Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.03.2012, Az. I ZR 202/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8360

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß durch Spitzenstellungswerbung im Internet-Auftritt einer Warenhausgruppe: Bestimmung des maßgeblichen Vergleichsmarktes - Marktführer Sport


Leitsatz

Marktführer Sport

Bei dem Verständnis des für die Spitzenstellung maßgeblichen Vergleichsmarkts zieht der durchschnittlich verständige Verkehrsteilnehmer erfahrungsgemäß die übrigen Marktteilnehmer nur insoweit in Betracht, als sie ihm in tatsächlicher Hinsicht mit dem die Spitzenstellung beanspruchenden Marktteilnehmer vergleichbar erscheinen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 24. Juli 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte, die [X.] Warenhaus GmbH, betreibt in [X.] Warenhäuser. Ihre Internetseite enthielt im August 2007 unter der Rubrik „Das Unternehmen“ die Angabe: „[X.] ist Marktführer in den [X.] Mode und Sport“.

2

Die Klägerin, die [X.] tätigen [X.], hat die Angabe zum [X.] als irreführend beanstandet. Die in ihrem Verbund unter dem [X.] auftretenden [X.] hätten im Geschäftsjahr 2005/06 zusammen einen Jahresumsatz von 1 Mrd. € erzielt. Der Jahresumsatz der Beklagten liege dagegen nur bei 440 Mio. €.

3

Die Klägerin hat mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage beantragt,

der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im Wettbewerb handelnd mit folgender Aussage zu werben: „[X.] ist Marktführer im [X.].“

4

Ferner hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 3.914,80 € nebst Zinsen begehrt.

5

Die Beklagte hat die beanstandete Angabe als zutreffend verteidigt, weil sie das umsatzstärkste Einzelunternehmen auf dem [X.] in [X.] sei. Die in der Klägerin zusammengefassten [X.] würden nicht als einheitlicher Marktteilnehmer angesehen.

6

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als nach §§ 8, 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG begründet erachtet und der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:

8

Die beanstandete Werbeaussage sei irreführend und damit unlauter. Ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs könne sie dahingehend verstehen, dass die [X.] mehr Umsätze mache als jede andere Gruppierung von Unternehmen, die gemeinsam auf diesem Markt aufträten. In dieser [X.] sei die Aussage nach dem unstreitigen Parteivorbringen unrichtig, weil die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unternehmen gemeinsam einen höheren Gesamtumsatz mit Sportartikeln erzielten als die [X.].

9

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht seine Annahme, die Aussage der [X.]n über ihre Marktführerschaft im [X.] Sport sei irreführend.

1. Der auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtete Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung - vorliegend im August 2007 - wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 5. Mai 2011 - I ZR 157/09, [X.], 1153 Rn. 12 = [X.], 1593 - [X.], mwN). Demgegenüber kommt es für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2010 - [X.], [X.], 1120 Rn. 17 = [X.], 1495 - Vollmachtsnachweis, mwN).

Im Streitfall ist es nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden. Die von der Klägerin beanstandete Angabe der [X.]n erfüllt sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als auch diejenigen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der jetzt geltenden Fassung. Der hier allein in Betracht kommende Unlauterkeitstatbestand der irreführenden unternehmensbezogenen Werbung hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/[X.] ebenfalls keine Änderung erfahren. Sowohl § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 als auch § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG nennen als Beispiele für eine Irreführung insbesondere irreführende Angaben über die Eigenschaften oder die Befähigung des Unternehmers (vgl. [X.], Urteil vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 352 Rn. 10 = [X.], 636 - Hier spiegelt sich Erfahrung).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Mitbewerberin der [X.]n im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist. Die Klägerin betreibt zwar selbst kein Einzelhandelsunternehmen für Sportartikel. Sie fördert aber als Verbundgruppe von Sportfachgeschäften die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder und bemüht sich damit indirekt um dieselben Abnehmerkreise wie die [X.]. Damit besteht zwischen der Klägerin und der [X.]n ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2011 - I ZR 147/09, [X.], 74 Rn. 20 = [X.], 77 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 30. Aufl., § 2 Rn. [X.] mwN).

3. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angesprochenen Verkehrskreise würden durch die beanstandete Werbeaussage, die [X.] sei „Marktführerin im [X.] Sport“, in unlauterer Weise irregeführt.

a) Für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung einer Spitzen oder Alleinstellungsbehauptung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG 2008 ist entscheidend, ob das, was in der Werbeaussage nach der Auffassung des Umworbenen behauptet wird, sachlich richtig ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 2.150). Mit der Eigendarstellung in ihrem an die Allgemeinheit gerichteten Internetauftritt wirbt die [X.] für ihr Unternehmen im Bereich des Einzelhandels mit Sportartikeln. Die Werbung richtet sich mithin an das allgemeine Publikum, das solche Waren regelmäßig nachfragt.

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Angabe zur Marktführerschaft der [X.]n sei mehrdeutig. Sie könne in einer ihrer [X.]n von einem nicht unmaßgeblichen Teil des angesprochenen Verkehrs dahin verstanden werden, dass die [X.] mehr Umsätze mache als jede andere Gruppierung von Unternehmen, die gemeinsam auf diesem Markt aufträten. In dieser [X.] sei die Aussage falsch. Dies rechtfertige die Annahme einer wettbewerbswidrigen Irreführung, weil es ausreiche, dass ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die Angabe in einem nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechenden Sinn verstehe.

c) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Werbende im Fall der Mehrdeutigkeit seiner Werbeaussage die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen muss (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 1999 - I ZR 131/97, [X.], 436, 438 = [X.], 383 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 2.111 mwN).

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt es für eine wettbewerblich relevante Irreführung aber nicht, dass die Werbung nur von einem nicht ganz unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs in unrichtiger Weise verstanden wird.

Der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Senatsentscheidung „Königl.-Bayerische Weisse“ (Urteil vom 21. Februar 1991 - [X.], [X.], 66 = [X.], 473) angelegte Maßstab entstammt einem überholten [X.], wie es in der bis Anfang der 1990er Jahre verwendeten Formel vom oberflächlichen, flüchtigen Verbraucher zum Ausdruck gebracht wurde. Maßstab ist jedoch - worauf der Senat seit 1999 in ständiger Rechtsprechung hinweist - der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Oktober 1999 - I ZR 167/97, [X.], 619, 621 = [X.], 517 - Orient-Teppichmuster; Urteil vom 2. Oktober 2003 - [X.], [X.]Z 156, 250, 252 - Marktführerschaft; Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, [X.], 184 Rn. 19 = [X.], 194 - [X.]). Infolge dessen hat sich der für eine wettbewerblich relevante Irreführung erforderliche Anteil des angesprochenen Verkehrs, der aufgrund der Werbung einer Fehlvorstellung unterliegt, nach oben verschoben. Eine Werbung ist nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über die Eigenschaften oder die Befähigung des Unternehmers hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 252/01, [X.], 162, 163 = [X.], 225 - Mindestverzinsung; Urteil vom 29. März 2007 - [X.], [X.], 1079 Rn. 38 = [X.], 1346 - Bundesdruckerei; Urteil vom 26. Februar 2009 - [X.], [X.], 888 Rn. 18 = [X.], 1080 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 2.20 f. und 2.169).

d) Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, dass es davon ausgegangen ist, die beanstandete Werbeaussage der [X.]n werde von einem erheblichen Teil der durchschnittlich informierten, verständigen und [X.] aufmerksamen Verbraucher dahingehend verstanden, die [X.] mache mehr Umsätze als jede andere Gruppierung von Unternehmen, die gemeinsam auf dem hier in Rede stehenden Markt auftreten. Bei der Beurteilung der Frage, wann ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs einer Irreführung unterliegt, ist zwar nicht von festen Prozentsätzen auszugehen, da die hierfür erforderliche normative Bewertung maßgeblich von der Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls abhängt (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 2.105; MünchKomm.UWG/[X.], § 5 Rn. 174). Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung jedoch ersichtlich eine zu geringe Irreführungsquote zugrunde gelegt, weil es darauf abgestellt hat, dass lediglich ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die hier in Rede stehende Angabe in einem nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechenden Sinn versteht. Das reicht für die Annahme einer wettbewerblich relevanten Irreführung nicht aus.

4. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann die beanstandete Werbebehauptung der [X.]n nicht wegen Irreführung des angesprochenen Verkehrs gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG 2008 untersagt werden.

a) Da sich die Werbung der [X.]n an das allgemeine Publikum richtet und das Berufungsgericht seine Würdigung unter Heranziehung der Lebenserfahrung vorgenommen hat, kann der Senat selbst beurteilen, wie die beanstandete Werbebehauptung von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst wird (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/98, [X.], 182, 184 = [X.], 74 - [X.]). Eine für die breite Öffentlichkeit bestimmte Werbung, die nach ihrem Wortsinn eine Allein oder Spitzenstellung beansprucht, wird dabei gewöhnlich auch von einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise entsprechend diesem Wortsinn verstanden (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 1998 - [X.], [X.], 951, 952 f. = WRP 1998, 861 - Die große [X.] Tages- und Wirtschaftszeitung). Dabei ist der Gesamteindruck maßgeblich, den die werbliche Darstellung vermittelt (vgl. [X.], [X.], 352 Rn. 11 - Hier spiegelt sich Erfahrung).

b) Im Streitfall wird ein erheblicher Teil des Verkehrs die Berühmung als „Marktführer“ im [X.] Sport nach dem Wortsinn der Angabe so verstehen, dass die [X.] unter allen Marktteilnehmern den größten Marktanteil einnimmt. Bezeichnet der Werbende sein Unternehmen als „führend“ in der Branche, so erwartet der Verkehr zwar oftmals weniger eine quantitative als eine qualitative Alleinstellung (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 5.83; Fezer/[X.], UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 389). Bei der hier in Rede stehenden Werbung wird der angesprochene Verkehr die behauptete Marktführerschaft allerdings nicht vorrangig in qualitativer Hinsicht - etwa im Hinblick auf das breiteste Warenangebot - verstehen. Der Verkehr wird - wie auch vom Berufungsgericht angenommen - darin vielmehr die quantitative Angabe sehen, dass die [X.] den größten Umsatz auf dem [X.] erzielt.

Wie sich aus der Anlage [X.] ergibt, auf die sowohl das [X.] als auch das Berufungsgericht Bezug genommen haben, hat die [X.] in ihrem Internetauftritt unter der Rubrik „Das Unternehmen“ in erster Linie quantitative Merkmale ihres Unternehmens dargestellt. Sie hat unmittelbar vor der Angabe zur Marktführerschaft auf den von ihr im Jahr 2006 insgesamt erwirtschafteten Umsatz von 4,9 Mrd. € hingewiesen. Diese Darstellung vermittelt dem angesprochenen Verkehr den Eindruck, dass die [X.] ihre Spitzenstellungsbehauptung auf den von ihr im [X.] Sport erwirtschafteten Umsatz bezogen hat.

c) Bei dem Verständnis des für die Spitzenstellung maßgeblichen [X.]s wird der durchschnittlich verständige Verkehrsteilnehmer erfahrungsgemäß die übrigen Marktteilnehmer nur insoweit in Betracht ziehen, als sie ihm in tatsächlicher Hinsicht mit der [X.]n vergleichbar erscheinen, um ihnen das beworbene Leistungsmerkmal in gleicher Weise wie der [X.]n zuordnen zu können. Dass hierzu die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unternehmen insgesamt zählen, hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

aa) Die [X.] präsentiert sich in ihrem Internetauftritt als ein Einzelhandelsunternehmen, das 90 große Warenhäuser und 32 [X.] betreibt, einen Marktanteil am [X.]n Kauf- und Warenhausgeschäft von 38% hat und etwa 32.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Verkehr wird demzufolge als vergleichbare Marktteilnehmer nur die auf dem [X.] in [X.] tätigen Einzelunternehmen ansehen. Da sich die [X.] nur als ein Einzelhandelsunternehmen darstellt, wird der Verkehr den Vergleich lediglich mit solchen Unternehmen vornehmen, die ihren Umsatz ebenfalls als einzelnes Unternehmen erzielen. Erfahrungsgemäß verfügt das von der Werbung angesprochene allgemeine Publikum allerdings nicht über Kenntnisse hinsichtlich der rechtlichen Organisation solcher Unternehmen, die mit mehreren Verkaufsstätten am Markt vertreten sind. Dementsprechend werden die hier angesprochenen Verkehrskreise in den [X.] - neben Unternehmen, die unselbständige Zweigniederlassungen betreiben - auch solche rechtlich selbständigen Marktteilnehmer einbeziehen, die gemeinsam wie eine wirtschaftliche Einheit am Markt auftreten und so auch wahrgenommen werden. Dagegen wird der angesprochene Verkehr bei Unternehmen, die sich zwar in Teilbereichen zum gemeinsamen Handeln zusammengeschlossen haben, dem Publikum aber weiterhin als individuelle Marktteilnehmer erscheinen, bei der hier in Rede stehenden Umsatzerzielung nur das wirtschaftliche Handeln jedes einzelnen Unternehmens und nicht das der gesamten Gruppe in den Blick nehmen.

bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Verkehr nehme bei der Beurteilung der Marktanteile an, bei den in der Klägerin zusammengeschlossenen Unternehmen handele es sich um einen einheitlichen Anbieter. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Berufungsgericht auch insoweit nur auf das Verständnis eines nicht ganz unmaßgeblichen Teils des angesprochenen Verkehrs abgestellt hat. Da eine Werbung aber nur dann als irreführend verboten werden kann, wenn sie bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs zu einer Fehlvorstellung führt, ist es auch für die Frage, wie der [X.] zu bewerten ist, nicht ausreichend, allein auf die Sicht eines nicht ganz unmaßgeblichen Teils des Verkehrs abzustellen.

cc) Die Revision rügt zudem mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zur Beurteilung des Verkehrsverständnisses hinsichtlich des Marktauftritts der in der Klägerin zusammengeschlossenen Einzelunternehmen drei Publikationen zum [X.] herangezogen hat. Das Verständnis des Verkehrs vom Marktauftritt der in der Klägerin gruppierten Einzelunternehmen wird erfahrungsgemäß nicht dadurch maßgeblich bestimmt, wie ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe in einzelnen Presseberichten dargestellt wird, weil die jeweilige Darstellung vom Kenntnisstand des [X.] und der Zielrichtung der Berichterstattung abhängt. Dies muss nicht mit dem Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers übereinstimmen, an den sich die - wie im Streitfall - allgemeine Publikumswerbung richtet. Maßgeblich dafür, wie ein Zusammenschluss von Einzelunternehmen vom Verkehr angesehen wird, ist vielmehr der Umstand, wie die einzelnen Unternehmen dem Verkehr auf dem Markt tatsächlich entgegentreten.

d) Legt man dies zugrunde, kann die Unrichtigkeit der Spitzenstellungsbehauptung bislang nicht angenommen werden. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die [X.] zum Zeitpunkt der beanstandeten Werbung umsatzstärker als jedes andere Einzelunternehmen auf dem [X.]. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine sonstige Unternehmensgruppe, die am Markt als wirtschaftliche Einheit wahrgenommen wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt umsatzstärker war als die [X.].

III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der [X.]n aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil Feststellungen dazu zu treffen sind, wie das von der Werbung angesprochene allgemeine Publikum die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unternehmen wahrnimmt.

IV. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, wie die in dem von der Klägerin als Anlage [X.] vorgelegten [X.] enthaltenen Vorgaben von den angeschlossenen Unternehmen umgesetzt werden.

1. Nach den Vorgaben im [X.] ist vorgesehen, dass die einzelnen [X.] nicht allein unter der gemeinsamen Geschäftsbezeichnung [X.] auftreten, sondern dass dieser Bezeichnung sowohl in der Werbung als auch bei der Fassadengestaltung und in der Geschäftskorrespondenz jeweils die individuelle Bezeichnung des Einzelunternehmens beigefügt wird. Diese Vorgaben sind insoweit allerdings nicht auf eine bestimmte Gestaltungsform beschränkt, sondern geben dem jeweiligen Unternehmen in gewissem Umfang einen Gestaltungsspielraum in der optisch stärker hervorgehobenen oder aber mehr zurückgenommenen Verwendung der individuellen Unternehmensbezeichnung gegenüber der [X.]-Bezeichnung.

2. Bei der Beurteilung, ob ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die [X.] als wirtschaftliche Einheit oder als eigenständig betrachtet, ist ferner zu berücksichtigen, wie die individuelle Unternehmensbezeichnung der [X.] gegenüber dem Verkehr verwendet wird.

Der Umstand, dass die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unternehmen im Rahmen des ihnen eröffneten Gestaltungsspielraums überhaupt ihr individuelles Unternehmenskennzeichen neben der [X.]-Bezeichnung verwenden, ließe für sich genommen allerdings noch nicht die Annahme zu, dass diese Unternehmen generell nur als selbständige Einzelunternehmen wahrgenommen würden. Dem Verkehr ist zwar bekannt, dass sich auch kleinere, unabhängige Unternehmen unter Verwendung einer gemeinsamen Bezeichnung zum gemeinsamen Einkauf oder zur gemeinsamen Werbung zusammenschließen, um ihre individuelle Wettbewerbsfähigkeit gerade gegenüber den marktstärkeren Unternehmen zu bewahren. Solange diese Unternehmen gegenüber dem allgemeinen Publikum ihre Eigenständigkeit hervorheben, wird der Verkehr daher eher auf die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Unternehmens für sein wirtschaftliches Handeln schließen und dementsprechend auch den in der Umsatzerzielung zum Ausdruck gebrachten wirtschaftlichen Erfolg dem Einzelunternehmen und nicht dem Verbund zuordnen. Das Publikum wird die Individualisierung und die ihm dadurch vermittelte wirtschaftliche Eigenständigkeit jedes Einzelunternehmens aber nur dann in den Blick nehmen, wenn die individuelle Unternehmensbezeichnung nicht nur untergeordnet im Hintergrund verbleibt.

[X.]                                               Pokrant                                       Büscher

                               Schaffert                                            Koch

Meta

I ZR 202/10

08.03.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 24. Juli 2008, Az: 29 U 2293/08

§ 5 Abs 1 S 2 Nr 3 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.03.2012, Az. I ZR 202/10 (REWIS RS 2012, 8360)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8360

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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