Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2010, Az. VI ZB 46/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8441

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 16. März 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 233 (Ff), § 520 Abs. 2 Satz 3 Ein Prozessbevollmächtigter darf mit der Bewilligung einer erstmals beantragten [X.] der Berufungsbegründungsfrist rechnen, wenn er zur Begründung des Verlängerungsantrags darauf verweist, eine ausreichende Rücksprache mit dem Mandanten und die notwendige Beschaffung von Unterlagen hätten innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht erfolgen können. In der Regel reicht die pauschale Berufung auf einen dieser Gründe in der Antragsschrift aus; eine weitere Substantiie-rung oder Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich. [X.], Beschluss vom 16. März 2010 - [X.]/09 - [X.]

LG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 16. März 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 17. Juni 2009 aufgehoben. Der Klägerin wird wegen der Versäumung der Frist zur [X.] der Berufung gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Land-gerichts [X.] vom 27. März 2009 Wiedereinsetzung in den [X.] Stand bewilligt. [X.]: 14.190,24 • Gründe: [X.] Die Klägerin hat mit der beim [X.] [X.] erhobenen Klage die Beklagte auf Schadensersatz wegen des Todes eines Pferdes in Anspruch ge-nommen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung beim [X.] eingelegt. Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist (2. Juni 2009, 16:09 Uhr) hat der [X.] - 3 - bevollmächtigte der Klägerin per Telefax Verlängerung der [X.] um einen Monat beantragt, da "bisher nicht alle erforderlichen [X.] vorliegen und eine ausreichende Rücksprache mit der Mandantschaft nicht gehalten werden konnte". Der Senatsvorsitzende hat den Antrag mit [X.] vom 3. Juni 2009 abgelehnt, weil kein erheblicher Grund im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgetragen sei. Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2009, eingegangen beim Berufungsgericht am selben Tag, hat die Klägerin die Beru-fung begründet und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der [X.] der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. 2 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, § 575 ZPO). Sie ist auch begründet. Der angegriffene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verbürgten Recht auf faire Verfahrensgestaltung. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht verweigert. Die Klägerin war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Denn dem Antrag ihres Prozessbevollmächtigten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hätte stattgegeben werden [X.]. 3 1. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Wiedereinsetzung wie folgt begründet: Im Streitfall habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin 4 - 4 - nicht mit einer Fristverlängerung rechnen können, da er erhebliche Gründe für die Fristverlängerung nicht vorgetragen habe. Dass "eine ausreichende Rücksprache mit der Mandantschaft nicht gehalten werden konnte", reiche als Begründung nicht aus. Denn dabei bleibe gänzlich offen, weshalb eine für erforderlich gehaltene ausreichende Rücksprache bislang nicht habe erfolgen können. Der Gesetzgeber sei bei der Regelung in § 520 Abs. 2 ZPO davon ausgegangen, dass eine Berufungsbegründung regelmäßig in der Frist von zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils erfolgen könne. Es sei das erklärte Ziel des Gesetzgebers, zur Beschleunigung des Verfahrens eine Fristverlängerung nicht nur an das Vorliegen eines Antrags zu knüpfen. [X.] sollten - abgesehen vom Fall der Einwilligung des Gegners und des [X.] einer Verzögerung - nur erhebliche Gründe zu einer Verlängerung der [X.] führen. Aus diesem Grunde genüge (für eine Fristver-längerung) nicht die bloße Angabe, dass eine ausreichende Rücksprache noch nicht habe erfolgen können. Ein erheblicher Grund für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist könne nur dann vorliegen, wenn sich dem Antrag entnehmen lasse, warum diese Rücksprache nicht in der vom Gesetzgeber grundsätzlich für ausreichend gehaltenen Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils habe erfolgen können. Gleiches gelte, soweit der Fristverlängerungsantrag darauf gestützt sei, dass noch nicht alle erforderlichen Unterlagen vorlägen. Zwar sei anerkannt, dass Beschaffungsschwierigkeiten bei Beweisurkunden oder Gutachten ebenso erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung darstellen könnten wie die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens. Aber auch hier liege nur dann ein erheblicher Grund vor, wenn dargetan sei, aus welchen Gründen die Urkunden nicht innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist hätten beschafft werden können bzw. das Gutachten nicht habe eingeholt 5 - 5 - werden können. Derartiges lasse sich dem Antrag der Klägerin aber nicht entnehmen. 6 2. Diese Ausführungen sind mit den Anforderungen, die das [X.] und der [X.] an die Begründung eines erstmali-gen Antrags auf Fristverlängerung stellen, nicht vereinbar. 7 a) Nach der Rechtsprechung des Senats sind bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine besonders hohen An-forderungen an die erforderliche Darlegung der erheblichen Gründe für die Notwendigkeit der Fristverlängerung zu stellen. Der Anwalt kann danach grund-sätzlich erwarten, dass dem Antrag entsprochen wird, wenn einer der im [X.] genannten Gründe vorgebracht wird (Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1992 - [X.] ZB 25/92 - [X.], 771 f.; vom 18. September 2001 - [X.] ZB 26/01 - VersR 2001, 1579; vom 13. Dezember 2005 - [X.] ZB 52/05 - [X.], 568). Dies entspricht auch der Rechtsprechung der anderen Senate des [X.] (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 7. Juni 1999 - [X.] - NJW 1999, 3051 f.; vom 11. Juli 1985 - [X.] - [X.], 972 f.; vom 18. Juli 2007 - [X.]/06 - [X.], 1583 f.; vom 23. Oktober 2003 - [X.]/03 - NJW-RR 2004, 785; vom 24. Oktober 1996 - [X.]I ZB 25/96 - [X.], 258 f.; vom 9. Juli 2009 - [X.]I ZB 111/08 - NJW 2009, 3100 f.; vom 11. November 1998 - [X.]II ZB 24/98 - [X.], 1559 f.; vom 1. August 2001 - [X.]II ZB 24/01 - [X.], 1576 f.; vom 11. Februar 1998 - [X.]/97 - NJW-RR 1998, 787 f.; vom 15. August 2007 - [X.]/07 - NJW-RR 2008, 76 ff.). Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen [X.]en strengere Maßstäbe anlegen (vgl. [X.], NJW 1998, 3703 f.; NJW 2001, 812 ff.; NJW 2007, 3342 f.). - 6 - b) Das Berufungsgericht weicht in entscheidungserheblicher Weise von dieser Rechtsprechung ab. Seine Auffassung, ein erheblicher Grund sei nur dargelegt, wenn der Anwalt über den allgemein bezeichneten Grund hinaus, warum eine Fristverlängerung benötigt werde, dazu Einzelheiten vortrage, [X.] in den zitierten Entscheidungen keine Stütze. 8 9 Zum als "erheblich" anzusehenden Verlängerungsgrund der beruflichen Überlastung ist anerkannt, dass eine ins Einzelne gehende Darlegung dieser Überlastungsgründe beim ersten Verlängerungsantrag nicht verlangt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1992 - [X.] ZB 25/92 - aaO; [X.], vom 11. Juli 1985 - [X.] - aaO; NJW-RR 1989, [X.]; [X.], NJW 1998, 3703 f.). Der bloße Hinweis auf eine solche Arbeitsüberlastung reicht zur Feststellung eines erheblichen Grundes aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1992 - [X.] ZB 25/92 - aaO; m.w.N.; vgl. auch [X.]E 79, 372, 377; [X.], NJW 2001, 812, 813; NJW-RR 2002, 1007, 1008; NJW 2007, 3342). Ein Prozessbevollmächtigter darf auch mit großer Wahrscheinlichkeit dann mit der Bewilligung einer erstmals be-antragten Fristverlängerung rechnen, wenn die noch erforderliche Rücksprache oder Informationsbeschaffung bei der [X.] nicht innerhalb der Berufungsbe-gründungsfrist erfolgen konnte, wobei auch hier eine weitere Substantiierung oder Glaubhaftmachung in der Regel nicht erforderlich ist (vgl. [X.], [X.] vom 23. Juni 1994 - [X.]I ZB 5/94 - NJW 1994, 2957, 2958; vom 11. No-vember 1998 - [X.]II ZB 24/98 - aaO; vom 19. Januar 2000 - [X.] - NJW-RR 2000, 799 f.; vom 1. August 2001 - [X.]II ZB 24/01 - [X.], 1576, 1577; [X.], NJW 1998, 3703 f.). Für die notwendige Beschaffung von [X.] gilt nichts anderes. In all diesen Fällen reicht in der Regel die pauschale Berufung auf einen erheblichen Grund aus, ohne dass der Rechtsanwalt dies je nach den Anforderungen, die einzelne Gerichte stellen, mehr oder weniger [X.] müsste. - 7 - Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss gereicht es einer [X.] auch nicht zum Verschulden, wenn ihr Prozessbevollmächtigter den Antrag auf Fristverlängerung erst am letzten [X.] stellt und sich nicht fernmündlich nach der Entscheidung über den Verlängerungsantrag er-kundigt. Eine [X.] ist grundsätzlich berechtigt, eine Frist bis zum letzten Tag auszuschöpfen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 1998 - [X.]II ZB 24/98 - aaO; [X.]E 69, 381, 385; [X.], NJW 2001, 812, 813 f.). Wenn mit einer Verlängerung der Frist gerechnet werden kann, besteht keine Notwendigkeit für eine Rückfrage bei Gericht vor Ablauf der Frist (vgl. [X.], aaO; [X.], NJW 1998, 3703 f.; NJW 2001, 812, 814). Auf die Hypothesen des Berufungs-gerichts, was dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wann hätte bekannt sein müssen und wie er darauf hätte reagieren können, kommt es darum nicht an. 10 3. Danach hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf eine positive Bescheidung seines [X.] dürfen. Die Klägerin hat die Berufungsbegründungsfrist deshalb ohne ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten versäumt. 11 - 8 - Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der [X.] form- und fristgerecht gestellt worden ist, hat der Senat die beantragte Wiedereinsetzung bewilligt. [X.]Zoll [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 27.03.2008 - 1 O 31/08 - [X.], Entscheidung vom 17.06.2009 - 2 U 58/09 -

Meta

VI ZB 46/09

16.03.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2010, Az. VI ZB 46/09 (REWIS RS 2010, 8441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8441

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