Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2010, Az. 2 BvR 1913/09

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2010, 2043

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: mangels rügefähigen Rechts unzulässige Verfassungsbeschwerde, mit der die Verletzung des subjektiven Wahlrechts gerügt worden war - hier: Kreistagswahl in Bayern - Verschiebung der Stimmengewichtung bei Listenverbindungen


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der Partei [X.]. Diese erzielte bei der Kreistagswahl für den [X.]am 2. März 2008 einen Stimmanteil von 4 %. Ihr wurden zwei Sitze im Kreistag zugeteilt. An der Wahl hatten sich auch die [X.] und die [X.] beteiligt. Sie gingen eine Listenverbindung ein und erzielten insgesamt einen Stimmanteil von 5,92 % (3,37 % [X.] und 2,55 % [X.]). Beiden Parteien wurden jeweils zwei Sitze zugeteilt. Wären sie keine Listenverbindung eingegangen, wäre der [X.] nur ein Sitz zugeteilt worden.

3

2. Soweit sich der Beschwerdeführer unter Berufung auf das Demokratieprinzip und Art. 3 Abs. 1 [X.] gegen die Ablehnung seines Antrags wendet, die Wahl für ungültig zu erklären, steht ihm ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 BVerf[X.]).

4

a) Eine Verletzung des Demokratieprinzips gemäß Art. 20 Abs. 1 [X.] kann er mit der Verfassungsbeschwerde nicht geltend machen, weil es sich dabei nicht um ein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerf[X.] handelt.

5

b) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 [X.] unter dem Gesichtspunkt geltend macht, durch die Listenverbindung würden die Wählerstimmen ungleich gewichtet und der Wählerwille verfälscht, fehlt es an einer [X.] Gewährleistung der [X.] bei Kommunalwahlen durch das Grundgesetz. Während die Verletzung der [X.] bei Bundestagswahlen mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 BVerf[X.] in Verbindung mit [ref=c8a11b49-96a2-4fe4-8021-050c108128b8]Art. 38 Abs. 1 Satz 1 [X.][/ref]), fehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf [X.] der Länder geht ([X.] 99, 1 <7 ff.>).

6

aa) Art. 38 [X.] erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum [X.]. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus  . Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf [X.] zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 [X.] jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des [[X.]-5cdf-4d76-bd57-dc8e299e7acb]Art. 28 Abs. 1 Satz 2 [X.][/ref] kann auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 [X.] verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 [X.] aus (vgl. [X.] 99, 1 <7 ff.>).

7

bb) Die Länder gewährleisten den [X.] Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. [X.] 99, 1 <7 ff.>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats  vom 9. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, S. 776 <777> und vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris ). Dem Beschwerdeführer steht zur Verteidigung seines subjektiven Wahlrechts auf Länderebene der Verwaltungsrechtsweg zur Verfügung (Art. 52 Abs. 1 Satz 1 des [X.] über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte ). Ein Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 [X.] keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz verbürgt (vgl. [X.] 99, 1 <19>). Die Verfassung des Freistaats Bayern sieht über den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg hinaus einen landesverfassungsrechtlichen Rechtsschutz vor. Die Verletzung des subjektiven Wahlrechts bei Kommunalwahlen (Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 [X.].) durch die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen kann der Beschwerdeführer gemäß Art. 66, Art. 120 [X.]. in Verbindung mit Art. 2 Nr. 6, Art. 51 ff. Bay[X.]GHG im Wege der Verfassungsbeschwerde zum [X.] geltend machen (vgl. [X.]GH, Entscheidung vom 28. Januar 1993 - [X.]. 25-VI-92 u.a. -, NVwZ-RR 1993, S. 569 <570>; Entscheidung vom 11. März 1994 - [X.]. 22-VI-92 -, NVwZ 1994, S. 993 <994>). Darüber hinaus besteht das von der subjektiven Berechtigung unabhängige, objektive Verfahren der [X.] gemäß Art. 98 Satz 4 [X.]. in Verbindung mit Art. 2 Nr. 7, Art. 55 Bay[X.]GHG. Dabei handelt es sich um ein objektives Verfahren, das im öffentlichen Interesse den Schutz der Grundrechte als Institution bezweckt (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2009, Art. 98 Rn. 8 m.w.N.).

8

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerf[X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1913/09

26.10.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 16. Juli 2009, Az: 4 ZB 09.26, Beschluss

Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 S 2 GG, Art 28 Abs 1 S 2 GG, Art 38 Abs 1 S 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 93a Abs 1 Nr 4a GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, LKreisWG BY, Verf BY 1998

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2010, Az. 2 BvR 1913/09 (REWIS RS 2010, 2043)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2043

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1672/12

B 5 K 15.645

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