Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2009, Az. VII ZB 111/08

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2582

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BUNDESGERICHTSHOF [X.]/08 vom 9. Juli 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 233 Ff, 520 Abs. 2 Grundsätzlich darf eine [X.] darauf vertrauen, dass ihrem lediglich mit der [X.] des Gegners begründeten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbe-gründungsfrist stattgegeben wird. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Juli 2009 durch den [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 6. November 2008 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ge-währt. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. [X.]: 2.027,17 • Gründe: [X.] Der Kläger hat gegen das klageabweisende, am 3. Juni 2008 zugestellte Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begrün-dung der Berufung ist auf seinen begründeten Antrag von der [X.] bis zum 3. September 2008 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 1 - 3 - 3. September 2008 hat der Kläger unter Hinweis auf das Einverständnis des [X.]vertreters beim [X.] eine zweite Verlängerung der Berufungs-begründungsfrist um sieben Tage beantragt. Das hat die [X.] durch Verfügung vom 4. September 2008 abgelehnt, weil der [X.] nicht begründet worden sei. Daraufhin hat der Kläger mit einem am gleichen Tag per Telefax beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 17. September 2008 die Berufung begründet und in einem weiteren Schriftsatz vom gleichen Tage wegen der Versäumung der [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, der Antrag auf Verlängerung der [X.] vom 3. September 2008 habe, wie sich eindeutig aus § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergebe, wegen der hinreichend dargelegten Einwilligung des Pro-zessbevollmächtigten des [X.] in die Fristverlängerung keiner weiteren Begründung bedurft. Weil er demnach auf die rechtzeitig beantragte Verlänge-rung der Berufungsbegründungsfrist habe vertrauen dürfen, sei er ohne [X.] an der Einhaltung der am 3. September 2008 abgelaufenen Frist ver-hindert gewesen, zumal die Ablehnung der Fristverlängerung erst am 4. September 2008 und damit nach Ablauf der bis dahin geltenden Frist erfolgt sei. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 6. November 2008 die [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und zugleich die Beru-fung des [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlus-ses erstrebt und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der [X.] der Berufungsbegründungsfrist anträgt. 2 - 4 - I[X.] 3 1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht dem Kläger zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der [X.] der Berufungsbegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfah-rensgrundrecht des [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Es hat dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt. 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. 4 a) Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung verweigert, der Kläger sei nicht unverschuldet an der Ein-haltung der am 3. September 2008 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist verhindert gewesen. Auf die Bewilligung der am Tage des Fristablaufs erbete-nen zweiten Fristverlängerung habe der Kläger nicht vertrauen dürfen, weil er seinen dahingehenden Antrag nicht ordnungsgemäß begründet habe. Der [X.] müsse auch im Falle des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erhebliche Gründe vorbringen, die eine Fristverlängerung rechtfertigen könnten. Der [X.] auf das Einverständnis des Gegners mit der Fristverlängerung reiche in-soweit nicht aus, weil eine [X.]vereinbarung nach allgemeinen, sich aus § 224 Abs. 2, § 227 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebenden Grundsätzen kein erheblicher Grund für eine Fristverlängerung sei und das Gericht das ihm gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingeräumte Ermessen nur dann ausüben könne, wenn sol-che Gründe vorgebracht seien. 5 - 5 - b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsge-richt hat dem Kläger zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt. 6 7 aa) Der Kläger war entgegen der Auffassung des [X.] sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhin-dert, § 233 ZPO. Denn er durfte darauf vertrauen, dass seinem rechtzeitig ge-stellten Antrag, die bereits bis zum 3. September verlängerte [X.] um weitere sieben Tage bis zum 10. September 2008 zu verlängern, entsprochen würde. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, wo-nach der Kläger über die Mitteilung der Einwilligung des [X.] hinaus er-hebliche Gründe für die erneute Fristverlängerung hätte darlegen müssen, ist unzutreffend. Sie überspannt die sich aus § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergebenden Anforderungen an einen bewilligungsfähigen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung. Allerdings ist der Rechtsmittelführer generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung seines pflichtge-mäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der [X.] versagt. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittel-führer deshalb nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte ([X.], Beschluss vom 4. Juli 1996 - [X.] ZB 14/96, [X.], 3155; [X.] vom 21. Februar 2000 - [X.], [X.], 947, jeweils m.w.[X.]). Das wiederum ist nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der [X.] der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wurde ([X.], Beschluss vom 15. August 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 76 m.w.[X.]; zu § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F.: 8 - 6 - [X.], Beschluss vom 11. November 1998 - [X.]I ZB 24/98, [X.], 430 m.w.[X.]). Eine strengere Gerichtspraxis, die solche erheblichen Gründe generell nicht für ausreichend hält, bewegt sich nicht im Rahmen zulässiger, am Einzel-fall orientierter Ermessensausübung; auf eine solche Praxis braucht sich der Anwalt nicht einzustellen ([X.], NJW 1989, 1147; [X.], Beschluss vom 11. November 1998 - [X.]I ZB 24/98, [X.], 430). Bei Anwendung dieser Grundsätze kann eine [X.] auf eine Fristverlän-gerung auch dann vertrauen, wenn diese unter Hinweis auf das erteilte [X.] des Gegners erstmalig beantragt wird, ohne dass erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dargetan sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO bedarf es für die Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist keiner erheblichen Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wenn der Gegner einwilligt. Mit der Neueinführung dieser Vor-schrift hat der Gesetzgeber eine im Vergleich zu der früheren Regelung des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F. vereinfachte Möglichkeit für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist schaffen wollen (BT-Drucks. 14/4722, [X.]). Die Vereinfachung besteht nach dem [X.] zwischen § 520 Abs. 2 Satz 2 und § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO darin, dass allein die Einwilligung des Gegners die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung eröffnet. Die Bewilligung der Fristverlängerung hängt dann nicht davon ab, dass der [X.] hierfür erhebliche Gründe geltend machen kann, die er folglich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht darlegen muss (Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 520 Rdn. 8). Vielmehr sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die vom Gericht gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu tref-fende Ermessensentscheidung auch ohne solche erheblichen Gründe erfüllt. 9 Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass der Kläger hier um eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht hatte. 10 - 7 - Allerdings hat der [X.] für das frühere Recht (§ 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F.) grundsätzlich in Zweifel gezogen, ob der Rechtsmittelführer auch darauf vertrauen darf, dass einem zweiten ordnungsgemäß begründeten [X.] stattgegeben wird ([X.], Beschluss vom 21. Februar 2000 - [X.]; [X.], 947; vgl. auch [X.], Beschluss vom 4. März 2004 - [X.] 121/03, NJW 2004, 1742; offengelassen von [X.], Beschluss vom 4. Juli 1996 - [X.] ZB 14/96, [X.], 3155). Er hat diese Frage nur in einem besonders gelagerten Einzelfall bejaht, in dem der Anwalt des [X.] erst mit erheblicher Verspätung die mehrfach erbetene Akteneinsicht erhal-ten hatte. Ob diese Zweifel auch für die Geltung des neuen Rechts fortbeste-hen, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Berufungsbegründungsfrist wegen "erheblicher Gründe" jetzt nur noch um höchstens einen Monat verlängert werden. Eine sol-che zeitliche Beschränkung besteht gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht, wenn der Gegner einwilligt. Diese Regelung lässt es grundsätzlich zu, dass der Berufungsführer mit Einwilligung des Gegners eine zweite, über einen Monat hinausgehende Verlängerung der erstmalig bereits wegen erheblicher Gründe verlängerten Berufungsbegründungsfrist erreichen kann. Die amtliche Geset-zesbegründung sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor (BT-Drucks. 14/4722, [X.]). Jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem der Kläger mit [X.] des Gegners eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist von lediglich sieben Tagen beantragt hatte, durfte er deshalb darauf vertrauen, dass seinem Verlängerungsantrag stattgegeben wird. [X.]) Der Wiedereinsetzungsantrag und die Berufungsbegründung sind rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel am Montag, den 8. September 2008, als der Prozessbevoll-mächtigte des [X.] bei zu [X.] normaler [X.] die gerichtli-che Mitteilung vom 4. September erhielt, dass die beantragte zweite [X.] - 8 - rung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht komme. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Berufungsbegründung einzureichen, § 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist hat der Kläger gewahrt; Wiedereinsetzungsantrag und Berufungsbegründung gingen am 17. September 2008 und damit rechtzeitig beim Berufungsgericht ein. cc) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Kläger um Verlänge-rung der Berufungsbegründungsfrist nur bis zum 10. September 2008 nachge-sucht und diese sich selbst gesetzte Frist überschritten hat (vgl. [X.], [X.] vom 16. April 2009 - [X.] ZB 66/08 und [X.] ZB 67/08 m.w.[X.], in juris). 12 3. Dem Kläger war somit unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] vom 6. November 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren. [X.] sind die mit jenem Beschluss ebenfalls ausgesprochene Verwerfung der Berufung und die auch dagegen vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde des 13 - 9 - [X.] gegenstandslos (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Dezember 2006 - [X.], NJW 2007, 1455 und vom 15. Januar 2008 - [X.], [X.], 1164). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 27.05.2008 - 4 C 6/08 - [X.], Entscheidung vom 06.11.2008 - 2 S 67/08 -

Meta

VII ZB 111/08

09.07.2009

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2009, Az. VII ZB 111/08 (REWIS RS 2009, 2582)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2582

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VII ZB 51/15

Zitiert

4 C 6/08

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