Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.09.2010, Az. 9 B 3/10

9. Senat | REWIS RS 2010, 2814

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Gegenstand

Unterbliebene Verkündung des Urteils in öffentlicher Sitzung als Revisionsgrund


Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Die von der [X.]eschwerde geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu. Die [X.]eschwerde weist in ihrer [X.]egründung zur [X.] selbst darauf hin, dass höchstrichterliche Rechtsprechung zur der von ihr als grundsätzlich bezeichneten Frage vorliegt, "ob auf die Prüfung der Planrechtfertigung dann verzichtet werden kann, wenn ein Vorhaben nach dem Fernstraßenausbaugesetz Vordringlichkeit hat". Dass gleichwohl noch weiterer Klärungsbedarf besteht, legt sie nicht dar.

3

2. Sämtliche [X.]n (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bleiben ohne Erfolg.

4

Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen [X.]eschlusses von einer Entscheidung des [X.] hat die [X.]eschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet. Es fehlt eine für die hinreichende [X.]enennung einer Divergenz erforderliche Darlegung divergierender, die jeweilige Entscheidung tragender und auf dieselbe Rechtsvorschrift bezogener abstrakter Rechtssätze.

5

Die [X.]eschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des [X.] ab, weil es davon ausgehe, "eine Planrechtfertigung sei allein deshalb gegeben, weil das Vorhaben als vordringlich in der Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz aufgenommen sei". Diese Rüge geht offensichtlich fehl. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], dass die Planrechtfertigung für ein Straßenbauvorhaben aus der auch im gerichtlichen Verfahren verbindlichen gesetzlichen [X.] folgt. Der Gesetzgeber überschreitet die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens erst, wenn die [X.] evident unsachlich wäre, weil es z.[X.]. an jeglicher Notwendigkeit für das Vorhaben fehlt (Urteil vom 12. März 2008 - [X.] 3.06 - [X.]VerwGE 130, 299 Rn. 43). Das Urteil des [X.] weicht hiervon nicht ab.

6

Ebenfalls nicht durchgreifen kann die [X.]eschwerde, soweit sie rügt, mit der Feststellung, der Kläger sei mit dem Einwand der Existenzgefährdung präkludiert, weiche das angefochtene Urteil von der Entscheidung des [X.] vom 9. November 1979 - [X.]VerwG 4 N 1.78 u.a. - ([X.]VerwGE 59, 87) ab. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass die behauptete Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird. Hieran lässt es die [X.]eschwerde fehlen. Weder wird erkennbar, welchen Rechtssatz die [X.]eschwerde der zitierten Entscheidung des [X.] entnehmen will, noch, welchen Rechtssatz das Oberverwaltungsgericht aufgestellt haben soll. Die [X.]eschwerde moniert vielmehr, dass die Vorinstanz Rechtssätze im Einzelfall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen hat, die sie für geboten hält. Das erfüllt nicht den Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. nur [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

7

Dies gilt auch für die weitere Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den vom [X.] aufgestellten Grundsatz verstoßen, dass die behördliche Abwägungsentscheidung von den Gerichten nicht durch eine eigene abwägende Entscheidung ersetzt werden dürfe. Abgesehen davon, dass das Oberverwaltungsgericht den Kläger mit seinem Einwand schon für präkludiert erachtet hat, hat es auch mit seinen Ausführungen in der Sache keine eigene Entscheidung über das Vorliegen einer Existenzgefährdung getroffen, sondern "die Sachbehandlung durch die [X.]eklagte" ([X.]) bei der Ermittlung der Existenzgefährdung als nicht zu beanstanden bezeichnet und in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es "ohne weitere Anhaltspunkte für die [X.]eklagte keinen Anlass (gab), den [X.]etrieb des [X.] für in seiner Existenz gefährdet zu halten" ([X.] 13).

8

3. [X.]. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

9

a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe das angefochtene Urteil unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit verkündet, greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob die [X.]ehauptung des [X.], es sei am Tag der mündlichen Verhandlung um 16.05 Uhr kein erneuter Aufruf zur Urteilsverkündung erfolgt und kein Urteil verkündet worden, der Wahrheit entspricht oder - wofür die dienstliche Erklärung des Vorsitzenden [X.] der Vorinstanz spricht - unzutreffend ist. Sowohl die Öffentlichkeit der Verhandlung als auch die Verkündung der Entscheidungen des Gerichts, gehört zu den nach § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 Nr. 7 ZPO vorgeschriebenen Förmlichkeiten, deren [X.]eachtung gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 165 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden kann. Solange keine Protokollberichtigung nach § 105 VwGO i.V.m. § 164 ZPO erfolgt ist, muss der Senat für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von dem Inhalt des Protokolls vom 21. Oktober 2009 ausgehen. Danach ist das Urteil am 21. Oktober 2009 nach [X.] der Sache um 16.05 Uhr verkündet worden.

Abgesehen davon könnte die Rüge auch bei einem unterstellten Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit bei der Verkündung der Entscheidung keinen Erfolg haben. Eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit bei der Verkündung einer Entscheidung (§ 55 VwGO, § 169 Satz 1 GVG) stellt keinen absoluten Revisionsgrund i.S.d. § 138 Nr. 5 VwGO dar. § 138 Nr. 5 VwGO beschränkt die Fiktion, dass das Urteil stets als auf der Verletzung von [X.]undesrecht beruhend angesehen wird, auf den Fall, dass das Urteil "auf eine mündliche Verhandlung" ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. Die unterbliebene Verkündung des Urteils in öffentlicher Sitzung wird nicht erfasst ([X.]eschlüsse vom 23. November 1989 - [X.]VerwG 6 C 29.88 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 91 S. 37 f. und vom 16. Juni 2003 - [X.]VerwG 7 [X.] 106.02 - juris § 279 ZPO Nr. 1 S. 2 nicht abgedruckt>).

Ohne Erfolg muss auch die Rüge bleiben, dass Urteil des [X.] sei nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 VwGO der Geschäftsstelle zum Zweck der Zustellung übermittelt worden. Abgesehen davon, dass die Vorschrift nur den hier nicht gegebenen Fall erfasst, dass statt der Verkündung die Zustellung des Urteils gewählt wird, wäre ein Verstoß gegen § 116 Abs. 2 VwGO ebenso wie ein solcher gegen den bei Zustellung des Urteils entsprechend anwendbaren § 117 Abs. 4 VwGO ([X.]eschluss vom 26. April 1999 - [X.]VerwG 8 [X.] 67.99 - [X.] 428 § 3 VermG Nr. 30 S. 6 f.) nur dann erheblich, wenn dargelegt wird, dass das Urteil auf dem Verstoß beruhen kann ([X.]eschluss vom 11. Juni 2001 - [X.]VerwG 8 [X.] 17.01 - [X.] 310 § 116 VwGO Nr. 26 S. 2 f.). Hieran fehlt es. Es ist auch nichts dafür ersichtlich. Das Urteil ist am 10. November 2009 und damit nur wenige Tage nach Ablauf der Frist auf der Geschäftsstelle eingegangen.

Entsprechendes gilt für die Rüge, ein die Zulassung der Revision rechtfertigender [X.] liege darin, dass das Oberverwaltungsgericht entgegen § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO nicht innerhalb von zwei Wochen das unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle übermittelt habe. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die getroffene Entscheidung auf einem solchen Verstoß beruhen könnte.

b) Keine der [X.], mit denen die [X.]eschwerde die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) geltend macht, rechtfertigt die Zulassung der Revision.

Die [X.]eschwerde rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das angegriffene Urteil [X.] des Vortrags des [X.] zur [X.]eeinträchtigung der Damwildbestände zu Unrecht nur als natur- und forstwirtschaftlichen Einwand behandelt habe. Tatsächlich habe der Kläger auf seine [X.]etroffenheit als Mitglied der Jagdgenossenschaft und auf die Gefährdung seiner Existenz durch die [X.]eeinträchtigung des [X.] hingewiesen. Diese Rüge übersieht, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen des [X.] zur [X.]eeinträchtigung des [X.] durch die [X.] nicht nur als präkludiert angesehen hat, weil er Ausführungen zu den [X.] erst nach Ablauf der Einwendungsfrist gemacht habe, sondern zu dem die Entscheidung selbständig tragenden Ergebnis gekommen ist, ein Abwägungsfehler liege hinsichtlich der [X.]eurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf den [X.] "offensichtlich nicht vor" ([X.] 9). Dies stützt das Gericht auf Stellungnahmen des [X.] und der als anerkannter Naturschutzverband beteiligten Landesjägerschaft [X.], die sich wiederum auf die Stellungnahme der örtlichen Kreisjägerschaft, wonach durch die vorgesehene Ortsumfahrung kein bekannter Wildwechsel betroffen werde, bezieht. [X.]ei dieser Sachlage sei die Zurückstellung jagdrechtlicher [X.]elange nicht zu beanstanden, zumal durch Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses weitere Maßnahmen zur Sicherstellung jagdrechtlicher [X.]elange vorbehalten blieben.

Da sich unter diesen Umständen für das Oberverwaltungsgericht Ausführungen sowohl zu der von dem Kläger insoweit behaupteten Existenzgefährdung als auch zu den behaupteten negativen Auswirkungen des Vorhabens auf die [X.] des [X.] erübrigten, liegt auch der von der [X.]eschwerde gerügte Verstoß gegen die [X.]egründungspflicht (§ 138 Nr. 6 VwGO) nicht vor.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Vortrag des [X.] zu der Arrondierung seines landwirtschaftlichen [X.]etriebs und dessen Lage am Ortsrand zur Kenntnis genommen, wie sich aus dem Tatbestand des Urteils ergibt ([X.] 2 unten und S. 3 oben).

Die [X.]eschwerde kann schließlich mit der Rüge keinen Erfolg haben, die Ausführungen des [X.] zur Existenzgefährdung seien überraschend gewesen, weil in der mündlichen Verhandlung nur thematisiert worden sei, ob der Kläger mit diesem Einwand präkludiert sei. Es trifft nicht zu, dass die Frage der Existenzgefährdung nur unter dem Aspekt der Präklusion erörtert und der Kläger insoweit in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2009 ist im Rahmen der Erörterung die [X.] "insbesondere im Hinblick auf eine Existenzgefährdung des klägerischen [X.]etriebes" von der Prozessbevollmächtigten des [X.] thematisiert und in diesem Zusammenhang ein kompletter "Ausfall an Überlegungen zur weiteren Existenz bzw. zur Gefährdung der Existenz des klägerischen landwirtschaftlichen [X.]etriebes" gerügt worden. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass die angegriffene Entscheidung mit den Ausführungen zur Existenzgefährdung auf Gesichtspunkte gestützt wurde, mit denen der Kläger nicht rechnen konnte und zu denen er keine Gelegenheit zu weiterem Vortrag und zur Stellung von [X.]eweisanträgen gehabt hätte.

Meta

9 B 3/10

30.09.2010

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 21. Oktober 2009, Az: 7 KS 32/08, Urteil

§ 169 S 1 GVG, § 55 VwGO, § 138 Nr 5 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.09.2010, Az. 9 B 3/10 (REWIS RS 2010, 2814)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2814

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