Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2012, Az. AnwZ (Brfg) 58/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 5320

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Gegenstand

Anwaltgerichtliches Verfahren: Wirksamkeit der Eigenvertretung eines Rechtsanwalts trotz Anordnung des Sofortvollzugs des Zulassungswiderrufs


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.] Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] vom 4. August 2011 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die [X.]eklagte hat mit [X.]escheid vom 22. Juli 2010 die Zulassung des [X.] mit der [X.]egründung widerrufen, er unterhalte nicht die vorgeschriebene [X.]erufshaftpflichtversicherung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 [X.]). Zugleich hat sie den Sofortvollzug der Widerrufsverfügung angeordnet. Den gegen den [X.] und den Sofortvollzug gerichteten Widerspruch des [X.] hat die [X.]eklagte mit [X.]escheid vom 15. November 2010 zurückgewiesen. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage ist vor dem [X.] ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit seinem Antrag auf Zulassung der [X.]erufung. In diesem Verfahren vertritt sich der Kläger selbst. Die [X.]eklagte zieht im Hinblick auf den angeordneten Sofortvollzug die Postulationsfähigkeit des [X.] in Zweifel.

II.

2

Der nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ist zulässig, insbesondere hat der Kläger, der sich selbst vertritt, bei Einlegung und [X.]egründung des Antrags auf Zulassung der [X.]erufung nicht die zur Wirksamkeit dieser Prozesshandlungen erforderliche Postulationsfähigkeit eingebüßt. Der Kläger konnte sich trotz des angeordneten Sofortvollzugs der Widerrufsverfügung wirksam selbst vertreten.

3

1. Nach § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 1, 2 VwGO müssen sich die [X.]eteiligten in einem vor dem [X.] geführten [X.]erufungsverfahren und in einem diesem vorgeschalteten Zulassungsverfahren (§ 124a Abs. 4 VwGO) durch einen [X.]echtsanwalt vertreten lassen. Ein [X.]eteiligter, der selbst [X.]echtsanwalt ist, kann sich dabei auch selbst vertreten (§ 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 3, 8, Abs. 2 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist noch als [X.]echtsanwalt zugelassen, weil die Zulassung zur [X.]echtsanwaltschaft erst dann erlischt, wenn der Widerruf bestandskräftig geworden ist (§ 13 [X.]). Die Postulationsfähigkeit des [X.], also die Fähigkeit, im eigenen Namen rechtswirksam prozessual handeln zu können ([X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., Vor § 50 [X.]n. 16), ist - anders als die [X.]eklagte meint - auch nicht deswegen entfallen, weil die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung von der [X.]eklagten angeordnet und vom [X.] bestätigt worden ist.

4

2. Die Anordnung des Sofortvollzugs des [X.]s hat zwar gemäß § 14 Abs. 4 [X.] zur Folge, dass die für die Verhängung eines vorläufigen [X.]erufs- oder Vertretungsverbots (§ 150 [X.]) geltenden [X.]estimmungen der § 155 Abs. 2, 4 und 5, § 156 Abs. 2 [X.] entsprechend anzuwenden sind. Dies bedeutet, dass der Kläger nicht mehr befugt ist, seine [X.]echtsanwaltstätigkeit auszuüben (§ 155 Abs. 2 [X.]). Auch eine Vertretung in eigenen Angelegenheiten ist ihm verwehrt, soweit es sich um ein Verfahren handelt, in dem eine Vertretung durch Anwälte geboten ist (§ 155 Abs. 4 [X.]). Anders als der Kläger meint, unterliegt auch die Einlegung und [X.]egründung eines Antrags auf Zulassung der [X.]erufung dem Anwaltszwang (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 25/11, juris [X.]n. 8, 9). Dass § 67 Abs. 4 Satz 4 bis 7, Abs. 2 Satz 1 VwGO in bestimmten Fällen eine Vertretung durch Personen erlaubt, die nicht als Anwälte zugelassen sind, ändert nichts daran, dass außerhalb der dort genannten Fallgestaltungen stets eine Vertretung durch einen [X.]echtsanwalt geboten ist, also Anwaltszwang herrscht.

5

3. Die vom Kläger gleichwohl vorgenommenen [X.]echtshandlungen sind jedoch als wirksam zu behandeln.

6

a) Dies folgt aus § 155 Abs. 5 Satz 1, § 14 Abs. 4 [X.]. Darin hat der Gesetzgeber bestimmt, dass verbotswidrig vorgenommene [X.]echtshandlungen zur Wahrung der [X.]echtssicherheit als wirksam zu gelten haben, es sei denn, es ist eine Zurückweisung des [X.]echtsanwalts nach § 156 Abs. 2 [X.] erfolgt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich der [X.]echtsanwalt bewusst über das [X.]erufs-/Tätigkeitsverbot hinwegsetzt ([X.], [X.]eschluss vom 22. Februar 2010 - [X.], [X.], 777 [X.]n. 13 ff.). Die Postulationsfähigkeit eines [X.]echtsanwalts wird also nicht dadurch beeinträchtigt, dass gegen ihn ein vorläufiges [X.]erufsverbot verhängt (§ 150 Abs. 1 [X.]) oder seine Zulassung sofort vollziehbar (vgl. § 14 Abs. 4 [X.]) widerrufen worden ist ([X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 156 [X.]n. 7). Ein dem Anwaltszwang unterliegendes [X.]echtsmittel ist daher nicht deswegen als unzulässig zu verwerfen, weil es von dem sich selbst vertretenden [X.]echtsanwalt unter Verstoß gegen § 155 Abs. 2, Abs. 4 [X.] eingelegt worden ist ([X.], [X.]eschluss vom 22. Februar 2010 - [X.], aaO [X.]n. 8, 13 ff.).

7

b) Allerdings will der [X.] [X.] im Einklang mit Stimmen im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung den Anwendungsbereich des § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] dahin einschränken, dass diese [X.]estimmung nicht gelten soll, wenn durch das verbotswidrige Handeln des [X.]echtsanwalts schutzwürdige Interessen Dritter oder die [X.]echtssicherheit nicht oder nur unerheblich tangiert werden ([X.], [X.]. 2010, 173 f.; [X.], [X.]eschluss vom 15. August 2011 - [X.] 12/11 (I), juris [X.]n. 13; [X.], [X.]. 1996, 584; ähnlich [X.]/[X.], aaO, § 155 [X.]n. 17; [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2010, § 155 [X.] [X.]n. 11 f.). Eine solche Fallgestaltung liege vor, wenn sich der betroffene [X.]echtsanwalt im Streit über die Wirksamkeit des [X.]erufsverbots/des [X.]s selbst vertrete. Der Gesetzgeber wolle durch § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] aus Gründen der [X.]echtssicherheit verhindern, dass der [X.]echtsverkehr mit der Prüfung belastet werde, ob gegen den [X.]echtsanwalt ein Tätigkeitsverbot bestehe. Im Streit über die Wirksamkeit eines solchen Verbots sei aber eine solche Prüfung gerade Gegenstand des Verfahrens, so dass es das öffentliche [X.]edürfnis nach [X.]echtssicherheit nicht gebiete, [X.]echtshandlungen, die ein verbotswidrig tätiger [X.]echtsanwalt in einem solchen Verfahren vornehme, bis zu einer gesonderten Zurückweisungsentscheidung nach § 156 Abs. 2 [X.] als wirksam zu behandeln ([X.], [X.]. 2010, aaO; ähnlich [X.], [X.]eschluss vom 15. August 2011 - [X.] 12/11 (I), aaO; [X.]/[X.], aaO; [X.], aaO [X.]n. 13).

8

c) Diese einschränkende Auslegung, die zur Konsequenz hätte, dass Prozesshandlungen eines [X.]echtsanwalts gerade in den Fällen, in denen er die gegen ihn ergriffenen berufsrechtlichen Maßnahmen gerichtlich angreift, nicht  wirksam wären, wohl aber in allen anderen Fällen der ausgeschlossenen Selbstvertretung, findet im Gesetz keine Stütze.

9

aa) Der Gesetzgeber hat in § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] angeordnet, dass [X.]echtshandlungen, die von einem [X.]echtsanwalt entgegen einem Vertretungs- oder Tätigkeitsverbot vorgenommen werden, auch in den Fällen der unerlaubten Eigenvertretung nach § 155 Abs. 4 [X.] als wirksam zu behandeln sind. Die genannte Vorschrift, die gemäß § 14 Abs. 4 [X.] bei einem sofort vollziehbaren [X.] sinngemäß anzuwenden ist, gilt nach ihrem Wortlaut uneingeschränkt für alle [X.]echtshandlungen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 22. Februar 2010 - [X.], aaO [X.]n. 15). Sie findet damit auch dann Anwendung, wenn sich der [X.]echtsanwalt in einem anwaltsgerichtlichen Verfahren gegen ein verhängtes [X.]erufsverbot wendet (Senatsbeschluss vom 10. Mai 1971 - [X.] ([X.]) 8/70, NJW 1971, 1373 unter [X.] zur Wirksamkeit einer vom Anwalt selbst eingereichten [X.]evisionsbegründung) oder wenn er gerichtlich gegen einen sofort vollziehbaren [X.] vorgeht.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem mit dieser [X.]estimmung verfolgten Schutzzweck. Zwar trifft es zu, dass § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] im Interesse der [X.]echtssicherheit in die [X.]undesrechtsanwaltsordnung aufgenommen wurde ([X.][X.]-Drucks. Nr. 461/57, S. 108 - Erläuterung zu § 169 Abs. 5 [X.]-E). Die genannte [X.]egelung will den [X.]echtsverkehr mit einem [X.]echtsanwalt generell von der Prüfung freihalten, ob gegen ihn ein [X.]erufs- oder Vertretungsverbot besteht ([X.], [X.]eschluss vom 22. Februar 2010 - [X.], aaO [X.]n. 14 m.w.N.; vgl. auch [X.]eschluss vom 29. März 1990 - [X.] 39/89, [X.]Z 111, 104, 106; [X.], NJW-[X.][X.] 1995, 626, 627). Hieraus folgt aber nicht, dass verbotswidrige Prozesshandlungen des betroffenen [X.]echtsanwalts dann wirkungslos bleiben, wenn sie in gerichtlichen Verfahren vorgenommen werden, in denen die Wirksamkeit des [X.]erufs-/Tätigkeitsverbots oder des sofort vollziehbaren [X.]s Verfahrensgegenstand ist. Der Gesetzgeber hat durch nichts zu erkennen gegeben, dass er die Wirksamkeit der verbotswidrig vorgenommen [X.]echtshandlungen des betroffenen Anwalts von einer konkreten [X.]eeinträchtigung der [X.]echtssicherheit abhängig machen wollte. Er hat im Gegenteil eine generalisierende [X.]etrachtung angestellt (vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 22. Februar 2010 - [X.], aaO [X.]n. 14 ff.; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 155 [X.]n. 3) und auf Differenzierungen verzichtet.

cc) Auch der Umstand, dass die [X.]egelung über den Fortbestand der Postulationsfähigkeit in der [X.]undesrechtsanwaltsordnung selbst und nicht in einzelnen Verfahrensordnungen (etwa ZPO oder StPO) geregelt worden ist, belegt, dass der Gesetzgeber generell und unterschiedslos vermeiden wollte, dass die Postulationsfähigkeit eines entgegen § 155 Abs. 2, 4 [X.], § 14 Abs. 4 [X.] tätigen [X.]echtsanwalts in Zweifel gezogen wird und daher gerichtlich geklärt werden muss. Diese Zielsetzung greift auch dann ein, wenn ein betroffener Anwalt gerichtlich gegen ein [X.]erufs-/Tätigkeitsverbot oder einen sofort vollziehbaren Widerruf seiner Zulassung vorgeht. Zwar ist in diesen Fällen die [X.]echtmäßigkeit des [X.]s oder des Verbots im [X.]ahmen der [X.]egründetheit des [X.]echtsschutzbegehrens zu prüfen. Durch § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] wird aber vermieden, dass diese Prüfung - unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen Nichtigkeit des Widerrufsbescheids nach § 32 Abs. 1 [X.], § 44 VwVfG - schon bei der Frage der Postulationsfähigkeit anzustellen ist.  

dd) Dementsprechend hat der Senat schon in seiner länger zurückliegenden, vom [X.]n [X.] nicht berücksichtigten Entscheidung aus dem [X.] ausgesprochen, dass die Wirksamkeit einer von einem [X.]echtsanwalt eingereichten [X.]evisionsbegründung, mit der sich dieser gegen ein im ehrengerichtlichen Verfahren verhängtes [X.]erufsverbot wendet, gemäß § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] von dem [X.]erufsverbot unberührt bleibt (Senatsbeschluss vom 10. Mai 1971 - [X.] ([X.]) 8/70, aaO). Diese Grundsätze lassen sich auf den hier zu beurteilenden Fall einer Anfechtungsklage gegen einen sofort vollziehbaren [X.] ohne weiteres übertragen. Folglich wird auch in diesen Fällen die Postulationsfähigkeit des betroffenen [X.]echtsanwalts gemäß § 155 Abs. 5 Satz 1, § 14 Abs. 4 [X.] nicht beeinträchtigt.

III.

Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.

1. Der Kläger misst der Frage, ob ein Anwalt, der sich nach einem sofort vollziehbaren Widerruf seiner Anwaltszulassung im Klageverfahren vor dem [X.] selbst vertritt (§ 112c Abs. 1 Satz 1, 2 [X.], § 67 Abs. 4 Satz 1, 3, 8, Abs. 2 Satz 1 VwGO), wirksam Prozesshandlungen vornehmen kann, rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung bei (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). [X.]echtsgrundsätzliche [X.]edeutung hat eine Frage dann, wenn es sich um eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige [X.]echtsfrage handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des [X.]echts berührt (Senatsbeschluss vom 6. September 2011 - [X.] ([X.]) 5/11, juris [X.]n. 9; [X.], [X.]eschluss vom 27. März 2003 - V Z[X.] 291/02, [X.]Z 154, 288, 291; [X.], [X.], 515, 518; [X.]VerwG, NVwZ 2005, 709). Die im Streitfall aufgeworfene Frage der Postulationsfähigkeit eines [X.]echtsanwalts, der sich gegen einen sofort vollziehbaren [X.] wendet und sich im gerichtlichen Verfahren selbst vertritt, ist jedoch nicht mehr klärungsbedürftig. Der Senat hatte diese Frage bei der - vorrangig anzustellenden - Prüfung der Zulässigkeit des vom Kläger gestellten Zulassungsantrags zu klären (unter II). Die vom Senat für das Zulassungs- und [X.]erufungsverfahren aufgestellten Grundsätze gelten in gleicher Weise für das erstinstanzliche Verfahren vor dem [X.].

2. Auch der vom Kläger weiter angeführte  Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) ist nicht gegeben. Zwar hat der [X.] die Postulationsfähigkeit des [X.] anders als der [X.] [X.] ([X.]. 2010, 173 f.; [X.]eschluss vom 15. August 2011 - [X.] 12/11 (I), juris [X.]n. 11 ff.) bejaht. Nicht jede Abweichung stellt aber eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift dar. Erforderlich ist vielmehr, dass die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe [X.]echtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen [X.]echtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden [X.]echtssatz nicht deckt (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2011 - [X.] ([X.]) 5/11, aaO [X.]n. 12; [X.], [X.]eschluss vom 27. März 2003 - [X.], aaO [X.]92 f. m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben.

Der [X.] meint, in den Fällen der Anfechtung eines sofort vollziehbaren [X.]s nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 [X.] sei - auch unter [X.]erücksichtigung des Grundrechts der [X.]erufsfreiheit - vom Fortbestand der Postulationsfähigkeit des betroffenen [X.]echtsanwalts auszugehen, weil der auf eine fehlende [X.]erufshaftpflichtversicherung gestützte [X.] auf der Gefährdung der Interessen der [X.]echtsuchenden beruhe, eine solche Gefährdung aber nicht erkennbar sei, wenn der [X.]echtsanwalt vor dem [X.] um die [X.]echtmäßigkeit seiner Zulassungsentziehung streite. Demgegenüber hat der [X.] [X.] den von ihm bejahten Verlust der Postulationsfähigkeit mit einer einschränkenden Auslegung des § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] begründet, wobei er im Einklang mit der herrschenden Meinung im Schrifttum angenommen hat, die genannte [X.]estimmung finde dann keine Anwendung, wenn schutzwürdige Interessen Dritter oder die [X.]echtssicherheit nicht oder nur unerheblich tangiert würden ([X.]. 2010, aaO; [X.]eschluss vom 15. August 2011 - [X.] 12/11 (I), aaO). Der [X.] hat damit keinen von der [X.]echtsprechung des [X.]n [X.]s abweichenden abstrakten [X.]echtssatz zu § 155 Abs. 5 Satz 1 [X.] aufgestellt, sondern nur bei seiner [X.]echtsanwendung die Frage der Postulationsfähigkeit anders beurteilt als der [X.] [X.]. Hinzu kommt, dass die vom [X.]n [X.] angestellten Erwägungen ohnehin nicht tragend waren, weil dieser den vor ihm verfolgten [X.]egehren auch in der Sache den Erfolg versagt hat.

3. Weiter misst der Kläger der Sache deswegen rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung bei, weil sich im Streitfall die in einer Vielzahl von Fällen bedeutsame Frage stelle, ob das [X.]estehen des erforderlichen Haftpflichtversicherungsschutzes nur durch eine Anzeige der Versicherung nach § 51 Abs. 6 Satz 1 [X.] belegt werden könne oder ob auch andere Nachweise zulässig seien. Die aufgeworfene Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich geworden, denn der  Kläger konnte weder eine [X.]estätigung der Versicherung über den Fortbestand des Versicherungsschutzes noch ein anderes [X.]eweismittel vorlegen, das die Mitteilungen der [X.] vom 13. April 2010, vom 24. Juni 2010, vom 15. Juli 2010 und vom 17. Mai 2011, wonach der Versicherungsschutz am 18. April 2010 erloschen ist, hätte widerlegen können. Die vom Kläger angeführte Prämienzahlung reichte schon deswegen nicht als [X.]eleg für das Fortbestehen der Versicherung aus, weil der Kläger - wie im Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 15. Juli 2010 ausgeführt - nicht die nach Umstellung des Versicherungsvertrages geschuldete Prämie, sondern nur eine Folgenbeitragsrechnung aus dem alten Versicherungsverhältnis beglichen hatte.

4. Die Problematik des [X.] des Versicherungsschutzes erfüllt auch nicht die Anforderungen an den vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit (§ 112e Satz 2 [X.]; § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Eine [X.]echtssache weist dann besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden [X.]echtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten deutlich abhebt (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2011 - [X.] ([X.]) 9/10, juris [X.]n. 6; vom 6. September 2011- [X.] ([X.]) 5/11, aaO [X.]n. 7; jeweils m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen gegeben sind, hat der Kläger nicht dargelegt. Er begnügt sich mit dem - unzutreffenden - Hinweis, allein der Umstand, dass ein streitiges [X.]echtsverhältnis zu einem Dritten (Versicherungsunternehmen) zu beurteilen sei, verleihe der Sache eine über das normale Maß hinausgehende Komplexität.

5. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der [X.]ichtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger trägt - allerdings ohne [X.]eleg - vor, er habe zwischenzeitlich dafür Sorge getragen, dass der [X.]eklagten demnächst eine [X.]estätigung nach § 51 Abs. 6 Satz 1 [X.] über das [X.]estehen des gesetzlich geforderten Versicherungsschutzes zugehe. Diesen neu hervorgetretenen Umstand müsse der Senat berücksichtigen. Dies trifft nicht zu. Das seit dem 1. September 2009 geltende neue Verfahrensrecht lässt keinen [X.]aum für die [X.]erücksichtigung eines nachträglichen Wegfalls des [X.]es; Entwicklungen, die nach Abschluss des behördlichen Verfahrens eintreten, sind einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, NJW 2011, 3234 [X.]n. 9 ff.; zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). Dies gilt - anders als der Kläger meint - auch für den [X.] des § 14 Abs. 2 Nr. 9 [X.]. Entscheidend ist, dass der Widerruf einer [X.]erufserlaubnis eine auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezogene rechtsgestaltende Wirkung entfaltet und der Abschluss dieses Verfahrens zugleich eine Zäsur bewirkt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, aaO [X.]n. 15 f.). Diese [X.]echtswirkungen gelten unabhängig davon, auf welchen [X.] der [X.] gestützt ist. Art. 12 Abs. 1 GG zwingt nicht dazu, den nachträglichen Wegfall des [X.]s bereits im Anfechtungsverfahren zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, aaO [X.]n. 17 f.). Davon abgesehen hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass zwischenzeitlich wieder Versicherungsschutz besteht, so dass auch nach alter [X.]echtslage der [X.] zu bestätigen gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juni 2001 - [X.] ([X.]) 49/00, NJW 2001, 3131 unter II 2).

6. Da die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die [X.]eurteilung der [X.]echtsmäßigkeit eines [X.]s abzustellen ist, durch die grundlegende Entscheidung des Senats vom 29. Juni 2011 umfassend geklärt ist, kommt dieser Frage entgegen der Auffassung des [X.] keine rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung zu (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Im Übrigen ist diese Frage nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger einen entsprechenden Nachweis nicht vorgelegt hat.

7. Dem [X.] sind auch keine Verfahrensfehler unterlaufen (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Der [X.] war nicht gehalten, die [X.] nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen, da die Voraussetzungen für eine notwendige [X.]eiladung nicht vorlagen. Ebenso wenig musste der [X.] dem Kläger aufgeben, binnen einer von ihm gesetzten Frist das [X.]estehen des Versicherungsschutzes anderweitig gerichtlich klären zu lassen, und das hiesige Verfahren bis zum Abschluss eines solchen Verfahrens analog § 94 VwGO aussetzen.

b) Der [X.] war auch nicht verpflichtet, dem Kläger ein Erwiderungsrecht auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 26. Juli 2011 einzuräumen. Mit diesem Schriftsatz hat die [X.]eklagte nochmals vorgetragen, dass der Versicherungsschutz des [X.] am 18. April 2010 geendet habe. Dabei hat sie die Mitteilungen der Versicherungsgesellschaft über die [X.]eendigung des Versicherungsverhältnisses als Anlagen beigefügt. Der Kläger macht geltend, erstmals mit diesem Schriftsatz vom Inhalt der Mitteilungen der [X.] vom 17. Mai 2011 und vom 15. Juli 2010 Kenntnis erhalten zu haben. Dies trifft jedoch hinsichtlich des Schreibens vom 15. Juli 2010, in dem der maßgebliche Vorgang ausführlich geschildert worden ist, nicht zu. Der Inhalt dieses Schreibens wird bereits in dem Widerspruchsbescheid der [X.]eklagten vom 15. November 2010 (dort [X.]) wiedergegeben, der dem Kläger unstreitig zugegangen ist. Das weitere Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 17. Mai 2011 enthält keine über die im Widerspruchsbescheid referierten Mitteilungen hinausgehenden Erklärungen. Dementsprechend hat die [X.]eklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die dem Schriftsatz vom 26. Juli 2011 beigefügten Unterlagen dem Kläger bekannt seien. Eine Verletzung des Anspruchs des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nach alledem nicht zu erkennen.

c) Es stellt auch - anders als der Kläger meint - kein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen dar, dass der [X.] den hilfsweise gestellten Antrag des [X.] auf Wiederzulassung zur [X.]echtsanwaltschaft mit der [X.]egründung als unzulässig abgewiesen hat, der Kläger habe diese Klage erhoben, ohne zuvor das notwendige Vorverfahren nach § 68 VwGO zu betreiben. Davon abgesehen, dass insoweit allenfalls der Zulassungsgrund nach § 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der [X.]ichtigkeit des Urteils) und nicht der Zulassungsgrund nach § 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensfehler) in [X.]etracht kommt, ist die Entscheidung des [X.]s in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat den Schriftsatz vom 3. August 2011, in dem er die Stellung des [X.] angekündigt hat, der [X.]eklagten in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2011 übergeben und zugleich den Hilfsantrag verlesen. Die [X.]eklagte hat hierauf zwar Antrag auf Klagabweisung gestellt. Sie hat sich damit jedoch - entgegen der Auffassung des [X.] - nicht [X.] zur Sache eingelassen, so dass ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht ausnahmsweise entbehrlich geworden ist (vgl. zu diesem Ausnahmetatbestand VGH [X.]aden-Württemberg, NVwZ-[X.][X.] 1992, 184 f.). Es ist nicht davon auszugehen, dass die [X.]eklagte das Fehlen eines Vorverfahrens unbeanstandet gelassen hat. Das [X.] enthält eine entsprechende Erklärung der [X.]eklagten nicht. Dort ist nur aufgeführt, der [X.] habe [X.]edenken gegen die Zulässigkeit des [X.] erhoben und die Notwendigkeit eines Vorverfahrens mit den Parteien erörtert. Allein der Stellung eines Klagabweisungsantrags kann vorliegend schon deswegen kein Verzicht auf die Durchführung eines Vorverfahrens entnommen werden, weil der [X.]eklagtenvertreter den Klageerweiterungsschriftsatz vom 3. August 2011 erst in der mündlichen Verhandlung erhalten und damit keine Möglichkeit gehabt hat, den erstmals gestellten Hilfsantrag mit dem zuständigen Entscheidungsgremium zu erörtern. Unklar ist darüber hinaus, ob der Kläger bei der [X.]eklagten überhaupt einen Antrag auf Wiederzulassung zur [X.]echtsanwaltschaft gestellt hat, möglicherweise also nicht nur ein Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) unterblieben ist, sondern schon kein behördliches Verfahren eingeleitet worden ist.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Kayser                              König                              Fetzer

                     Frey                              [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 58/11

23.06.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Stuttgart, 4. August 2011, Az: AGH 20/10 (I)

§ 14 Abs 4 BRAO, § 155 Abs 4 BRAO, § 155 Abs 5 S 1 BRAO, § 156 Abs 2 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2012, Az. AnwZ (Brfg) 58/11 (REWIS RS 2012, 5320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5320

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II ZB 8/09

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