs-frist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbin-dung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den [X.] eingerichteten Instanzen in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.] 74, 228, 234; [X.] NJW 2005, 814, 815; [X.]Z 151, 221, 227). Da das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unter 2. b) davon ausgegangen ist, das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten sei nicht fristgerecht ge-stellt und die Berufungsbegründung nicht fristgerecht nachgeholt worden, hat es dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt. 4 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 5 - 5 - a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-gen, dass die bis zum 29. November 2006 verlängerte Frist zur [X.] der Berufung gegen das am 29. August 2006 zugestellte Urteil des [X.] bei Eingang der Berufungsbegründung am 5. Dezember 2006 abgelaufen war. 6 b) Das Berufungsgericht hat aber den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 17. Januar 2007 gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht als unzulässig verworfen. Der Beklagte hat seinen Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt und die [X.] nachgeholt. Die Monatsfrist hat frühestens mit Eingang der Berufungserwiderung der Klägerin vom 20. Dezember 2006, in der die Verspätung der Berufungsbegründung geltend gemacht wurde, bei den Prozessbevollmächtigten des Beklagten begonnen. 7 Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, beträgt die Frist für ein Wiedereinsetzungsgesuch bei Versäumung der [X.]sfrist nicht zwei Wochen, sondern gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat nach Behebung des Hindernisses. Mit der [X.] des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch das [X.] vom 24. August 2004 ([X.]) hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien zwar in erster Linie das Ziel verfolgt, dem Rechtsmittelführer nach der Gewährung von [X.] zur Begründung des Rechtsmittels eine Frist von einem Monat zur Verfügung zu stellen (BT-Drucks. 15/1508 S. 17). Dies recht-fertigt es aber nicht, § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Fälle der nachträglichen Bewilligung von [X.] - 6 - zesskostenhilfe anzuwenden. In den Gesetzesmaterialien heißt es aus-drücklich, durch die Gesetzesänderung solle —[X.] [X.] werden, dass nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe der [X.] ein Monat [X.] für die Rechtsmittelbegründung bleibe. Daraus ist zu ent-nehmen, dass die verlängerte Frist nach dem Willen des Gesetzgebers auch in anderen Fällen als dem der nachträglichen Bewilligung von [X.] gelten soll ([X.], 1262; s. auch [X.], 1771; Hk-ZPO/[X.], 2. Aufl. § 234 Rdn. 2). Für eine den Wortlaut missachtende einschränkende Auslegung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wie sie in der Literatur vereinzelt befürwortet bzw. erwogen wird (vgl. [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 234 Rdn. 1; [X.]/[X.] NJW 2004, 2857, 2863), ist deshalb kein Raum. Das gilt beson-ders, da dem Gebot der [X.] bei der Auslegung gesetzli-cher Vorschriften über Fristen besonderes Gewicht zukommt. c) Das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten ist auch begrün-det. Der Beklagte hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt [X.]glaubhaft gemacht, dass er ohne sein [X.] verhindert war, die bis zum 29. November 2006 verlängerte [X.] einzuhalten (§ 233 ZPO). Die [X.] wurde bereits am Nachmittag des 24. November 2006, ei-nem Freitag, frankiert in einen Briefkasten der Post in W. geworfen. Angesichts der regelmäßigen Brieflaufzeiten durften die Pro-zessbevollmächtigten des Beklagten darauf vertrauen, die [X.] werde am Sonnabend, dem 25. November 2006, spätestens aber am Montag, dem 27. November 2006 und damit innerhalb der [X.] Berufungsbegründungsfrist beim [X.] F.

eingehen. Die danach verzögerte Zustellung der [X.] - 7 - gründungsschrift durch die [X.], die erst am 5. Dezember 2007 erfolgte, darf dem Beklagten nach ständiger Rechtsprechung nicht als Verschulden angerechnet werden ([X.] NJW 1995, 1210, 1211; [X.] NJW-RR 2000, 726; [X.]Z 105, 116, 118 f.; [X.], Beschluss vom 9. Februar 1998 - [X.], NJW 1998, 1870; [X.], Beschluss vom 30. September 2003 - [X.], NJW 2003, 3712, 3713; [X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 - [X.]I ZB 32/07, NJW 2007, 2278, 2279).
3. Dem Beklagten war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren mit der Folge, dass die Verwerfung der Berufung gegen-standslos ist. 10 [X.] [X.] Ellenberger

Grüneberg [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 23.08.2006 - 2 O 103/06 - [X.], Entscheidung vom 19.02.2007 - 17 U 229/06 -

Meta

XI ZB 11/07

15.01.2008

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2008, Az. XI ZB 11/07 (REWIS RS 2008, 6163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 6163

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Beginn der Wiedereinsetzungsfrist bei krankheitsbedingter Hinderung an der Einhaltung der bereits verlängerten Berufungsbegründungsfrist


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